Schitour Piz Boè, 3.152 m vom Prodoijoch

Eine schöne und vom Aufstieg her gesehen kurze Schitour auf den Piz Boè kann unternehmen, wer nicht einen ganzen Tag auf der Piste in einem Schigebiet verharren möchte. Wer sich mit einer Gesellschaft auf die Sellarunde begibt, selbst aber nicht der Alpinschifreund ist, kann die Runde mit der Schi-Besteigung des Piz Boè unterbrechen und sozusagen die Runde halbieren, mit einem kurzen Aufstieg auf den Gipfel und einer 1.500 Hm umfassenden Abfahrt durch das landschaftlich phantastische Mittagstal (Val de Mesdi).

Sonnenstrahlen für das Gipfelfoto taten sich auf

Unser Ausgangspunkt stellte das Plan de Gralba dar, ein optimaler Startpunkt für die Sellarunde gegen den Uhrzeigersinn im Allgemeinen und am Fuße des grandiosen Langkofels liegt sowie eine bärige Aussicht auf ihn bietet.

Es gibt auf der Sellarunde eine Konvention:
– die Runde gegen den Uhrzeigersinn folgt den Liften die grün markiert sind
– die Runde im Uhrzeigersinn folgt den Liften die orange markiert sind
Unsere Runde folgte den grün markierten Liften, gegen den Uhrzeigersinn.

Standeskontrolle und LVS Check am Plan de Gralba

Vom Plan de Gralba aus nahmen wir um 10 Uhr auf das Sellajoch hinauf folgende Lifte im Alpinschimodus: 45, 46, 49 und 55, sodann ging es vom Sellajoch hinab in Richtung Canazei bis zum Gegenhang in Pian Frataces, bei dem die Lifte 105 und 107 auf die Sas Becè genommen werden müssen. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick zur Marmolata südöstlich gegenüber.

Schitourengruppe vor dem Massiv des Langkofels

Die Abfahrt erfolgte nun entlang der Piste des Liftes 124, der ein orange markierter Lift ist, bis zum alten Sessellift 125, der zum Pordoijoch hinaufführt und ebenfalls einen Lift der orangen Route darstellt. Es ist ebenfalls möglich etwas weiter abzufahren und mit der Kabinenbahn 126 auf den Paß zu gelangen.

nach den ersten Liften ein Blick nach Südosten zum Sellajoch

Am Pordoijoch muß der Schi für eine kurze Gehpassage am Paß geschultert werden, um zur Gondelbahn 103 auf die Sass Pordoi – der Pordoispitze – zu gelangen. Spätestens am Paß hat man den Rummel des Schigebietes hinter sich gelassen. Von 2.209 m der Passhöhe führt die Gondelbahn auf 2.950 m auf das Platt am Sass Pordoi. Die Gondelbahn fährt etwa alle 15 min, sodaß man für diese Passage eine kleine Unterbrechung, bzw. für die Auffahrt ab dem Pass eine halbe Stunde rechnen sollte.

Grohmannspitze am Plattkofelmassiv (links)

Von der Bergstation auf der Pordoispitze genießt man einen atemberaubenden Ausblick über das gesamte Panorama des Sellastockes bzw. der umliegenden Täler. Leider war er uns an diesem Tag nicht vergönnt, da eine Südströmung mit Föhn für dichte Bewölkung und Nebelbildung ab etwa 2.700 m Höhe sorgte. Wir verließen die Bergstation somit im Nebel und fuhren entlang der Schipiste leicht nordöstlich zur Pordoischarte ab. Die Abfahrt umfasst 100 Hm und endet in der breiten Scharte mit der Pordoihütte, die im Winter geschlossen ist.

Präsentation der Pordoispitze gegenüber uns

Dort, in der Scharte, wurde erstmalig auf der Runde aufgefellt. Auf 2.850 m beginnt die kurze Schitour auf den Piz Boè zunächst in östlicher Richtung und wendet dann in einem großen Bogen in nahezu nordöstliche Richtung.

Start zu den 100 Hm Abfahrt zur Pordoihütte

Bei Nebel sei man in der Spurwahl – sofern eine solche vorhanden ist – vorsichtig, denn es gibt auch eine flache Route direkt zur Boèhütte, die den Gipfel rechts liegen läßt. Etwa 350 bis 400 m nach dem Start der Schitour führt die Route auf den Gipfel rechts in den weiten Karkessel hinein, mit einer Geländestufe am Ende.

