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Mittenwalder Höhenweg – Abstieg über Heinrich-Noë-Steig

Mit einem gewaltigen Buckel, dem Pürzlgrat von Scharnitz auf den Brunnensteinkopf, beginnt die Nördliche Karwendelkette sich vom Tal aufzubauen und erst gut 1.200 m höher, nach Brunnenstein- und Rotwandlspitze in einen Grat mit durchgehend flacher Steigung überzugehen und im Sattel danach, dem Brunnensteinanger, beginnt der Mittenwalder Höhenweg.

in der Kälte vor der Kirchlspitze

Man hat den Mittenwalder Höhenweg zum Klettersteig ausgebaut und an vielen Stellen, darunter auch einige, die ihrer nicht bedürfen, einer Seilversicherung unterworfen. Trotzdem bleibt die Begehung der Gratstrecke ein leichtes Abenteuer, das man nicht so schnell vergisst.

auf der unmarkierten Nördlichen Linderspitze

Aufgrund der Seilbahn von Mittenwald bis zur Westlichen Karwendelgrube erfreut sich der Seilbahntourist eines raschen und leichten Zustiegs auf den Mittenwalder Höhenweg und daher muß im Sommer und Frühherbst mit großem Andrang von Klettersteigfreunden und -neulingen gerechnet werden. Verschärfend kommt hinzu, daß die Masse den Mittenwalder Höhenweg von Norden nach Süden bewältigt, sodaß man, von Scharnitz aus von der Gegenrichtung kommend, mit außergewöhnlichem Gegenverkehr zu rechnen hat. Und zwar genau mitten am Vormittag, an dem man mitten am Weg zusammentrifft.

Leitergänge vor der Mittleren Linderspitze

Es empfiehlt sich also die Bergtour im späteren Herbst zu unternehmen, wobei dann durch deren Nord/Süd-Verlauf auch ein bisschen die Schneeverhältnisse beachtet werden sollen, wenn sie noch als Bergtour Freude machen soll, ohne in eine halbe Winterbegehung auszuarten. Letzteres gilt für die nordostseitigen Passagen, in denen einmal gefallender Schnee ab Oktober sehr wahrscheinlich nicht mehr schmilzt.

Aufstieg am Pürzlgrat, Blick ins Karwendel

In Scharnitz – eine Parkplatzempfehlung möchte der Verfasser nicht geben aber die sicherste Variante ist der offizielle Parkplatz und der Weg zurück in den Ort  – beginnt der Steig nach der Isar Richtung Mittenwald rechts die Straße hinauf und oberhalb der Karwendelbahn links zwischen den Häusern hindurch auf einem Wiesenweg, der gleich in den Wald eintritt. Eine entsprechende Beschilderung mit den gelben TVB Wegweisern ist vorhanden.

Scharnitz in der Tiefe

Anschließend kommt man zu einer Gabelung, wobei der linke Abzweig eingeschlagen führt, der ohne weitere Verzweigungen zur Brunnenstein- und Rotwandlspitze führt.
Oben, nach dem Brunnensteinkopf, gibt es auch eine Umgehung der beiden Spitzen, die an der Tiroler Hütte ankommt und beide Gipfel östlich unterquert. In diesem Bericht wird jedoch die Gratbegehung beschrieben.

Brunnensteinspitze erstmals sichtbar

Zunächst führt der Steig in einem hellen Wald mäßig steil bergauf, der hauptsächlich von der lichtbedürftigen und gegen Hitze recht robusten heimischen Baumart, der Kiefer, die auf den kargen Böden des Südhanges gut gedeiht. Später steilt das Gelände ziemlich auf mit Stellen von über 40° Hangneigung und einer durchschnittlichen Steigung von knapp unter 30° muß zuerst der gewaltige Rücken mehr als 500 Hm bewältigt werden.
Schöne Blicke ins Karwendel und auf das Seefelder Plateau hellen den mühsamen Anstieg auf.

Manuel auf der Brunnensteinspitze

Ab der Baumgrenze kommt auch Freude an der Landschaft auf. Ab etwa 1.500 m besteht erstmals der Blick auf das Gipfelkreuz der Brunnensteinspitze (2.180 m).
Der Steig schlängelt sich elegant durch die Latschen, immer in Gratnähe, und auf den ungeschützten freien Gratstrecken verursachte ein leichtes Lüftl große Abkühlung gegenüber dem Waldaufstieg.

leichter Aufstieg zur Kirchlspitze

Das Gipfelkreuz, mit Reif beschlagen, erreichten wir etwa zweieinhalb Stunden nach dem Start in Scharnitz. Nebel zog hin und her und die zusätzliche Abkühlung im Nebel war deutlich zu spüren. Mit diesem unangenehmen Lokalwetter, das von einem Hochdruckgebiet geprägt war, marschierten wir weiter.

Stimmung im Rückblick von der Kirchlspitze

Der Ostwind verstärkte sich über den Sattel des Brunnensteinangers (~ 2.200 m) und am eigentlichen Beginn des Höhenweges war die Temperatur alles andere als angenehm, sodaß die Griffe im Aufstieg ohne Handschuhe nicht mehr gefühlt werden konnten. Von der Brunnensteinspitze bis zum Sattel benötigt man eine gute halbe Stunde.

die Nebel weichen und die Wettersteiner treten zutage

Zum Glück brach kurz vor Mittag an der Kirchlspitze endlich die Sonne durch und verwandelte die westseitigen Passagen zu richtig warmen Orten, sodaß bald wieder Kleidung abgelegt werden konnte.

Aufstieg zur Sulzleklammspitze

Am Weg zur Kirchlspitze (2.301 m) werden zwei nennenswerte Graterhebungen erstiegen, jedoch nicht direkt am Grat sondern im Osthang. Vom Hochpunkt nach dem Brunnensteinanger fallen etwa 100 Hm zur Kirchlspitze an, von dieser zur Sulzleklammspitze fallen nochmals 80 Hm an.
Die Strecke vom Brunnensteinanger bis zur Sulzleklammspitze beträgt etwa 800 m, die Überschreitung benötigt eine gute halbe Stunde.

Sulzleklammspitze, 2.303 m

Wer das Gestein genau beobachtet erkennt kurz vor der Sulzleklammspitze (2.321 m) eine Änderung des Gesteins. Es ist dies der Übergang vom Wettersteinkalk zu Reichenhaller Schichten (Kalk/Dolomit gebankt), aus dem der Gipfelbereich und die steil abfallende Nordnordostwand der Sulzleklammspitze gebaut ist und wahrscheinlich der Grund für den mächtigen Abbruch der Sulzleklammspitze gegen Nordosten.

gegenüber das Panorama von Südlicher zu Nördlicher Linderspitze

Im Abstieg von der Sulzleklammspitze findet sich etwa fünf Meter oberhalb des Steigs eine schöne Ausbildung von Reiflinger Knollenkalk, siehe Bildergalerie.

Manuel auf der Sulzleklammspitze

Nach der Sulzleklammspitze muß zuerst ein tiefer Abstieg am Steig zur Südostrippe unternommen werden, sowie anschließend ein richtig schön felsiger Klettersteigabstieg über die Nordostwand in die Scharte zwischen ihr und der Südlichen Linderspitze, das sogenannte Gamsangerl.

Rückblick auf den bisherigen Aufstieg

Dieser Abstieg mag bei zuvielem Schnee, vor allem, wenn er hart gefroren ist, die Schlüsselstelle, bzw. auch der Umkehrpunkt sein, falls Ausrüstung fehlt.

 

Steig zur Südostrippe der Sulzleklammspitze

Die Nordostwand fällt steil ins Kirchlkar ab und deren Gegenpart, diagonal durch das Kirchl hindurch, wäre die Westliche Larchetfleckspitze, die sich vorzüglich über das Kirchl besteigen läßt.

 

Abstieg in der Nordostwand der Sulzleklammspitze

Der Klettersteig ist hier gut ausgebaut und der den Steig bei unserer Begehung nur minder bedeckende Schnee erlaubte den Abstieg in die Scharte ohne Sicherung.

die Larchetfleckspitze im Kirchl gegenüber

Der Gesamtabstieg in die Scharte beträgt 150 m. Unten knapp vor der Scharte befindet sich ein Notunterstand etwas oberhalb geschützt in den Felsen.

 

Abstieg durch einen Riß hindurch

Jenseits der Scharte, im Aufstieg, wechselt das Gestein wieder, man befindet sich nun in alpinem Muschelkalk. Zur Südlichen Linderspitze steigt man schnell auf, sie ist eine recht unspektakuläre Erhebung am Grat. Der Zeitbedarf für die Strecke von der Sulzleklammspitze zur Südlichen Linderspitze (2.303 m) beträgt eine knappe Stunde.

in der Wand schräg nach unten

Von der  Südlichen Linderspitze  besteht ein vortrefflicher Blick auf die westlichen Gipfel der Nördlichen Karwendelspitze, auf: Hoher Wörner, Tiefkarspitze, im Hintergrund Hochkarspitze, Westliche sowie Östliche Larchetfleckspitze und die Raffelspitze.

Rückblick auf den Abstieg durch die Sulzleklamm Nordostwand

Ebenfalls gen Westen betrachtet man gerne die kühnen Erhebungen der Arnspitzen mit dem dahinterliegenden Wettersteinwandkamm und die Dreitorspitzen.

Rückblick auf den bisher zurückgelegten Aufstieg

Die folgende Gratstrecke zum „Gatterl“, noch vor der Nördlichen Linderspitze, stellt neben der gerade getätigten Überschreitung das Herzstück des Mittelwalder Höhenwegs dar, diese beiden sind die schönsten Abschnitte.

von links: Hoher Wörner, Tiefkarspitze, im Hintergrund Hochkarspitze, Westliche sowie Östliche Larchetkarspitze, Raffelspitze, dann Bäralplsattel

Am Gatterl zweigt auch der Heinrich-Noë-Steig ab, unserem späteren Rückweg. Der Steig ist ein empfehlenswerter Abstieg zur Brunnsteinhütte in der phantastischen Landschaft des Oberen und Unteren Sulzleangers.

Arnspitzgruppe und Wetterstein im Westen

Man hat sich auf dieser Strecke einiges angetan, um den Grat zu entschärfen, bis hin zu Laufstegen in der Wand auf der Westseite, auf der – wie am gesamten Übergang vorwiegend – der Klettersteig errichtet wurde.

Gratüberschreitung Südliche Linderspitze zum Gattern – besondere Einlage mit Laufsteg

Die Grathöhe hat man fast vollkommen gescheut. Trotzdem wurde eine nette Überschreitung gefertigt, die in knapp 40 min begangen wird.

Manuel am Ende des Leitergangs

Am Ende der Gratstrecke führt eine längere Fixleiter hinab in das Gatterl, einer Einschartung mit völlig anderer Topographie auf der Gegenseite, zur Nördlichen Linderspitze hin.

Abstieg über eine lange Leiter zum Gatterl

Der Aufstieg auf die Nördliche Linderspitze (2.372 m) erfolgt über einen Steig in der begrünten Südflanke des Gipfels mit wieder 100 Hm Aufstieg bis zum Vorgipfel, etwa 100 m südwestlich des ungekennzeichneten geodätischen Gipfels, der den Hochpunkt unserer Begehung darstellte.

Rückblick über die schöne Gratstrecke von der Südlichen Linderspitze

Über einen Sattel, durch den der Klettersteig führt, sind Vorgipfel und geodätischer Gipfel getrennt.

Aufstieg zur Nördlichen Linderspitze

Der Klettersteig führt nicht über den geodätischen Gipfel, er kann aber von der Westseite ohne Kletterei leicht bestiegen werden und bietet einen bärigen Blick über den von der Brunnensteinspitze aus bisher begangenen Grat.

