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Issanger – Halltaler Pfeis, die Flora des hinteren Halltales

Wer dieser Tage ein außergewöhnliches Blumenmeer in 1.700m Seehöhe erleben will, der besucht den Issanger und die Halltaler Pfeis im Hintersten des Halltales.
Mit einer Verspätung heuer von gut zwei Wochen präsentiert sich der blühende Talkessel dem Betrachter wie der Blick des Schauspielers in einem antiken Amphitheater auf die Besucher. Die Besucher sind hierbei Enzian, Schusternägel, Platenigl, Mehlprimel, Dotterblume, Steinröschen, Silberwurz und viele mehr und das Erlebnis ist umgekehrt, der Schauspieler ist der Betrachter der sich an Form, Farbe und Vielfalt erfreuen kann.

Das Gebiet sei für all jene, die es nach der Bildergalerie am Ende dieses Artikeln zuhause einfach nicht mehr aushalten und sofort die leichte Wanderung antreten wollen hier dargestellt:

Issanger Halltaler Pfeis

Karte des hintersten Halltales

Vom unseligen, dem Volke sinnlos verordneten, Schranken mitten in der Halltalstraße beim Hackl rechne man als normaler Wanderer mit einem eineinhalbstündigen Anstieg mit gut 800Hm Höhendifferenz. Will man, so wie wir es tun, diesen Ort der Traurigkeit beim Hackl umgehen, dann kann man auch den Parkplatz etwas weiter der Gnadenwaldstraße folgend, am Besinnungsweg nehmen; die Gehzeit bleibt dieselbe.
Nach der Wanderung gibt es bei Regina und Karl, im urigen Knappenhäusl, immer eine Stärkung vom köstlichen Hausgemachten, unter der völkerrechtlich korrekten Fahne.

Die Fotos entstanden im hintersten Teil des Issangers beim Übergang in die Stempelreisen, die sich mächtig und mit stetig wachsender Steilheit bis zu dem, für den Salzbergbau damals so wichtigen, Stempeljoch hinaufziehen. Dieser Talkessen, der nicht mehr bewachsene Teil wird Halltaler Pfeis genannt.
Die Fotos zeigen auch den Anstieg zum Stempeljoch nach Westen, das jedoch gestern in Nebenschwaden eingehüllt war, weiters das Kälberkar mit dem Grat zum mächtigen Roßkopf nach Nordwesten, den Blick nach Norden mit dem noch fließenden Schmelzwasserbach aus dem Bachofenkar und Aussichten von Norden bis Osten mit Lafatscherjoch und, wiederum eingehüllt, die Speckkarspitze und das Bettelwurfmassiv.
Die Dicht der Pflanzen ist dermaßen hoch, daß man sich beim herumspazieren mit ständig gesenktem Blick die Schritte richtiggehend aussuchen muß, um keinen Schaden anzurichten.

In ein bis zwei Wochen wird dieses prächtige Naturschauspiel in dieser momentanen Intensität leider schon wieder vorüber sein. Es ist also jetzt die beste Zeit dafür es zu erleben.

Carpe diem!

 

Eine weitere, erwähnenswerte Entdeckung möchte ich noch kurz anbringen:
Das leider nicht gute Foto unten zeigt die Ansicht von St. Magdalena zur Zeit von 1908. Man kann den Baum links der Veranda erkennen, der jedem Halltalprofil als der Ort bekannt ist, an dem das Handy funktioniert. Dieser Baum dürfte damals schon ca. 7-8m hoch gewachsen sein und schätzungsweise 15 bis 20 Jahre alt sein.
Am Foto von vorletzter Woche sieht man den Giganten heute, im Jahre 2013.
Das Alter des Baumes dürfte also um 125 Jahre betragen und es handelt sich um einen Ahorn, den typischen Baum im Karwendel.

St Magdalena

St. Magdalena um 1908

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Ein weiteres Foto zeigt im Juni 2013 den Baum rechts vor der Kirche, der 1908 noch nicht gepflanzt war.

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St. Magdalena Juni 2013

Mils, 23.06.2013

 

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Fototour Hochmahdkopf – Haller Zunterkopf – Thauerer Zunterkopf – Herrenhäuser

Eine Fototour mit atemberaubenden Blicken in die Halltalkette, nördlich und ins Inntal und die Tuxer- und Stubaier Alpen, südlich, kann man auf der „Zunterkopfrunde“ erleben, die die Gipfel von Hochmahdkopf, Haller Zunterkopf und Thauerer Zunterkopf, sowie den Abstieg über das Törl zu den Herrenhäusern umfaßt.

Die Bergstrecke ab St. Magdalena ist einfach und unschwierig, einzig der Übergang vom Kamm von Hochmahdkopf auf den Haller Zunterkopf ist ein wenig ausgesetzt. Ein Fixseil sorgt jedoch für die Sicherheit des Ängstlichen (man sieht es in der Bildergalerie).
Es gibt eine alternative Anstiegsroute auf den Hochmahdkopf und das ist der Anstieg gleich nach dem Eingang ins Halltal auf der Rodelstrecke des Rodelvereines Absam und dann den Steig südlich der Rädermacherklamm (strichliert markiert) – der jedoch der Sonne erbarmungslos ausgesetzt ist – und eine Alternative für jenen darstellt, der nicht mit einem Mountainbike bis St. Magdalena vordingen will.

Karte Zunterkopfrunde

Für die Strecke ab St. Magdalena rechne man mit dem Aufenthalt fürs Fotografieren maximal 3,5 Stunden bis zu den Herrenhäusern. Von den Herrenhäusern nochmals 20min bis zum Mountainbike zurück (bis zum Beginn der Rodelstrecke dauert es von den Herrenhäusern eine Stunde und wenn man von der Rodelstrecke aus geht ist der Aufstieg zum Hochmahdkopf langwieriger (man rechne 30min mehr), dafür ist die Strecke bis zum Hochmahdkopf kürzer.

