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Sagwandspitze, 3.227 m – Versuch über den Nordwestgrat

Interessant und einladend klingt die Beschreibung des Nordwestgrates auf die Sagwandspitze im Alpenvereinsführer und die Erstbegehung von Ingenuin Hechenbleikner1 im Jahr 1903 erweckt den Anschein, daß sie in jedem Fall zu meistern sein müßte.

Blick auf den nordseitigen Aufstieg zur Hohen Warte (Schwierigkeit weit über III-)

Tief im idyllischen Valsertal liegt die mystisch wirkende  Zeischalm oberhalb einer signifikanten Talstufe und sie bildet mit den umgebenden Graten die Arena für den Ausgangspunkt der Tour auf die Sagwandspitze. Der Start unten im Tal, am Ende der Zivilisation, erfolgt am Parkplatz bei der Touristenrast, besser noch, jener unterhalb der Nockeralm südlich des Alpeinerbachs.

Blick auf die Talstufe zur Zeischalm

Aufgestiegen wird durch einen alten Wald in dem bereits die bevorstehende, erschwert zugängliche Abgeschiedenheit der Talstufe oberhalb spürbar wird, nicht zuletzt versetzen die geschnitzten Waldgeister an Baumstümpfen in Stimmung.

am frühen Morgen über das Valsertal hinaus zurückgeblickt

Im oberen Teil des Aufstiegs führt der Steig quer über zwei Hangbruchflächen, die bei klaren Nächten vor Schitouren im späten Winter die erste Notwendigkeit von Harscheisen auf der Route bedingen. Kleine Wasserfälle zieren die schönen rostroten Biotitgneisfelsen oberhalb des Steigs. Die Waldgrenze wird dort erreicht und wechselt mit dichtem Strauchwerk sowie zunehmend Latschenbewuchs. Vogelbeere säumt den Weg.

Blick auf den felsigen Übergang zur Zeischalm

Auf mäßig steigendem Pfad wird durch Latschengassen die Zeischalm erreicht. Sie stellt mit ihren weitläufig gestreuten Stein- und Holzbauten, die der Almöhi – so könnte man Erich Gatt in Anlehnung an Johanna Spyri nennen – in 40 Almsommern geschaffen hat, den magischen Kern der Arena dar.  Mitten durch die engere Almeingrenzung führt der Weg auf die Hohe Kirche, ein beliebtes Schitourenziel, das auch beim Nordwestgrat auf die Sagwandspitze nicht fehlt.

mystische Zeischalm

Von den Almgebäuden besteht bereits ein guter Blick auf den Nordwestgrat der Sagwandspitze, wenn auch zu früher Stunde noch gegen das aufgehende Licht und schwer zu fotografieren.
Die Aussicht auf die südliche und östliche Almumfassung gibt eine eindrucksvolle Morgenstimmung des nahenden Herbstes wider.

Kluppen, Kraxentrager und die Lange Wand mit dem Geistbeckweg im Westen

In der südlichen Ecke der Grate das Tuxer Hauptkamms befindet sich der Kluppen, ein wenig aufgesuchtes Schitourenziel darstellt, zuletzt über ein kurzes Gratstück festen Granitgneises erklommen. Rechts davon, im Südwesten der Umfassung ragt der Kraxentrager auf, ein hehres Schitourenziel über eine steile Wand aus dem nördlichen Kar im Venntal.

Hohe Kirche, 2.634 m

Durch die langgezogene felsige Rippe im Westen der Einfassung des Kessels, die sogenannte Lange Wand, zieht der Übergang des Geistbeckwegs, ein Steig, der von der Touristenrast (siehe oben) zur Landshuter Hütte (auch Europahütte genannt) führt.

Olperer links, Fußstein rechts in Bildmitte

Während des Aufstiegs über den ostwärts gerichteten Steig auf die Hohe Kirche durchschreitet man einige Feuchtstellen, weshalb – wie immer in alpinem Gelände – hohe Bergschuhe die richtige Ausrüstung darstellt. Der Steig führt vor der Hütte westwärts mit ein paar Metern Höhenverlust in Richtung der Felskante, die zur Hohen Kirche hinaufführt. Diese Felskante stellt eine geologische Trennung zwischen Granitgneis, der die Grate des gesamten Kessels der Umrahmung der Zeischalm bildet und Granodioritgneis im Norden, hinab in das Alpeinertal.

Nordwestgrat zur Sagwandspitze voraus; am Grat im Vordergrund dunkel die Hohe Warte 310 m höher

Angelegt hat den Steig offenbar Erich Gatt vor vielen Jahren und vergaß dabei nicht seine Marken aufzustellen. Ein Bericht darüber findet sich hier. Der Steig führt teilweise recht steil durch die Schrofen aufwärts.

Aufstieg auf den Nordwestgrat nach dem Sattel zur Hohen Kirche

Auf der Grathöhe der nach Norden abfallenden Rippe auf der der Anstieg erfolgt, können massive Fundamente einer Materialseilbahn des ehemaligen Molybdänbergbaues unterhalb der Alpeinerscharte erkannt werden.

herrliches Aufstiegsgelände im festen Granitgneis zur Hohen Warte

Im Zweiten Weltkrieg versuchte man das begehrte Erz für die Rüstung zu gewinnen, mit hohen Opfern an Zwangsarbeitern und spärlicher Ausbeute von Erz. Als unergiebig wurde der Abbau bald eingestuft, näheres beim Bericht der tollen Schitour auf die Alpeiner Scharte.

Rückblick zur Hohen Kirche und ins Valsertal

Der Gipfelschmuck der Hohen Kirche trägt die Handschrift Erich Gatts. Drei Steinmänner bevölkern das rundliche Plateau nebst einer eigenwilligen, passenden Installation mit Christus-Skulptur aus Stein der Bergwacht Vals an Gatts gemauerter Sitzbank.

ehemaliger Alpeiner Ferner mit schuttbedecktem Gletschertor; man beachte die noch immer dicke Eisschicht im Nordkar

Von der Hohen Kirche genießt man einen einzigartigen Blick auf die Fußstein Nordkante, auf den Olperer, die Alpeiner Scharte, den Schrammacher und, dem Grat folgend, auf die Sagwandspitze, dem Tourenziel, über dem um 10 Uhr vormittags direkt die Sonne steht. Die eigentliche Gratbegehung  beginnt nach der Einsattelung südlich der Hohen Kirche.

Quarzkristalle

Mit 35 Hm Verlust durch die Überquerung des Sattels auf den ansteigenden Teil des Nordgrates zur Sagwandspitze beginnt der Aufstieg auf die schönen zerrissenen und ungemein trümmerbeladenen Graterhebungen. Teilweise muß sehr steiles Blockwerk durchstiegen werden, eine nicht wenig anstrengende Aktion.

am ersten klotzigen Gratturm rechts vorbei

Zuerst beginnt der Grat mit einem Aufschwung kurz nach dem Sattel, der rasch erklommen wird, und bis zum Hochpunkt etwa 120 Hm mißt. Am Weg dorthin fällt der Blick auf die Abbruchhalde über dem Alpeiner Ferner, unterhalb der mächtigen Ausbildung der Nordwände von Schrammacher und Sagwandspitze, Wände mit über 700 m Höhe und durchschnittlichen Neigungen von über 60° Neigung.

nächster, höherer Gratturm

Tatsächlich erkennt man in der Tiefe ein Gletschertor unterhalb von meterhohem Schutt über den kümmerlichen Resten des Fernereises. Das Gletschertor befindet sich hinter einem hohen Moränenwall und ist wahrscheinlich am Weg zur Alpeiner Scharte nicht zu sehen.

Rückblick auf eine zu überquerende Scharte

Auf den selten betretenen Flächen des Nordgrates findet man allerlei reizvolle Kristalle von Quarz und Bergkristall. Der spröde Granitgneis bildet mit seinem Bruchverhalten glatte Flächen und riesige Blöcke aus, über die der Aufstieg zum höchsten Hochpunkt erfolgt.

Überblick über den bisherigen Aufstieg

Dem ersten plumpen Turm folgt eine Scharte, durch die auch nach der Zeischalm abgestiegen werden kann. Jenseits der Scharte führt der Grat steil zum nächsten, bereits prägnanter ausgebildeten Gratturm weiter. Die Türme werden nicht überklettert sondern westlich unterhalb umgangen.

Gelände vor dem Band zur Scharte

Anschließend wieder anfänglich über Blockwerk westlich der Gratkante weniger steil weiter auf den nächsten Buckel, der rundlich ausgeprägt ist, und weniger über Blockwerk, mehr über einen plattigen Rücken erstiegen wird. Oben am Rücken rechts auf einem schmal werdenden Grasband erscheint  gleich die steile Nordschulter der Hohe Warte, deren Hochpunkt nur 30 m höher als der eigene Standpunkt liegt, von dort aber nicht sichtbar ist.

Nach einer Viertelstunde vom zweiten Gratturm über anstrengendes Blockwerk wird das westseitig Band zum Abbruch zur engen Scharte vor der Hohen Warte erreicht

Zwischen der Nordschulter und dem eigenen Standpunkt klafft eine interessante, tiefe, den obersten Blöcken nach zu urteilen aber brüchig aussehende sehr steile Scharte.

Knackpunkt

Da die Route Hechenbleikners den sogenannten „…Gratturm, der nach S mit einer steilen Kante abfällt…“ nicht als die Hohe Warte erkennt, kann aufgrund seiner Beschreibung mit Sicherheit festgestellt werden, daß es sich um dieselbe handelt. Auf der nicht sichtbaren Südseite fällt die Hohe Warte tatsächlich sehr steil 50 Hm ab und ist in ungesicherterer Kletterei sicher nicht zu schaffen. Hierzu ein Bild der Hohen Warte von Ost (Geraerhütte), aus einer anderen Tour und eines von West (obere Zeischalm), das bei der Erkundung im Abstieg stammt.

Hohe Warte mittig und rechts davon der runde Rücken (hier eher als Spitz erscheinend) mit Kante links hinab zur engen Scharte, von Osten gesehen

Nun folgt die knappe Anweisung in der Routenbeschreibung: „Er wird links umgangen.“ [links = östlich i. S. des Aufstiegs, Anm. d. Verf.]. Die Betrachtung der sonnigen Westseite entfällt also und man muß der Routenbeschreibung zufolge die dunkle Ostseite, die steil auf die Alpeiner Seite abfällt, nach einer Möglichkeit der Umgehung untersuchen. Da dies am Standplatz am Abbruch in die tiefe Scharte nicht möglich ist, muß einige Meter zurückgeschritten werden, um am runden Rücken auf dessen Ostseite zu gelangen. Dort kann noch ein paar Meter abgestiegen werden, bevor sich die schauerliche Ostwand in voller Dimension zeigt und sich ein sofortiges und entschiedenes „unmöglich!“ in den grauen Zellen manifestiert.

Hohe Warte und die folgenden Grattürme von Westen; rechts der Hohen Warte die steil abfallende Kante nach Süden

Selbst bei längerer Betrachtung konnte der Verfasser unterhalb der Hohen Warte keine durchgehend sicher zu begehende Passage ausmachen, die  auch nur annähernd eine sichtbare Möglichkeit der Umgehung hätte sein können. Unten am Ansatz der mächtigen Vertikalwand der Hohen Warte lauern höchst brüchige, extrem steile Felspartien, deren Stabilität bereits bei der Betrachtung fraglich scheint. Die Vertikalwand selber weist über ihre gesamte Höhe keinen gangbaren Riß oder Band oder ähnlich günstige Formen auf, sie ist glatt wie eine Hausmauer. Schon allein der Standplatz von dem aus die Bilder in der Galerie entstanden sind, erzeugte Unbehagen hinsichtlich der Standfestigkeit der Ostseite des Grates. Wie Hechenbleikner diese Passage gemeistert haben mag blieb dem Verfasser schleierhaft und einem Burschen mit fortgeschrittener Erfahrung (bereits im Alter von 21 Jahren) wäre trotz immenser Schneid nicht zuzutrauen eine solch törichte Unternehmung gewagt zu haben. Im Alleingang, ungesichert. Was war Hechenbleikner für ein Bursche? Dem mußte nachgegangen werden.