Nördliche Linderspitze vom Vorgipfel aus betrachtet

In der schattigen und schneebedeckten Nordwestflanke erfolgen die letzten Meter am Mittenwalder Höhenweg zur Karwendelgrube hin.

Rückblick des gesamten Mittenwalder Höhenweges

Dabei übersteigt man eine kleine Schlucht über eine Holzbrücke und steigt über eine Leiter auf die Anhöhe über der Westlichen Karwendelgrube ab, einem Punkt großer Beliebtheit unter Touristen.
Vom Gatterl bis zum Ende des Höhenwegs benötigten wir eine gute halbe Stunde.

Vorgipfel von der Nördlichen Linderspitze aus betrachtet; rechts unten im Schnee der Steig

Unsere Runde führte uns hinab zum ersten Felskopf am oberen Rand der Karwendelgrube, wo der Rückweg zum Gatterl eingeschlagen wurde.

Westliche Karwendelgrube mit Westlicher Karwendelspitze im Nordosten

Dort noch weiter hinunter und an der Flachstelle aufgestiegen auf den die Karwendelgrube östlich umsäumenden Grat könnte am Klettersteig noch die Westliche Karwendelspitze mitgenommen werden, welches wir, nicht zuletzt aus Zeitgründen, unterließen.

eindrucksvolle Felsstufen am Steig zum Gatterl; der Grat von der Südlichen Linderspitze zum Gatterl in anderer Perspektive

Über den schönen Steig mit einer tollen Ansicht des Grates zwischen der Südlichen Linderspitze zum Gatterl, kehrten wir zu letzterem zurück, um den Abstieg über den Noë-Steig zur Brunnsteinhütte anzutreten. Der Stufenbau des Gebirgsabschnitts kann dabei von Nordosten gut eingesehen werden und beeindruckt.

Abstieg am Heinrich-Noë-Steig – Hintergrund: Nördliche Linderspitze, links Gerberkreuz

Nach sechseinhalb Stunden ab Scharnitz erreichten wir den Abstiegspunkt am Gatterl und stiegen, fast durchgehend sonnenbeschienen, über den Noë-Steig zur Brunnsteinhütte ab.

schöner Stufenbau auch auf der Westseite der Nördlichen Karwendelkette

Der Steig ist sehenswert, er führt zunächst ein gutes Stück parallel zum Klettersteig Richtung Südliche Linderspitze und wenn man nach oben schaut sieht man die Bretterübergänge.
Auch auf diesem Steig kommen im oberen Teil kurze Passagen vor, die Restschnee enthalten und man gegebenenfalls Ausrüstung benötigt.

auch hier schattige Passagen mit Restschnee

Der Bau der Sulzleklammspitze kann am Abstieg wunderbar betrachtet werden und die dickbankigen Stufen von alpinem Muschelkalk unterhalb des Gipfelaufbaues fallen richtig ins Auge. Über den Oberen Sulzleanger gibt es im schroffigen Teil die letzten Seilversicherungen, oberhalb der breiten Schuttreise in die Sulzleklamm hinab.

Sulzleklammspitze vom Heinrich-Noë-Steig aus gesehen

Die sich ausbildende Schulter wird weiter unten durch Nadelwald mit altem Baumbestand bis in den Graben oberhalb der Sulzleklamm abgestiegen, der Untere Sulzleanger. Beeindruckende Blicke bestehen dabei nach oben, beispielsweise eine unter Sonnenlicht orange leuchtende kleine Lärche auf einem absolut unzugänglichen Felsplateau unterhalb des Gipfels.

Kirchlspitze und rechts Rotwandl- und Brunnensteinspitze

Im Graben führt der Steig dann relativ flach über die Gegenseite hinaus zur Brunnsteinhütte. Unterhalb der Kirchlspitze trifft man am Steig auf Kössener Schichten in eindrucksvoller Ausprägung.

Oberer Sulzleanger und gegenüber Unterer Sulzleanger

Gegen die Rippe auf die Brunnsteinhütte zu führt der Steig wieder in ein kurzes  Waldstück, bevor die Lichtung an der Hütte erreicht wird.

atemberaubende Blicke auf die Westwand der Sulzleklammspitze; im Schnitt beider Bildhälften eine orange leuchtende Lärche in unzugänglichem Fels

Ohne ein oder zwei Mittenwalder Halbe vor der Hütte wäre der Abschluß nicht gelungen, also genehmigten wir uns diese, vor dem Normalabstieg nach Staudenraut und zurück zuerst über den Waldweg, später, nach dem Bahnübergang mangels abgetrenntem Wanderweg, über 500 m Bundesstraße bis nach Scharnitz.

Rückblick über den beeindruckenden Heinrich-Noë-Steig

Die gesamte Bergtour erforderte 9:45 Stunden incl. Pausen und erstreckt sich über 15,1 km. Der Aufstieg beträgt 1.850 m gesamt. Die Runde ist schöner im Aufstieg, also von Süd nach Nord und der Abstieg über den Heinrich-Noë-Steig zur Brunnsteinhütte ist ebenfalls ein interessanteres Erlebnis als vom Brunnensteinanger (Roßanger).

Mils, 23.10.2021

Hoher Wörner, 2. 476 m – über Großkar

Der imposante Gipfel des Hohen Wörner – oder nur Wörner, wie er auch bezeichnet wird – wird meist von der bayerischen Seite aus am Normalweg in Angriff genommen – eine alternative, einsame Möglichkeit in beeindruckender Landschaft führt jedoch auch über das gewaltige Großkar und die Südflanke zum Gipfel. Der Anmarsch zum Aufstieg aus dem Karwendeltal ist mit 8,5 km ab Scharnitz lang und hierzu empfiehlt sich das Radl.

Hoher Wörner nach Umgehung des Gratkopfes wieder auf der Grathöhe angekommen

Am Schotterweg ins Karwendeltal werden die ersten 240 Hm zurückgelegt mit dem Großteil von 160 Hm über 1,5 km gleich zu Beginn ab Scharnitz. Nach dem Hochpunkt (~1.130 m) unterhalb der glatten Felsen von Brunnensteinkopf  fällt der Weg auf etwa 2 km um 30 Hm ab, bevor er dann recht gleichmäßig steigend über etwa 4,5 km zum Großen Schafstallboden führt, wo die Bergtour beginnt.

Start in Scharnitz – das Radl leistet hin und wieder gute Dienste

Das Großkar empfängt dessen Bezwinger vom Karwendeltal aus gesehen mit einer wuchtigen Talstufe hinauf zur Karschwelle die, schrofendurchzogen abweisend, das nicht einsehbare Obere Großkar birgt. Ein gewaltiger Blick auf das wahrscheinlich größte Kar im Karwendel. Sichtbar vom Talgrund aus ist dafür jedoch das Ziel, der Hohe Wörner, dessen Sichtlinie mittig über das Untere Großkar angepeilt wird.

Blick ins Großkar mit Wörner (letzter der Gipfel von links)

Das Radl kann bequem nördlich der Jagdhütte im Wald nach der Rechtskurve des Forstwegs verstaut werden und etwa 100 m entlang des Zaunes gelangt man zu einem schmalen Gatterchen, hinter dem der gut ausgeholzte Steig ins Untere Großkar beginnt.

Larchetkar mit Pleisenspitze im Süden

Nach wenigen Minuten auf Wiesenboden beginnt die Karwaldreise, die vom Steig in großzügigen, eher flach angelegten Serpentinen durchschnitten wird. Verwunderlich dort sind die großen Steinbrocken, deren Lageort man sich zunächst nicht erklären kann, denn das Untere Großkar ist so breit, daß von den Flanken kein junger Bruch bis mittig in das Kar transportiert werden kann. Höchstwahrscheinlich stammen die Brocken von Lawinentransporten winterlicher Abbrüche von weiter oben, oder derselben von den Karflanken.
Schön zu sehen sind die Lagen von alpinem Muschelkalk der Flanken gegen die Schmalstelle im Unteren Großkar hin.

in der unteren Karwaldreise

Nach guten 20 Minuten wendet sich der Steig von Serpentinen hin gegen Westen in den Wald oberhalb der Karflanken. Im Wald führt der Steig dann wieder in Serpentinen steil hinauf unterhalb der nächsten Geländestufe. Teilweise ist die Ausprägung der Steigspuren schwach, sodaß vorausgeblickt werden muß, um nicht davon abzukommen.

Steig aus der Reise gegen Westen in den Wald

Noch weit unterhalb des Felsansatzes der Südostrippe der Schönbergspitze teilt sich der dort nicht ganz klare Steig in den Anstieg linkerhand in das Tiefkar und rechter Hand ins Obere Großkar. Die abgehenden Steigspuren ins Tiefkar sing gut zu erkennen, jene ins Obere Großkar weniger gut, weil von einem Hangbruch durchzogen.
Von dort genießt man einen wunderbaren Ausblick in das hintere Karwendeltal und weit über den Hochalmsattel hinaus bis auf die imposante Pyramide des Steinfalk in 13 km Entfernung.

phantastischer Blick in das Karwendeltal nach Osten

Mit wenig Höhengewinn bzw. –verlust führt die Route durch Latschen hindurch nordöstlich in den Felsansatz der Talstufe zum Oberen Großkar. Die ersten Meter durch den Hangbruch querend sind etwas mühsam, aber nicht prekär zu begehen.

Zustieg zur Talstufe ins Obere Großkar

Durch Latschen bzw. an deren unteren Saum entlang wird nach knapp zehn Minuten die Nordwestecke der Talstufe zum Oberen Großkar auf 1.600 m erreicht. Vor dem Beginn der steilen Schrofen muß eine kleine geologische Stufe durchschritten werden, eine etwa 20 bis 30m mächtige Lage von Knollenkalken der Reifling Formation, mit ihrer charakteristischen dünnbankigen, knollig runden Ausprägung.

Knollenkalk der Reifling Formation

Man kann sie nicht übersehen, der noch sichtbare Steig führt über eine geneigte Platte entlang der Felswand hinauf.
Ab dieser Höhenstufe begegnet man nur mehr besserem – bis zum Felsansatz des Hohen Wörners –  oder schlechterem – in der Südflanke des Hohen Wörners – Wettersteinkalk.

Trio auf der Rippe zur Schrofenstufe

Nach dieser Stufe wird eine kurze Rippe erreicht, die in direkter Linie nach oben verleitet. Verleitet deshalb, denn man übersieht leicht die Richtungsänderung des Steigs nach links, nach Westen, in die Schrofenwand hinein. Möglicherweise ist das dem Verfasser nur passiert, weil er ohne sich orientieren einem Trio folgte, das die Rippe direkt erstieg und unter den Felsen antraf. Ein Phänomen, das einen am Berg oft heimsucht, die rational unbegründete Aufgabe der eigenen Zielstrebigkeit im Sinne des Wortes. Und es war falsch den Vorsteigern zu folgen, wie sich beim Aufstieg durch die Schrofen, die nicht unbedingt leicht zu begehen sind, und beim späteren Abstieg herausstellen sollte.

schrofiger Aufstieg als Abkürzung durch die Stufe

Das felsige Stück neben einem Einschnitt linkerhand könnte man aber auch als eine Art Schlüsselstelle für die Eignung in der Wörner-Südflanke sehen, es vermittelt schon den Eindruck eines leichten Klettererlebnisses, wie es oben zu bewältigen ist.

im Oberen Großkar mit Blick auf die Breitgrieskarspitze in Bildmitte

Nach dieser Stufe von etwa 100 Hm trifft man den Steig wieder womit spätestens klar wird, daß man ihn verlassen hat. Daß damit aber auch eine gute Wegstrecke abgekürzt wird und die Direttissima für den zügigen Aufstieg nicht unförderlich war realisiert man am Rückweg.

