Gipfelbuch Schrammacher 1929 – 1970

Das Gipfelbuch am Schrammacher wurde am 29. Juni 1929 von drei Mitgliedern der Reuterknappen1 zu Wattens (gegr. 1926) aufgelegt (vgl. Reuterturm unterhalb der Kalkwand in der W. Lizum).

Gipfelbuchhinterlegung 29. Juni 1929

Die losen Blätter des Gipfelbuches wurden von Ander Hörtnagl, der mit seinen Brüdern Hans und Franz zusammen viele Erstbegehungen des Sommers sowie Winters von deren Heimatort Matrei aus im Tuxer Hauptkamm durchgeführt hat, durchnässt aufgefunden, sorgsam getrocknet, die Seiten einzeln in einer Mappe gefasst und somit konserviert. 2009 schenkte er es seinem Bruder Hans, der es im November 2022 dem Thomas Senfter schenkte. Dem Verfasser wurde das Gipfelbuch von Thomas leihweise zur Verfügung gestellt, der nicht umhinkommt, wichtige Ereignisse daraus hervorzuheben. Neben den mehrheitlich unleserlichen Einträgen gibt es ein paar solcher, zu denen seitens des Verfassers Kommentare gegeben werden können:

Generell stellt man beim Studium der Einträge fest, daß in der betreffenden Zeit des Gipfelbuches der „Normalanstieg“ von der Alpeinerscharte am Nordostgrat erfolgt ist. Es gibt aber auch zahlreiche Ersteigungen über den von Ingenuin Hechenbleikner erstbegangenen Nordwestgrat zur Sagwandspitze2 (1903) und am Ostgrat weiter zum Schrammacher.

Die meisten Abstiege erfolgten wieder über den Nordostgrat aber auch über den Südgrat und ebenfalls über den Nordwestgrat, bzw. über die Sagwandspitze (früher Sägewand oder Sägewandspitze genannt), von der aus man auch – weniger mühsam als über den Nordwestgrat – in die obere Zeischalm absteigen kann.

Sehr wahrscheinlich dürfte der Nordostgrat wegen der Übernachtungsmöglichkeit auf der Gerarer Hütte als der Normalaufstieg gewählt worden sein, da allein die Anreise beschwerlich war und mit der heutzutage möglichen Fahrt bis zur Touristenrast nicht vergleichbar ist. Ausgangspunkt für die Besteigung des Schrammachers vom Norden war die Bahnstation St. Jodok, wovon sie per pedes erfolgte.

Überraschend wenige Aufstiege erfolgten über den Südgrat vom Pfitscher Joch aus – dem heutigen Normalaufstieg -, selbst Einträge Südtiroler Bergsteiger beschreiben den Anstieg über die beiden Möglichkeiten von Norden. Überhaupt ist der Schrammacher zu jener Zeit mehrheitlich von Norden bestiegen worden, folgt man den Gipfelbucheinträgen.

An bekannten Namen mangelt es dem Gipfelbuch nicht. Als Bergsteiger, die in dieser Epoche Geschichte geschrieben haben, wären – neben den oben genannten lokalen Größen aus dem Wipptal – zu nennen: Hans Frenademetz, Hias Rebitsch, Fritz Miller, Kuno Rainer, Fritz und Karl Anker, Kuno Baumgartner, Luggi Gillarduzzi, Fritz Kasparek, Adi Fluch, Leo Brankowski, Erwin Schneider, Hugo und Alois Vigo, Ernst Knapp, Rüdiger Lutz, Ernst Senn, Josl Knoll, Horst Fankhauser und andere.

Am 21.08.1932 unterschreibt der in der Literatur geführte Hans Frenademetz untrüglich mit einem „i“ zu Freinademetz. In mehreren Vereinsnachrichten der AV-Sektion Innsbruck wird er ebenfalls so geschrieben. Er war in Seilschaft mit Marie Scharrer, Innsbruck. Sie waren auf dem von Ingenium Hechenbleikner 1903 erstbegangenen Aufstieg über den Nordgrat unterwegs und besuchten auch die Hohe Wand, damals Hochwand genannt.

Eintrag Frenadametz / Freinadametz 1932

Am 22.8.1932 steigt der Führer Franz Staindl aus Ginzling mit einer Gruppe aus vier britischen Gästen über den Südgrat auf und über den „Sägewandgrat…“ ab.

Eintrag Führer Staindl 1932

Am 18.09.1932 steigt Kuno Baumgartner mit Marta Fillas über den Nordostgrat auf und über die Sagwandspitze zur Zeischalm ab.

Eintrag Kuno Baumgartner 1932

Am 15.09.1943 findet sich ein Eintrag von Hias Rebitsch

Eintrag Hias Rebitsch 1943

Am 19.09.1943 schreibt sich Fritz Miller mit Irma Schmidegg ein, die über die Sagwand auf- und über den  Nordostgrat abgestiegen sind.