Wechsel auf die Ostseite des Grates, Blick auf schauerliches, unbegehbares Gelände am Fuß der Hohen Warte

Allerdings – und dieser Umstand könnte des Rätsels Lösung sein – ändert sich die Topographie in 120 Jahren entscheidend und umso ausgeprägter, je steiler und brüchiger sich Formen am Grat ausgebildet finden. Es könnte also sein, daß es im Jahre 1903 unterhalb der Vertikalwand noch einen gangbaren Absatz gegeben hat, der, wenn auch durch mäßige bis schwierige Kletterei, die Querung ermöglicht hat.

Mittelteil des Abbruches vor der Hohen Warte

Bei Betrachtung der Situation dort muß ja förmlich davon ausgegangen werden, daß Hochwetter und Verwitterung  heute eine Situation geschaffen haben, die sich völlig anders präsentiert als zur Zeit der Beschreibung. Daß Hechenbleikner ein Mann karger Worte, vielmehr ein Routenerschließer ohne Dokumentationsfreudigkeit war, konnte der Verfasser im Laufe seiner Recherche über ihn prägnant feststellen. Daß er aber nur einen lapidaren Satz in der Tourenbeschreibung für solch eine Passage verschwendet scheint unwahrscheinlich. Je mehr der Verfasser im Drang die Tour fortzusetzen darüber nachdachte, desto mehr erhärtete sich die Meinung, daß die Situationen von einst und jetzt nicht zu vergleichen sind und er sich nicht als Feigling fühlen muß, die Entschlossenheit nicht aufgebracht zu haben, die wahnwitzige Passage zu wagen.

oberer Teil des Abbruches mit Schrammacher und Alpeiner Scharte im Hintergrund

Eine zweite Möglichkeit wäre die Umgehung der Hohen Warte – in der Beschreibung als „…empor bis unter einen Gratturm, der nach S mit einer steilen Kante abfällt“ – von der tief gelegenen engen Scharte aus links, direkt unterhalb der plattigen Aufschwünge der Hohen Warte.

Blick auf den nordseitigen Aufstieg zur Hohen Warte (Schwierigkeit weit über III-)

Den Abstieg dorthin wagte der Verfasser ohne Sicherung ebenfalls nicht, angesichts der losen Brocken oben am Standplatz an der Westflanke. Gesichert wäre der Abstieg aber kein Problem und am Standpunkt der engen Scharte unten ergibt die Beschreibung „unter einem Gratturm“ [die Hohe Warte] Sinn. Ob von dort unten ebenfalls in die schauerlich brüchige Ostflanke hinausgestiegen werden muß, oder in festen Fels, der die linksseitige Umgehung ermöglicht, blieb bei der hier beschriebenen Begehung offen.

Mittelteil der Nordseite der Hohen Warte

Eine dritte Möglichkeit wäre – und diese könnte sich noch bewahrheiten – daß der wortkarge und wenig auskunfts- bzw. dokumentierfreudige Hechenbleikner einen der folgenden Grattürme mit „links umgehen“ meinte. So weit ist der Verfasser im Anstieg ja nicht gekommen.

Blick zur engen Scharte vor der Hohen Warte (diese könnte der Beschreibung „…empor bis unter einen Gratturm …“ entsprechen

Es könnte sein, daß er den oben beschriebenen Abstieg in die enge Scharte auf der Westseite der Hohen Warte in seiner knappen Art gar nicht erst beschreibt, weil er eigentlich logisch aussieht. Dagegen spricht, daß alle drei folgenden Gratzipfel relativ klein sind und deren Querung höchstwahrscheinlich in hechenbleiknerisch knappen Berichten überhaupt keiner Erwähnung wert sind. Keiner der folgenden drei Grattürme fällt mit erwähnenswert hoher steiler Südkante ab, wenn man deren Flanken von Osten betrachtet. Lediglich die Hohe Warte besitzt eine steile Südkante.

Rückzug

Auf einer beschriebenen und eingestuften Route umzudrehen stellt den höchsten Schwierigkeitsgrad am Berg dar; angesichts der Vernunft wurde diese Schwierigkeit jedoch gemeistert.

Rückblick beim Nachdenken über die weitere Vorgangsweise

Der Abstieg in die tiefe Scharte und eine Umgehung auf der Westseite dürfte in der Nachbetrachtung jedoch eine vernünftige und alpinistisch auch logische Variante sein, die mittels eines halblangen Seils bis zur Scharte auch größtmögliche Sicherheit bieten würde. Niemand steigt gerne 80 m ab, außer wenn es keinen anderen Weg gibt. Es gilt, diese Möglichkeit ein nächstes Mal unter Beweis zu stellen.

Abstieg mit Rückblick auf den imposanten zweiten Gratturm

Da die Tour an dieser Stelle ihr unerwartet jähes Ende fand, hatte der Verfasser Zeit nach Ausstiegen und Alternativen zu suchen und die Hanggegenseite aufzusuchen, um „Recognoscirungen“ [i. S. Barths, Gsallers u. a., Anm. d. Verf.] durchzuführen. Dabei entstanden bärige Bilder des Nordwestgrates zur Sagwandspitze.

beim Abstieg die Ostseite der Scharte und des ersten Gratturms inspiziert

Einen Ausstieg bzw. eine Abkürzung zur Alm bildet im Rückzug die Rinne von der Scharte nach dem ersten Gratkopf hinab. Sie ist nicht besonders steil und führt über wenig Blockwerk und Geröll gleich auf begrünte Wiesen des oberen Almgeländes. Unten beachte man die vielen Gerinne, die als Quellen aus dem Boden schießen und suche einen nicht zu sumpfigen Abstieg zur Alm.

Scharte hinab zur Zeischalm

Die im Führer angegebenen 5 Stunden für den Nordwestgrat muß man ab der Zeischalm auf den Gipfel rechnen. Bis zur Umkehr vor der Hohen Warte und mit der Begehung der Talgegenseite war der Verfasser 7 Stunden unterwegs (ohne die restlichen 300 Hm bis zum Gipfel und deren Abstieg).

nach der Hohen Warte dürfte feinstes Gratgelände mit leichter Kletterei zu erwarten sein

Zum Abschluß jeder Tour im hinteren Valsertal empfiehlt sich die Einkehr im Gasthaus Touristenrast, oder mit neuerer Bezeichnung Jausenstation Touristenrast, einem letzten klassischen Stützpunkt des frühen Alpinismus (keine eigene Webseite, aktuelle Infos auch auf facebook).

Mils, 12.09.2020

1diese Schreibweise des Familiennamens des Erstbegehers ist in der 6. Auflage 1970 des AV-Führers Zillertaler Alpen sowie in vielen heimischen Berichten und Artikeln wenig gebräuchlich, jedoch die richtige.
Es gibt kaum einen Alpinisten dessen Familienname in der Literatur in derart vielen Varianten falsch publiziert wurde, sodaß sogar die Internet Recherche in mehreren Schreibvarianten nötig wurde. Alle folgenden Varianten und Kombinationen seines Familiennamens werden angetroffen: Hechenbl(a)(e)i(c)kner
Der Verfasser hat aufgrund der Eindrücke während der Begehung des Grates bis vor die Hohe Warte sowie in ersten Recherchen im Internet gesteigertes Interesse an der Person des Erstbegehers gefunden und plant über ihn einen eigenen Bericht zu erstellen und zu veröffentlichen.

 

Schitour Alpeiner Scharte, 2.959m

Ohne Gipfel muß eine Bergtour auf ein sonstiges Ziel schon etwas Besonderes hergeben, damit man sie unternimmt – und genau das leistet die hochalpine Schitour zur Alpeiner Scharte zwischen dem Fußstein und dem Schrammacher in den Zillertaler Alpen. Sie ist nicht nur die mittig liegende, trennende Scharte im 29km langen Tuxer Hauptkamm, sondern auch ein wichtiger Übergang zwischen den südlichen Zillertaler und den nördlich gelegenen Tuxer Alpen und bietet eine phantastische Aussicht auf viele Dutzend beeindruckende Gipfel des Zillertaler Hauptkammes und gerade noch ein paar Gipfel in den Dolomiten.
Dieser Bericht möchte den Leser nicht nur auf eine großartige Tour, sondern auch auf ein wenig interessante und berührende Landesgeschichte entführen.

Autor im stürmenden Föhn auf der Alpeiner Scharte

Die Alpeiner Scharte wird vom Valsertal aus begangen. Sie zeichnet sich neben der atemberaubenden Kulisse im Talkessel unterhalb der umgebenden Dreitausender auch als eine Schitour mit einer langen nordseitig gelegenen Abfahrt aus, wodurch sie auch nach einer langen Schönwetterperiode noch wenig umgewandelte Schneeverhältnisse bietet, mit dementsprechendem Abfahrtserlebnis in Pulverschnee.

östlicher Teil des Zillertaler Hauptkammes mit Dutzenden Dreitausendern – ganz rechts der Große Möseler

Der Steilhang, von etwa 2.850m bis zur Scharte, weist Geländeneigungen von durchaus 40° auf und kann bei abgewehten Bedingungen, etwa ab der Hälfte, komfortabel nur mehr ohne Schi begangen werden, da auch die Abfahrt in der verbleibenden Rinne zwischen den Felsbrocken auch kein sonderliches Vergnügen bietet. Dies war auch bei unserer Tour der Fall. Bis zum Schidepot (obere Stahlseilverankerung im Felsblock und Wegmarkierung sichtbar) sind Harscheisen immer die Basisausrüstung.

Start am Weg zu den Almen

Der Anstieg ist lang, von dem kleinen Parkplatz beim Gasthaus Touristenrast (nur sommers bewirtschaftet), beträgt die direkte Aufstiegslänge 7km (mit Serpentinen dürften es durchaus 9km werden). Allerdings steigen gut 3,5km der Strecke bis zur hinteren Altererau nur mäßig an.

Gelände Altereralm

Zunächst geht es recht flach vom Gh. Touristenrast dem Weg zur Geraerhütte entlang. Ein unspektakulärer Beginn und gut für als Aufwärmstrecke für den – im Jänner – vollkommen schattigen Anstieg.

an der Alm

Der Rechtsbogen, den das Tal beschreibt öffnet nach und nach den Blick auf die gewaltigen Felsmauern von Olperer, Fußstein und Schrammacher. Die Lage der Alpeiner Scharte kann bereits gut eingesehen werden. Bei der Altereralm wird der gesamte Talkessel sichtbar und auch die beeindruckenden Geschieberippen, die der Alpeiner Bach durch seine energiereichen Wasser ausgeformt hat. Dieses Gelände mit seinen weißen Kuppen und kleinen Tälern wird später zum abschließenden Abfahrtsspaß.

Aufstieg durch die Altererau

Allmählich wird das Gelände steiler, die erste Talstufe beginnt am Ende der Au. Durch lichten jungen Lärchenbewuchs steigt die Route nun an, wobei sie auf einer der Hangrippen eher am rechten Rand der Talstufe beginnt mit dem Alpeiner Bach knapp zur Rechten, in Aufstiegsrichtung gesehen.