Die Karschwelle wird sichtbar

Der nächste Abschnitt führt über ein langes und mühsames Stück Karboden mit mittelsteiler Neigung, bei dem hin und wieder Steinmänner angetroffen werden, wenn es in etwa diagonal erstiegen wird. Bei der Erstbegehung fehlt dazu der Peilpunkt oben, der leider nicht ersichtlich ist. So kann es vorkommen, daß die Stufe zu direkt genommen wird und oben, an der Karschwelle, die Richtung nach Osten eingeschlagen werden muß, so die Route des Verfassers.

im Westen die Schönbergspitze

Faszinierend erscheint die für Karwendelkare enorme Breitenausdehnung des Großkars. Am Aufstieg beeindrucken immer wieder Blicke auf die umliegenden Gipfel der Nördlichen Karwendelkette, so zur Linken auf Schönberg- und Großkarspitzen, sowie zur Rechten auf die Hochkarspitze mit ihrem auffällig zackigen Südgrat.

Südliche Großkarspitze

Eine gute Stunde mag man für den Aufstieg ab den untersten Schrofen bis zur Karschwelle rechnen und eine weitere Viertelstunde für die  Querung bis zum Anstieg auf die Terrasse im Nordosten zwischen Hohem Wörner und Hochkarspitze, wenn der Aufstieg durch das Obere Großkar zu direkt erfolgt. Vom Ostteil im Oberen Großkar bis auf den leichtest zu durchsteigenden Punkt auf die Terrasse fällt eine weitere Viertelstunde an, um die Dimensionen im Großkar zu verdeutlichen.

Nördliche Großkarspitze (Bildmitte) und Hoher Wörner (rechts davon)

In der Karmulde treten wunderschöne Erscheinungen von Verkarstung und Dolinen hervor. Den Weg zum Felsansatz der Terrasse bahnt man sich mit Vorausblick und den teilweise richtig platzierten Steinmandln, zuletzt durch Schuttreisen.

Großkarscharte Bildmitte

Den Durchstieg auf die Terrasse muß man nicht an dessen schuttbeladenster Stelle durch eine kurze Rinne unternehmen, etwa 100 bis 50 m westlich vorher ergeben sich einige schöne Passagen durch den Fels.

durch die Felsstufe im rechten Bildbereich auf die Terrasse

Der undeutlich sichtbare Steig verläuft leicht steigend quer durch die Terrasse westwärts und endet an einem Riss mit deutlicher Schuppenbildung, die quer ansteigend in die Südflanke zieht. Das wäre der Normalweg, der im Bericht weiter unten als Rückweg beschritten wurde. Für den Aufstieg sollte die direkte Gratlinie erkundet werden, wozu die Schuttreise in direktem Anstieg durchschritten und oben in einen Riss eingestiegen wurde.

Blick von der Schuttterrasse nach oben; links zieht der Steig zur Felsfuge hinauf

Oberhalb des Risses folgt ein Grasband bevor sich ein weiterer Riss – ziemlich westlich versetzt etwas schmaler aber angenehm zu durchsteigen – weiter hinaufzieht und alsbald vor der Grathöhe endet.

Aufstieg oberhalb der Schuttterrasse

Im Riß befindet sich eine Art Lawinenstange, oben gekickt und etwa 2,50 m lang sowie andere kurze Holzstücke und etwas Draht, eine sonderbare Begegnung an diesem Ort knapp unterhalb des Grates, dessen Sinn nicht erklärlich ist.

Rückblick auf das Großkar mit Larchetkar- und Pleisenspitze

Am Grat besticht ein beeindruckender Blick auf den Hohen Wörner und man möchte meinen, daß eine direkte Gratüberquerung im Alleingang einfach möglich ist. Leider versperrt ein mächtiger schroffer Gratkopf diese, wie nach kurzer Strecke festgestellt werden mußte.

Riss zum Grat; unerklärliche Reste menschlicher Provenienz knapp unterhalb des Grates

Der Führer beschreibt diesen Kopf als kletterbar, in der Frontalansicht vom Grat vor der tiefen Scharte aus siegte die Vernunft die wenig strukturierte gemuldete Wand aufzusteigen, für die der große AV-Führer abseilen oder abklettern vorschlägt.

atemberaubender Anblick des Hohen Wörners vom Grat

Also mußte in die Scharte abgestiegen werden und die Schlucht noch etwa 50 Hm tiefer, um den Kopf, der übrigens schon von der Schuttterrasse aus eingesehen werden kann, am Fuße zu umgehen. Die Schlucht läuft in die schrofige Flanke weitgehend seichter werdend aus welches die Umgehung über einen kurzen Aufstieg auf die westliche Schluchtbegrenzung ermöglicht. Dahinter kann wieder über Schrofengelände auf den Grat zurückgekehrt und die Gegenseite des Kopfes bestaunt werden, die kaum mehr den Eindruck einer mäßig schwierigen bis schwierigen Ersteigung vermittelt, wenn man sich nicht mit ihr beschäftigt.

letzte Scharte vor dem Hohen Wörner; gegenüber die Soiernspitze

Es folgt ein Gratstück mit zwei hintereinanderliegenden Köpfen die in leichter Kletterei überstiegen werden. Jenseits davon führt ein schärferes Gratstück in eine etwas tiefere Scharte hinab, bevor der Gipfelaufbau, das letzte Gratstück, angenehm angegangen werden kann. Die Scharte läßt einen Blick auf die dunkle schauerlich anmutende Nordwand zu.

phantastischer Rückblick auf den Grat zwischen Hochkarspitze und Hohem Wörner

Am letzten Gratstück warten keine Überraschungen mehr, am Aufstieg schweift man immer wieder ab mit beeindruckenden Blicken auf die bizarr gezackte Nordrippe des Hohen Wörners vom Wörnersattel herauf und auf das Vorland der Nördlichen Karwendelkette.
Nach einer letzten seichten Scharte führt ein Band leicht nordseitig zum Gipfel.

am Grat zum Hohen Wörner

Wie gerufen fiel die Ankunft am Gipfel aus, die Massen an Bergsteigern, die den Normalweg aus dem Norden genommen haben waren verschwunden und bis zum nächsten Ansturm konnten ein paar Eindrücke vom Ausblick genommen werden.

über ein undeutliches Band nordseitig zum Gipfel des Hohen Wörners

Im Westen, am Ende des berühmten Grates in der Kette anschließend, befindet sich die Tiefkarspitze, eine sehr interessante Tour über den Nordwestgrat, die in einer schönen Runde begangen werden kann.

Hoher Wörner, 2.476 m

Links hinter ihr der westlichste Gipfel der Nördlichen Karwendelkette, die Brunnenstein- und gleich danach die Rotwandlspitze in 6 km Entfernung, sowie rechts neben ihr die bekannten und – durch die leichte Erreichbarkeit mit der Karwendelseilbahn von Mittenwald – überlaufenen Nördliche Linder- und  Westliche Karwendelspitze in 4 km Entfernung.

mittig im Bild die Tiefkarspitze, links davon Brunnenstein- und Rotwandlspitze, rechts Nördliche Linder- und Westliche Karwendelspitze

Fern im Westen das Wettersteingebirge mit einem beeindruckenden Blick auf das Leutascher Platt, mit der sagenhaft schönen Überschreitung der Dreitorspitzen und noch weiter rechts der Zugspitze in knapp 27 km Entfernung.

Wettersteingebirge mit Leutascher Platt links und Zugspitze mit -platt rechts

Gen Osten können die wichtigen Gipfel der Kette, Hochkarspitze, Schlichten- und Vogelkarkarspitze,  die Östliche Karwendelspitze, sowie als östlichste Erhebung, die Grabenkarspitze eingesehen werden und kurz vor dem Grat zur Hochkarspitze taucht wieder der Steinfalk und das in 20 km Entfernung liegende Sonnjoch auf.

Ansicht der Nördlichen Karwendelkette gegen Osten mit dem links abklingenden Vorgebirge und rechts der gewaltigen Karwendelhauptkette

Rechts der Hochkarspitze findet sich als entfernteste Erhebung im Karwendel der Hochnissl in 23 km Entfernung, wiewohl der Hohe Wörner überhaupt einen erstklassigen Standpunkt für die Sicht auf die Hinterautal-Vomper-Kette darstellt.

gewaltige Karwendelhauptkette mit den Pyramiden der Seekarspitzen leicht rechts der Bildmitte

Von dort können vor allem die Gipfel der Hinterautal-Kette wunderbar betrachtet werden, beginnend mit der frontal im Süden gegenüberliegenden Pleisen- und Larchetkarspitze, über die Seekarspitzen bis hin zur Birkkarspitze.

Seefelder Kette mit den Stubaiern im fernen Hintergrund

An diesem herrlichen Tag reichte der Blick über die hauptdolomitisch gebaute Seefelder Gruppe mit den schönen Zielen Kuhljochspitze und Erlspitze hinaus bis in die Stubaier Alpen mit dem Wilden Freiger hoch über dem Erlsattel und dem Zuckerhütl leicht rechts davon in 55 km Entfernung.

Rückblick am Abstieg vom Hohen Wörner in dessen steile Südostflanke

Der Abstieg vom Hohen Wörner wurde über die breite schrofendurchsetzte Südostflanke unternommen, die nicht schwierig, aber sehr steil in eine Flachstelle von der oben beschriebenen Scharte hinab leitet. Der Abstieg dorthin dauert eine Weile, um die beste Route zu finden.
Man tut gut daran vom Gipfel aus die Flanke mit der anschließenden tektonischen Fuge zu studieren, um mit Vorteil ihn unten dann auch sofort zu erkennen und weiter zu begehen, bis hinab auf die Schotterterrasse.

Blick auf die tektonische Fuge in der Tiefe der Südflanke mit Fortsetzung in der Aufstiegsrippe der Hochkarspitze

Wer im Abstieg genau hinschaut erkennt die Fortführung der Fuge weit über die Südflanke des Hohen Wörners hinaus, abtauchend im Großkar, bis hin zur Aufstiegsrippe der Hochkarspitze, die von der Fuge schleifend durchschnitten wird (eine Ausprägung der Karwendelschuppenzone, gar die Fuge zur homogenen Inntaldecke oder ohne Bewandtnis?).

in der Gesteinsfuge kurz vor der Schuttterrasse

Über einige Rippen hinweg, im Schutze der, talseitig mit beeindruckend steilem, teilweise  unbegehbarem Schrofengelände, mittelbreiten Fuge wird die Schuttreise der Terrasse wieder erreicht. Der weitere Abstieg erfolgt bis zur steilen Talstufe wie der Aufstieg.

Rückblick auf den Hohen Wörner (Gipfel links der Bildmitte, links der Scharte)

Bevor der felsdurchzogene Aufstieg auch für den Abstieg genutzt wird kann, aus purer Neugier, dem Steig nach den letzten Latschen gefolgt werden.

Rückblick am Ende der Terrasse auf den Abstieg; links der Bildmitte die Fuge, rechts der zu umgehende Turm

Nicht zu weit, eine Abgrenzung aus größeren Steinen und verdorrten Latschen  warnt nach wenigen Minuten vor dem weiterführenden Steig, der den Hang durchquert.

am Abstieg vom Normalweg, Blickrichtung auf die Rippe zur Felsstufe

Dort wird in Abstiegsrichtung links hinab geleitet auf mehreren parallel verlaufenden Steigfragmenten, die sich unten in der Bergwiese wieder zu einem einzigen Steig formen und die Steilstufe mit einem Grasband durchschneiden, ohne daß abgeklettert werden muß.