Blick in die Pordoischarte

Auf der rundlichen Geländestufe angelangt wurde uns für einige Minuten durch den kurzzeitig lichter werdenden Nebel ein Blick auf den Gipfel des Piz Boè zuteil, jedoch zu kurz, um ein eindrucksvolles Foto davon anzufertigen.

eine längere Strecke auf der untersten Terrasse Piz Boès

Am Ende der flachen Aufstiegstrecke, am beginnenden Gipfelaufbau des mit seinen stufenförmigen Terrassen typisch dolomitisch gebauten Piz Boè, mußten wir für eine kurze, steile Passage den Schi schultern. Im Schitourenmodus bewältigten wir dann die nächste Stufe, die aber langgezogener und somit auch unter Schi begangen werden konnte. Nach Belieben jedoch wählten einige in unserer siebenköpfigen Gruppe den Stapfmodus bis zum Gipfel.

durch den Nebel erkannten wir die teils felsige Route auf den Piz Boè

Am Piz Boè, auf 3.152 m Seehöhe, befindet sich die kleine Capanna Piz Fassa Hütte direkt am Gipfel, sowie eine hässliche Stahlkonstruktion, die das kleine Stahlgipfelkreuz in den optischen Hintergrund treten läßt. Leider klarte der Nebel während unseres Gipfelaufenthaltes nicht auf, obwohl die Nebelobergrenze nur etwa 100 m über uns zu sehen war.

über die erste Felsstrecke wird der Schi getragen

Leichter Wind verblies kurzzeitig den dichten Nebel, sodaß ein paar Sonnenstrahlen für das Gipfelfoto auf den Gipfel herab dringen konnten. Für den Aufstieg von der Pordoischarte hatten wir nicht ganz 90 min benötigt.

kurze steile Flanken wechseln mit flacheren Rampenstrecken

Nach dem kurzen, halbstündigen Gipfelaufenthalt mit Jause und Abfellen hatten wir im wieder dichten Nebel Schwierigkeiten mit der Orientierung hinab zum nächsten Etappenpunkt, der Boè Hütte (Bamberger Hütte). Um sie zu erreichen, muß eine schmale steile Rinne angepeilt werden, die wir nicht sehen konnten.

das Gipfelbild – vom Selbstauslöser leider nicht scharf…

Während ein Teil von uns die steile Mulde unterhalb des Gipfels in Hangfalllinie abfuhr, versuchte es ein anderer Teil über den Gratrücken, über den das Kartenwerk den Sommeraufstieg zeigt. Beide Routen sind machbar, sie treffen unten, vor der steilen Rinne durch die Basisstufe des Gipfelaufbaues wieder zusammen.

Abfahrt über die Westflanke

Die steile Rinne war bis zu ihrer unteren Öffnung gut mit Schnee gefüllt und konnte bequem abgerutscht werden. Die Neigung in der Rinne beträgt gut über 40°, sodaß aufgrund der geringen Breite von teilweise etwa 5 m an ein Abfahren mit Schwüngen nicht zu denken war. Im unteren Teil öffnet sich die Rinne weit und dort kruspelte es unter dem Schi durch ungenügende Schneelage.

steile Rinne durch den Gipfelaufbau des Piz Boè hindurch

Der Rückblick von der Boè Hütte auf das Massiv des Gipfelaufbaues mit der seichten Abfahrtsrinne beeindruckt nicht minder auf das folgende Abfahrtserlebnis durch das Mittagstal, das Val de Mesdi. Über eine lange Strecke wird das komplette Tal nach Kolfuschg ausgefahren, mit einem Steilstück zu Beginn der Abfahrt und einem am Ende des Tals.

phantastischer Rückblick auf die Rinnenpassage

Unterhalb der Rinne durch den gewaltigen Riegel des Gipfelaufbaues des Piz Boè konnten wir uns schon über pulverschneeartige Verhältnisse freuen, die leichten Schneefälle der Vortage bildeten eine akzeptable Schneedecke bis hinab zur Boè Hütte und die Steilrinne in das Mittagstal.

am Trichterrand der Abfahrt in das Mittagstal – eine zauberhafte Kulisse trotz Nebel

Diese Steilrinne mit ihrer an die 45° erreichender Neigung bleibt in Erinnerung! Bei gutem Wetter muß sie noch wesentlich eindrucksvoller sein, als sie sich uns im schlechten Kontrast mit den flankierenden Felsen bot. Nach dem Trichterschlund – so könnte man die Einfahrt nennen – bietet sich eine enge, jedoch noch Schwünge zulassende Steilabfahrt über etwa 140 Hm bis sie sich zum  Mittagstal weitet und einen grandiosen Überblick über das Tal zuläßt.

im grandiosen Mittagstal angelangt mit imposanten Flanken der Dolomitenwände der Sellagruppe

Die anschließenden Hänge lassen jegliche individuelle Befahrung zu und allein die mit zunehmendem Höhenverlust scheinbar aufsteigenden Felswände zur Linken und Rechten vermitteln ein phantastisches Erlebnis.