Also zusammengefaßt:

Tourdauer bei Start in St. Magdalena 3,5h bis maximal 4h (vom Schranken beim Hackl bis St. Magdalena muß man zusätzlich 45min bis 1h rechnen)

Tourdauer bei Start und Ziel Rodelstrecke gleich nach dem Schranken beim Hackl min 4,5h, eher 5h

Eines noch: Die Strecke ist an Höhenmetern nicht zu verachten; vom Schranken vom Hackl aus sind es an die 1.250Hm, alles Auf und Ab über die Grate mit ins Kalkül genommen.
Meine folgenden Fotos entstanden am 08.06.2013

 

Erstersteigung Großer Bettelwurf – Hermann von Barth

Angesichts des nun schon seit Wochen anhaltend schlechten Wetters bleibt einem Bergbegeisterten nicht viel anderes übrig, als sich an alternativen Aufgaben zu versuchen, was ich mit dem Artikel Erstersteigung Großer Bettelwurf – Hermann von Barth  unternehmen möchte. Während ich diese Zeilen niederschreibe prasselt der Regen vor meinem Fenster in Mils auf die Landschaft nieder.

Ja, ich kokettierte heute damit meine Leserschaft auch einmal mit der Geschichte der Ersteigung der „Riesen hinter’m Haus“ zu konfrontieren und wage dies nun, großteils unter Zuhilfenahme einer alpingeschichtlich hochwertigen Webseite von Herrn Ulrich Kretschmer aus München die ich schon vor Jahren im Internet gefunden habe, sehr hervorragend finde und die sich weit mehr Besucher erfreuen sollen dürfe, als es der Besucherzähler momentan verrät.

Nun, Hermann von Barth ist den meisten Bergfreunden bekannt, hat er doch beispielweise im Sommer das Jahres 1870 nicht weniger als 88 Gipfel im Karwendel bestiegen, 12 davon als Erstbesteiger. Der gebürtige Oberbayer aus dem Tölzer Land ist der Erschließer, Entdecker und Ersteiger des Karwendels schlechthin und für weitere Details empfehle ich seinen Namen in Wikipedia einzugeben, da muß ich mich hier nicht hervortun.

Barth Denkmal

Als Sohn aus begütertem Hause mit fundierter Ausbildung als Jurist und dann als Naturwissenschaftler hatte er auch kaum Druck für sein täglich Brot sorgen zu müssen uns so konnte er seinem Drang nach den Gipfeln der nördlichen Kalkalpen recht freien Lauf lassen und sich der Bergsteigerei widmen und tat dies mit dem durchaus wissenschaftlichem Hintergrund der Erschließung, wie man in den Schriften seines Werkes „Aus den Nördlichen Kalkalpen“ mit der schriftlichen Niederlegung der „Recognoscirungen“ (Erkundungen) lesen kann.
Bei seinen Ersteigungen kann es auch dann und wann zu direktem Kontakt mit der tiroler Bevölkerung und weiter unten möchte ich seine Beschreibung des skurrilen Treffen und die daraus gezogenen Schlüsse zur Aufheiterung dieses Artikel wiedergeben.

Zunächst aber zum Hauptteil dieses Artikels, der Erstersteigung Großer Bettelwurf.
wie eingangs erwähnt entnehme ich Zitate und Textstellen aus der Webseite von Herrn Kretschmer, die unter folgender Internetadresse zu finden sind: http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/
Bei den nachfolgenden, aus dieser Seite entnommenen Textstellen füge ich die Quellenbezeichnung als Internetadresse an. Hier die Inhaltsübersicht:

Inhaltsübersicht Webseite: http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz.html. Die Karten sind im „Vertikal- und Horizontalprofil“ abrufbar

Am 13. Juni 1870 reiste Hermann von Barth – vermutlich mit der damals jüngst erbauten Eisenbahn nach Hall an (auch in den Berichten der Wilden Bande ist von der Localbahn die Rede, die die Mitglieder auf dem Rückweg von deren jährlichem Gründungsfest am Stempeljoch von Hall nach Innsbruck genommen haben; die Eisenbahn war damals also das Reisemittel).

Von Hall zu Fuß bis zu seinem Domizil – den Herrenhäusern – beeindruckte ihn die Landschaft nach der Einmündung ins Halltal und er beschreibt sie wortgewaltig, ähnlich wie man schmale, steile Tallandschaften unter der Stimmung eines herannahenden Gewitters empfindet. Ab diesem Kapitel „Das Haller Salzthal [1870]“ beginnt die äußerst empfehlenswerte Beschreibung seiner Erlebnisse und ich lege euch, liebe Leser, diesen Einstieg ans Herz http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz.html

Angekommen an seinem Ziel beschreibt er die Aufnahme als Gast bei den Knappen in den Herrenhäusern und sein Interesse für die handgefertigten Zeichnungen von der, das Bergwerk, umgebenden Landschaft, worin er aber grobe Widersprüche bzw. Ungenauigkeiten sieht.
Er übernachtete mit zeitiger Bettruhe und machte sich, wie auch so oft in den Berichten über die Wilde Bande zu lesender Tageszeit, um knapp vor vier Uhr auf seine erste Tour; es waren dies die Gipfel rund um das Bachofenkar, die er in einer Gewaltstour  an einem Tag erledigt (ich habe sie schon mehrmals unter Auslassung des Großen Lafatscher, den er fälschlich den Westlichen Lafatscher nennt, selber ausgeführt und kann seine Leistung daher gut einschätzen).

In diesem Kapitel „Die Herrenhäuser“ wird es geschichtlich interessant, taucht doch erstmals die von ihm irrtümlich angenommene falsche Bezeichnung „Speckkar-Gebirge“ auf, wobei es sich hier um den Zug von der Speckkarspitze bis zum Großen Bettelwurf handelt. Beim Bettelwurf, den Barth als solchen zu erkennen glaubt, muß es sich, nach reiflicher Überlegung was man denn von dem von ihm beschriebenen …eisernen Balcone des 1. Stockes gegen Osten… aus überhaupt sehen kann, um die Winklerspitze, bzw. Hüttenspitze handeln.