Rückblick auf den Abstieg durch die Schrofen

Das wäre der Normalweg. Die Rippe wird erreicht, die beim Aufstieg unter den Schrofen endet.

alpiner Muschelkalk zu beiden Flanken zum Unteren Großkar

Anstelle des Normalweges zurück kann über die Geröllreise im Unteren Großkar abgestiegen werden. Leider erlauben bald nach dem Beginn der Reise weder Hangneigung noch die Stückigkeit des Gerölls eine Abfahrt – der Abstieg muß Großteils im Gehen erledigt werden.

Quelle über die Felsen des alpinen Muschelkalks herab (orographisch rechts im Unteren Großkar)

Die ausgedehnte Bergtour endet mit der Ausfahrt aus dem Karwendeltal mit dem Radl. An Zeitbedarf rechne man acht Stunden, incl. einer Gipfelpause von 45 Minuten (ohne Gratbegehung sollte man jedenfalls mit acht Stunden auskommen und schnelle Radler benötigen ohnehin weniger Zeit für beide Strecken). Der Höhenunterschied beträgt 1.596 m bzw. mit Gegenanstieg bei der Ausfahrt  1.630 m, die Radlstrecke 2 x 8,5 km.

Mils, 25.09.2021

Arnspitzüberschreitung – Arnplattenspitze/Mittlere Arnspitze/Große Arnspitze

Außerordentlich schön gelegen befinden sich die Arnspitzen, mit der höchsten Erhebung der Großen Arnspitze (2.196m), in der Seefelder Senke zwischen dem Leutaschtal und der Talfurche von Scharnitz.

oh Augenblick verweile…

In der Würmeiszeit spielte dieser kleine freistehende Gebirgszug eine gewichtige Rolle. Er staute und teilte den Inngletscher in einen Teil, der links, durch das Leutaschtal, hinaus in die breite Fläche nach Mittenwald abfließen konnte und in einen rechts fließenden Strom, der durch die schmalere Talfurche bei Scharnitz floss. Dabei erreichte der Gletscher einen Höchststand von knapp über 2.000m, die durch erratisches Gestein (ortsfremd) an den Flanken der Arnspitzen nachgewiesen werden konnten.

die tolle Bergkette im Morgenlicht

Heute wird die Arnspitzgruppe dem Wettersteingebirge zugeordnet, was rein willkürlich geschah, denn geologisch gesehen gehört die Arnspitzgruppe zum Karwendel.

 

die Raiblerschichten der Kastentalriepen

Wir starteten unsere schöne Klettertour am Parkplatz der Gemeinde Scharnitz in Gießenbach, gleich nach der Abzweigung zum Gießenbachtal in Ortsmitte. Für jenen, der aus dem Süden – aus Innsbruck –  anreist, ein wesentlich komfortablerer Ausgangspunkt als vom Leutaschtal.

Hoher Sattel – links geht es zur Arnplattenspitze hinauf

Eine Schotterstraße führt zunächst rechts neben einem gewaltigen Bachbett über eine weite Strecke zum Hohen Sattel hinauf. Dieses – für die Massen an Wasser und Geröll die man dort vermutet abzufließen – überbreite Bachbett muß von den kohäsionsarmen, brüchigen Raiblerschichten der Kastentalriepen gebildet worden sein; eine der größten offenen Raiblerschichtenformation die ich bisher in der näheren Umgebung bisher angetroffen habe.

im oberen Teil des Anstieges zum Gratrücken auf die Arnplattenspitze

Nach dem Ende der Fahrstraße, weit oben auf ca. 1.300m führt der Steig in einigen Serpentinen den steilen Waldhang zum Hohen Sattel hinauf. Angenehm, auf über 1.400m rinnt eine wenig ergiebige Quelle vom Sattelwald herab (zumindest noch Anfang Juni).

Blick vom Grat in das Leutaschtal

Am Hohen Sattel findet sich der nördliche Abzweig zur Arnplattenspitze (auch Hintere Arnspitze genannt) nach 100m in Richtung Leutaschtal hinab, jedoch noch auf der Sattelfläche.

Blick auf den Gratrücken zurück

Der Aufstieg zum Grat westlich der Arnplattenspitze erfolgt zunächst durch den Wald, dann durch dichten Zunternbewuchs, später kurzzeitig über Reisengelände und zum Schluß in festem Schrofengelände.

die Arnplattenspitze im Nebel

Bereits am Grat bietet sich eine bemerkenswerte Aussicht auf Karwendel, Wetterstein, Seefeld, ja sogar bis in die hohen Stubaier und bis weit in das Werdenfelser Land.

Blick nach Scharnitz

Durch die Zuntern am Grat ging es angenehm weiter, in unserem Fall sogar etwas kühl an diesem an sich warmen Junitag, da sich hartnäckiger Nebel nur sehr zögerlich von der kühn aufragenden Felspyramide der Arnplattenspitze lösen wollte.

Gipfelaufbau der Arnplattenspitze

Mit unserer zeitlichen Annäherung und der stärke werdenden Sonneneinstrahlung löste sich der Nebel um den Gipfelaufbau jedoch nach und nach auf.
Die kurzen und leichten Kletterpassagen bis zum Gipfel bereiteten uns schon Vorfreude auf die bevorstehende Gratüberschreitung zur Großen Arnspitze.

feine Partien…

Evi und Simon erreichten zuerst den Gipfel nach kurzer Kletterei, ich hatte noch ein paar Dokumentationsfotos gebraucht und kam als Letzter am nun nebelfreien, aber immer noch hochnebelbewölktem Gipfel an.

Ankunft auf der Arnplattenspitze

Nach einer sehr kurzen Rast und dem Eintrag ins Gipfelbuch fieberte angesichts der tollen Kulisse gen Mittlere und Große Arnspitze ein jeder schon dem Abmarsch entgegen und die kühle Brise am beschatteten Gipfel tat das ihre dazu, daß der Aufenthalt angesichts der schönen Kulisse verschwenderisch kurz ausfiel.

leider Hochnebel über dem Gipfel

Namensgebend für die Arnplattenspitze sind eben die ostseitig ausgeprägten Platten, die nicht nur ein paar Platten im üblichen bergsteigerischen Sinn im Abstieg darstellen, sondern die ein halbes Fußballfeld knapp unterhalb des Gipfels bedecken, ebenflächig sind und, zur richtigen Zeit am Morgen von Gießenbach aus betrachtet, sich in abhebend erhellter Farbe von der restlichen Gipfelpyramide deutlich unterscheiden – ein erhebendes Gefühl sie zu betreten, wenn keine Scheu vor ihnen vorhanden.

weiterer Verlauf der Überschreitung der Arnspitzgruppe von der Arnplattenspitze gesehen

Die Platten sind durchzogen von weiten bis schmalen Rissen, erstere zum leichten Abklettern, letztere zur teilweise möglichen Verwendung von Handrissen, aber immer ein Genuß sie zu klettern.

Blick voraus auf das Abstiegsgelände

Wir nahmen sie im Abstieg und dadurch büßten sie leider einiges ihres Charmes ein. Im Abstieg sind sie jedoch auch nicht schwer zu nehmen. Zum Teil kann im Stehen die weitere Route erkundet werden und sie stellen im Übergang ein kurzes Vergnügen vor dem weiteren Pfad durch lange nicht ausgeschnittene dichte, starre und knorrigen Zuntern dar.

Abstieg über die Platten mit breiten, leichten Rissen

Eine leichte Route im Abstieg erschien uns eine seitlich rechts vom Gipfelkreuz (in Richtung zur Großen Arnspitz geschaut) auf einen etwas brüchigen Gratansatz und von dort den ersten langen, breiten Riss hinab, sowie halb unten schräg nach links hinaus querend zu sein.

Simon und Evi steigen wie die Gemsen

In den folgenden, teilweise förmlich zugewachsenen Zunterngassen hielten wir uns eher links im Abstieg, dem scharfen Abbruch des Gipfelaufbaues nahe. Auf schmalem Band erreichten wir die untere Begrenzung des Abhanges zur „Weiten Scharte“. Im Rückblick hätte es wohl eine Option innerhalb der Zuntern gegeben, dies konnten wir auch unten feststellen indem sichtlich beide Steige zusammentrafen.

imposantes Plattengelände

Der Abstieg in die Weite Scharte erstreckt sich über gut 170Hm. Mit leichtem Auf und Ab war sie bald durchschritten und wir standen vor dem imposant aufragenden Westturm der Mittleren Arnspitze.

bereits unterhalb der Platten beim Abstieg an der Abbruchkante

Zunächst erkannten wir einen überraschend stark abwärts geneigten Steig, dem wir so weit folgten, daß wir hinter einer Rippe feststellen mußten, daß dieser die nördliche Umgehung der Mittleren Arnspitze darstellt und uns zur Rückkehr zum Ausgangspunkt am Ostende der Weiten Scharte veranlasste.

die Türme in Begutachtung

Dann versuchten wir unser Glück über die Navigation der AV-App und stellten fest, daß diese für steilen Fels untauglich ist, weil man beim queren einer Felsflanke in 35m weder links noch rechts abbiegen kann.

ja, diesen Steig hatten wir auch versucht, er ist die Umgehung der Mittleren Arnspitze

Zum Schluß ließen wir die beste aller Optionen walten und zwar die Intuition. Diese sagte uns, daß in jenem Teil, der vom Auge eingesehen werden konnte eigentlich nur ein teilweise erkennbares Band zu einer zunternbewachsenen Stelle führt, hinter der es möglicherweise weiter gehen könnte – wie so oft im Karwendel.

leicht schräg nach oben

Genauso war es dann auch, an dieser Stelle führt eine leicht kletterbare Verschneidung empor, die mittig eine rechts abzweigende, auffallend glatte und schräge Rampe hat, die zum Weitersteigen über die selbe hinauf einlädt.

Verschneidung/Rinne

Dahinter folgt leichteres Gelände und in etwa weitere 10Hm des Aufstieges bis zu einem Band mit Steinmann und einem tief herab reichenden Überhang, der östlich in Richtung Gipfelturm der Mittleren Arnspitze gequert werden muß. Alles zusammen in dieser Wand vom Sattel der „Weiten Scharte“ aus bis zur Scharte zwischen dem westlich vorgelagerten Turm und dem spitzeren Turm der Mittleren Arnspitze geschätzt an die 70Hm – in wenigen Minuten zu klettern, wenn der beste Einstieg unten gefunden wurde.

in der Verschneidung

Der Anstieg bis zur Scharte zwischen den beiden Türmen kann im spitzen Winkel von unten kaum eingesehen werden, daher hier die Info, daß man sich am besten zunächst schräg aufwärts bis zu den Latschen bei einer in Falllinie hinaufziehenden Verschneidung orientieren möge. Ist man diese einmal aufgestiegen findet sich der Rest von selbst. Die Steilheit ist zwar hoch, die Schwierigkeit aber hält sich in engen Grenzen (max. II), der Fels ist fest – in Summe eine feine leichte Kletterei.

Rampe

In dieser Art geht es nach der begrünten Scharte zwischen den beiden Türmen ca. 30Hm in einer Schleife nach links und wieder rechts weiter, allerdings nun mit dem Gipfelkreuz als sichtbares Ziel.

bereits unter dem Überhang

Von der Scharte aus bietet sich ein toller Tiefblick nach Süd und Nord und der südliche Schwestergipfel der Mittleren Arnspitze (ohne GK) türmt sich markant in der Landschaft auf.

plattig nach dem Überhang aufwärts; tolles Foto mit Schmetterling

Durch eine mittelbreite geologische Störzone wird der letzte Teil des Turmes zum Gipfelkreuz begangen und nach dieser folgt noch eine kurze steile und nett kletterbare Wandstelle auf das Gipfelplateau. Alles Abschnitte an diesem Turm in gleich leichter Kletterei zu begehen wie im Wandteil des Westturmes.