Sonnenaufgang über dem Fußstein und Trinkpause

Zweimal im Anstieg quert die Route eine Rippe nach links (östlich), die beste Hangneigung verfolgend. Das Gelände erreicht im steilsten Abschnitt 35° Neigung und bis zur Kuppe oben werden viele Spitzkehren notwendig.
Mehr als eine dreiviertel Stunde benötigten wir für diesen Abschnitt, der sich aber auch, durch den lichten Bewuchs und der zunehmenden Höhe als optisch recht reizvoll einprägt.

das Gelände führt über die Steilstufe hinauf

Anschließend an die Talstufe (etwa auf 2.200m) verflacht das Gelände ein wenig bis signifikant, die genaue Route bleibt zunächst aber wenig erkennbar, da hohe Geländekuppen die Sicht verstellen.

bäriges Aufstiegsgelände

Bald auf einer Rippe und folgend durch Mulden geht es etwa bis etwa 2.500m im rechten Teil des Hochkars bergauf, nahe am einstigen Alpeiner Ferner, von dem rein gar nichts übrig geblieben ist.

Britta vor der Westflanke des Fußstein

Dieser Teil der Tour ist geprägt von einzigartigem Licht- und Schattenspiel, wenn die aufgehende vormittägliche Jännersonne die Südostflanke des Fußsteins beleuchtet und die eigene Position im Talkessel gegen diesen reizvollen Hintergrund magisches Schattentheater über eine Leinwand von nahezu tausend Höhenmetern Mächtigkeit in der klirrend kalten Bergwelt bietet.

am Ende der Steilstufe vor der gewaltigen Kulisse der Schrammacher Nordwände

Ab der Talstufe verstärkte sich der kalte Wind von der Scharte herab zusehends, und die kräftigsten Böen, die wir zu spüren bekamen, kamen knapp an die Qualität heran das Gleichgewicht bei den Spitzkehren zu beeinflussen. Ab 2.500m bis etwa zum Fuß des Steilhangs auf 2.800m hatte niemand Lust auf eine Pause und jedes Foto wurde zum Wettlauf mit halbwegs spürbaren Fingerkuppen nach einigen Minuten wieder im Handschuh.

über Mulden und Kuppen geht es dahin

Der Hang zur letzten kleinen Talstufe, etwa von 2.600m auf 2.750m ist geprägt von einem den Blick magisch anziehenden Stahlgerüst, das zunächst völlig verwundert, kennt man die Hintergründe nicht.

auf etwa 2.400m

Übergroß und in gewisser Weise bedrohlich von Gestalt thront das ehern Zeugnis von Ohnmacht und Unvernunft über dem langen steilen Hang am Felsansatz des Fußsteins Gipfelaufbaues links unterhalb der Alpeiner Scharte.

Ende der steileren Strecke

Seine Geschichte ist eine grundsätzlich unglückliche, wurde es doch einzig ins Leben gerufen, um Grundstoff für Vernichtung zu liefern. Sehr wahrscheinlich war es ihm deshalb verweigert diesem abwegigen Zwecke nicht mit einem einzigen Erzkorn aus Mutter Erdes Schoß zu dienen.

das Monstrum der Umlenkstütze vom ehemaligen Molybdänbergwerk in direkter Aufstiegslinie

Der bedeutende Tiroler Kartograf Peter Anich hat im 18. Jhdt. in seinem „Atlas Tyrolensis“ die Gegend vom „Alpeiner Ferner wo Christall zu finden“ beschrieben und bei seinen Vermessungsarbeiten auch den Fund des bleigrau glänzenden Molybdänsulfids (Molybdänitsulfid MoS2) unterhalb der Alpeiner Scharte, genauer, unterhalb des Westgrates des Alpeiner Schartenkopfes, erstmals erwähnt.

Peter Anich, Atlas Tyrolensis

Das Metall Molybdän wird als Legierungsbestandteil von Stählen verwendet, es verbessert ihre Eigenschaften in Härtbarkeit und Warmfestigkeit und zwar – das ist entscheidend für die Beurteilung der Lagerstättenwirtschaftlichkeit – in bereits sehr geringem Verhältnis von 0,4 bis etwa 2% Massenanteil. Diese Eigenschaften spielen in der technischen Anwendung unter anderem bei Kriegswaffen eine entscheidende Rolle.

der steilere Hang im Rückblick

Im Zweiten Weltkrieg war das Deutsche Reich weitgehend abgeschlossen von diesem Metall, aber seine Rüstungsindustrie sehr darauf angewiesen. Nicht zuletzt die Wendungen der Kriegserfolge Anfang der 1940er Jahre verstärkten die Suche nach dem Metall.

Flex schon bald auf der Karfläche angelangt

Da das Vorkommen am Fuße des Alpeiner Ferners bekannt war gab die Wehrmacht in Berlin eine Untersuchung über die Ertragsmöglichkeit der Lagerstätte in Auftrag, die der bekannte Tiroler Geologe Oskar Schmidegg 1939 ausführte (sein Gutachten liegt in der Geologischen Bundesanstalt, Wien auf). Die im Gutachten errechnete Menge an Erz die hereingewonnen werden könnte wurde allerdings als viel zu groß ausgewiesen, wie sich durch geologische Untersuchungen Jahrzehnte später herausstellte (Anm. d. Verf.: die Angaben in der Literatur,  siehe die Links unten, schwanken von Hunderten bis Zehntausenden Tonnen derart beträchtlich, darum werden hier keine Zahlen angegeben).

ebener Karboden beim ehemaligen Molybdänbergwerk – rechts von Martin die Fundamente des Barackenlagers

Die Erschließung der Lagerstätte wurde unter dem Aspekt der Rohstoffverknappung schlußendlich für würdig befunden und 1941 mit dem Vortrieb, sowie mit dem Bau von technischen Einrichtungen, v. a. die Seilbahn für die Talförderung begonnen.

stummer Zeitzeuge vor toller Alpinkulisse

Die Arbeiten wurden vor allem von osteuropäischen und russischen Zwangsarbeitern ausgeführt, aber auch von gegnerischen Kriegsgefangenen. Als Stützpunkt für die Unterkunft diente die Geraerhütte, mit dem täglichen Anmarsch über mehr als 400Hm. Die wahnwitzige Ironie für den Bergsteiger besteht in der Durchführung der Vortriebsarbeiten auch im Winter! Die Strapazen und Leiden der Arbeiter kann man sich neben der ohnehin unwürdigen Behandlung wahrscheinlich gar nicht schlimm genug vorstellen.

am unteren Teil des Steilhanges zur Alpeiner Scharte

In der Folge war der zu erwartende Erfolg der Gewinnung immer wieder fraglich und es gab nie einen ersten Seilbahnkübel mit Erz, der zu der heute nicht mehr besichtigbaren Aufbereitungsanlage nahe dem Gasthaus Touristenrast zu Tale gefördert worden wäre.

Harscheisen waren ab hier empfehlenswert

Selbst nach einem verehrenden Lawinenunglück im November 1944, bei dem die mittlerweile errichteten Arbeiterwohnbaracken nahe der Stollen durch eine Staublawine völlig zerstört und Dutzende Arbeiter (Anm. d. Verf.: auch hier gehen die Angaben in der Literatur auseinander, daher keine Zahlenangabe) getötet oder verletzt wurden, gab man die Arbeiten nicht auf und führte sie bis in den Mai 1945 fort, bis Innsbruck durch die Alliierten besetzt wurde und den erfolglosen Bemühungen, vor allem aber dem leidvollen Missbrauch der Zwangsarbeiter an der Alpeiner Scharte ein Ende gesetzt wurde.

Blick aus dem Steilhang in die Stubaier

Wer bei derart unwirtlichem Wind – wie er bei unserer Begehung herrschte – die verbliebenen baulichen Zeugnisse der damaligen Anlagen durchschreitet, kann sich den Irrwitz des Winterbetriebes einigermaßen vorstellen.
Man nehme sich die Zeit und besuche die u. a. Links mit teilweise sehr interessanten und auch bedrückenden Recherchenergebnissen über die Errichtung eines Bergwerkes in unzähmbarer alpiner Gegend. Der Autor hat versucht die Links nach seinem subjektiv empfundenen Informationsgehalt zu reihen, beginnend mit dem gehaltvollsten.

Christian hat das Schidepot ohne Harscheisen bezwungen

Auf dem etwa 2.750m hoch liegenden Karboden unterhalb des Steilhanges zur Scharte und leicht rechts (westlich) des Westgrates des Alpeiner Schartenkopfes finden sich, rechts des Aufstiegs, Reste der Fundamente der Wohnbaracken. Dieser Platz eignet sich gut für eine letzte Pause vor dem Steilhang, ggf. auch zum frühen Montieren der Harscheisen. Linkerhand die Umlenkstütze der Bergstation mit den Stollenmundlöchern zum Bergwerk oberhalb.

am Schidepot – unten die Fundamente des ehem. Barackenlagers zu sehen, eine denkbar ungünstige Lage

Zwischen der Westflanke des Alpeiner Schartenkopfes und dem mittigen Moränenhügel führt die Aufstiegsroute an den Steilhang heran, der mit ein paar Spitzkehren bis in die steilste Neigung begangen wird. Die meisten verwendeten dafür die bequemen Harscheisen, Flex und Christian bewiesen sich ohne diese Hilfe auszukommen.

den Sommerweg durch die Felsblöcke zur Scharte

Beim oberen Fixpunkt einer Seilsicherung, von der nur der letzte Meter auf den Verankerungsfels aus der hartgepressten Schneedecke herausstand, machten wir dann mangels Schneeauflage Schidepot und schritten / stapften die letzten etwa 50Hm zur Scharte. Einzig Bergziege Hilli, der es sich nicht nehmen ließ, die etwa 5m breite Schneeschneise mit vielen Spitzkehren bis fast zur Scharte mit Schi aufzusteigen.

oben wird der Hang zur Scharte flacher, Hilli kämpft in der schmalen Rinne

Nach genau vier und ein Viertel Stunden Aufstieg tauchten wir auf der windigen Alpeiner Scharte erstmals an diesem Tag in wärmendes Sonnenlicht ein. Dies allerdings für gerade einmal zehn Minuten, da die Sonne um den Jahreswechsel hinter den westseitigen Grattürmen zum Schrammacher hinauf bereits verschwindet und man zunehmend auf den Gegenhang zum Alpeiner Schartenkopf aufsteigen müßte, wollte man sie länger nutzen.

letzte Meter zur Alpeiner Scharte

Der Ausblick auf die Gipfel des Zillertaler Hauptkamms ist von der Alpeiner Scharte aus phänomenal und deshalb haben wir eine Ansicht mit den bedeutendsten Gipfelnamen in der Bildergalerie erstellt.

Alpeiner Scharte 2.959m

Zweifellos die beeindruckendsten Gipfel im Südosten gegenüber sind – der höchste Zillertaler Gipfel – der 9,4km entfernte Hochfeiler (3.510m), der etwas weiter südöstlich gelegene Große Möseler (3.479m) in 11,2km Entfernung, mit den leicht links aufragenden Pyramiden von Turnerkamp (3.420m) und Großer Greiner (3.201m), sowie der Schwarzenstein (3.369m) mit seinem flachen, weiten Gletscher.

südöstlicher Teil des Zillertaler Hauptkammes mit Großem Möseler links der Bildmitte und Hochfeiler rechts der Bildmitte

Weiter im Osten der Große Löffler (3.378m) und als Highlight der Großvenediger (3.666m) in 54km Entfernung. Den Abschluß an Dreitausender bildet die Reichenspitze (3.303m) in 37km ostnordöstlicher Entfernung.

