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Westliche und Östliche Marienbergspitze, 2.561 m über Westnordwestgrat

In der Südwestecke im schönen Bogen der zerklüfteten Mieminger-Kette befinden sich die Marienbergspitzen mit ihrem äußerst interessanten und fast einzigartig anzusehenden Gesteinsaufbau, deren Aufstieg auf die Westliche Marienbergspitze über den Westnordwestgrat eine grandiose Bergfahrt in leichter bis mittelschwieriger Kletterei darstellt.

Wamperter Schrofen und Ehrwalder Sonnenspitze von der Westlichen Marienbergspitze gesehen; weit im Norden die Zugspitze

Den Ausgangspunkt für den Grataufstieg bildet das Marienbergjoch, das über das Marienbergtal von Arzkasten erreicht wird und an der Marienbergalm vorbeiführt. Direkter Beginn der Gratbegehung bildet der kleine runde Wiesenkopf oberhalb und hinter dem Schlepplift aus der Nordwestseite herauf. Steigspuren führen auf den Wiesenkopf, der einen guten Ausblick auf den Grat bietet, der übrigens nicht ganz eine Westnordwestrichtung einnimmt.

Scharte hinter dem Turm (Südseite) und der hinaufziehenden plattigen Felsfläche

Zeichnet man eine Linie von der wiesenbewachsenen Fläche am Ende des Hauptgrates zum Einstiegspunkt, dann erhält man einen Winkel von 278°, welcher für die Westnordwestrichtung noch nicht genügt – als Segler sieht man dies zumindest so.

Westliche Marienbergspitze vom Marienbergjoch gesehen

Eines ringt man der Grathauptausrichtung jedoch bereits bei der Tourenplanung ab – man starte nicht zu früh am Morgen, da die ersten Sonnenstrahlen erst gegen 10 Uhr einfallen und man sie genau im Blickfeld hat, wenn man die Felsroute vor sich erkunden möchte.

Westnordwestgrat der Westlichen Marienbergspitze

Wichtig zu wissen sind ein paar kleine aber wesentliche Details, die der AV-Führer falsch, oder nicht nennt, die aber essentiell für die Routenfindung sind. Zu nennen wäre hier der Einstieg, der mit …rechts oben in der Ecke… beschrieben ist. Die Besteigung dieses Kamins (er ist mit viel Schutt verbrochen und kein wirklicher Kamin) endet in einer saftigen Kletterei, weit jenseits von mäßiger Schwierigkeit und mit ungewissem Ausgang, da die senkrechte Sicht nach oben hin völlig fehlt. Auf der oberen erdgefüllten Schrägfläche, mit Blick ins Tal, mußte der Versuch aus Vernunft abgebrochen werden. Möglicherweise wäre diese Route vor dem Verbruch einmal der Aufstieg gewesen, weil „oben rechts“.

Anstieg zum Einstieg auf dem Westnordwestgrat zur Westlichen Marienbergspitze

Also steigt man am Felsansatz unten wieder nördlich zurück und inspiziert die nächste Verschneidung im Vorbau. Diese befindet sich vor der Aufstiegsrippe bereits eindeutig links und scheint eher zum Aufstieg geeignet, diesmal in festem Fels mit Klemmblock mittig.

Rückblick auf die Aufstiegsrippe; bereits unten schon immer links der Latschen halten

Im letzten Augenblick beim Ablichten der Szene bemerkt man unter Umständen einen zaghaften Steinmann noch etwas weiter nördlich und wird abermals stutzig, muß der Sache jedoch auf den Grund gehen und findet noch ein paar Meter weiter eine weitere Verschneidung vor, die leichter als die vorige erscheint, bei der man nicht mehr lange zögert und den Aufstieg nach genügend verschwendeter Zeit beginnt.

Rückblick auf die Aufstiegsrippe; im Vordergrund ein Steinmandl

Die Verschneidung führt über wenige Meter auf einen grasbewachsenen Trichter, nach oben hin zunehmend mit Schutt gefüllt und an die nächste leichte Wandstufe heranführend. Leicht links der Vertikallinie kann anschließend in festem Kalk über das Rippengelände aufgestiegen werden. Kantig ausgeprägt, für beste Tritte und Griffe, ist der Abschnitt im Muschelkalk nicht, jedoch genügend strukturiert, um guten Halt zu finden.

leichter Aufstieg auf die erste Felsstufe

Ober wird ein mittelbreites Band erreicht, das gegen rechts leitet und an dessen Kante ein Steinmann die Route weist.