Evi vor mir beendet das Wiesenstück im Sattel

Mitten in der Arnspitzgruppe, hundert Meter über den anschließenden Graten und etwas niedriger als die beiden Gruppengipfel an jedem Ende entzückt die Lage ungemein. Eingebettet in den Gebirgszug und doch allseitig frei – einen gewissen Moment von leichter Erhabenheit und des Genusses an der Vollkommenheit der Natur darf der Ersteiger auf diesem phantastischen Fleckchen Berg erleben.

knapp unterhalb des Gipfels

Das Gipfelkreuz tut das seine, um die malerische Szenerie zu unterstreichen und Bildern, wie sie an dieser so gediegenen Bergkette eindrucksvoller kaum sein können, gilt der Versuch den Nachweis darüber zu konservieren.

Mittlere Arnspitze, 2.091m

Den Wermutstropfen von Thermikbewölkung mußten wir den gesamten Tag lang auf der Überschreitung hinnehmen, ein Mix aus rasch wechselnden Licht- und Schattenpartien begleitete uns auf der Mittleren Arnspitze. Der Vorteil dieser leichten Trübung ist aber auch nicht zu verachten – die mäßige Sonnenbestrahlung bescherte uns angenehme Temperaturen im leichten Lüftl und der Trinkvorrat, der bei heißen Tagen auf der langen Strecke problematisch sein könnte, reichte leicht aus.

die erfreuten Bezwinger

Der Blick zur Arnplattenspitze ist ohne Übertreibung ein atemberaubender. Der oberste kühn aufragende Zinken an Gipfelturm von der Mittleren Arnspitze aus gesehen läßt förmlich den Atem stocken und doch war er so leicht zu begehen. Eine seltene Kombination im Kalkfels der näheren Umgebung.

die gewaltige Arnplattenspitze von der Mittleren Arnspitze aus gesehen

Gegenüber der deutlich unterschiedliche schichtendominierte Aufbau der Großen Arnspitze mit den vielen kleinen Gratköpfchen und –schärtchen macht in seiner Art gleichermaßen Vorfreude wie die bisher erlebte.

der weitere Übergang zur Großen Arnspitze

Mit der üblichen menschlichen Hast beendeten wir nach knapper visueller Erkundung des Abstieges eine kurze und unvergessliche Rast auf der Mittleren Arnspitze und begaben uns den obersten Gipfelaufbau verlassend etwa 20Hm die Aufstiegsroute hinab zu einem schmalen schuttbelegten Felsband das ostwärts neben steiler Wand aus bestem Wettersteinkalk steil zu dichteren Latschenbüscheln hinab führt.

am Abstieg von der Mittleren Arnspitze

Dieses, mit zunehmendem Abstieg steiler werdende Band, ist hinsichtlich der Rutschgefahr im Abstieg mit Bedacht zu begehen. Es mündet in einer schmalen rinnenartigen Verschneidung, die sich – manchmal etwas unangenehm knapp am Ausdrehen des Körpers – bis ganz unten zu schuttigen Karflächen hinabzieht. Teilweise fehlt die Sicht auf Tritte im Abstieg, aber in Summe ist der Riss wieder leicht zu klettern, wenn auch nächste Züge überlegt angegangen werden müssen.

im Riss manchmal etwas unangenehm schräg

Unten angekommen wartet ein schuttreicher Abstieg auf der Schrägfläche bis zu dichteren Zunternbüschen. Die Route quert im Abstieg das karartige Gelände in Richtung Grat zur Großen Arnspitze.

der Riss von oben

Bei Annäherung an den senkrechten Fels im Abstieg auf schmalem Steig öffnet sich der Blick auf ein eingeschnittenes Band, das die Möglichkeit zum Grat zu gelangen aufzeigt.

Querung auf schuttigen Plattenböden zum Grat

In der Literatur wird es als ein „böse aussehendes Band“ beschrieben. Begehen läßt es sich sehr fein mit einer festen Griffleiste aus herausstehenden Felsschuppen oben und einer schrägen Trittfläche mit gerade noch angenehmer Reibungswirkung und kleinen Tritten versehen.

Beginn des Bandes

Bösartigkeit konnten wir nur in seiner Charakterisierung feststellen, seine Begehung hingegen war excellent – ein excellent unbösartig ausgeprägtes Band eben.

Simon lacht auch noch am unbösartigen Band!

Leider beginnt mit dem Erreichen des fortsetzenden Grates schon der letzte Teil der anregenden Reise, zunächst mit einem steilen Anstieg von der sogenannten „Engen Scharte“ über 90Hm auf die Grathöhe, die einige hundert Meter im leichten Auf und Ab am mittelbreiten Grat bis an den Gipfelaufbau der Großen Arnspitze heranführt.

das Band gemeistert

Die Gratwanderung beinhaltet kaum schwierige Passagen, bis auf eine Stelle an der man eher versucht ist links in das Schärtchen abzusteigen, obwohl es rechts in Gehrichtung einfacher erfolgt.

leichtestes Gelände

Nach dieser Stelle führt der allmählich in das Massiv übergehende Grat in stetigem Anstieg über weitere 120Hm auf den etwas höheren Westgipfel der Großen Arnspitze heran.

letzte knifflige Stelle, Evi am leichten Teil

Dieser trägt anstelle des Gipfelkreuzes ein schlichtes Vermessungszeichen. Das Gipfelkreuz der Großen Arnspitze findet sich am Nordostgipfel – wahrscheinlich der Sichtbarkeit von Mittenwald wegen.

Genussgelände zur Großen Arnspitze

Genau über die Gipfel zieht sich die Grenze zwischen Bayern und Tirol dahin; der Abstieg zur bayerischen Arnspitzhütte und weiter nach Scharnitz wechselt ebenfalls zwischen den Hoheitsgebieten, zum Glück heute ohne Bedeutung.

von der Großen Arnspitze auf die abgeschlossene Überschreitung geblickt

Gut besucht fanden wir die beiden Gipfel bei der Ankunft vor, wobei sich dies bei der schon länger abzeichnenden dunkelgrauen Front über das Wettersteingebirge herein rasch änderte. Glücklicherweise bekamen wir aber nur ein paar Tropfen ab, aber auch wir tummelten uns mit kurzer Gipfelrast und suchten im Abstieg zur Arnspitzhütte das Weite.

Blick auf den Ostgipfel der Großen Arnspitze

Über schuttige Partien beeilten wir uns den Steig zur Hütte hinab. Bei der Ankunft unten war der Spuk schon wieder vorbei, er zog über die Leutasch nach Südwesten ab und tangierte uns nur leicht.

trotzdem noch Entspannung auf der Großen Arnspitze angesagt

Als Rückweg hatten wir den Steig unterhalb der Gratüberschreitung zurück zum Hohen Sattel gewählt, der direkt von der Hütte aus beginnt. Im Oberen Teil zwischen den Latschen ist er mit viel Schutt durchzogen und wird im Schrofengelände flacher und besser zu begehen.

Rückblick von der Arnspitzhütte

Imposant ist die riesige Karstfläche, die sich nach einem verehrenden Brand vor 70 Jahren gebildet hat. Trockenheit führte zur Katastrophe, die seither eine Kahlfäche zurückgelassen hat. Das forschende Auge findet jedoch deutliche Ansätze für wiederbeginnende Vegetation auch im oberen Teil der Schrofen.

Abstieg zum Hohen Sattel

Der Rückweg ist ebenfalls eine Begehung wert. Aussichtsreich und mit der bizarr aufragenden Mittleren Arnspitze ein Blickfang.

die Mittlere Arnspitze in der Südostansicht

Am beginnenden Sattelwald überwindet der Steig einmal eine letzte Schuttreise über ca. 25Hm und ab dieser beginnt eine heiße aber sehenswerte Wanderung innerhalb der Zuntern bis hinab zum Hohen Sattel, wo es im Abstieg in Richtung Sattelstiege und Gießenbach wieder das erste Trinkwasser in kleiner Quelle vom Hochfluder herunter zur Labung gibt.

Kleiner Fuchs – ein Edelfalter

Der Abstieg am Nachmittag durch den dichten Wald ist ein letzter angenehmer Ausklang einer wahrlich grandiosen Überschreitung zurück in das nicht überfüllte Örtchen Gießenbach.

Strategien die Karstflächen zu besiegen – der dichte Kegel trotzt den Gewalten

Bei der Einkehr im Ortsgasthaus durften wir noch einen stattlichen Uhu und zwei Papageien bestaunen und der ahnungslose Kellner staunte wiederum als wir den Parkgutschein als Trinkgeld eingelöst haben.

die Arnspitzgruppe im Nachmittagslichte von Gießenbach

Die Bergsteigeruhr zeigte für die Runde einen Gesamthöhenunterschied von 1.540Hm. Die Strecke aus der AV-Karte gemessen beträgt 13km.

Mils, 10.06.2018

 

Schitour Große Seekarspitze

Im ersten Drittel in der Karwendelhauptkette unternimmt man einen Klassiker der Karwendelschitouren auf die Große Seekarspitze und dies Abenteuer wird im Frühjahr erst richtig zum Genuß, wenn die Schneeverhältnisse bis zum Neunerkar ideal dafür sind.

Große Seekarspitze

Ideal sind sie dann, wenn der Aufstieg über den netten Jagdsteig durch den Wald ohne Schnee und mit Bergschuhen möglich ist, Schi und Tourenschuhe am Rucksack verstaut sind und für die rund 600Hm bis zum Beginn des Neuenerkars getragen werden müssen.
Ab dem Neunerkar auf ca. 1.800m wird die Plagerei dieser Tage mit einem traumhaften Aufstiegsgelände in zauberhafter Umgebung belohnt.

Jagdsteig zum Neunerkar; Tagesbeginn im Karwendel um 7 Uhr Ende Mai

Um 5:20 Uhr ging es vom Parkplatz in Scharnitz los und die sechs Euro für das Tagesticket ist wohl ein Hohn für die Bergwelt in die eingetaucht werden darf. Eigentlich sind es ja nur 4 Euro, denn es gibt zum Ticket einen zwei Euro Gutschein dazu mit dem man später in Scharnitz sein Bier mitfinanziert und so für die Leute etwas tut, die dort die Masse ertragen müssen.
Los geht es mit dem Radl, denn zunächst gilt es fast 11km Talweg zu meistern. Der komplette Anstieg dieser Strecke beträgt rund 350Hm und so mancher ist hier mit einem Stromradl gut beraten.

Abzweigung nach der Wildfütterung, rechts beim Marterl geht es ab zum Karwendelbach

Je nach Kondition wird der Ausgangspunkt für den alpinistischen Aufstieg nach einer bis eineinhalb Stunden Radfahrt beim Wegkreuzchen kurz nach der Wildfütterung erreicht, siehe Foto. Hier rechts ab ein paar Hundert Meter und über die Holzbrücke über den Karwendelbach.