östlicher Teil des Zillertaler Hauptkammes mit Dutzenden Dreitausendern – ganz rechts der Große Möseler

Der Talblick beinhaltet ein kleines Stück Schlegeisspeicher unterhalb des unberührten Schrammacherkars im schönen Zamsergrund.

südöstlicher Teil des Zillertaler Hauptkammes mit Großem Möseler links der Bildmitte und Hochfeiler rechts der Bildmitte

Leider war unser Aufenthalt auf der unwirtlich böig-windigen und zunehmend schattigen Scharte nur von kurzer Dauer und wir verließen sie kaum eine Viertelstunde nach unserer Ankunft wieder.

Tiefblick nach Süden ins Schrammacherkar

Die Abfahrt über den Steilhang erwies sich unerwartet besser als vermutet. Schwünge über die Windgangln waren komfortabel möglich und man brach nicht ein.

Rückweg zum Schidepot

Weiter unten, etwa auf Höhe des ehemaligen Bergwerks, ging die hartgepresste Schneedecke zusehends in weichere Partien über und die gewaltigen Hänge unterhalb des ehemaligen Alpeiner Ferners ließen sich einigermaßen bequem fahren.

Abfahrt unter dem ehemaligen Alpeiner Ferner

Die flacheren Hänge vor der Talstufe in die Altererau boten dann allmählich den Übergang zum wahren Pulververgnügen, der Schnee wurde immer weicher.

Abfahrt unterhalb gewaltiger Wände des ehemaligen Alpeiner Ferners

Ab der Kante zur Steilstufe fanden wir dann wirklich bärige Rinnen mit Pulverbedingungen vor, die Spuren zeugen vom Vergnügen.

Flex im Steilhang

Selbst der Flachteil in der Altererau bot mit seinen strauchbesetzten Rinnen und Mulden eine tolle Abfahrtskulisse und am Weg nach der Alm konnten wir in der Jännersonne noch ein schönes Abschlussfoto schießen.

ab hier Pulververgnügen

Die ca. 9km Aufstiegslänge ziehen sich über 1.614Hm wofür wir 4:15 Stunden benötigten. Gesamt waren wir 5:30 Stunden unterwegs.

die Aufstiegsspur im Steilhang

Die Schitour könnte man sogar mit der Bahn von Innsbruck oder Brenner und mit der Buslinie 4144 unternehmen.

Truppe nach getaner Arbeit vor Olperer und Fußstein

Morgens und nachmittags gibt es auch am Wochenende fast jede Stunde einen Bus von/nach St. Jodok (Bahn: 6:49 Ibk – 7:15 St. Jodok, Bus 4144: 7:40 – 7:56 Vals + 1,6km Gehstrecke bis Gh. Touristenrast; 15:26 oder 16:56 zurück; Stand: Jänner 2020)

Mils, 02.01.2020

Links zur Geschichte und Technik des Molybdänbergwerks Alpeiner Scharte:
http://www.retrofutur.org/retrofutur/app/main

https://www.zeit.de/2010/29/A-Bergwerk (hierzu muß eine Registrierung mit Passwort beantragt werden – der Bericht lohnt die kleine Mühe)

https://www.bergsteigerdoerfer.org/202-0-St-Jodok-Schmirn-Vals-Alpingeschichte.html (generell sehr interessante Broschüre zum Download – „Molybdänbergbau im Valsertal“ Seiten 74 – 81)

https://wipptalblog.tirol/de/das-molybdaen-bergwerk-im-valsertal/

http://www.sagen.at/doku/bergbau/Bergwerk_Alpeiner_Scharte.html

https://tirv1.orf.at/stories/456498

Fundstücken von Molybdänverbindungen im Bereich der Alpeiner Scharte:
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/LokationMineralData?param=2931,2568,1

Schöberspitzen, 2.602m

Aus dem Wildlahnertal, das seinem Namen nicht nur im Winter gerecht wird führt ein netter, leichter und lehrreicher Steig auf die Schöberspitzen inmitten der frühjährlichen Blumenpracht  in den Tuxer Alpen. Die Anreise bis zum Ausgangspunkt, dem kostenlosen Parkplatz im Wildlahnertal, befahren über das malerische Schmirntal, ist ein Erlebnis in sich und man kommt nicht umhin das selbige nicht nur wegen der fesselnden Schönheit der Landschaft, sondern auch wegen der Anrainer respektvoll zu befahren.

Schöberspitzen, 2.602m (2.580m)

Eile ist auf der nachfolgend beschriebenen Tour ohnehin nicht geboten, denn sie kann in Portionen konsumiert und jederzeit verkürzt werden. Beispielsweise müssten die Schöberspitzen nicht unbedingt bestiegen werden, der Anstieg könnte beim Ramsgrubensee enden und es könnte auf gleichem Wege abgestiegen werden. Oder die Tour könnte nach dem Jöchl zum Gipfel über das dort oben schon sehr weite Wildlahnertal auf die andere Talseite zum Steinernen Lamm erweitert werden.

ein kurzes Stück über den Schotterweg

Die ursprünglich angedachte Rundtour über das Steinerne Lamm ließ er großherzig mit wenig Leistungswillen an diesem so mittelmäßigen Bergtag bleiben – die Schneefelder im Übergang des oberen Wildlahnertales waren noch zu dominierend und mit Hilfe des unterdurchschnittlichen Wetters triumphierte in des Verfassers Stimmung sehr selten anzutreffende Gelassenheit. Man erzählt sich sogar, die kleine Runde mit dem Abstieg über die Ochsneralm und weiter zum Wasserfall hätte ihm irgendwie gut getan, man möge dies aber für sich behalten.

in Almwiesengelände weiter auf den Wald zu

Ohne die Sorge schon wieder kaum Münzen mit dabei zu haben, verlassen von aller Technik gestrandet zu sein und somit Strafe zu riskieren, wird das Fahrzeug am Ende der Schotterstraße entlang der letzten Häuser in Toldern endlich abgestellt wo nach dem Aussteigen der Wildlahnerbach  das Wort übernimmt.

Rückblick über den ersten Teil

Leicht ist der Anstieg über die Schotterstraße zu finden, gleich geht es eine Spitzkehre nach rechts, vorbei an einer Heuhütte und einige wenige Minuten leicht bergauf bis zur Abzweigung links, über eine freie Almfläche direkt am Hang hinauf.

im Lärchenwald weiter

Nach knapp 20min des Aufstieges über farbenreiche Almwiesen taucht der Steig ein in immer dichter werdende Almrosenflächen, deren Reiz sie abzulichten überwältigend ist, obwohl – als Vorgriff der Erlebnisse hier bereits erwähnt – diese Flächen nur die Vorboten von weit mächtigeren rotgetünchten Hängen im hinteren Wildlahnertal darstellen.

Jungendgruppe im obersten Almzipfel

Auf die aussichtsreichen offenen Flächen folgt dann ein gutes Stück im sehr naturbelassenen Wald, dessen Boden durch den hohen Anteil an Lärchen recht viel Grün hervorbringt.
Eine plötzlich auftauchende Wiesenfläche taugte zur einprägsamen Begegnung nachdem allerlei unterschiedlich altes Galtvieh den überraschenden Besuch des Verfassers in Ihrem Wohnzimmer als interessante Abwechslung im Almaltag empfand.

Steig zum Sattel nach dem Almgelände – das Ziel bereits sichtbar

Wie eine ländliche Fußballmannschaft aus Kindern und Jugendlichen – auch an der Zahl gleich, weit abgeschieden von Zivilisation und Hetze, machten sich die Kälber auf und versuchten scheu aber neugierig die Nähe des Fremden. Ein kurzes Innehalten und Orientieren des Eindringlings ließ die Tiere gleiches tun und sie verharrten auch während meiner vorsichtigen Passage, ja zogen sich sogar leicht zurück, wenn der Abstand kleiner als eine Körperlänge wurde.
Oberhalb dieser kleinen Almfläche endet der Wald und dort befindet sich auch gleich der Ausstieg über den Zaun auf die hochalpinen Bergflanken, die vom knorrigen Bewuchs her nicht mehr für Rindvieh geeignet ist. In der Kälbergruppe kehrte nach dem Verschwinden des Besuchers wieder Lässigkeit ein, im Rückblick vom Ausstieg oben lagen die ersten schon wieder zum Wiederkauen.

Alpen-Kuhschelle

Der Steig setzt in der Folge wesentlich alpiner fort, die letzten Lärchen sind bald passiert und ab dort folgen nur mehr bodennahe Strauchgewächse. Vor der weiten Freifläche befindet sich noch eine kleine Quelle, die ich genutzt habe und der Hochpunkt der Besteigung, die Schöberspitzen sind bereits gut sichtbar. Es handelt sich von dort augenscheinlich um eine Spitze, die andere liegt südöstlich davon und ist von unten nicht als freistehende Spitze erkennbar. Auf der westlichen Spitze ist das Gipfelkreuz errichtet und dieses liegt auch 20Hm niedriger als die offizielle Höhenangabe der Schöberspitzen mit 2.602m.

Wer sich für die Benennung der Gipfel interessiert: Die doch recht ungewöhnliche  Namensgebung dürfte der Aussage in der Broschüre der Bergsteigerdörfer des ÖAV nach entstanden sein, weil die beiden Spitzen „sich wie zwei große Heuschober erheben“ und der alternativ in der Literatur anzutreffende Name ist oft auch doppelt singulär erwähnt – Schoberspitze. 

gelb punktierter Enzian

Prachtvolle Blumenblüten begleiten am Steig durch die Südflanke der Schönlahnerspitze zum Sattel hinauf. Alpen-Kuhschellen und später der sonst selten zu sehende gelbpunktierte Enzian säumen den Weg zuhauf und sorgen für immer neuen Blickfang.

Zu früheren Zeiten dürfte intensive Schafwirtschaft in diesem Hochtal betrieben worden sein, davon zeugen zwei längst verfallene Schaferhütten, deren hangseitigen Grundmauern noch erhalten sind und deren Dachbalken im ehemaligen Inneren der Hütte dahinrotten.

Zeugen blühender Alm-Vergangenheit

Gegen den Sattel hin kann das Ziel, die Schöberspitzen (jene mit dem Gipfelkreuz) wieder erkannt werden, nachdem sie mitten im Tal durch einen Hang verdeckt war.

dem Sattel zwischen Schönlahner- und Schöberspitze entgegen

Rechterhand geht es die rund 80Hm südlich zum Ramsgrubnersee hinauf. Gegen Ende Mitte Juni fanden sich oben am Plateau zum See hin noch Restschneefelder. Der See beeindruckt mit unerwarteter Größe. Eigentlich sind es zwei Seen, der kleinere liegt westlich, durch eine schmale Geländebrücke vom großen getrennt. Klares Wasser läßt trotzdem die Tiefe nicht eindeutig erkennen, schon gar nicht bei Wind mit gekräuselter Wasseroberfläche. Auch vom Gipfel der Schöberspitzen aus vermochte ich den Grund des Sees nicht auszumachen.

die Schöberspitzen vom Sattel aus gesehen

der große See wurde im Halbkreis umwandert und am gegenüberliegenden Punkt bergauf zur Scharte zwischen den Schöberspitzen verlassen. Mehrmals im Aufstieg ist man geneigt sich zu diesem schönen Blickfang umzudrehen.