Hüttenspitze von St. Magdalena aus, dem selben Sichtwinkel wie von den Herrenhäusern aus; dies war für Barth (fälschlicherweise) der Bettelwurf

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_herrenhaeuser.html:
…Eine eigenthümliche Felsgestaltung zeigt sich, nahe dem Fusse des Gebirges, an diesem Wandmassive; ein ziemlich voluminöser, scharf ausgespitzter Zacken hat sich vom Bergkörper völlig losgerissen und eine breite, beiderseits von senkrechter Mauer eingefasste Kluft gegen jenen gebildet; ein steiles Schuttfeld erfüllt diese Tiefe, welche im Hallthale unter dem Namen Bettelwurf bekannt ist…

Wer sich die Beschreibung derselben durchliest und den Blick, den er nach Osten beschreibt, kennt, kann nur zu diesem Schluß kommen.
Möglicherweise war diese Verwechslung auch wieder einmal eine von jenen Geschichten, die beim Befragen der ortsansässigen Bevölkerung entstanden ist. Man kann sich das gut so vorstellen, daß Hermann von Barth nach dem Bettelwurf fragt und jemand deutet ungenau mit dem Finger auf die Hüttenspitze, die er mit seiner Akribie natürlich dann falsch zuordnet. Für die Mehrzahl der Bewohner waren zu diesen Zeiten der Menschheitsgeschichte die Namen der Berge völlig uninteressant und sie sind, ob großteils mangelhafter Kenntnis darüber, sicher teilweise auch falsch zugeordnet worden, bzw. hat es sicher nur in Kreisen, die beruflich mit der Bergwelt zu tun gehabt haben (Bergleute, Jäger, Vermesser), Kenner der Detailnamen der Berge gegeben und für die  – zumeist – Bauern in der Bevölkerung waren die Bezeichnungen eher einerlei. Ich könnte mir sonst die so grundfalsche Zuordnung nicht erklären, handelt es sich doch beim Bettelwurf um den auch vom Tal aus sichtbaren höchsten Gipfel im gesamten Gebirgszug.

Am darauffolgenden Tag, es muß der 14. Juni 1870 gewesen sein, wollte Hermann von Barth sein Hauptvorhaben, den Großen Bettelwurf (in einen Schriften immer der Große Speckkarspitz) erst zu ersteigen umsetzen und beschreibt im Kapitel () zunächst den aufstieg auf den Östlichen Lafatscher (der echten Speckkarspitze). Er verließ die Herrenhäuser um 4:45 Uhr und erreichte den Gipfel um 8:25. Hier möchte ich erklärend einfügen, daß die rund 1.100Hm von den Herrenhäusern auf den Gipfel in normalerweise 1 ½ bis 2 Stunden leicht zu bewältigen sind. Barth hatte 3 ½ Stunden gebraucht. Man muß sich hierzu vorstellen, daß der Aufstieg vom Lafatscher Joch bis zum Gipfel in keiner Weise markiert war und er natürlich auch nicht den direkten Gratsteig sofrot gefunden haben kann, immer den leitenden Gipfel vor Augen. Wer den Aufstieg kennt, der weiß, daß man zuerst den Vorsprung auf knapp halber Höhe erreichen muß bevor man den ausgeprägten Grat vor sich hat. Die Karte mit den von ihm eingezeichneten Aufstiegsrouten (ich weise später darauf hin) zeigt auch, daß er eher die südlichen Hänge genommen haben muß, bis er auf den Grat gekommen ist. Auf diesen sieht man den Gipfel auch nicht oft und ist gezwungen Varianten zu suchen.

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_lafatscher.html
Soweit vom Joche aus der Blick reichte, zeigte die Westkante meines Gipfels sich gut gangbar; doch hatte der gestrige Tag mich belehrt, dass sie in etwa der Mitte ihrer Erhebung eine glattwandige, ziemlich hohe Abstufung berge, deren Umgehung, und zwar der in der Karwendel-Gruppe geltenden Regel zufolge gegen Süden, als unmittelbar geboten erschien. Ich lenkte daher auf der Jochhöhe alsbald vom gebahnten Wege ab und liess den Scheitel des wasserscheidenden Bergrückens zur Linken; immer darauf bedacht, in thunlichst hoher Zone mich zuhalten, und nicht weiter, als der beabsichtigten Umgehung halber erforderlich, in die tief zerfurchte Südflanke der Pyramide mich zu verlieren.

Er ahnte damals noch nicht, daß er die Ersteigung der Speckkarspitze hätte vermeiden können, denn das was ihn nun nach dem Gipfel erwartete war auf das Wort hin exakt das gleiche das Manuel und ich, beim ersten Versuch der Überschreitung zum Kleinen Bettelwurf hin, erlebt haben. Eine echte Tragödie! Wer den Blick von der Speckkarspitze in Richtung Kleiner Bettelwurf hin kennt der muß beim Lesen der folgenden Textpassage schmunzeln, denn wenn man nicht ganz heroben am Grat sofort auf die nördliche Gratseite wechselt und die ersten schräg und überhängenden Rippen so umgeht (vgl. Artikel „Speckkarspitze, Gratüberschreitung Großer Bettelwurfhttp://spitzentreffen.at/speckkarspitze-gratuberschreitung-zum-groser-bettelwurf ), der endet im Desaster, das Barth so beschreibt:

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_lafatscher-abstieg.html
in östlicher Richtung ging’s vom Gipfel hinunter dem ersten Schuttbecken des Grossen Speckkars entgegen; der Gestalt meines Gipfels zufolge erwartete ich nach dieser Seite hin wenig Schwierigkeiten, zum mindestens keine bedeutenderen, als der Anstieg sie mir geboten. Ich fand mich abermals getäuscht; die Schneide des Hauprgrates war bei aller sanften Neigung ihrer Schärfe und sägenartigen Zerschartung wegen nicht zur verfolgen, und einmal in die südöstliche Flanke der Pyramide abgewichen, wurde ich durch seitliche, unübersteigbare Mauerschranken immer weiter abwärts gedrängt, in plattigen, steilein Rinnen mit schwachen und sehr unzuverlässigen Stufen kletterte ich langsam und mit Mühe hinab, oft minutenlang nach einem folgenden Tritte spähend und erst nach mehrfachen Versuchen endlich wieder einige Zolle Terrain gewinnend. Als schliesslich die Ausmündung des Felsgrabens gegen das Grosse Speckkar erreicht war, befand ich mich bereits so tief, dass eine Umgehung der nächstfolgenden schroffen Abdämmungen der Geröllmulden nur in grösserer Tiefe mehr möglich war. Ohne langes Besinnen fuhr ich das nächste Schneefeld hinab, sprang im losen Geschütte rasch zu Thal, querte Sandreissen und Schneelehnen, wandte mich auf schmalen Grasbändern um steil absetzende Mauerstufen; neue Kessel thaten vor mir sich auf, der Kleine Speckkarspitz, allen weiteren Ausblick verdeckend, war wieder in Sicht getreten, an seinem westlichen Fusse berühren die plattigen, schuttbedeckten Hänge auf weite Strecken hin den Hauptgrat. Tief unten führte mein Weg durch den hügeligen Kesselboden, theils durch Trümmerbecken, theils über wellige Grasplätze,…

die Gratroute wollte Hermann von Barth nehmen, am unteren Rand sieht man eine der schrägen Rippen die ihn -wie auch uns schon – zum totalen Abstieg ins Speckkar zwangen

Auch ihm sind somit die tückischen schrägen Rippen zum Verhängnis geworden und er mußte bis ins große Speckkar absteigen, wahrscheinlich nahezu bis dorthin wo heutzutage der Weg zur Bettelwurfhütte ist, den und auch die Hütte es ja bei ihm noch lange nicht gegeben hat.