Holzbrücke über den Karwendelbach

Jenseits des Baches sucht man sich ein Radldepot und – wenn man so wie ich kein Schloß besitzt wirft man es in ein Baumdickicht – findet sofort den Steig in den Wald.
Mit der schweren Last auf den Schultern dünkt der moderat steile Beginn des Steiges angenehm und leitet über in den richtigen Aufstiegs-Rhythmus. Ebenso beschäftigt einem die Frage warum die Schaufel, die Sonde und das Pieps auch mit mußten, ist dies um diese Jahreszeit bei dem total gesetzten Firn doch recht schräg – aber es doch beruhigend und wird akzeptiert.

hier rauf geht es ins Neunerkar, 600Hm Aufstieg mit schwerem Rucksack

Am Aufstieg gibt es zwei Bäche und eine lustige Quelle auf rd. 1.400m die hörbar oberhalb des Steiges zu sein scheint, den Steig aber nicht quert, weil sie vorher wieder versickert. Einige Minuten später erscheint sie rechts neben dem Steig und den Spuren nach labten sich in den letzten Wochen daran eine Vielzahl an Aufsteigenden.

markante Felsstufe Richtung Osten, hinten die Bockkarlspitze

Dutzende gekreuzte Spinnenfäden im Gesicht auf dem Aufstieg verrieten mir, daß ich heute zumindest der erste war und bei solchen Erlebnissen kokettiert man sofort damit, ob man vielleicht auch der Einzige bleiben würde. Letzeres war nicht vorgesehen und mit den Nachfolgenden und Dazugestoßenen ergab sich am Gipfel dann eine nette Unterhaltung beim Jausnen. David aus München hat mit mir sogar die Abfahrt angetreten und mit mir den Parkgutschein zu erquickendem Hopfensaft verwandelt.

Felsriegel hinauf zum Neunerkar, rechts wird aufgestiegen

Einen Tipp mag ich hier geben: die Aufstiegszeit bis zum Neunerkar beträgt eine Stunde oder vielleicht ein wenig mehr, je nach individuellem Vermögen, und in dieser Zeit habe ich den Rucksack nie abgenommen, man mag ihn dann wahrscheinlich kaum mehr wieder aufnehmen.

die Sonne geht über dem Neunerkar auf

Der unbeforstete Ur-Wald mit seinen riesigen Ameisenhaufen, Felsklippen und sonstigen Blickfängen lenkt auch dermaßen ab, sodaß der Aufstieg rasch vorbeigeht. Übrigens, beim größten Ameisenhaufen geht es links weiter, der Steig rechts führt in das Riedlkar.

steiles Schneefeld, im Winter bei gefrorenen Verhältnissen mitunter heikel

auf ca. 1.650m wird eine recht markante Felsstufe erreicht, die den Beginn des Anstieges in das Neunerkar bildet. In der Mitte der aufziehenden Felsen befindet sich eine kleine Höhle, die im Fall von Gewitter des Sommers auf ihren letzten eineinhalb Meter zumindest halbwegs Schutz bietet.

flacher werdendes Gelände in Richtung Neunerkar

Nach der Felsrippe führt der Steig in die steileren Passagen des Felsriegels unterhalb des Neunerkars und die Plagerei erreicht durch Schutt am Steig ihren Höhepunkt. Von dort sind es etwa 100Hm über eine im Winter bemerkenswert steile Flanke im Schnee bis der Steig wieder flacher wird und die Abrundung des beginnenden Kares erreicht wird.
Auf diesem Aufstiegsteil können bei hartgefrorenen Bedingungen heikle Situationen auftreten, nicht mehr aber im Mai und ich wage sogar zu behaupten auch nicht mehr im April.

im Neunerkar angekommen, Auffellpunkt

Ich mußte keine Stufen schlagen, so wenig von der Flanke war noch mit Schnee bedeckt. Der Steig führt auch sofort linkerhand (östlich) in Latschengelände und wird dann – nach Überschreitung des Schmelzwasserbaches – auch gleich wieder flacher.

Neunerkar kurz nach 8 Uhr

Wenig später wird das Gelände flach und das Neunerkar ist erreicht. Schluß mit dem schweren Rucksack, exakt hier wird heute angefellt und es beginnt  der Aufstieg mit Schi in das weitläufige Kar.

Aufstieg im Neunerkar erster Teil

Der Blick auf die schon fast sichtbare Breitgriesskarscharte täuscht mächtig, da steht man nicht innerhalb kaum einer Stunde oben, mich nahm das hinten nicht unwesentlich steil werdende Neunerkar eine Stunde zwanzig in Anspruch.

hinten geht es rechts hinauf

Die Lawinensituation kann am heutigen Tage eigentlich als gebannt angesehen werden. Die von Großer Riedlkarspitze und Bockkarlspitze herabziehenden Schluchten und Reisen sind weitestgehend vom Schnee geleert und anhand der Lawinenreste kann angenommen werden, daß dies innerhalb des letzten Monats passiert ist. Auch ein Grund diese Tour im fortgeschrittenen Mai anzutreten.

Aufstieg rechts (westlich) unterhalb der Steilstufe; Schnee im Gegenhang schon weitgehend aufgefirnt

Um knapp neun Uhr früh ist der Schnee im oberen Kargelände von der starken Maisonne bereits dermaßen erwärmt, daß man – als Tipp – eher besser die östliche Karseite, die um diese Tageszeit auch kaum noch bestrahlt wurde, für den Aufstieg auswählt.

Rückblick auf das Neunerkar oberhalb der Steilstufe

Liegt das weite Kar mit dem stetig steiler werdenden Anstieg einmal hinter einem, wendet sich das Muldengelände zur Breitgriesskarscharte östlich und in dem nun recht flachen Winkel konnte die Sonne nach neun Uhr noch nicht das ihre tun, um den Schneeoberfläche unangenehm aufzuweichen. Vielleicht deshalb die Bezeichnung Neunerkar – jedenfalls eine Eselsbrücke für die Zeitplanung.

Mulde zur Breitgriesskarscharte

In der Breitgriesskarscharte versuchte nicht nur ich vergebens die Biwakschachtel zu finden, als ihr einziges Lebenszeichen räkelte sich allein der Blitzableiter gerade 10cm über die Schneeoberfläche heraus.

kurz vor der Breitgriesskarscharte auf 2.300m sieht man das Ziel, die Große Seekarspitze, erstmalig

Traumhaftes Panorama tut sich hier auf, Blicke in das Breitgriesskar und in die Seefelder Kette erfreuen nach dem Kessel in dem der bisherige Aufstieg erfolgte.

die Biwakschachtel tief eingeschneit

Und natürlich die schön geformte, ja fast symmetrische Pyramide des Zieles, der Großen Seekarspitze erfreut mächtig. Fast sieht es aus, als wären es nicht mehr knapp 300Hm bis zum Gipfel sondern mehr.

Breitgriesskarscharte, Rückblick in das Neunerkar

Der weitere Aufstieg beginnt nun recht flach mit einer gewaltigen Hangquerung, die bei falschen Schneeverhältnissen sicher wesentlich heikler sein kann als die Stellen unterhalb des Neunerkars.

bevorstehende Hangquerung; rechts hinten unterhalb der Schrofen mußte ich die Harscheisen zu Hilfe nehmen

Gequert wird der gesamte Gratausläufer von der Großen Seekarspitze über die Kleine Seekarspitze bis hin zum Übergang in das Seekar und zur Breitgriesskarscharte. Auf dieser Querung waren im – von der Sonne unerreichten – östlichsten Teil des Kessels Harscheisen von Vorteil, allerdings mußten diese dort innerhalb einer unangenehmen Steigung angelegt werden und hier sollte man – als Tipp – vorher überlegen und dies in der flachen Breitgriesskarscharte erledigen, obwohl die Schneeoberfläche dort schon weich ist.

steiler Gipfelhang der Großen Seekarspitze

Am Ende erreicht man die Einsattelung zwischen Großer und Kleiner Seekarspitze. Diese hab ich für den weiteren Aufstieg genommen, weil es schon von unten bequemer aussah, als die gewaltig in das Breitgriesskar abstürzende Gipfelflanke der Großen Seekarspitze mit Spitzkehren zu nehmen.

in der Einsattelung zwischen Kleiner und Großer Seekarspitze

Am Grat zwischen den beiden Seekarspitzen waren dann die Verhältnisse wieder völlig anders, weil seit Sonnenaufgang bestrahlt. Weichster Mulz vor allem in Gipfelnähe zwangen zu einem Schidepot ca. 30-40Hm unterhalb des Gipfels und den Rest per pedes zu nehmen.

Schidepot unterhalb des Gipflaufbaues

Um 10:20 Uhr, exakt 5 Stunden nach dem Aufbruch in Scharnitz stand ich am Gipfel der Großen Seekarspitze. Zunächst wehte kaum ein Lüftl an diesem außergewöhnlich schönen Tag Ende Mai. Später wurde aber doch eine Jacke nötig, nachdem die Thermik zunahm.

Große Seekarspitze, 2.677m

Rundum alle Gipfel der Karwendelhauptkette noch in überwiegend weißem Kleid, der Frühling ist hier oben noch nicht angekommen. Schätzungsweise reicht der Juni kaum aus, um Sommerbesteigungen auf die wichtigsten Gipfel möglich zu machen.

von links Ödkarspitzen, Birkkarspitze und Kaltwasserkarspitze

David, den ich von der Einsattelung zwischen den Seekarspitzen sah und der die Reibn unternahm traf mittlerweile am Gipfel ein und berichtete über teilweise überraschend weiche Verhältnisse im oberen Schlauchkar.

Autor auf der Großen Seekarspitze

Die Reibn ist insgesamt aber noch gut machbar und ein Blick ins Marxenkar bestätigt dies.

Marxenkar

Die Nordhänge und -kare der Hinterautal-Halltalkette sind bei weitem nicht mehr so schneegefüllt wie man das erwartet hätte. Ein Blick auf das Lafatscher Joch bestätigt dies.

Bettelwürfe bis Kaskarspitze, mittig das Lafatscherjoch

Die Abfahrt über die Gipfelflanke war von ändernden Oberflächenbeschaffenheiten geprägt, jedoch erquickender Lohn für die langen Aufstieg. David und ich fuhren zusammen ab und teilten die Freude.

Große Seekarspitze im Rückblick bei der Abfahrt

In der Mulde nach der Breitgriesskarscharte und im Neunerkar waren die Verhältnisse noch besser, es hatte gut 10cm aufgefirnt und der Schnee in den Hängen war recht homogen.

Ab dem Ende des Neunerkares wurde die Tourenausrüstung wieder geschultert und im Gespräch vergingen die rd. 600Hm Abstieg wie im Fluge.

letzter Blick nach der Kante ins Neunerkar

Zum Schluß wurden die Schi wieder auf das Rad gebunden und die meiste Strecke konnte hinausgerollt werden, sieht man vom moderaten Gegenanstieg unter den Wänden der Brunnsteinspitze ab.

die letzten Abstiegsmeter mit toller Kulisse

Die Bergsteigeruhr zeigte 1.750m Aufstieg und 8:30 Stunden Gesamtzeit. Davon brachte ich eine gute Stunde am Gipfel zu und weiter unternahm ich nur unwesentliche Trinkpausen sowie Ausrüstungswechsel.

Mils, 28.05.2017

 

 

Durchschreitung Hinterautal – Vomper Kette, Karwendel

Als längste der vier Bergketten beinhaltet die Hinterautal – Vomper Kette auch die mächtigsten Gipfel des Karwendels. Die Durchquerung dieser eröffnet nicht nur den Blick auf die höchsten Karwendelgipfel, sondern auch auf die bizarren Nordwände der Gleirschtal – Halltal Kette, die ihren nördlichen Nachbarn in keiner Weise nachstehen.