Ramsgrubnersee

Gleich fällt am Gipfelanstieg nach dem Ramsgrubnersee auf, daß das Gestein total anders geartet ist als vorher während des bisherigen Aufstieges. Dies liegt daran, daß die Schöberspitzen als Falte von karbonatischen Triasgesteinen in dem umgebenden, jurassisch gebildeten Gestein eingebettet sind. Die Felsbrocken sind dünnschichtig und die Schichtstärke von erstaunlicher Gleichförmigkeit. Solcherart Gestein findet sich auch am Wolfendorn, ebenfalls, wie die Schöberspitzen, in der geologischen Zone des „Tauern Fensters“.

Anstieg vom See zu den Schöberspitzen

Über Schneefelder hinweg durch den schuttigen Hang über mittelgroß zertrümmerte Gesteinsbrocken erreicht man den kleinen Sattel zwischen den beiden Schöberspitzen.
Der interessante Gipfel mit dem Gipfelkreuz ist der rechte (westliche) und er wird unten über ein breites Band westwärts und am Ende in einer Spitzkehre ostwärts über den langen Rücken erstiegen. Sehr eindrucksvoll dabei zeigen sich die deutlich sichtbaren Faltungen in der Schichtung des über die Zeiten arg beanspruchten Gesteins.

Gestein am Anstieg zur Schöberspitzen

Am Gipfel besticht die Aussicht in alle Richtungen. Die Entfernung zum mächtigen Riesen des Olperers beträgt gerade einmal knapp 4km. Leider an diesem Tag nicht in voller Größe sichtbar, da das launische Wetter die Nebelspiele bis zu meiner Abreise nicht beenden mochte.

Jöchl zwischen den Schöberspitzen

Knapp davor und etwas mehr östlich der Große und der Falsche Kaserer und im Westen des Wildlahnertals Fußstein, Schrammacher und die Sagwandspitze.

Richtung Großer Kaserer und Olperer geblickt

Im Norden freier Blick zu den in knapp 8km entfernten Gipfeln des Lizumer Reckner und Geier, geographisch staunend betrachtet in etwa in der Hälfte der Luftlinie zum Wohnort des Verfassers, der über die Straßen eine weitaus längere Anreise hatte.

Fußstein, Schrammacher und Sagwandspitze

Durch das sich verschlechternde Wetter von Nordwesten fiel die Gipfelrast nur kurz aus und wegen des kalten Windes fand die Jause unterhalb des Joches statt, wo auch nochmals der Übergang zum Steineren Lamm mittels dem Glas erkundet wurde.

Blick gen Norden zum Lizumer Reckner und Geier

Die vielen und recht durchgehenden Schneefelder ließen mein Interesse an dem weiten Talkessel bis zum Steineren Lamm schwinden. Mit Bergschuhen im festen Firn Hangquerungen zu vollführen ist nicht so lustig, auch wenn die Neigung derselben dort nicht besonders groß ist.

Ramsgrubnersee vom Gipfel der Schöberspitzen aus

Stattdessen interessierte mich der Abstieg zur Ochsnerhütte. Mir ist diese im Winter noch nie aufgefallen, daher sollte sie erkundet werden. Der Abstieg ist auf einem großen Felsbrocken dem zeichenkundigen Alpenfreund genau genug markiert und die Markierungen in der felsarmen Almwiese  bestehen aus Holzpflöcken, deren Anzahl ausreicht, um den Abstieg richtig zu begehen.

Tiefblick auf den Aufstieg

Links und rechts protestierten schon von weitem die Schafgruppen und ließen mich nicht näher als ca. 50m an sich heran, bevor sie sich gemeinsam in der Herde eilig und schimpfend entfernten.

Wegmarkierungen (in unserem Fall über 72 gekommen um nach Wildlahner abzusteigen, 527 führt zum Steinernen Lamm)

Ein Abstieg über weite Bergwiesen mit einer schönen Kulisse am Gegenhang – da bereute ich die Verkürzung der Runde gar nicht und konnte, weiter unten, das Steinerne Lamm in seiner es bezeichnenden Perspektive sehen. Das Zoom mit der Handykamera ist meist ein echter Kompromiss zwischen Nähe und Schärfe, zeigt es aber dennoch recht treffend.

Abstieg zum Wildlahnertal über die Ochsnerhütte

Die nette Ochsnerhütte, auf einem kleinen Plateau in einer flachen Stufe des Hanges zum Wildlahnerbach hinab errichtet, beherbergt die Schafe in einem kleinen Stall, der den Grundflächengroßteil des kleinen Refugiums inmitten der sprießenden Bergwiesen darstellt. Ein sehr kleiner Teil der Grundfläche ist dem Schäfer vorbehalten und durch die Fenster in sein winziges Stübchen geblickt stellt die Neugier fest, daß er sich im Notfall nur auf den hölzernen Fußboden als Nachtlager zurückziehen kann und weiter, daß er nicht besonders groß von Wuchs sein sollte, will er sich des Nächtens ausstrecken. Allerdings verfügt die kleine Hütte aber auch über einen komfortablen Holzherd und einen Minitisch mit zwei Sitzplätzen, sodaß es sich dort gegen die Unbillen des Wetters  eine Weile aushalten läßt.
Das massiv nieder gespannte Dach – vor allem nach Südwesten – zeugt von großer Sturmgefahr, die ungeschützten Fenster passen jedoch wieder weniger zu dieser Vorstellung.

Ochsnerhütte

Im weiteren undeutlich erkennbaren, jedoch mit Holzpflöcken markierten und logisch verlaufenden Weg hinab ins Tal wird eine verfallende kleinere Hütte passiert, die in ihren Glanzzeiten ein Unterstand für das Vieh oder eine kleine Heupille gewesen sein mußte.

verfallendes Hüttchen unterhalb der Ochsnerhütte

Ihr Anblick erweckt Interesse an ihrer Geschichte wie auch an Ihrer so meisterhaft ausgeübten Bauweise, daß sie mit Leichtigkeit  den Elementen viele Jahrzehnte trotzen konnte in der sie der starken Strahlung im Sommer und übermächtiger Gewichtsbelastung im Winter ausgesetzt war. Allein die Vorstellung was sie erzählen kann beflügelt und lädt zum Innehalten ein.
Das Schöne an dieser Konstruktion ist, daß sie bis zum völligen Verschwinden leben darf. Und noch immer vermittelt sie Schutz in der sonst so schutzlosen ebenflächigen Landschaft – welch Bestimmung für einen solchen Greis! Sie wird nicht abgetragen, geordnet, separiert, einer geregelten Sterbensbestimmung zugeführt, nein sie wird belassen wie erschaffen worden und dient dem neuen Zweck Gedanken anzuregen, Fotomotiv zu sein, Kindern als Forschungsobjekt zu dienen und einfach als dazugehörige Erscheinung inmitten von Natur Teil derselben zu sein – bei aller Traurigkeit ob ihrer schwach gewordenen Gestalt, ein anregender Anblick. Irgendwie lebt sie.

saftige Bergwiesen mit Hoher Warte

Frisch beflügelt über die üppig prallen Wiesen hinab folgt man dem Steig noch gerade zwei   Minuten, bevor er in weitem Bogen eine fast rechtwinkelige Linkswendung taleinwärts beschreibt und den Hang bergab nun schneidet.

das „Steinerne Lamm“ am Gegenkamm gut am Umriss erkennbar ein

Zwei, drei Einschnitte mit kleinen Bächen werden durch die Hangquerung durchschritten und merklich werden die Almrosenflächen mehr und mehr, bis sie eine augenfällige Üppigkeit erreichen, die den nächsten Blickfang bilden.

das innere Wildlahnertal

Nach den Einschnitten wird der Hang zum Talgrund hin flacher und gibt den Blick zum nächsten Highlight frei, dem Wasserfall des Wildlahnerbaches.

Der Steig führt hier im Bogen wieder talauswärts und man kann sich entscheiden seinem Verlauf orografisch rechts zu folgen, oder über eine hohe künstlich geschaffene Sohlstufe auf die linke Talseite zu wechseln, um talauswärts zu gelangen.

Blick talauswärts zur Hohen Warte

Wer aber den sonderbar anmutenden Wasserfall in der glatt geschliffenen Gletscherwand im Tiefen des Wildlahnertals ins Blickfeld bekommen hat, der kann der Anziehungskraft des Schauspieles nicht entgehen, wird der Neugier stattgeben und sucht den Weg dorthin. In meinem Fall war der direkte Weg durch die Almrosenbüschel typischerweise wieder einmal gerade gut genug. Die gesetztere Variante wäre den Abstieg zum Bachbett zu nehmen und auf der Sohlstufe durch den dort breiten und wenig tiefen Bach zu nehmen, um auf dessen orografisch linke Seite zu wechseln und bequem taleinwärts marschieren zu können.

der Wasserfall im Wildlahnerbach

Wenige Minuten und einige Kratzer von knorrigen Zwergsträuchern mehr erreichte ich den besonderen Ort des tosenden Wasserfalles. Die Wahrnehmung der Umgebung ist dort durch den gewaltigen Lärm des Wassers in bekannter Weise bei solchen Erscheinungen sonderbar gehemmt und alle Konzentration kann auf das Phänomen eines urplötzlich aus dem Fels auftauchenden Wasserstrahles gerichtet werden.

die Dynamik in der Statik erkennbar

Bereits in der Annäherung erkennt man einen Großteil des Geheimnisses, aber in allem Detail soll es hier nicht beschrieben werden, um den Zauber der Entdeckung nicht zu nehmen – man sehe sich die Baumeisterin Natur vor Ort an und staune!

„Dort wo aus schmaler Felsenkluft…“, so der Beginn eines längst vergessenen Bergsteigerliedes, das wir Jungmannschaften im wöchentlichen AV-Vereinsabend in den ’70ern noch gesungen haben, entlockte mir bei der Erforschung des Baches Kanalgeometrie im Fels ein nostalgisches Schmunzeln.

Schwemmland im Wildlahnertal

Die enorme Wassermenge, die sich durch den schmalen Schliff im Fels den Weg gebahnt hat wird erst richtig einschätzbar, wenn man durch genaue Beobachtung den schon beruhigten und breiten Abfluss des Wasserfalles über das Bachbett einzuschätzen vermag.
Darüberhinaus gibt es noch einiges zu entdecken, das hier nicht vorweggenommen werden soll; beispielsweise folgt das Spritzmuster des Wasserfalles einem genauen Rhythmus und – für den der Innehalten und beobachten kann – derlei Entdeckungen mehr.

Den magischen Bereich wieder einmal allzu schnell verlassen zu haben wird einem erst bewußt, wenn die breiten Schwemmflächen talauswärts durchquert worden sind, in denen das Fortkommen einer zeitlich scheinbar so enormen Anstrengung bedarf – am Ende sind es  wenige unbedeutende Minuten die bei dem gebotenen Einblick in die angeschwemmte Geologie noch intensiver hätten genossen werden müssen, könnte man die ewig inhärente Hast ablegen.

die zuvor abgestiegenen Almwiesen auf der Gegenseite

Von der Ferne betrachtet macht unser nun vermeintlich ausreichend erforschter Wasserfall immer noch eine gute Figur, er ist und bleibt „ein Loch in der Wand“, er sieht phantastisch aus.

grandioser Talabschluß mit dem mächtigen Olperer

Der Abstieg durch das sommerliche Wildlahnertal birgt einige Überraschungen, wenn abseits des normalen Weges erkundet wird. Die erste tolle Szenerie ist die hohe, befestigte Sohlstufe im Wildlahnerbach, die das Ende des Schwemmgebietes darstellt.
An richtiger Stelle platziert gelingen dort wunderbare, ja fast kitschige Bilder – der Kitsch in meinem Fall durch das mäßige Wetter vereitelt und mehr davon in der Galerie.

großartige Kulisse und tolle Fotomotive

Zwischen dem Normalweg, orografisch links und der rechten Talseite wanderte ich neben dem tiefen Schluchteinschnitt des Wildlahnerbaches weglos talauswärts. Die Geländestufen führen durch dichte Almrosen und mit ein wenig Vorausblick findet sich ein günstiger Pfad durch die Gestrüppfelder.