Was nun folgt ist wiederum eine logische Folge der Aussicht vom Gelände in dem Barth sich befand. Man kann von keinem der Speckkare (kleines und großes) aus den Großen Bettelwurf nicht sehen, nicht einmal den westlichen Gipfel des Kleinen Bettelwurfes. Der Grund dafür ist einfach, man ist zu tief und selbst wenn man einen der vielen kleinen, nicht sehr ausgeprägten Kämme am Weg in Richtung Bettelwurfhütte an deren südlichstem Punkt erreicht, reicht das noch nicht, um einen Gipfelblick zu erheischen. Sehr wahrscheinlich ging er sogar bis weiter östlich der heutigen Bettelwurfhütte. Darauf deuten seine Worte hin, daß er sich im „kahlen Geplätt“ eines Zwischenkammes mit nur äußerster Kraftanstrengung bis zu bewachsenen Plätzen emporarbeiten konnte. Dies muß der trennende Abbruch der Speckkare und dem Südausläufer des kleinen Bettelwurf gewesen sein, mehr oder weniger weit oberhalb der heutigen Bettelwurfhütte.

Barth hatte also den Überblick verloren, beschreibt die ärgerliche Situation im Kapitel „Am Fusse des Kleinen Speckkarspitzes; Anblick des Grossen“ und beschließt umzudrehen.
Hierbei durchlief er noch das Abenteuer des Abstieges durch die Latschen über die Platten, ein Abenteuer das wir auch schon durchmachen mußten und das man nicht wieder vergißt:

Text aus: http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_umkehr.html
…je tiefer ich aber kam, um so seltener boten sich die freien Plätze, immer dichter tauchte ich in’s Krummholz ein, und versank endlich in ein Meer undurchdringlichen Gefilzes, in welchem ich nur in seltenen Zwischenpausen den Kopf aus der glühend heissen, mit betäubendem Harzdufte geschwängerten Atmosphäre über die Spitzen der Nadelholzzweige zu erheben vermochte und dann im weitergedehnte Felder der schwarz-grünen Dickungen überblickte. Als es mir endlich gelungen war, zur Sohle des vereinigten Felsgrabens hinabzudringen, hemmten jeden Augenblick seine Plattenabschüsse den Hinunterweg, drängten mich zurück in die dichtbestockte Bergflanke und hier gerieth ich zuletzt an den Rand der riesigen Platten, welche in breiten, abgeschliffenen Tafeln, in einer allseitigen Ausdehnung von mehreren hundert Schritten mit 40-45º Neigung zu Thal fallen…

Eine literarische Sonderleistung diese Beschreibung, man kann sich die Situation in den heißen und klebenden harzigen Latschen lebhaft vorstellen, man genieße diese Texte!

Schlußendlich hat er es geschafft die Halltalstraße zu erreichen und zieht hinauf zu seinem Domizil, den Herrenhäusern, wobei er noch einen Abstecher zu einem Berater in St. Magdalena macht.
Franz Posch heißt der Mann, er ist Jagdaufseher und Barth beschreibt ihn in seiner unverwechselbar charakterisierenden Art als einen „rüstigen, ziemlich intelligent aussehenden Mann…der vom Gipfel ziemlich genaue Kenntnis“ hatte und mit dem er die Besteigung wagen wollte. Die kirchlichen Pflichten am nächsten Tag (Fronleichnam) ließen den Traum jedoch zerplatzen und Barth kehrte voller Ungeduld es am Fronleichnamstag alleine probieren zu wollen zu den Herrenhäusern zurück.

Am 16. Juni 1870 um 4 Uhr begann nun der erfolgreiche Tag.
Barth änderte seine Route und mied,  nach den leidvollen Erfahrungen des großen Höhenverlustes nach der Gipfelersteigung der Speckkarspitze und verfolgte einen Pfad der ziemlich genau jenem entspricht wie er heute als Verbindung Lafatscher Joch bis Bettelwurfhütte angelegt ist.
Allerdings, und das muß man erwähnen, riet ihm Posch offenbar die Ecke, die der Normalweg auf das Joch und dann scharf rechts, also östlich weiter, beschreibt, abzukürzen und über die Latschen, nahe der hohen Wand, den Scheitelpunkt der hohen Wand zu suchen, über den kein Weg vorbeiführt. Er mußte diesen oben überqueren, es gibt keine andere Möglichkeit. Diese Mühen beschreibt er im Kapitel „Zweiter Irrgang im Krummholz“.

die vermutliche Abkürzung grün markiert

Nun war es leicht den richtigen Pfad zu finden, denn er wußte vom Vortag, daß es hinter der trennenden Rippe (hinter der die heutige Bettelwurfhütte steht) noch einmal in ein großes Kargebilde hineinging, das durchwandert werden mußte. Diese Passagen beschreibt er im Kapitel „Vom Grossen in das Kleine Speckkar“, wobei er natürlich fälschlicherweise vom kleinen Speckkar sprach, das ja westlicher davon liegt (siehe heutige Karte, es handelt sich um das karartige Gelände im heutigen Normalweg auf die Bettwelwurfhütte).

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_speckkar.html
Dem östliche Abschlusse des Kares*) nahe gekommen, sah ich mich nach der Wendung und die erste vortretende Bergecke in einer von zackigem Gemäuer geschlossenen, steilgehobenen, grünen Sinke. Links abschwenkend strebte ich auf der vorgezeichneten Bahn geradenwegs dem ersten Höhenziele zu.

Nun war er also auf der Rippe die oben im heute so bezeichneten Eisengatterergrat endet und hat somit einen Meilenstein in der Ersteigung erreicht. Er sieht das Bettelkar östlich von sich und beschreibt den jenseitigen Grat von der großen Wechselspitze bis zum Ostgipfel des Großen Bettwelwurf im Kapitel „Auf den Scheiderücken gegen das Bettelkar“.