Manuel, Julian und Simon sozusagen am Gipfelpunkt

Manuel, Julian und Simon sozusagen am Gipfelpunkt, am Überschalljoch

Wir wählten als Richtung der Durchquerung die Möglichkeit von Osten nach West, von der Karwendelrast am Vomperberg bis nach Scharnitz. Diese Richtung bietet den Vorteil, daß die eher anstrengenden Abschnitte gleich zu Beginn gemeistert werden und die leichteren ab der Hälfte.

Abmarsch um 5 Uhr von der Karwendelrast

Abmarsch um 5 Uhr von der Karwendelrast

Sie hat auch den Vorteil des leichteren Abbruches bei Wetterkapriolen, da im Vomperloch zwei Möglichkeiten und nach dem Höchstpunkt am Überschalljoch, über das nahegelegene Lafatscherjoch, eine dritte Möglichkeit zum vorzeitigen Ausstieg gegeben ist. Man stelle sich den „Ausstieg“ jedoch nicht als eine kurze Möglichkeit vor, bei allen drei Möglichkeiten benötigt man mehreren Stunden bis ins Inntal, jedoch um einiges weniger, bis zu einer Unterkunft.

das Zwerchloch erreicht

das Zwerchloch erreicht

Diese Richtung hat aber auch den Nachteil, daß der lange – aber sehr schöne – Weg durch das Hinterautal, er wird auch etwas abwertend ein „Talhatscher“ genannt, des Nachmittags bewältigt wird und an schönen Tagen ist dieser äußerst frequentiert mit Mountainbikern, die sich mit doppelter Geschwindigkeit als die – auch nicht wenigen – Fahrzeuge und zumeist ohne Klingel meuchlings nähern und wegen des Baches zur Linken nicht immer sofort hörbar sind. Die linke Seite der Schotterstraße empfiehlt sich also auch im wildromantischen Hinterautal und eine Gruppe tut sich schwer, wenn, nach langer Strecke in Abgeschiedenheit, der Einzelne nun im Gänsemarsch weiterkommen soll.

beim der JH im Zwerchloch

beim der JH im Zwerchloch

Wer das Tiefste des Karwendels kennenlernen möchte ist mit dieser gewaltig schönen und auch gewaltig langen Tour gut beraten. Allerdings sei hier gleich erwähnt, daß die Schluchten im Vomperloch eine alpine Bewegungsweise und vor allem das nötige  Leistungsvermögen voraussetzen. Zusätzlich ist auch gegen Unbillen des Wetters vorzusorgen und eine Strategie für die Herbeischaffung von Hilfe vonnöten. Bei einer ernsthaften Verletzung, beispielsweise im inneren Vomperloch, die das Gehen verhindert, ist ein Einzelner in einer nicht erstrebenswerten Lage. Das Handy fungiert dort nur noch als Fotoapparat oder Taschenlampe.

Brücke über den Zwerchbach

Brücke über den Zwerchbach

Umso mehr kann die Abgeschiedenheit genossen werden. Einzigartig ist die Situation, daß man von der Zivilisation „nur“ von einer Bergkette, die Gleirschtal – Halltalkette getrennt ist. Und doch sind die Mauern dieser nur an wenigen Stellen überwindbar. Es ist dies als erste Möglichkeit das Kristalpl, eine Teillandschaft in dichtem Mischwald aus Laubholz mit vorwiegend Buchen und Nadelhölzern.

Steig zur Katzenleiter

Steig zur Katzenleiter

Das Kristalpl ist eine ordentliche Brücke (sollte trotzdem immer einzeln betreten werden) über eine Engstelle des Vomper Baches. Von dort führt ein – für Übermütige und bei nassen Verhältnissen – nicht ungefährlicher Steig zur Walder Alm. Das Gelände, das er durchquer kann man von der gegenüberliegenden Seite bereits gut einsehen, besonders die schroffen, senkrechten Abbrüche, die sich vom Bach gute Hundert Höhenmeter hochziehen. Man sollte auf diesem Steig nicht ins Rutschen kommen (Details siehe Link unten Huderbankspitze).

gut gewartete Steiganlage

gut gewartete Steiganlage

Gleiches gilt für unsere Seite, die nach dem Jagdhaus im Zwerchloch so richtig alpin wird. Bis zum Jagdhaus im Zwerchloch ist der Steig eher eine Wanderung ohne gefährliche Steigabschnitte, sieht man von dem kurzen Stück – „Haselbach“ genannt – an der Richtungsänderung des Steiges ungefähr 5 bis 10 Minuten des Weges vor dem Jagdhaus ab, bei der ein Schutthang durchquert wird, der teilweise bei Hochwettern abbricht und deshalb dort die ersten Verseilungen als Steighilfe angebracht sind.

schöne Tiefblicke

schöne Tiefblicke

Der Steig bis zum Zwerchloch bedarf keiner besonderen Beschreibung, er vollzieht sich ab dem Parkplatz bei der Karwendelrast großteils im laubholzdominierten Mischwald, beginnend am Forstwege und nach ca. 20min, am breiten Steig. Vorbei an der nicht bewirtschafteten Melans Alm über ständiges leichtes mehr „auf“ als „ab“, die Gegenseite mit der Ganalm immer schön im Blick, bis zu einem kurzen Abstieg, Hirtenschlag genannt, von dort auf schmalerem Steige bis zum o. ew. kleinem Intermezzo am Haselbach.

oben an der Katzenleiter angekommen

oben an der Katzenleiter angekommen

Der Steig nach dem Zwerchbach führt ca. 150Hm hoch in die Flanke der Huderbankspitze, vorbei an der Huderbankklamm mit malerischer Kulisse des dortigen Wasserlaufes aus der Klamm, hinweg über einige kleine Ausläuferkämme der Klamm, über verseilte und gestufte Treppen hinauf bis zur Katzenleiter; eine wahrlich schöne und kühne angelegte Steiganlage in gutem Zustand. Vielen mag der wunderschöne Tiefblick auf das auslaufende Zwerchloch bereits hier nicht möglich sein.

oben an der Katzenleiter angekommen

oben an der Katzenleiter angekommen

Die Katzenleiter ist ein Steig auf die Huderbankspitze und wird jenem, der sie nicht kennt auch nicht auffallen. Sie zieht sich gleich nach dem Ankunftspodestchen aus der Steiganlage rechts hinauf, verliert sich im Wald teilweise und tritt erst wieder prägnant zum Vorschein, wo sich der Huderbankrücken deutlich ausprägt.
Die steilen Hänge der Huderbank werden nun umrundet wobei sich mit zunehmender Richtungsänderung nach Westen auch die Topographie vom dichteren Mischwald in einen lichteren Kiefernwald ändert. Die Hänge werden schroffer, felsiger und die Abbrüche zum Vomper Bach können als senkrechte Felsen eingesehen werden. Unwetter haben einige Baumgruppen von Kiefern hingerichtet, man muß sie umgehen über- und unterqueren. Bis hierher ist die Motorsäge der Wegerhalter noch nicht vorgedrungen; die turnerischen Einlagen sind eine willkommene Abwechslung und verstärken den Urwaldeindruck, der im Vomperloch recht bald aufkommt.

Abzweigung über das Kritstalpl zur Walder Alm

Abzweigung über das Kristalpl zur Walder Alm

Leider hat es bei unserer Begehung hier zeitweise zu regnen begonnen, daher konnten nur wenige eilige Fotos mit zweifelhafter Qualität genommen werden. Zum Zwecke der Dokumentation sind diese aber notwendig hier gezeigt zu werden.

schöne Schluchten und Einschnitte im weiteren Verlauf im Knappenwald

schöne Schluchten und Einschnitte im weiteren Verlauf im Knappenwald

Der Kiefernwald ändert sich nach dem Höchstpunkt vor der Weißen Wand (übrigens ein guter Unterstand bei Gewitter) von ca. 1.200m wieder hinunter zur Wegverzeigung Knappenwald auf 1.130m und nochmals um 100Hm tiefer zur Brück Kristalpl.

Einmündung des Ödkarbaches

Einmündung des Ödkarbaches

Anschließend überwindet der Steig eine wenig hohe Klamm, die einen neuerlichen Anstieg auf gut 1.200m erzwingt. Diese Klamm hat ihr Westende dort wo der Ödkarbach von Norden dem Vomper Bach auf ca. 1.100m zufließt. Eine tolle Kulisse!

Brücke über den Ödkarbach

Brücke über den Ödkarbach

Der Steig quert die Bachmündung über eine Brücke (bei uns durch den Regen rutschig) und führt ca. 60Hm wieder steil nach oben, um eine weitere Engstelle im Bachlauf zu überwinden. Hinter dieser Engstelle geht es wieder abwärts und der atemberaubende Blick auf die „Au“ öffnet sich.

die Au erreicht

die Au erreicht

Die Au ist ein weiterer Meilenstein der Durchquerung. Hier gibt es die letzte Möglichkeit dem Vomperloch zu entkommen, ist man dazu gezwungen. Der Knappensteig zweigt hier ab und führt steil und einigermaßen gefährlich in vielen Serpentinen in den schuttigen Nordhang des Briglkarls unterhalb der Tratten und des Hundskopfes.

die Nordwände des Hundskopfes

die Nordwände des Hundskopfes

Dieser Steig ist als Fluchtweg vor allem bei Erfordernis wegen Wetterumschwung zweifelhaft. Im Regen wäre da der Rückweg am Normalsteig bis zum Kristalpl eher in Erwägung zu ziehen.

in der Au

in der Au

Orografisch rechts vom Vomper Bach, also links in Richtung Westen setzt der Steig zum Jagdhaus fort. Dort gibt es bei der Tankmöglichkeit vor der Hütte nicht nur frisches Quellwasser sondern auch genügend Bremsen, die selbst eine kürzere Rast in recht unspektakulärer Weise auf das Minimum der Tankung verkürzen und den Durchschnitt der Gehzeit gleichsam.
Die Hütte trägt die Hausnummer Vomperberg Nr. 28; hier möchte man gerne Briefträger sein, um von Amts wegen zustellen zu dürfen, eine Dienstreise der Sonderklasse.
Vom Zwerchloch bis zur JH. in der Au macht man kaum Höhenmeter, absolut gesehen. Die Hütte liegt auf knapp über 1.100m.

Jagdhaus in der Au

Jagdhaus in der Au

Nun folgt ein wenig ausgeschnittener Teil des Steiges mit hohem Gras das in unserem Fall in den schmalen Steig hereingebogen sich präsentierte und jeder einzelne Halm – vom Regen vor einer Stunde – ein winzig Wassertröpfchen trug, und deren Masse das ihre tat, um uns nun vollends die Feuchtigkeit in den Zehenspitzen spüren zu lassen. Mit einem Wort, die leichten Halb-Bergschuhe waren durchnäßt.

wilde Bachläufe

wilde Bachläufe

Trüben konnte die naßgraue Situation unsere Freude über die packende Landschaft, die fesselnden Blicke und das schon halb gelungene Vorhaben unsere Launen aber in keiner Weise. Simon, Julian, Manuel und der Verfasser querten nun über einen vom Nordabsturz der Halltalkette herabziehenden, mehr als zwei Dutzend Meter breiten, mit meterhohen Schotterränder begrenzten Flußlauf, der mit seiner freiwerdenden Gewalt bei Unwettern das Tal umpflügt und strebten dem ehemaligen Lochhüttl zu, das die hintere Begrenzung des Talkessels des Vomperloches darstellt.

Uferbereiche meterhoch

Uferbereiche meterhoch

Auf 1.280m gelegen finden sich vom ehemaligen Lochhüttl noch die sechs Betonsäulenfundamentchen auf kiesiger Fläche. Ein Brand trug es vor zwei Jahren ab, man denkt daran es wieder aufzubauen.
Hier befindet man sich bereits in der Wettersteinkalkstufe, gebildet von den südlichen und nördlichen Massiven von Bettelwurf und Hochkanzel. Der Vomper Bach sägt sich in diese ein.