Weiter unten, im eher moderat steilen Teil des mittleren Talabschnitts, treten sehr eindrucksvoll die flankierenden Felsen in Erscheinung, allen voran die freistehende Felsnadel des Mittagszahns, des Dënt  de Mesdi.

der mittlere Teil des Mittagstals auf etwas flacherer Strecke, links der Mittagszahn, der Dënt de Mesdi in der Sprache der Einheimischen.

Hat man diesen zur Linken querab passiert, öffnet sich kurz danach die letzte steile Abfahrt durch den untersten, bewachsenen Teil, der sich in seiner Mitte zur Schlucht wandelt und die letzten Kräfte nach der langen Abfahrt vom Piz Boè raubt. Wir mußten mehrmals auf steiler Stelle verharren, um Kräfte zu sammeln.

Rückblick auf den oberen und mittleren Teil des Mittagstals

Die erlebenswerte Schlucht ist im untersten Teil mit vereinzelten Bäumen bewachsen, oben dominiert die steile Abfahrt.  Über etwa 200 Hm führt das ruppige Gelände auf vorgefahrener Piste neben einem mittelgroßen Wildbach dem spärlichen Wald in der Tiefe zu. So lang und steil die Abfahrt, so rasch senkt sich die Steilheit des Hanges im unteren Abschnitt zur scheinbaren Flachstelle im lichten Wald.

Beginn des unteren Teils des Mittagstals, der Schlucht

Wer die Stelle mit dem Abzweig zum oberen Lift nicht versäumt wird mit einer nur kurzen Auffahrt mit dem Lift 39 auf das Grödnerjoch belohnt, wer den präparierten Weg ausfährt muß recht flach zum Lift 36, um den Lift 39 zu erreichen.

Einfahrt in die Schlucht

Hierzu muß der präparierte Weg kurz vor dem Bach nach Westen verlassen werden und über ein Holzbrückchen der Bach überquert werden. Jenseits warten etwa 5 Hm Aufstieg im Alpinschimodus mit Tretteln, bevor es sehr flach mit Anschieben zum erwähnten Lift 39. Um die Abzweigung rechtzeitig zu erkennen empfiehlt sich Outdooractive am Handy zu verwenden, es gibt an der Abzweigung keinen Hinweis auf die alternative Route.

Blick auf die Gegenseite, der Puez Gruppe

Hier endet der abenteuerliche Teil der Abkürzung der Sellarunde mitten durch den Sellastock. Die Pistentour beginnt dort mit der Rückfahrt nach Wolkenstein im Westen und anschließend nach Süden auf das Plan des Gralba. Dafür sind ab dem Grödnerjoch, der mittels der Sektionenbahn 39/40 erreicht wird, die Lifte 42 und 41 vonnöten.

Rückblick mitten in der Schlucht

Über die lange Abfahrt 39 wird Wolkenstein erreicht und mitten durch das Zentrum befahren. Ein Fußgängerübergang mit einem eifrigen Polizisten führt in den südlichen Teil Wolkensteins mit der Talstation der Kabinenbahn 29, die den Aufstieg Richtung Plan de Gralba einleitet. Von der Bergstation dieser Kabinenbahn führt die letzte Piste hinab nach Plan de Gralba und wer nicht stehenbleiben muß, um Oberschenkelkrämpfe zu vermeiden kann sich von ausgezeichneter Form wähnen.

Blick in den unteren Teil der Schlucht

Für die gesamte Runde benötigten wir gut 5 Stunden, incl. des halbstündigen Gipfelaufenthaltes am Piz Boè. Der Schitourenaufstieg umfasst  lediglich knapp mehr als 300 Hm, beeindruckend ist aber die Strecke ab der Gondelbahn auf der Pordoispitze bis nach Kolfuschg mit 7,5 km Länge, die als Schitour zurückgelegt wird.

am Grödnerjoch mit Blick Richtung Plan des Gralba – unserem Ausgangspunkt und Ziel

Die Kosten für die Lifte möge der Interessierte an der grandiosen Runde selbst in Erfahrung bringen. Diese waren bei unserer Tour durch eine Tageskarte um 80.- abgedeckt, die vom Unternehmen für den Schitag gesponsert wurde – danke hier an unseren gegenüber Gemeinschaftsaktionen der Mitarbeiterinnen stets spendabel eingestellten Arbeitgeber BeMo Tunnelling!
Sehr wahrscheinlich können die wenigen Lifte ab Plan de Gralba, am Sellajoch und ab Kolfuschg zurück zum Plan auch günstiger gebucht werden, wenn man nur jene davon auswählt, die für die Schitour vonnöten sind, welches sich bei unserem Vorhaben des Piz Boè wettermäßig nicht von vorneherein sichergestellt war und daher nicht nachgefragt wurde.

Mils, 09.03.2024