Nun beschreibt er zunächst den Aufstieg in der Rinne des Eisengatterergrates und mittendrin dürfte er plötzlich in die unverwechselbaren und charakteristischen „mannshohen Stufen“, die geröllbedeckt waren wie er schreibt (und auch heute noch sind, wir kennen sie gut), abgewichen sein. Ein für mich nicht notwendiger Schritt, denn die Furche des Grates ist eigentlich die logische und sehr weit sichtbare Normalroute die jeder Bergsteiger wählen würde. Möglicherweise sah er sich durch den Schnee eines starken winters genötigt seitlich, vorwiegend links also bergseitig, auszuweichen, anders ist mir diese Taktik nicht erklärbar. Andererseits erwähnt er lobend die Hilfe des Schnees und ich weiß was er damit meint, denn der kleinstückige Schutt abseits der Gratrinne ist dort tückisch und rutschend bei Belastung.

Im letzten Viertel des Anstieges durch die Rinne ändert sich die Topographie leicht nach links, nordwestlich und diese Wendung dürfte der Grund sein warum er im Kapitel „Grat und Gipfel [der Großen Speckkarspitze]“ schreibt, daß er westlich stieg. Dies ist aber ein Trugschluß, denn der Grat zieht sich nordöstlich hin, nur oben eben  wendet er leicht nach Nordwest und das ist auch die Höhe, ab der man wieder den Kleinen Bettelwurf (für Barth die „westliche Speckkar-Kuppe“)sehen kann und die Tiefe der Aufstiegsrinne zurücktritt.
Allerdings dürfte er dann wirklich etwas sehr weit westlich gekommen sein, denn beim heutigen Anstieg ist die beschriebene Situation der Topographieänderung dermaßen nahe am Grat, daß man einen Umweg scharf westlich nicht machen würde. Die blumige Beschreibung des Gratverlaufes bis zum Gipfelpunkt deutet jedoch auf eine Ankunftsposition am Grat hin, die weiter westlich vom Gipfel sein müßte als die heutige:

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_grosser_speckkarspitz_gipfel.html
Und nun in eilenden Sprüngen die ostwärts noch steigende Schneide hinan, ihre Blöcke, ihre Thürmchen und Klippen übersetzend, erklimmend, auf engen Galerieen umgehend, – in sicherer Balance aufgewehte Schneefirste überschreitend –jetzt oben! ……. nein, noch eine Strecke verwitterter Zacken, abgerissener, geborstener Schrofen, gesprengter Treppenabsätze– will etwa der widerhaarige Geselle auch jetzt noch gegen das aufgezwungene Joch sich sperren? – Vergebens, unter den unerbittlichen, kreitschenden Einstossen der Eisenklauen sinken seine morschen Bollwerke eins nach dem anderen zurück in die Tiefe – ist das wohl endlich dein letztes, Unbezwinglicher?– Die rissige Klippe hinauf – ja, es ist’s.

leicht rot die Markierung seiner Route in seiner eigenen Grafik (die originale Markirung besteht aus einer schwarz punktierten Linie die nicht durchgehend erkennbar ist

Nun, wie dem auch gewesen sein mag, er hatte den Gipfel erreicht und ich empfehle die weiteren  Kapitel mit der Errichtung eines Steinmannes und des Abstieges mit der stolzen Präsentation seiner Trophäe an den Franz Posch zu lesen.

Wenn man in dieser Gegend nahezu jeden Stein kennt und sehr treffenden, exakten Schilderungen Barth’s liest, dann kann man sich gut die Taktik und den Routenverlauf vorstellen. Ich hoffe, ich konnte mit den Kommentaren und Bildern dem nicht so ortskundigen diese Lektüre auf diese Weise etwas mehr verständlich machen.
Wenn wir uns heute auf diesen Pfaden bewegen, dann ist es für uns selbstverständlich, daß er auf dem direktesten Weg zum Ziel führt und das ist auch so. Wer oft selber Pfade sucht (im Karwendel muß man das durchaus im weglosen höher gelegenen Gelände, das nicht mehr häufig begangen wird, selber tun, ein auf und ab im Pilgerschrittverfahren) der versteht die alpinistische Leistung Barth’s bei dieser Ersteigung. Das Kartenwerk, damals entstanden vom Blickwinkel des Tales aus,  an dem man wahrscheinlich am Bergstandort ständig zweifeln mußte, hat sicher auch die eine oder andere missweisende Richtung in seiner Routenwahl hervorgerufen und die Qualität sowie das Gewicht der Ausrüstung der damaligen Zeit in Betracht gezogen, muß man nochmals mehr die Leistung Hermann von Barth’s würdigen.

Route vom Speckkar bis zum Gipfel

 

Weiter mit einem Auszug seiner Erzählungen gehen wir mit einer Begegnung mit einem Hirten in den Almwiesen der Höttinger Alm, anläßlich seiner Ersteigung des Höttinger Solsteines, der heutigen Vorderen Brandjochspitze, dem knappen Dialog und dem Eindruck, den der Hirte als Stellvertreter der Tiroler Bevölkerung bei Barth hinterlassen hat. Man genieße die unverkennbare Barth’sche Ausdrucksweise:

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_hohes_brandjoch_hoettinger_schaeferhuette.html
Einige Minuten später trat ich auf die abschüssige Wiesenterrasse hinaus, deren äusserster Vorsprung die Schäferhütte trägt; ein kümmerliches, kaum mannshohes, etwa 12′ [4 m] im Geviert haltendes Bauwerk. Der verwildert aussehende Hirt begegnete mir, seinen Schafen nachspürend, bereits am Saume der Kluft. Ich richtete einige Fragen an ihn bezüglich der nächstgelegenen Berggipfel und erhielt, wie zu erwarten stand, nur höchst mangelhafte Auskunft; ich deutete endlich auf den Gipfel des Höttinger Solsteins, der mächtig gross im Nordwesten sich emporbaut, fragte nach dessen Ersteigung und bekam zur Antwort „da kommt man gar nicht hinauf …… dahinter steht noch ein höherer“ …… damit verabschiedete sich der Sohn der Berge. Die plumpen Klötze, die vom Brandjoch-Grat auf mich niederschauten, mutheten mich vertrauter an, als er.