Sohlstufe im Wildlahnerbach

Am Ende quert von rechts die Schlucht, bzw. deren Ende in den Abstieg herein. Dort vereinigt sich der Wildlahnerbach, tief in der Schlucht, mit einem von der linken Seite herunterziehenden Gerinne. Die Felsen dort sind eigenartig geformt und bilden dort – meines Erachtens jurassischen Ursprungs der ungewöhnlich rote Farbe wegen – eine eigene Geländestufe die, von unten betrachtet, interessante Verwitterungsformen in Form von kleinen Höhlen birgt. Allerdings sind die Höhlen nur von unten betrachtet Höhlen, denn wer nasse Innenschuhe riskiert und über den etwas sumpfigen Aufstieg auf Erkundungstour geht, der erkennt oben, daß die Höhlen gerade mitteltiefe Auswaschungen der Felsdecke sind.

Gerinne von der Hohen Warte herab

Vom Fuße des Kessels aus kritisch betrachtet muß die oben liegende Decke eine wesentlich härtere sein, die im Laufe der Zeit immer wieder abbricht und so die Geländestufe vergrößert. Ein eigenartiger Einschub in die sonst so anders geformte Landschaft.

Geländestufe vor der Schlucht mit dem Wildlahnerbach

Unterhalb dieses Kessels erreicht man über unwegsames Gelände alsbald eine Holzbrücke, die die notwendige Passage auf die rechte Talseite ermöglicht.

Querungsmöglichkeit im Wildlahnertal

Der Seitenwechsel ist notwendig um der folgenden unwegsamen linken Schluchtseite im Abstieg auszuweichen. Jenseits der Holzbrücke befindet sich wieder der Steig, der hinauf zum Ochsneralm führt und den eine ängstliche Schafgruppe bevölkert.

Schafalm

Der Abstieg auf der Ostseite durch die folgende Schlucht ist durch ein paar kurze Murenstriche vom steilen Gelände, das vor ein paar Stunden bergauf bewältigt wurde gekennzeichnet.
Hinter diesen lettigen Partien verbreitert sich das Tal wieder und wird zum Almgelände mit weiteren kleinen Schafgruppen und prächtigen Blumenwiesen.

Flecken-Knabenkraut, eine Orchidee

Am Ende des Schafalmgeländes formt sich der Steig bald zu einem breiten Weg, der bis hinaus zum Parkplatz, und somit zum Ende der interessanten Rundtour führt. Am Weg dorthin jede Menge Fotomotive.

Rückblick auf die Schönen Schöberspitzen

Die Runde und ihre Alternativen im Wildlahnertal sind im Kartenausschnitt rot markiert. Der Zeitbedarf ist variabel, man rechne in jedem Fall mit 5 Stunden für 8km und knapp 1.100Hm.

Mils, 17.06.2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schitour Wildlahnerscharte – Falscher Kaserer, von Schmirn

Eine klassische Frühjahrstour führt vom kostenlosen Parkplatz Toldern/Schmirn auf die Wildlahnerscharte und den Falscher Kaserer, wie sich der kleine Gipfel neben der Bergstation des Schleppliftes der Hintertuxer Gletscherbahnen nennt.

Gipfel Falscher Kaserer, 3.254m

Um gleich allen falschen Angaben im Internet zu entgegnen, der Parkplatz liegt auf 1.515m, der Falsche Kaserer hat eine Höhe von 3.254m und die Route weißt kaum einen einzigen Meter Zwischenabfahrt auf. Der Höhenunterschied beträgt also 1.739m.

Tragestrecke ab dem Parkplatz Toldern

Das Wildlahnertal ist ähnlich kupiert wie die klassischen Talaufstiege im Stubai, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt. So erfreut man sich nach den ersten 380Hm nach der kleinen Hütte eines ausgedehnteren eher flachen Stückes bevor es westseitig durch eine Rinne in der nächsten steilere Stufe zum sich weitenden Tal empor geht.

grandioses Panorama unterhalb der Hütte

Am heutigen Tag  in diesem außergewöhnlich schlechten Winter um – 7:35 gestartet – war ab dem Parkplatz eine ca. 100Hm messende Tragestrecke erforderlich. Man steckt sie allerdings leicht weg. Weiter oben mußte man nur noch weitere ca. 25m abschnallen und tragen. Die Abfahrt am Weg ist allerdings schon nur mehr die Pflugbreite der Schi breit, eine weitere Woche wird das weißgraue Bandl aber nicht mehr halten.

nach der Hütte das komplette Wildlahnertal zu Füßen – rechts steig man auf

Ab der kleinen Hütte herrschen aber noch tief winterliche Bedingungen, die Schneequalität ist gut, von rechts (westlich) sind schon ein paar ältere Lawinen abgegangen, die bei der Talausfahrt nicht übel zu queren sind. Übrigens präsentierte sich der Gesamte Aufstieg ab dem Anschnallpunkt als gefroren und fest.

zur Abwechslung die zweite Steilstufe – Rinne mit einer alten Lawine

Nach der zweiten Steilstufe empfing man heute leichte bis mittelstarke Windböen mit abwechselnder Windstille dazwischen, also ein recht angenehmer Aufstieg für die eigene Vorstellung nach dem unglücklichen Wetterbericht.
An Sonne allerdings mangelte es kräftig, das wäre für den Vormittag auch anders vorausgesagt gewesen. Dafür wiederum profitierte man hinsichtlich der Lawinenwarnstufe. Keine Sonneneinstrahlung ließ den oberen Teil der Tour (ab ca. 2,200m) nicht zu Firn auftauen und im unteren Teil waren die Verhältnisse bei der Abfahrt vor13 Uhr schon perfekt frühjahrsartig „schmierig“.

Rückblick auf ca. 2.100m

Eine große Anzahl an Tourengehern verließ den Aufstieg zur Linken, um den Kleinen Kaserer zu besteigen und so befand ich mich mitten im weiten oberen Wildlahnertal total alleine und genoss die Stille. Der Aufstieg ist mir von Blicken hinab vom Sommer vom Valsertal auf den Olperer bekannt und ich freute mich aufs Wiedersehen – der Olpererferner ist immer eine Freude anzusehen.

die Szenerie – links der falsche Kaserer, mittig im Nebel Olperer, rechts der gewaltige Fußstein

Quer von Osten herab zieht der Wildlahnergrat und wenn man ihn von der Kuppe aus, an dem der unterste Teil des Gletschers beginnt ansieht, dann kann man sich vorstellen warum die Namensgebung so bizarr ausfiel – wilde Lahnen mögen hier durchaus herabstürzen.

der Olpererferner von unten mit dem begrenzenden Wildlahnergrat

Der Gletscher wird im Winter eher in seiner Mitte begangen, die Aufstiegsspuren waren teilweise sichtbar und die logische Route konnte man bereits von unten erkennen. Von links, eben vom Wildlahnergrat sind über den Winter einige unangenehm zu gehende Lawinen heruntergegangen, wogegen die Mitte des kleinen Gletschers eine breite gut zu begehende Zunge bildet.

Rückblick vom oberen Teil des Olpererferners, rechts der Wildlahnergrat

Man möge seine Harscheisen nicht zuhause vergessen, die Steilheit und die Oberflächenbeschaffenheit der Schneedecke mitten im Gletscher sind prädestiniert auch Hartgesottene weich zu klopfen, wenn sie ohne Harscheisen aufsteigen und nach bereits gut 1.300m Aufstieg kann doch durchaus es auch etwas bequemer sein (vielleicht werde ich auch nur alt?).

der Saum des oberen Teiles des Gletschers

Der Gletscher stellt die dritte, steilste und längste Steilstufe dar, sie haben sich sozusagen von Beginn an selber gesteigert. Weiters ersehnt man am oberen Saum des Gletschers die vermeintlich „flache“ Strecke zur Wildlahnerscharte. Aber weit gefehlt, der Saum pflanzt sich nach dem Hauptteil des Gletschers weiter fort und endet nach lange nicht dort, wo man ihn immer wieder  vermuten möchte.

Gletscherbruch vom Olperer herab – Teilweise Felsbrocken über hunderte Jahre eingeschlossen

Endlich aber taucht nicht nur optisch die Antriebsstation des Schleppliftes auf, sondern auch das ab dort durchgehende und mit der Annäherung lauter werdende Surren des Elektromotors.
das einzig Gute an dieser Station ist, daß man hinter dem Liftwart eine vor den Windböen etwas geschützte Position in den Bauten der Station einnehmen kann, um die Felle zu verstauen und sich für die letzten ca. 30Hm ab der Wildlahnerscharte auf den Falschen Kaserer auf 3.254m vorzubereiten.

Die Wildlahnerscharte in Sicht

Ein freundlicher Wink zum Liftwart – wenn er sich denn einmal aus der Konzentration löst und hinter sich blickt – signalisiert den Freund und ein Danke für den Schutz (man dürfte dort nicht stehen…).

Blick vom Gipfel des Falschen Kaserer zum Großen Kaserer – er ist um 9m höher

Der Rundumblick war heute eben nicht so berauschend, aber nach der weiten Tour, satt über 3.000m erfreute er mich heute trotzdem. Dem zunächst freundlichen, dann zweifelhaften Wetter getrotzt, Vorhaben durchgezogen.

Rückblick auf den kompletten Aufstieg – das Wildlahnertal

Nicht wenige Bergsteiger wollten doch tatsächlich auf den komplett und dauerhaft in Nebel gehüllten Olperer, mich konnte er heute in keiner Weise locken. Viele Versuche wurden aber auch am Übergang vom Gletscher zum Fels abgebrochen wie ich während des kurzen Aufenthaltes beobachten konnte.

Olperer Nordgrat gegenüber

Die Abfahrt über den Gletscher mußte ich ob der diffusen Verhältnisse sehr bedacht ausführen, Nebel zog auch kräftig durch – der April hat soeben begonnen. In fast  Schrittgeschwindigkeit mußten manche Passagen befahren werden, besser wurde es ab dem Ende des Wildlahnergrates.

Rückblick auf den Falschen Kaserer knapp unterhalb des Wildlahnergrates auf 2.700m

Die weitere Abfahrt war sehr akzeptabel und wie bereits erwähnt mit leichtem Firn auf meist tragfähigem Untergrund, ideal zum Hinabschwingen wie im Buche.

vom Gasthaus Olpererblick mit Bier und Knödel

Die Aufstiegszeit bis zum Lift auf der Wildlahnerscharte betrug 3 3/4 Stunden, von dort zum kreuzlosen Gipfelchen des Falschen Kaserers knapp 10min. Höhenmeter: 1.738
Gesamtzeit mit Pausen und Abfahrt: 5 1/4 Stunden.

Mils, 01.04.2017

 

 

 

Olperer, 3.476m über Geraer Hütte und Nordgrat

Bereits am Parkplatz das Ziel im Visier; diesen schönen Anblick hat man auf den Olperer vom Parkplatz Touristenrast im Tiefsten des Valsertales.