Rückblick auf den Schuttrichter

Um den Steinmann herum, geht es in ähnlicher Weise der nächsten Stufe entgegen und diesmal bis unter die vom Führer beschriebenen „überhängenden Felsen“ mit rechts der beschriebenen „schöneren Variante in gutgriffigem Fels“ und links dem Schuttband, das abfallend nach Nordosten hinausläuft und das gut zwei Dutzend Meter absteigend verfolgt werden muß, um eine geeignete Aufstiegsstelle zu finden.

über ein Band nach rechts, Steinmandl

Bei diesen Aussichten machte sich der Verfasser auf die schönere Variante zu erkunden, zunächst über einen splittrigen gewundenen Kanal unter dem Überhang, anschließend auf splittrigen Stufen zum festen Fels oberhalb des Überhangs. Ein weiterer Haken sorgt dort für die Gewissheit, daß man am richtigen Weg ist, denn das Gelände wird dort sehr steil.

die folgende Stufe führt auf ein Band mit zwei Möglichkeiten

Am oben anstehenden glatten Fels tauchten Zweifel über die Route dahingehend auf, als daß nur ein einziger Riß über den glatten Fels führt und dieser ohne Kenntnis über die Situation darüber im Alleingang und ohne Sicherung zu gewagt erschien.

Steinblock links oberhalb – dessen Bedeutung noch nicht gewahr und kurz davor abgebrochen

Den beschriebenen „ auffallenden, großen Steinblock“ sah der Verfasser wohl und spechtelte auch zwischen ihm und dem Felskopf darüber auf die Gegenseite hindurch, erkannte jedoch nicht die dahinter liegende leichte Fortsetzung des Aufstiegs. Also mußte wieder zum Ausgangspunkt unter den überhängenden Felsen zurückgestiegen und das Schuttband abgestiegen werden.

zurück am schuttbedeckten Band und bereits abgestiegen bis zu einer weiteren Aufstiegsmöglichkeit

Von dort über eine leichte Verschneidung über Graspolster hinweg wird ein mittelbreites Band erreicht, das, leicht ansteigend, wieder nach Süden in Richtung Gratkante hinaus führt und, zur Verwunderung des Verfassers, den o. g. Steinblock trägt. Zeit hätte also hier mit dem Übersteigen des Steinblockes gespart werden können.

bis zu einem nach rechts abgehenden Band

Seitlich vom Band aus gesehen, mit Phantasie, bietet der Fels über dem Steinbloch dem Betrachter eine eindrucksvolle Situation durch sein Profil, das – einer Figur der Osterinseln gleich – den Wächter des Grates darstellen könnte, den Steinblock ausspeiend, um dem Besteiger Respekt einzuflößen. Man verläßt ihn an seiner rechten Wange direkt über recht glatten Fels nach oben, um die schwere Variante in direkter Kletterei zu vermeiden.

das Band führt an den auffallenden Steinblock der Führerbeschreibung heran; am Felsen darüber reliefartig ein Gesicht zu erkennen

Mittlerweile, weit nach elf Uhr, dringen die ersten Sonnenstrahlen aus der Abdeckung des Massivs auf den Grat vor, in schleifendem Schnitt zunächst blendend beim Vorauserkunden.
Das Gelände wird etwas flacher und der Aufstieg entwickelt sich „in vergnüglicher Kletterei“ wie der Führer schwelgt.

links davon in leichterem Fels empor

Dieser Mittelteil bildet sich nun zum klassischen Grat aus, vorher hatte man nie so richtig den Bezug zur Gratkante, auch wenn der Führer selbst im unteren Teil davon spricht.

flacherer und leichter Aufstieg im Mittelteil des Grates

Zunächst wartet eine längere Passage in leichter Blockkletterei, bevor sich der Grat etwas ausgeprägter zusammenzieht und talwärts gerichtete Rippen bildet, in denen der schönste Teil der Kletterei zu finden ist.