Abschließen möchte ich mit noch einer kleinen Auflockerung und zwar mit Barth’s Einschätzung der optimalen Nächtigungssituation bei Touren mit gesteigerten Gehzeiten und Höhendifferenzen. Sein bergsteigerischer Wunschtraum zerschellt jäh am bornierten Einheimischen:

Text aus http://www.bergruf.de/alpinhistorie/barth/kalkalpen/karwendel_hohes_brandjoch_hoettinger_alpen.html
Die Bergtouren, welche vom Innthale aus auf die Gipfel der Kalkketten unternommen werden, leiden an dem grossen Uebelstande einer unverhältnissmäßig tiefen Lage ihres Ausgangspunktes (Innsbruck 1796′ 583 m. Trinker.). Nach zwei Stunden angestrengten Bergmarsches befindet sich der Wanderer auf der Höttinger Alpe (4707′ 1529 m. Trinker), in einer Höhe erst, von welcher aus unter gewöhnlichen Umständen die Gipfelersteigung schon angetreten zu werden pflegt. Es wäre daher sowohl mit Rücksicht auf die relative Höhe, wie auf die topographische Situation der Höttinger Alpe für manche Hochtour im Innsbrucker Gebirge sehr wünschenswerth, auf ihr Nachtquartier zu beziehen; der mehr als tirolerische Schmutz und der ungastliche Charakter ihrer halbwilden Bewohner jedoch, der nur durch reichliche Branntweinspende zu besänftigen sein soll, lässt ein solches Vorhaben als nicht wohl ausführbar erscheinen. Es wird daher ein künftiger Besucher jener Gebirge besser daran thun, sich für diese Excursionstage eine etwas stärkere Anstrengung zuzumuthen, meinem Beispiele und dem eben beschriebene Wege folgend, der bei der Tour des 31. Mai allerdings nicht der meinige war.

Das Buch „Aus den Nördlichen Kalkalpen“ kann man um rund €50.- bis €60.- (gebraucht/neu) im Handel erwerben, oder bei mir ausleihen.

Mils, 30.05.2013

Wiedebelebung von St. Magdalena?

Die jüngste Bezirksblätter Ausgabe macht uns Bergsteigern neue Hoffnung, daß das Kleinod und Gasthaus St. Magdalena nun doch nicht einem Dornröschenschlaf preisgegeben (vgl. meinen Artikel: „Halltal am 26.04.2013,..“) und auf Initiative der Gemeinde Absam aus dem Eigentum der Bundesforsten in örtliche Obhut übernommen werden könnte. Die Geister die man rief dürfte man nun doch loswerden wollen. Dies könnte eine erste Reaktion auf die unsäglich unglückliche Straßensperre sein, die letztlich zum Verlust der Wirtsleute geführt hat.

Somit könnte eine Wiederbelebung des inneren Halltales stattfinden und die Besucher dieser so prächtigen Gegend eine wichtige Institution zurückerhalten.

Die Vermietung von Zimmern ist eine andere Sache, ein nächster Schritt der momentan nicht wichtig erscheint. Die Lage hierfür wird dem Bergsteiger zu tief und dem Touristen wahrscheinlich zu isoliert sein. Man wird auf diese Vermarktungsmöglichkeit wenig setzen können, St. Magdalena ist in erster Linie ein Ausflugsziel, ein Tagesziel.

Viel mehr Glück müßte die Gemeinde Absam jedoch mit den Rechten – v. a. Wegerecht – und Kostenschätzungen haben, da sitzt man ja teilweise sozusagen an der Quelle…

Näheres hier, leider funktionierte der webcode der Bezirksblätter nicht:

Bericht Bezirksblätter 18.05.2013

Wir drücken die Daumen für die Rückgabe ans Volk!

Lattenspitze – mein Frühjahrsklassiker

Die Lattenspitze mit ihrem Gipfel auf 2.330m als mein Frühjahrsklassiker kann, ohne große Schneefelder überwinden zu müssen, spätestens bereits ab heute, 18.05.2013 begangen werden.
Allerlei Getier säumte meinen Weg vom Parkplatz bei der Sprungschanze bis zum Gipfel, hier eine Blindschleiche kurz vor der Freiung Kapelle die ich beim für sie wichtigen Sonnenbaden gestört habe:

Der Gipfelaufschwung ist freilich noch mit dem bekannten, großen, leeseitigen Schneefeld verziert, bietet ein wunderbares Fotomotiv und erinnert, daß es Mitte Mai in dieser Höhe eben noch nicht in voller Gänze Frühjahr geworden ist.

Die letzen Aufschwünge vor dem Gipfel sind noch mit teils tiefen Schneefeldern belegt, jedoch kann man diese im Aufstieg, sehr leicht links oder rechts davon in festem Fels umgehen. Die ausgeaperten Stellen zum Fels hin lassen einen Blick zum Boden zu und mam kann somit noch Schneehöhen von mehr als einem Meter feststellen. Diese Stellen werden jedoch keine zwei Wochen mehr existieren, denn kräftige Thermik nagt an jedem weiß gebliebenen Stückchen Firn.
Im Abstieg bieten die restlichen Schneefelder dafür aber schnelles Fortkommen und einigen Spaß beim „abfigeln mit die Bergschuach“.

Die tauende Tätigkeit der heute sehr starken, böigen Thermik äußert sich insofern, als daß ich  beim Abstieg meine frischen Spuren bereits nicht mehr als solche erkennen konnte. Sie hatten sich in kürzester Zeit abgerundet und eingeebnet, als seien sie einen, oder mehrere Tage alt. Nun geht es mit einer schnellen Form der Erosion den Resten des Winters rasch an den Kragen.

Das Gipfelbuch zeugt, mit seinen gar nicht einmal zwei vollen Seiten seit dem Jahreswechsel, von der jungen Bergsaison und es ist darin groß zu lesen, daß einem Thaurer Everest-Bezwinger dieses Jahr gewidmet ist, der auch die Neujahrstour 2013 unternommen hatte (so liest man es zumindest). Berg Heil Kamerad!