Olperer vom hintersten Innervals aus gesehen

Olperer vom hintersten Innervals aus gesehen

Mit Bedacht fahre ich vor sieben Uhr durch das sehr natürlich belassene und kaum touristisch erschlossene, ansprechende Valsertal von St. Jodok bis zur Touristenrast, zum Parkplatz des gleichnamigen Gasthauses, bei dem man nach seiner Tour natürlich einkehrt und sich damit für den Parkplatz bedankt.

Fahrstraße zu den Almen und der Geraer Hütte

Fahrstraße zu den Almen und der Geraer Hütte

Um fünf vor sieben machte ich mich dort von ca. 1.300m eiligen Schrittes auf zur Geraer Hütte, die zeitmäßig in etwa in der Hälfte der Gesamttour liegt, mit der Angabe von drei Stunden ab dem Parkplatz. Von dort auf den Olperer wären es dann nach Führerangabe in etwa dreieinhalb bis vier Stunden über den Nordgrat auf den Gipfel des Olperers.

Morgenpanorama um den Schrammacher

Morgenpanorama um den Schrammacher

Eilig, weil der Hochalpinist natürlich am Olperergletscher – er wird Olpererferner genannt – noch gute Bedingungen, also eine harte, möglichst gefrorene Firndecke vorfinden möchte, die Garant für einen angenehmen Aufstieg  sein soll.

Seilbahn zur Geraer Hütte

Seilbahn zur Geraer Hütte

Die Straße bis zu den Almen verläuft mit angemessener Steigung, sodaß das „Eingehen“ optimal erfolgt und man ab der Materialseilbahn dann in den breiten Steig zur Geraer Hütte einmündet.

Morgenpanorama um den Schrammacher

Morgenpanorama um den Schrammacher

Dieser ist zunächst sehr flach ansteigend angelegt und wird von mir als Autobahn empfunden, die mir zwar nicht gerade Nervosität beschert, aber doch Verwunderung wie man einen Hüttenanstieg mit 1.000m Höhenunterschied nur so langwierig gestalten kann.

knapp unterhalb der Geraer Hütte

knapp unterhalb der Geraer Hütte der tiefe Einschnitt des Gletscherbaches

Nach den ersten zweihundert Höhenmetern findet man dann auf den langen Abschnitten zwischen den Serpentinen die kleinen „Hüttenschnellwege“, die für den Hochalpinisten, für den die Hütte erst im Abstieg interessant wird, ungemein abkürzen.

bei der Geraer Hütte

bei der Geraer Hütte

So wandert man zunächst durch einen archaischen Kiefern- (Zirben) Wald, in dem sich auch einige Tannen und Fichten eingestreut finden, einige Hundert Höhenmeter bis zur Baumgrenze knapp unter 2.000m hinauf. Schweres Blockwerk, teilweise komplett überwachsen und mit Flechten dermaßen stark überzogen, daß man ihre unveränderte Lage mit vielen Hundert Jahren annehmen muß, macht die Konstruktion des Steiges in der oben geschilderten Art notwendig; erst im Abstieg kommt mir die Erleuchtung warum das so ist.

Gelber Enzian

Gelber Enzian

Oberhalb der Baumgrenze findet sich die typische „Tundra“ (Eigenbezeichnung, bitte vergessen) des Kristallin der Zentralalpen mit widerstandsfähigem Gestäud, Gräsern und kaum aufkommenden Bäumchen wieder. Alpenrosen, Alpenblumen und zahlreiche Quellen zaubern eine hochalpine Flora in die man am liebsten reinspringen und dort verharren möchte. Die Gräser streifen an den nackten Wadeln und die Farben des Unterholzes im Morgenlicht (der Aufstieg ist eher nordseitig ausgerichtet und die Sonne erscheint in Hüttennähe im endenden Juli erst gegen 9 Uhr) leuchten in allen erdenklichen Grüntönen.

Geraer Hütte, 2.325m

Geraer Hütte, 2.325m

Vorbei an der Ochsnerhütte mit Almbetrieb geht es etwas flacher im „hin und her“ unter der Seilbahn hinauf bis zur Geraer Hütte auf 2.325m. Ich stoppe dort nicht, weil ich nach diesen ersten 1.000Hm noch weitere 1.150Hm zu bewältigen habe.

am Abzweig zum Olpererweg

am Abzweig zum Olpererweg

Ab 2.500m wird es trotz der Julitemperaturen und mit ein wenig Thermik hinterlegt doch recht frisch am Olpererweg in der Nähe des Schaeffersteines, der nach einem Hochtouristen, der mit seinem Führer 1900 in einer Gletscherspalte am Olpererferner umgekommen ist, benannt wurde. Eine schöne Gedenktafel im Jugendstil – und heute ein Kunstwerk für sich selbst – gehalten erinnert daran.

Denkmal Schaefferstein, man beachte die kunstvolle Umrahmung der Innschrift

Denkmal Schaefferstein, man beachte die kunstvolle Umrahmung der Innschrift

Der Steig führt nun bald auf der ausgeprägten, schönen Gletschermoräne weiter, bis er auf ca. 2.650m vom Kamm in die Flanke der Moräne abzweigt und zur kaum ausgeprägten Gletscherzunge hinaufführt. Dort beginnt dann ein steilerer Gletscherhang mit guter Firnauflage und bis weit hinauf führt Blockwerk, in dem man zunächst ohne Steigeisen aufsteigen kann.

auf ca. 2.600m auf der Gletschermoräne des Olpererferners

auf ca. 2.600m auf der Gletschermoräne des Olpererferners

Allerdings ist der Aufstieg mit Eisen dann auch sehr angenehm, der Firn ist hart und es gibt kaum blanke Eisstellen, bzw. sind die  kurzen Rücken mit fast blankem Eis nicht sehr mächtig.

im Bereich der Gletscherzunge, hier verliert sich der Steig, Steinmandln und Logik weisen den Weg

im Bereich der Gletscherzunge, hier verliert sich der Steig, Steinmandln und Logik weisen den Weg

Der Aufstieg war also in keiner Weise gefährlich, denn die logische Route verläuft sehr nahe am nördlich angrenzenden Felsgrat, dem Wildlahnergrat. Dieser ist allerdings in seinem Falsgefüge recht gestört und deutlich kann man  junges Blockwerk erkennen, das sich gelöst hat und schier nur auf etwas Energie zu warten, um den Gletscher hinabzusausen.  Also ist es ratsam nicht in der Falllinie unter den Felsen des Grates aufzusteigen, sondern einige Meter daneben im freien Firnfeld.

im unteren Teil des Olpererferners

im unteren Teil des Olpererferners

Der Aufstieg auf diesen sympathischen kleinen Ferner macht Spaß und er ist auch in einer guten halben Stunde vorbei, wenn man oben dann neben den Eisabbrüchen des oberen Olpererferners  zur Rechten der Wildlahnerscharte entgegen steigt.
Spätestens in der Hälfte des Aufstieges scheint Ende Juli die Sonne auf die weißen Flächen und das Herz lacht.

an der Linkskurve im Aufstieg, die beiden Felsen läßt man weit rechts liegen, die Route führt links außerhalb des Fotos weiter

an der Linkskurve im Aufstieg, die beiden Felsen läßt man weit rechts liegen, die Route führt links außerhalb des Fotos weiter

Eine Stelle am flacheren Teil des Ferners zur Wildlahnerscharte hin ist mit einem deutlich sichtbaren Abbruch von Eis und Geröll gekreuzt. Ich fragte mich, ob ich es schaffen würde einer Eislawine rechtzeitig auszuweichen, wenn ich ca. 30Hm darunter und nur ca. 50m weg von der Kante des Eisbruches entfernt den Ferner quere und gestand mir ein, daß das kaum möglich sein würde, da zu wenig Zeit von Ankündigung mit Getöse und Reaktion so knapp darunter sein würde.

imposanter Einsbruch vom oberen Olpererferner herab

imposanter Eisbruch vom oberen Olpererferner herab

Die Scharte selber war von monotonem Surren des Schleppliftmotors und den periodischen Rollenbockgeräuschen der vorbeiziehenden Bügel geprägt. Kaum Bergsteiger frequentierten den sonst so beliebten Nordgrat zum Olperer. Außer mir waren an diesem Tag nur ungefähr fünf bis sechs Seilschaften über den gesamten Grat verteilt. Somit hatte jeder einen angenehmen Auf/Abstieg.

nahe der Wildlahnerscharte

nahe der Wildlahnerscharte

Ich wählte eine recht weit oben angelegte Einstiegstelle nach dem Steilaufstieg von der Scharte am Ferner und hier leisteten die Steigeisen nochmals gute Dienste. Es wäre – wie unten am Ferner – auch ohne Eisen gegangen, aber das Gelände ist mir – obwohl einsehbar – nicht bekannt und die Sicherheit wichtiger.

Wildlahnerscharte, Blick auf den Olperer Nordgrat

Wildlahnerscharte, Blick auf den Olperer Nordgrat

Bei der Einstiegstelle wurden nicht nur die Steigeisen, sondern auch die Stöcke verstaut, die wichtiger waren als der Pickel (ich würde ihn um diese Jahreszeit nicht mehr mitnehmen, da ich kaum – oder gar nicht – in Spaltengefahr gekommen bin und er auch nicht für die Rettung anderer notwendig geworden wäre). Das Aufstiegsgelände knapp neben dem Wildlahnergrat ist nur bei der ausgeaperten Stelle, bei der man eine leichte Linkskurve im Aufstieg einlegt, leicht kupiert und in einer Zugzone, das war die für mich erkennbar einzige Stelle mit nahe an der Route gelegenen kleinen Spalten.

nach der hoch gewählten Einsteigsstelle nun am Grat

nach der hoch gewählten Einstiegsstelle nun am Grat

Nun ging es an die Felskletterei am Grat.
Hierzu sei einmal grundsätzlich zu sagen, daß der Grat an kaum einer Stelle so schmal ist, daß man seitlich in die Flanken abstürzen könnte, wenn man mittig auf ihm verbleibt. Rechterhand im Aufstieg geht es in vielen Stufen zum Olpererferner hinab auf denen man liegen bleiben würde. Linkerhand würde man jedoch mit der gesamten glatten Wand bis zum Tuxer Ferner Bekanntschaft machen. Geschätzt ist der Grat überall mindestens 2m breit und auch Absteigende können großteils vernünftig passieren.

etwas griffärmere Stellen, jedoch ausreichend Klammern

etwas griffärmere Stellen, jedoch ausreichend Klammern

Weiters ist es  so, daß am gesamten Grat kaum ein Felsbrocken liegt, der als Griff oder Tritt dienen soll, der lose wäre. Dies ist der extrem häufigen Begehung zu verdanken. Man kann also davon ausgehen, daß jeglicher Griff hält. Allerdings ist die auffallende Speckigkeit (Abgegriffenheit) der Griffe und Tritte auch der häufigen Begehung geschuldet und wenn man mit den eher harten, unbiegsamen, eisenfesten Bergschuhen einen Tritt am speckigen Fels sucht, dann wähle man diesen sorgsam. Dies ist besonders bei nassen Verhältnissen nötig und ich würde – nach nun gemachter Erfahrung im Trockenen – bei nassen Verhältnissen auch nicht ungesichert aufsteigen.