Rückblick auf den unteren Teil des Grates vom Schärtchen

Vorher wird ein Schärtchen erreicht hinter dem der Grat steiler fortführt und verschiedene Schwierigkeiten für den Aufstieg bietet – je weiter rechts an der Gratkante, desto anspruchsvoller, die mäßig schwierige Stufe bei weitem übertreffend.

in schöner steiler Kletterei geht es weiter

Links über eine recht glatte Stufe wird die Geröllrinne erreicht, von der die Beschreibung spricht. Unerstrebenswert und steil leitet das Geröll zunächst als offener Hang nach oben und man ist bestrebt ihm bei erster Gelegenheit zu entkommen, welches auch nach kurzer Strecke durch den Überstieg nach rechts, auf eine zackige Gratlinie hin, gelingt. Unter Beibehaltung der direkten Linie würde die beschriebene Geröllrinne erreicht werden, mit einem großen Klemmblock am Ende.

zum Beginn des Geröllfeldes

Der Wechsel nach rechts, hinaus auf die Gratkante, war die beste Intuition auf der gesamten Gratbegehung, führt sie doch auf die Außenkante der schmalen äußersten Gratrippe, mit einem wunderschönen ansteigenden Band auf dem sich ein traumhafter Aufstieg in massig anstehendem Wettersteinkalk anbietet. Die schönste Passage am Grat.

Gratkante

Wie ein steiler Weg durch die Außenkante der Felsscheibe bahnt sich das Band nach oben und bereits von unten kann man anhand seiner Struktur erkennen, daß eine Begehung bis zum oberen Ende möglich sein würde. Ein paar Schmalstellen im Band salzen den Aufstieg zusätzlich.

phantastischer Ausblick auf die Gratrippe mit dem grandiosen Felsband auf ihrer Außenseite

An seinem oberen Auslaufen wird die Rippenoberkante erklommen, die auf eine parallele Gratscheibe überleitet, die man überklettern kann und einen tiefen, nahezu senkrechten  Abbruch auf der Hinterseite erblickt. Über die äußersten Zacken – sehr fest, auch wenn der optische Eindruck täuscht – wird der Gratabhang wieder erreicht.

Rückblick vom oberen Ende der Gratrippe auf die Klettere am Band

Nun leitet ein Schutthang unter die Felskante des beschriebenen Turms, der links umgangen wird. Direkt unter dem linken Absturz des Turms gibt es die Abstiegsmöglichkeit dazu. Einigermaßen luftig kann auf ein mittelbreits Band abgestiegen werden, das den allseitig glatten Turm auf der Nordseite umgeht und das in einer schönen Scharte endet, von der sich ein tolles Fotomotiv auf die Marienbergalm bietet.

Überstieg auf die innere Gratrippe

Bevor diese Scharte erreicht wird lohnt zunächst ein Blick in die Tiefe, der sich aufgrund der Eigenartigkeit des anstehenden Gesteins unweigerlich auf die Grathöhe fortsetzt.

herrliche Szenen am Grat, oben der Turm, den die Routenbeschreibung links umgeht

Zunächst erkennt man die über hunderte Meter beeindruckend aufgestellten Bankkalke der Virgloria Formation, die sich vom Tiefsten der Schlucht bis über den Blickpunkt auf das wiesenbewachsene Grateck hinaufziehen, das am Ende des WNW-Gratabschnittes den Einstieg in den Wettersteinaufbau der Westlichen Marienbergspitze darstellt und das man dort als Haltepunkt zwischen den Wiesenpolstern benutzt.

und die Umgehung ist atemberaubend – hier vertikal aufgestellter Virgloria-Kalke

Die Virgloria Formation stellt die unterste Stufe des sogenannten Alpinen Muschelkalks dar, wegen der welligen Oberfläche der Bänke wird das Gestein auch als Wurstelkalk bezeichnet.

unten der bankig anstehende Reiflinger-Kalk

Weiter unten in der Tiefe erkennt man die massiven Bankungen der Reiflinger-Bankkalkserie, die sich ebenfalls weit hinaufziehen, wegen des flachen Sichtwinkels der Nordflanke der Westlichen Marienbergspitze zum Standpunkt jedoch nicht einsehbar sind.

die zeitlich und lagerungsbezogen oberste Formation des Partnach-Kalkes

Schlußendlich, gegen die Westwand des Wamperten Schrofens hin, überlagert diese beiden Gesteinsarten die oberste Serie des Alpinen Muschelkalks, die sogenannten Partnachschichten, bestehend aus schwarzen Mergeln und Tonschiefern, welche von dünnen Lagen von Kalkzügen durchzogen werden.

Ausblick auf das Felsband zur Scharte mit drei verschiedenen Kalkgesteinsarten, über die Höhe gestaffelt

Nun muß man sich die drei Formationen in ihrer Bildung horizontal geschichtet, mit der Virgloria Formation zuunterst vorstellen, dann kann man sich den komplizierten Gebirgsbildungs- Faltungs- und Aufschiebungsprozeß im Ansatz ausmalen, der zu dieser heutigen Erscheinung geführt hat. Zum näheren Studium der Verhältnisse eignet sich auch der Besuch der Partnachklamm bei Garmisch, in der die oberen beiden Schichten nachvollziehbar besichtigt werden können.