Blicke in die nächst hintere und auch höhere, nördliche Karwendelkette lassen vermuten, daß es noch gut einige Wochen dauern wird, bis diese mächtigen Gipfel ihre Steige für Bergsteiger mit Sommerausrüstung freigeben würden. Ich konnte nicht widerstehen ein Panorama mit meinem Lieblingsberg im Halltal, dem Roßkopf, anzufertigen und möchte euch an dieser Pracht teilhaben lassen:

Erfreut war ich auch über die zufällig sehr deutlich auszumachende Steilrinne, die man durchsteigen muß, wenn man den Rosskopf Südostgrat (vgl. meinen Blog-Artikel aus dem Vorjahr) machen will. Alle Fotos von dieser Rinne aus dem Sommer sind bei weitem nicht so aussagekräftig, als jenes hier mit der weißen Rinne markiert zu sehen ist:

Aufgrund der kalten Thermik aus dem Inntal beschloss ich nicht mehr als 5 Minuten auf dem sonst so beliebten Aussichtsgipfel zu verweilen, da auch die Deckung etwas nordwestlich vom GK  nicht besonders angenehm und windarm war.
Mit einem letzten Blick auf den König des Halltales, dem Bettelwurf, in Richtung Osten und mit gutem Gefühl sowie die Jacke bis zum Hals geschlossen geht es bergab zur Walderbrücke. Ein weiter Weg ohne Verpflegung und bedauerlicherweise ohne dem wichtigen Zwischenstop bei Birgit und Werner in dem uns Bersteigern vor einem guten halben Jahr so jäh entrissenen Gasthaus St. Magdalena.

Mils, 18.05.2013

 

Das Halltal im Frühsommer 2012

Liebe Halltalfans,

wenn man dieser Tage auf verschiedenen Pfaden dem Talende zustrebt, dann fällt einem auf, daß sehr viel weniger Wanderer, Bergsteiger und Erholungssuchende anzutreffen sind als in allen Jahren zuvor.
Man trifft stets die hartgesottenen, eingefleischten einheimischen “Halltaler” und weit weniger zufällige Pilger oder Interessierte an dieser einzigartigen Naturkulisse.

Möglicherweise ist auch der Anteil an Bikern – ich meine hier nicht die propagierte E-Bikerschaft – die sich auf der teilweise leeren Straße hinaufquälen nicht abgesunken, aber ganz sicher auch nicht angestiegen ist. Die E-Biker, die es in dieser kapazitätsraubenden Gegend (noch) gar nicht gibt und deren Aufenthalt im Halltal, aus heutiger Sicht, für die Zukunft höchst fraglich ist, werden hier nicht angesprochen.

Ob die anzutreffenden Naturbegeisterten glücklicher sind als vor der Depression der Straßensperrung ist mir nicht klar. Ich, als einer jener der seit Jahren das Halltal sehr ausgiebig besucht – oder nutzt – bin es jedenfalls ganz und gar nicht.
Hat man sich vom Verkehr auf der früher mehr befahrenen Halltalstraße belästigter gefühlt als jetzt in der neuen Situation? Es ist nicht leicht zu glauben daß es so ist, denn es wird wahrscheinlich niemanden unter den Besuchern dieses Kleinodes geben, der sich stundenlang auf der Straße aufgehalten hat und dem der Ärger über die schätzungsweise hundert Fahrzeuge, die durchschnittlich am guten Wochenende im Halltal gefahren sind, hochgestiegen ist.
Nimmt man den Durchschnitt dieser geschätzten hundert Fahrzeuge über fünf Stunden der Anreise, sagen wir von 9 Uhr vormittags bis 14 Uhr, dann fährt jede 3. Minute ein Fahrzeug den Berg hinauf. Das wäre zugegeben durchaus störender Verkehr in der Natur.
Wie oft jedoch hat eine solche Frequenz wirklich stattgefunden? Hat man eine solche Lawine als Kenner dieser Gegend in Erinnerung? Ich behaupte, daß eine solche Situation an maximal 10 Tagen im Jahr -bzw. in der Saison –  zugetroffen haben kann (abgesehen von den wenigen, viel umworbenen Veranstaltungen). Wahrscheinlich waren es durch die gesamte Saison hindurch keine 50 Fahrzeuge täglich an den Wochenenden. Geschweige denn unter der Woche. Ich kann mich seit 2005 jedenfalls an keinen Verkehrsinfarkt im Halltal erinnern.

 

Schätze im Halltal

Die gesellschaftliche Situation jedoch, die ein primärer Faktor für die Belebtheit (Beliebtheit?) einer Region oder eines Landstriches ist, hat sich allerdings in diesen wenigen Wochen seit der Amputation der Halltalstraße von der Bevölkerung schon grundlegend geändert.
Das kann man jetzt schon mit dem sensiblen Blick des Kenners der Gegend ganz deutlich erkennen.
Hier und dort holt sich die Natur schon Raum zurück; Pfade werden enger, Wellen im nicht befahrenen Asphalt deuten auf beginnenden Verfall hin und die beharrliche Weigerung den  Fluchtsteig herzurichten (Anm.: was nun ab 17.7. endlich in Angriff genommen wurde) deutet auch auf den gesellschaftlichen Rückzug der Verantwortlichen aus der Region hin.

Frauenschuh im Halltal

 

Weit schlimmer und ausgeprägter ist aber, nach Beobachtung des Kenners der Gegend, momentan, die Erstauswirkung dieser weitreichenden und schlecht überlegten Entscheidung aus Menschenhand: die Gastwirtschaft im Halltal leidet den schnellsten und intensivsten Aderlaß wahrscheinlich seit der kommerziellen Erstnutzung der Gegend seit hunderten von Jahren.
Es ist schlicht und einfach “nichts mehr los” in den wenigen Labestationen oben und unten im Tale und man fühlt auf leeren Bänken deutlich mit den angestrengten Unternehmern. Der Niedergang ist angelaufen und es ist eine Frage kurzer Zeit, bis das Angebot tot sein wird. Ob St. Magdalena weiterleben wird ist sehr fraglich.

Nun könne man meinen, daß die Entwicklung für das Wohle der Natur ja eine paradisische sei, denn in der heutigen Welt klänge es wie ein Märchen aus dem “Gutenachtgeschichten-Buch” von Greenpeace, wenn sich irgendwo in diesen Tagen,  inmitten der Zivilisation,  die Natur wieder vollständig und ungehindert ausbreiten könne und alle schädlichen Bemühungen des Menschen zurückgenommen werden.
Weit gefehlt meine ich, denn diese Landschaft besitzt die Eigenschaft, daß sie nicht wieder – ungestraft für ihren Eroberer – in die Freiheit entlassen werden kann, zu viel ist hier in über 700 Jahren kultiviert und verändert worden, als daß es möglich wäre, das Tal sich jähe selbst zu überlassen und ohne frühere oder spätere Folgen, für jenen der eng am Fuße dieses Tales siedelt, befürchten zu müssen.
Gleichzeitig jedoch ist mit steigender Tendenz zu beobachten, daß die mögliche Belastung der angestammten Kapazitäten der Landschaft durch extremer werdende Wettersituationen überschritten wird und es zu häufigeren Kollapsen kommt als es durch viele Dekaden hindurch beobachtet werden konnte. Auch dies hat zweifelsfrei schädliche finanzielle Auswirkungen die nicht negiert werden dürfen. Nutznießende Kommunen, ja mit Sicherheit das Land als Ganzes, hätte jetzt hier eher einzuschießen woran es sich viele Jahrhunderte lang laben konnte als sich mit Almosen davon zu stehlen. So sollte die moralische Verpflichtung aus vergangenen Zeiten lauten und die Politik hätte die Fahne dieses Legates voran zu tragen.