Steig zum Lochhüttl, ab hier ordentlich Höhengewinn bis zum Joch

Steig zum Lochhüttl, ab hier ordentlich Höhengewinn bis zum Joch

In diesem Gebiet muß die Unterkunft der im zweiten Weltkrieg geflüchteten heimischen Deserteure gewesen sein. Es war dies eine dermaßen versteckte Hütte, die den Männern jahrelang Zuflucht vor den Häschern des Regimes war und in der sie sommers wie winters in stetiger Sorge über verräterische Rauchsäulen vom Heizen und Kochen und ohne jede medizinische Hilfe in unvorstellbaren Zuständen zugebracht hatten und nie aufgespürt wurden. Noch viel interessanter wären die Bergbauaktivitäten des Mittelalters, denen das Lochhüttl überhaupt seine Existenz verdankt. Man baute damals vorwiegend Bleiglanz und Galmeierze (Zinkerze) ab und die Stollen befinden sich einige Hundert Höhenmeter nordwestlich des Lochhüttls, in den Hängen der Hochkanzel gelegen. Man weiß heute kaum mehr etwas darüber zu berichten.

Das Grubenkar mit Plattenspitze vom Lochhüttl aus gesehen

Das Grubenkar mit Plattenspitze vom Lochhüttl aus gesehen

Ebenfalls bemerkenswert sind die Zirben- und Lärchenbestände oberhalb des Ortes des Lochhüttls. Diese befinden sich rechts (nordwestlich) des Steiges, der, ab dem Lochhüttl aus dem Talkessel heraus, rund 650Hm ansteigt und die Haupthöhenstufe der Durchquerung darstellt. Vorbei an üppiger Vegetation mit einem Jahrhunderte alten Baumbestand zur rechten und gewaltigen herabziehenden Schotterreisen, gebildet von den Nordabstürzen der Bettelwurf Nordwände, zieht sich der Steig entlang dieser Grenze bis zum Überschalljoch empor.

Steigverlauf auf das Überschalljoch

Steigverlauf auf das Überschalljoch

Vor dem Erreichen des Jochplateaus zieren markante Formationen der Raibler Schichten die Tal- oder Hangmitte. Am Steig selber kann man die verschiedenen Gesteinsarten dieser geologischen Formation gut erkennen. Das Joch selber ist sehr flach und davon gebildet. Auf 1.912m bildet das Überschalljoch den Kulminationspunkt der Durchschreitung der Hinterautal – Vomper Kette.

Raibler Schichten inmitten des beginnenden Überschalljoches

Raibler Schichten inmitten des beginnenden Überschalljoches

Die erste und einzige ausgedehnte Rast unternahmen wir auf der Hallerangeralm. Sie ist Fixpunkt all unserer Unternehmungen in diesem Gebiet nördlich des Lafatscher Joches und Wirtin Evi und Tochter Julia zauberten uns auch diesmal wieder einmal eine deftige Jause.

ein Rückblick auf die fast fertige Etappe

ein Rückblick auf die fast fertige Etappe

Die Webseite der Halleranger Alm enthält eine interessante Chronik und den Hinweis auf den wahren Ursprung der Isar im Almgebiet, der dort Lafatscherbach heißt und den längsten Quellfluß der Isar darstellt.

Am Überschalljoch mit Sunntiger, Hallerangerspitzen und Gamskogel

Am Überschalljoch mit Sunntiger, Hallerangerspitzen und Gamskogel

Wer die Zeit dazu hat, der schaue sich den lichten Wald aus Zirben und Lärchen im geschützten Übergang zwischen Halleranger Alm und Halleranger Haus an. Sie liegen im Blockwerk der herabgebrochenen Schnittlwände, sind hunderte Jahre alt und ein einzigartiger Anblick.

Das Hinterautal liegt vor uns

Das Hinterautal liegt vor uns

Ab der Halleranger Alm bzw. ab dem Überschalljoch weitet sich das Tal im Gegensatz zum schluchtartigen Vomper Loch gewaltig auf. Die Begehung erfolgt nur bergsteigerisch eher eintönig auf der Schotterstraße, die sich nun die restlichen rund 19km bis zum Bahnhof in Scharnitz hinzieht und die ab dem östlichen Ortsende in Scharnitz asphaltiert ist.

auf der Halleranger Alm, recht im Sonnenlicht der Gumpenkopf

auf der Halleranger Alm, recht im Sonnenlicht der Gumpenkopf

Topographisch interessant sind die Raibler Schichten der Gschnierköpfe gleich südwestlich unterhalb der Alm, eine brüchige morsche Masse, sich deutlich abhebend vom gebirgsbildnerisch einwandfreien Material des Wettersteinkalkes, aus dem fast ausschließlich die, das Hinterautal begrenzenden Ketten besteht.

Blick talauswärts mit Gupenkopf südlich und nebelverhülltem Spitzhüttenkopf

Blick talauswärts mit Gumpenkopf südlich und nebelverhülltem Spitzhüttenkopf

Eine Besonderheit bildet eine Höhenstufe am Südrand des Hinterautales. Diese Höhenstufe ist eine vorwiegend aus Hauptdolomit und Raiblerschichten bestehende mehr oder weniger flache gehaltene Hochfläche, die ihren Bestand sicher den unten im Tal überdeutlich sichtbaren Wettersteinkalkwänden verdankt, gleichsam als schützende Mauer vor dem Gebirgsabtrag durch den Bach im Tal. Sehr deutlich sieht man dies an Gumpen- und Zeigerkopf, die eine regelrechte Hochfläche bis zu den Kettenriesen der Kaskar- und Praxmarerkarspitze bilden. An ihrer Vorderseite brechen ihre Steilwände an der Kastenalm jäh und senkrecht ab.

unweit vom "Silbernen Hansl"

unweit vom „Silbernen Hansl“

In der nördlichen Begrenzung durch diese Steilstufe hat sich der Lafatscherbach im Laufe der Zeit eingeschnitten und eine mächtige Schlucht hinterlassen, an deren südlichen Seite selbst die zähesten Mountainbiker ihr Ross schieben. Die Schotterstraße vom Kasten bis zur Halleranger Alm wurde kürzlich instand gesetzt und die jüngst erfolgten Erdbewegungen links und rechts davon stechen dem Begeher regelrecht ins Auge und müssen erst vernarben.

renovierte Schotterstraße hinunter zum Kasten

renovierte Schotterstraße hinunter zum Kasten

Im Kohlerwald treffen wir auf eine Ansammlung von auffälligen Pflanzen der Gattung Weißer Germer (Nieswurz). Er ist nicht zu verwechseln mit der Heilpflanze des Gelben Enzian. Wir selber führen im Hochgebirge stets ein Tröpfchen der heilenden Tinktur aus Gelbem Enzian mit uns und nehmen diese am Gipfel vorbeugend zu uns. Den Weißen Germer aber meidet selbst das Almvieh.

der giftige Weiße Germer (Nieswurz) sieht dem gelben Enzian ähnlich

der giftige Weiße Germer (Nieswurz) sieht dem Gelben Enzian ähnlich

Wegbeschreibung benötigt es für das Hinterautal und vor allem ab der Kastenalm keine, die Schotterstraße schlängelt sich zumeist devot neben dem dort bereits gezähmten Lafatscherbach, bzw. ab einem Schauspiel um einige Quellen aus dem Massiv der Birkköpfe, der Isar.

die tiefe Schlucht des Lafatscherbaches vor der Kastenalm

die tiefe Schlucht des Lafatscherbaches vor der Kastenalm

Diese Quellen sind noch einmal ein Blickfang des Weges talauswärts, sie sind glasklar und strömen in mehreren Teilarmen dem dort schon breiten Lafatscherbach zu, der bereits mit den Zuflüssen aus dem Rossloch und dem Birkkarbach gespeist wurde, und an deren Ende, neben der Schotterstraße deren Schüttung nochmals mittels Thomsonwehr gemessen wird.

Blick ins Moserkar und in das Roßloch

Blick ins Moserkar und in das Roßloch

Ab dem „Kasten“, wie die gleichnamige Alm auch genannte wird, weitet sich das Tal nochmals augenfällig, vorwiegend bedingt durch den Zufluß des Birkkarbaches, der in seinem Schwemmgebiet mit dem Lafatscherbach eine ungeahnt breite Talfläche bildet.

auf der Kastenalm

auf der Kastenalm

Selbst bei dieser Breite des Tales erheischt man kaum Blicke auf die nördlich gelegenen Gipfel, zu hoch sind sie und von langen Ausläufern abgedeckt. Man sieht sie besser im Rückblick mit einigen Kilometern Entfernung, und von dieser schreitet man genug ab, um z. B. die Große Seekarspitze zu erspähen.

Abzweigung zum Rossloch

Abzweigung zum Rossloch

Dafür ist der Blick auf die Giganten der Gleirschtal – Halltal Kette umso beeindruckender. Deren Nordwände mit dem zerklüfteten Spitzen- und Nadelwerk am Gratsaum zwischen den Gipfeln läßt die Schwierigkeit und langwierige Begehung erahnen.

zur Birkkarspitze

zur Birkkarspitze

Sehr imposant und beeindruckend sind hierbei die Türmchen und Zinnen des Überganges vom Hohen Gleirsch bis zur Nördlichen Jägerkarspitze. Man nennt sie die Äußere und Innere Rigelkarspitzen mit ihren Zwischenverbindungen und detaillierte Ansichten davon findet man in unserem Bericht über die Jägerkarspitzen und über den Katzenkopf.

links Jägerkarspitze, mittig die Rigelkarspitzen, rechts der Wasserkarlspitz als Ableger des Hohen Gleirsch

links Jägerkarspitze, mittig die Rigelkarspitzen, rechts der Wasserkarlspitz als Ableger des Hohen Gleirsch

Mit dem Hohen Gleirsch links neben sich wird das Hinterautal zahmer und hat man diesen links liegen gelassen nähert man sich bereits dem Talausgang. Dort steigt die Straße nochmals ein bisschen an, die Abzweigung der Schotterstraße in das Gleirschtal mündet links ein und die restlichen Kilometer bis nach Scharnitz geben nicht mehr viel zu berichten her.

und steig nochmals kurz an; ein phntastischer Rckblick auf eine kaum bewschreiblich schöne Durchquerung

und steig nochmals kurz an; ein wehmütiger Rückblick auf eine kaum beschreiblich schöne Durchquerung

Die letzte Klamm ist die Vereinigung von Gleirschbach und Isar, sie beeindruckt mit ihrer Tiefe und sie ist das letzte topografische Highlight dieser einzigartigen und außergewöhnlich anregenden Durchquerung der Hinterautal – Vomper Kette.

Durchschreitung Hintautal - Vomper Kette

Durchschreitung Hinterautal – Vomper Kette

Diese Tour erstrecke sich über 1.550Hm Aufstieg und im Abstieg etwas weniger, weil Scharnitz auf 964m liegt und die Karwendelrast auf 860m. Die in der AV-Karte gemessenen Längen betragen 17,4km von der Karwendelrast bis zur Halleranger Alm und 19,3km von dort bis zum Bahnhof Scharnitz, Summe 36,7km. Zeitangaben geben wir für diese Strecke ungern (wir haben gesamt 11:11 benötigt und für den ersten Teil 5:00), jedoch sei erwähnt, daß die Angaben des Karwendelführes eine reine Gehzeit in Summe von 13:25 veranschlagen.

Mils, 10.07.2016