Blick zurück am Grat

Blick zurück am Grat

Es gibt eine kurze senkrechte Stelle, die Schlüsselstelle (leider habe ich wegen Überlegung der richtigen Klettertechnik kein Bild davon angefertigt), die jedoch unten und gleich oberhalb der Kante mit Klammern bestückt ist und für mich mit gut 1,80m Körpergröße keine große Meisterleistung in der Überkletterung darstellte. Sobald man sich im senkrechten Teil etwas gestreckt aufrichtet sieht und ergreift man auch schon den oberen Bügel; das Nachziehen des Körpers ist unter einer unangenehmen Fußhaltung dann gut möglich.

und noch ein Rückblick

und noch ein Rückblick

Weiter oben kommen noch zwei kurze, ca. 10m lange Stellen vor, bei denen Griff- und Trittarmut herrscht. Außerdem ist der Fels wiederum recht speckig. Allerdings sind auch hier wieder Klammern eingebohrt und man muß sich ja auch einmal in der Reibungstechnik üben, also setzt man den Fuß entsprechend und vertraut dem Gummi am Fels (bei Nässe sicher heikel!).
Die obere dieser beider Stellen (kurz vor der Verflachung zum Gipfelkreuz hin) kann besser rechterhand genommen werden, da man links zu breite Risse für Hand oder Fuß vorfindet, wogegen man rechts regelrecht in einem Loch steht von dem aus man gute Griffe zum Ausstieg findet.
Hat man diese Stelle gemeistert sind es noch ca. 50m zum Gipfel.

Durchschlupf etwa 100Hm vor dem Gipfel

Durchschlupf etwa 100Hm vor dem Gipfel

Zur generellen Frage ob Seilsicherung oder nicht kann ich für die Beschreibung dieser Tour schlicht sagen, daß sie mir nicht möglich war, weil ich alleine unterwegs war, ich jedoch bei mehreren Teilnehmern auch seilgesichert aufsteigen würde. Nicht der Schwierigkeit (keine Stelle ist auch nur annähernd schwieriger als II, die sog. Schlüsselstelle vielleicht II+; es gibt ein Topo dessen Nordpfeil nach Süden zeigt, also nicht verwirren lassen; die bis heute bestehenden Berichte im Internet zeichnen ein zu schwieriges Bild vom Grat) sondern der generellen Sicherheit wegen.
Allerdings würde ich erst ab der senkrechten Stelle anseilen, vorher empfand ich den Grat als Gehgelände mit fallweisem Handeinsatz, so wie ich auch den größten oberen Teil empfand. Bei nassen Verhältnissen bedeutet der Aufstieg ohne Sicherung ein hohes Risiko, für den Vorsteiger einer Seilschaft allemal.

Beginn des Südostgrates (Riepengrat, Weg der Erstersteiger 1867)

Beginn des Südostgrates (Riepengrat, Weg der Erstersteiger 1867)

Der Gipfel zeigte sich von Süden her von aufsteigendem Nebel bedeckt und so beschloß ich den Abstieg über den Südostgrat (Riepengrat) und die Rundtour über die Alpeinerscharte zur Geraer Hütte zurück nicht zu nehmen. Der Berg steht noch länger.

Olperer, 3.476m

Olperer, 3.476m

Ein schönes kleines Holzkreuz mit geschmiedeten Beschlägen krönt den Gipfel des Olperers auf 3.476m Höhe. Das Gipfelbuch ist eher eine billige, viel zu kleine Ausgabe, so wie meist auf solchen Touristenbergen. Man beugt damit einerseits dem Diebstahl vor und für die vielen – oft unsinnigen – persönlichen Bemerkungen, die weder alpinistischer noch rettungstechnischer Sachlichkeit dienen, tut es wohl jedes Papier, das man finden kann.

Blick über die Tuxer Alpen zum Karwendel

Blick über die Tuxer Alpen zum Karwendel

Der Rundblick war nicht nur gen Süden verwehrt, auch im Westen, zu den Stubaiern und im Osten, dem Tuxer Hauptkamm folgend, war keine gute Fernsicht möglich. Gegen Norden, in das Karwendel konnte man zwar über die wolkenfreien Tuxer hinwegsehen, jedoch selbst die hohen Bettelwürfe, überhaupt die Halltalkette gesamt, war ebenfalls in dichtem Gewölk eingebettet, mit wenig Auflockerung um die Gipfel. Kein Fototag leider, gerne hätte ich den Blick zum Hochfeiler gehabt.

Grat zum Fussstein

Grat zum Fussstein

Da es zwar kaum windig, jedoch aufgrund der fehlenden Sonneneinstrahlung recht frisch war fiel mir der Abbruch des viertelstündigen Aufenthaltes am Gipfel nicht schwer. Zum Abstieg hatte ich ein 15m langes Seilstück mitgenommen, um die Klammern zu nutzen und bequem, vor allem recht zügig absteigen zu können.

typischer Gratverlauf

typischer Gratverlauf

Mit Dülfertechnik – für mich auch heute noch ein genial einfaches Verfahren ohne Alukrempel um die Hüfte – konnte ich alle kritischen Stellen recht rasch abfahren. Man muß dabei die Seilmitte suchen und Bedacht darauf nehmen, wann das Seil zu Ende ist. Für die wenigen Stellen, bei denen man sich hart tun würde reichten die rund 7-8m Seil in Doppellänge gemessen aber aus.

diesen Aufschwung kann man rechts umgehen

diesen Aufschwung kann man rechts umgehen

Die Steigeisen sind vor allem beim Abstieg ein Genuß, jeder Tritt fest verschweißt mit dem harten bis weichen Firn. So kam ich im Nu wieder zur Wildlahner Scharte und dann westlich weiter unter dem tollen Eisbruch hinweg zum Olpererferner.

am Abstieg wieder in der Firnflanke

am Abstieg wieder in der Firnflanke

Dort, auf knapp über 3.000m konnte die deutlich wärmere und sonnenbeschienene Firnoberfläche nur mehr mit tiefem Einsinken bis zu den Wadeln begangen werden und ich war recht froh um den guten Gripp auf der spürbaren Eisdecke darunter.

Steigungsverhältnisse im unteren Teil

Steigungsverhältnisse im unteren Teil

Den unteren Teil des Ferners, ca. 50Hm unterhalb der zuvor beschriebenen Kuppierung mit teilweisem Blankeis, konnte ich dann ohne Steigeisen, auf den Bergschuhen hinunterfigeln. Ich vertraute dem Ferner, daß sich hier in der eher konkav geformten Hangmuldung keine Spalten befinden würden. Die Firndecke war oberflächlich durchgehend gleich, wie mit dem Kurvenlineal gezogen. Keinerlei Anzeichen von Unregelmäßigkeit.

Stimmung am Olpererferner

Stimmung am Olpererferner

Imposant erscheint die Gletscherzunge, etwas südlich von der Aufstiegsroute. Diese mußte näher begutachtet werden. Spalten kann man dort auch noch bis zum jähen Ende des schuttbedeckten Eises finden, wobei diese eher nicht aufgrund von Zugspannung durch den Flußverlauf in der Zugzone entstanden sind, sondern eher durch die dort unten schon kräftigeren Bäche an Schmelzwasser. Beeindruckend jedoch die bizarre Oberfläche mit Felsbrocken jeglicher Größe, die vom Eis Zentimeter für Zentimeter nach unten getragen, um am Ende zu einem riesigen Feld an Trümmern ihresgleichen ausgespuckt zu werden.

ein toller Gletscher

ein toller Gletscher

Zurück auf der Seitenmoräne hatte ich dann den Blick für die Flora; Arnika, ein Asterngewächs der Alpen, auf immerhin noch 2.650m. Und sie wird auch dort oben noch bewirtschaftet; Bergbienen bei der Arbeit.

Arnika

Arnika

In der Geraer Hütte nahm ich mein Lieblingsbergmahl, die Knödelsuppe, ein. Ist die Knödelsuppe in der Hütte gut, dann kann man dort alles andere auch essen. Und sie war hervorragend.

der gewaltige Fussstein von der Hütte aus

der gewaltige Fussstein von der Hütte aus

Ein Blick zur Alpeiner Scharte verrät, daß der Bergbau dort oben auf rd. 2.800m (die Scharte  selber liegt auf 2.959m) einer größeren Ausbeutung hätte dienen sollen. Deutlich kann man die Seilbahnstützen der damaligen Erzseilbahn erkennen und ich beschloß, daß ich das als Maschinen- und Tunnelbauer bei nächster Gelegenheit unbedingt näher inspizieren muß.
Die traurige Geschichte des Bergwerkes möchte ich hier nicht wiedergeben, dazu ist dieser Bericht nicht geeignet. Bei der Recherche darüber fand sich ein toller Link zum Molybdänbergbau auf der Alpeiner Scharte , dessen Studium ich sehr empfehlen kann.

etwas verdeckt die Alpeiner Scharte, jedoch gut zu erkennen

etwas verdeckt die Alpeiner Scharte, jedoch gut zu erkennen

Beim Abstieg von der Hütte, am unteren Teil des breiten gut gebauten Steiges schoss es mir dann plötzlich durch den Kopf! Die Zuwegung zur Hütte mußte deshalb so aufwendig angelegt werden, damit die Schwertransporte mit Lasttieren zum Bergwerk möglich wurden. Alleine zur Bewirtschaftung der schon vor dem Bergwerk bestehenden Alm bei der Ochsnerhütte würde man solche Anstrengungen wohl nicht unternehmen.

Habicht im Stubai 26km entfernt, exakt westlich, vorgelagert auf einer Linie Padauner Kogel und Egger Joch

Habicht im Stubai 26km entfernt, exakt westlich, vorgelagert auf einer der Linie Padauner Kogel und das Egger Joch

Der Steig ist bautechnisch teilweise dermaßen aufwändig und solide angelegt, daß er in seiner Gesamtheit ein nicht unbedeutendes inneralpines Bauwerk darstellt. Sozusagen ein Industriedenkmal, ähnlich den – leider dem Verfall preisgegebenen – Lawinenkegeln von den Herrenhäusern zum Wasserberg im Halltal.

aufwändig gebauter Steig im Kiefernwald

aufwändig gebauter Steig im Kiefernwald

Bei der Seilbahn erreicht man den Fahrweg wieder. Im Abstieg fand ich dann auch noch einen weiteren „Hüttenschnellweg“ und für den Eiligen sei hier der Hinweis gegeben, daß man mitten bei der ersten Blockwerkreise, die nach der Seilbahnhütte linkerhand herunterzieht einen kleinen Abkürzungssteig findet, wenn man genau hinsieht. Somit spart man die ersten flachen Serpentinen im Kiefernwald.

Alm nach ihrer Blütezeit

Alm nach ihrer Blütezeit

Vorbei an bewirtschafteten kleinen Almhütten, deren Vieh bis unter die Felsen zu sichten war, zieht sich der Fahrweg durch das sehr schöne Innervals hinaus und man staunt nicht schlecht über die gewaltigen Dimensionen an Geschiebe von Stein- und Blockwerk, das der Gletscher in vielen Jahrhunderten bis weit hinaus befördert hat. Ein wahres naturbelassenes Paradies.

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Zum Abschluß der Tour, bei der Einkehr in das Gasthaus Touristenrast, fällt der grandiose Blick auf die Gratkette vom Kraxentrager bis zur Sagwandspitze auf. Gleichzeitig Grenze zu einem anderen Teil der Heimat. Muß unbedingt begangen werden, beschloss ich sofort.

Grat vom Kraxentrager bis zur Sagwandspitze

Grat vom Kraxentrager bis zur Sagwandspitze

Nimmt man die Angaben des Führers, dann sind die Teilstücke mit 3 Stunden Parkplatz – Geraer Hütte und 3 1/2 bis 4 Stunden von Geraer Hütte bis Olperer über Nordgrat beschrieben. Der Höhenunterschied beträgt 2.130m und die Entfernung hin und zurück auf der AV-Karte 19,2km.
Ich habe eine Gesamtzeit von knapp 9 Stunden benötigt.

Mils, 30.07.2016