Daß die Befahrbarkeit erhalten bleiben muß ist klar, es gibt eindeutige wirtschaftliche Aufträge die im hintersten Tal zu erfüllen sind. Umso logischer ist es, daß eine Möglichkeit geschaffen werden muß, die individuelle Befahrbarkeit auch für die Masse zu erhalten und die Aktivitäten im Tal und über seine Jöcher hinaus zu fördern. Seien es rein gastwirtschaftliche, landwirtschaftliche oder sportliche Aktivitäten. Zusperren und abtrennen ist der falsche Weg.

Warnung vor Torheit!

 

Aus touristischem Blickwinkel betrachtet muß man sich die Frage stellen, ob der Slogan auf der Regions-Homepage “Den Bergsommer entdecken & genießen” nur für die besten Wanderer und Bergsteiger gewählt wurde und vor allem die Gäste vorgenannter Region, von denen die Wenigsten diesen Gruppen zuzuzählen sind, nicht ein klein wenig von einer Mitgliedsgemeinde der Region gefoppt werden indem man ihnen den Zugang zum Bergsommer jäh abschneidet. Sehen sie sich doch spätestens beim Hackl einer neuen Situation ausgeliefert derer sie nicht Herr werden, wissen sie doch über die verbal und medial gestreuten Aufforderungen ein Taxi zu rufen in keinster Weise Bescheid (abgesehen davon, daß Touristen immer und überall auf der Welt die Telefonnummern der örtlichen Taxiunternehmen parat haben und selbstverständlich annehmen, daß man bei Fahrverbot im Heiligen Land einfach eines rufen muß).

auf 2.200m im Juni

 

Zurück zum Anwohner dieser herrlichen Gegend, der die neu verordneten Gepflogenheiten gleichsam einer Befehlsausgabe mühsam über allerlei Tageszeitungen und Gemeindeblätter erfahren muß: er ist zumindest aufgrund des Rummels durch vorgenannte Informationsquellen alarmiert, daß in seiner Heimat etwas nicht mehr stimmt. Daß man über ihn hinweg apodiktisch Tatsachen schafft die ihn beschneiden, die ihn kränken und die, hoffentlich, das Tirolerherz schneller schlagen und nicht mehr los  lassen werden.

Er erhält als Entschädigung für die Zwangs-Amputation einen wunderschönen Parkplatz den er nicht angefordert hat und der seine Lebensqualität nicht fördert. Er erhält am Zugang zu seinem Lokalparadies ein Denkmal, eine Brücke, die jetzt schon einen unvergeßlichen Spitznamen trägt, die “Golden-Gate-Bridge” und damit ihre Proponenten hochleben läßt. Oder zumindest die Absicht jener zum Ausdruck bringt?

Der Anwohner wird also nunmehr aufgefordert vor seinem Paradies zu parken und wird, je nach Leistungsfähigkeit seiner Gruppe eines oder mehrere seiner Ziele erreichen, oder auch nicht. Das erste Ziel einer Durchschnittsfamilie wäre ein ehemaliges Kloster, das sich, wie den Kundigen der Region Hall-Wattens gut bekannt ist, ja fast auf den Meter genau 500 Höhenmeter höher befindet, das Talende mit den Herrenhäusern gar 800 Höhenmeter. Man darf nun seiner Phantasie freien Lauf lassen welche Durchschnittsfamilie diese Herausforderung meistern wird. Ist es jene mit zwei Kindern unter zehn Jahren und sportlichen Eltern in den frühen Dreißigern die die Kinder eher früher als später am Weg dorthin schultern werden , oder jene mit Kindern als Teens mit denen deren Eltern immer noch mithalten können und mit Oma und Opa  knapp vor den Siebzigern die umdrehen, oder gibt es gar eine Idealfamilie in der niemand die Schwäche zeigt, den  Aufstieg der gesamten Strecke zu verweigern.
Aus den Erfahrungen meiner Bergsteiger- und Familienvaterpraxis bezweifle ich, daß von zehn der genannten Personengruppen mehr als fünf den Aufstieg in der Weise bewältigen, daß er als ein gelungener Wochenendausflug in bleibender Erinnerung abgespeichert wird. Wahrscheinlich schaffen aber vielleicht sogar dreiviertel aller genannten Gruppen den Aufstieg, jedoch wird er in einer Weise dem Unterbewußtsein übergeben, um in die Schublade: zu anstrengend, mühsam, zu lange- abgelegt zu werden und somit zum Garant für die Ausklammerung einer Wiederholung zu erhärten. Die Zukunft wird es weisen, aber es ist unvorstellbar und mit bloßen Auge in diesen drei Monaten Saison bereits sichtbar, das Halltal wird einen drastischen Besucherrückgang erleiden.
Dazu können die fünfundzwanzig schneeweißen Benze mit edlem Design, dem glänzenden Schwaben-Stern und dem gelbschwarzen Kästchen auf überspannender Dachreling leider nichts positives beitragen, auch wenn es am Saisonsende vielleicht achtundachtzig davon waren (Anm.: und allemal Vorsicht: ist bei Regen ist die Rückfahrt nicht gesichert?).

Darf dieser kritische Versuch nun in der Hoffnung geschlossen werden , daß es auf die Frage: Halltal: quo vadis- eine positive Antwort geben wird, oder ist das Schicksal dieser geschichts- und kulturträchtigen Landschaft durch seine demokratisch ernannten Beherrschenden bereits mit dem Daumen nach unten besiegelt worden; malte uns schon jemand derer im stillen Dunkel des Winters in der Gemeindestube das Joch “Oh’ du wildes Halltal, R.I.P” ?

Gipfelkreuz Großer Lafatscher, Juli 2012

 

Mils, im Juli 2012
Rainer Antretter