Eintrag Fritz Miller 1943

Am 25.08.1944 steigen Fritz Hörtnagl, Franz Helli und Paul Rigger über den Nordostgrat auf und über den Nordwestgrat auf die Sagwandspitze und die  Hohe Wand

Eintrag Fritz Hörtnagl 1944

Am 26.08.1944 steigt der Reuterknappe Luis Perktold mit Hans Zeilinger über den Nordostgrat auf und über den Südostgrat ab (Anm. d. Verf.: es dürfte Südwestgrat heißen, einen ausgeprägten Südostgrat gibt es nicht)

Eintrag Luis Perktold 1944

Am 29.06.1947 steigt Kuno Rainer mit einer Gruppe über den beliebten Nordostgrat auf und über die Sagwandspitze ab.

Eintrag Kuno Rainer 1947

Am 13.06.1947 unternimmt der Bergrettungsdienst Innsbruck mit Erwin Schneider, Alois und Hugo Vigl sowie Fritz Anker eine interessante Tour von der Alpeinerscharte über das Schrammachkees auf den Schrammacher und zurück über den Südgrat, hinab auf das Schrammachkees sowie über die Schneescharte zur Landshuterhütte und zum Brennersee.

Eintrag Fritz Anker 1947

Neben den o. e. Gipfelbuchspender der DAG4 Reuterknappen liest man auch Mitglieder weiterer berühmter alpiner Vereine wie z. b. von den Melzerknappen, der Gipfelstürmer oder der Karwendler.

Zwei Namen, die in der Geschichte Bekanntheit erlangt haben waren Nikolaus Harnoncourt und Dr. Oskar Schmidegg:

Harnoncourt (sein Eintrag am 12. September 1962 mit seiner Frau Alice und einem weiteren Gruppenmitglied) hat mit knapp 32 Jahren den Schrammacher bezwungen und avancierte später zu einem österreichischen Dirigenten mit internationalem Ruf. Er starb 2016 im 86. Lebensjahr in Sankt Georgen im Attergau.

Eintrag Nikolaus Harnoncourt 1962

Dr. Oskar Schmidegg (sein Eintrag am 13. August 1939 mit Mizzi Kerschbaumer) war ein bekannter Tiroler Geologe von einem Adelsgeschlecht zu Bozen, der zu der Gegend um den Schrammacher eine besondere Beziehung hatte. Im Naziregime des Zweiten Weltkrieges erlangte das Molybdänvorkommen3 unterhalb der Alpeiner Scharte strategische Bedeutung, da Molybdän als Legierungsbestandteil für die mechanisch thermische Beständigkeit von Waffen von ausschlaggebender Bedeutung für ihre Gebrauchstauglichkeit ist und die Lagerstätte deshalb vom Regime unter allen Umständen ausgebeutet werden sollte.

Eintrag Oskar Schmidegg 1939

Schmideggs Berechnungen erwiesen sich nach höchst aufwendigen Erschließungsarbeiten durch eine bemerkenswerte Seilbahn, mit einer Spannweite von knapp 3,2 km Kilometer Entfernung bis zur ersten Stütze am talwärts strebenden Grat unterhalb der Hohen Kirche, aber auch viel Leid und Toten unter den vorwiegend osteuropäischen Zwangsarbeitern, schlussendlich als weit nicht so reich, wie in seinem Bericht angegeben. Welche Umstände den renommierten Geologen dazu gebracht haben sich in der Eischätzung der Lagerstätte so signifikant zu verrechnen bleiben wohl für immer ungeklärt.
Möglicherweise diente seine Ersteigung des Schrammachers dem Zwecke, diese Arbeit zu verfassen:

Karte der Umgebung der Alpeinerscharte vergrößert nach der AV-Karte der Zillertaler Alpen auf 1 : 10.000. – Geolog. Manuskriptkarte im Maßstab 1 : 10.000, col., Archiv der Geol. B.-A., Archiv-Nr. A-03874, Wien 1939.

Der letzte Eintrag im Gipfelbuch entstand am 16. August 1970 durch eine Gruppe von Bergsteigern aus Sterzing. Somit hat das Gipfelbuch eine Zeitspanne von mehr als 41 Jahren am Gipfel überlebt.

Gipfelbuch Schrammacher 1929-1970 letzte Seite

Rainer Antretter
31. März 2024

1 Info über die DAG – Reuterknappen aus früheren Homepage der Gemeinde Wattens (Stand April 2024: vielleicht erscheint eine aktualisierte Information über den Verein wieder auf der Homepage, momentan ist nur diese Info verfügbar)
2 https://www.spitzentreffen.at/sagwandspitze-3-227-m-versuch-ueber-den-nordwestgrat/
3 https://www.spitzentreffen.at/schitour-alpeiner-scharte-2-959m/
4 D.A.G. oder auch DAG bedeutet „Deutsch-alpine Gesellschaft“ und war dem allgemeinen Politverständnis der meisten Bergsteigerriegen der damaligen Zeit geschuldet