Scharte hinter dem Turm (Südseite) und der hinaufziehenden plattigen Felsfläche

Mit diesem freien Blick in die Schlucht und auf den oben bereits umgebogenen Grat zur Westlichen Marienbergspitze umgeht man den Turm auf einem mittelbreiten Band, an dem an seiner linken Seite ein Felssporn aufzieht, der sich nach oben hin aufstellt und die o. g. Scharte bildet. Die Verwinkelung an dieser Stelle ist auffällig.

relativ glatte, jedoch mit Reibungstritten versehener Felsaufstieg über ein paar Meter

Verlassen wird die Scharte über die recht glatte Felsfläche in direkter Gratrichtung, die griffiger ist, als sie auf den ersten Blick hin aussieht. Oberhalb setzt der Aufstieg über einen kurzen flächigen Geländerücken fort, dessen Westabsturz man nicht kennenlernen möchte. Im oberen Teil häufen sich Erosionserscheinungen und die Fläche wird griffiger.

Rückblick auf den umgangenen Turm (im Rückblick auf seiner rechten Seite)

Nun ist der Schnittpunkt der verschiedenen Kalkgesteine erreicht, die Virgloria-Kalkserie zieht von der Schlucht gegen den Grat und bildet bis zur Wiesenfläche hin die Aufstiegsroute.

kleine Scharte mit Übergang in den steilen Wiesentrichter; hinten Aufstieg auf die Wiesenfläche mit Gratwendung nach Nordosten

Großteils stehen die nach Norden hin einfallenden Bänke fest im Verbund und bilden einwandfreie Griffe und Tritte. Über einen grasbewachsenen Trichter, der nach Südwesten hin steil ins Arzbödele abfällt, wird der WNW-Teil des Grates auf die Wiesenfläche hin verlassen, der sich nun in leicht südwestliche Ausrichtung wendet.

Rückblick auf den schönen Westnordwestgrat

Der Restaufstieg leicht unterhalb der Gratlinie verläuft unspektakulär. Nach Umgehung des begrünten Kopfes auf seiner Südseite möchte man in gewohnter Weise auf den Kalkgraten meinen, daß die direkte Linie am Grat eine vorteilhafte wäre und wird eines Besseren belehrt.

oberer Teil des steilen Trichters

Der mühsame kleinstückige Schutt lagert auch dort, sodaß von keinerlei  Besserung gegenüber der steilen, rolligen Südwestflanke gerechnet werden kann.

Rückblick auf das schuttgefüllte Kar zur Westlichen Marienbergspitze

Mit 130 Hm Aufstieg ab dem Wiesenfleck schließt die Gratbegehung auf die Westliche Marienbergspitze ab und wer knapp unter der Gratkante steigt hat oben ein tolles Motiv gegenüber der letzten Scharte, die zu einem moderat kurzen Abstieg zwingt, um den spitzen Gipfelturm zu besteigen.

Westliche Marienbergspitze von Norden (der Gipfelaufbau bestehend aus zwei Zähnen, die hintere leicht höher)

Ein auch nur kurzes Verweilen auf dem Turm der Westlichen Marienbergspitze erübrigt sich durch fehlenden Komfort. Kaum eine Sitzfläche bietet sich auf dem Zacken an, sofern man nicht gerne dazu neigt mit dem Rücken zu einem unmittelbaren Abbruch des Turmes über mehrere Hundert Meter zu verweilen.

vorgelagerter Zahn auf der Westlichen Marienbergspitze

Die Position gereicht also gerade für ein Bild in alle vier Himmelsrichtungen, um die Aussicht festzuhalten. Spektakulär erscheint der Blick auf die beiden Spitzen im Norden, auf Wamperten Schrofen und die Ehrwalder Sonnenspitze.

Östliche Marienbergspitze von der Westlichen Marienbergspitze gesehen

Eine Trinkpause im Südwesten des leicht niedrigeren vorderen Gipfelturms mußte nach langem Aufstieg jedoch sein. Mit allen Routensuchaktionen, Versteigern bzw. Foto- und Trinkpausen wurden für den Aufstieg vom obersten Hochspannungsmast (Trafohäuschen, Punkt der Erkundung des Grates mit dem Fernglas) bis zum Gipfel 2:50 Stunden benötigt.

Blick über die Mieminger-Kette mit den vier Nordgraten

Wie immer Sind eigenständige Gipfel durch eine Einschartung von mindestens 30 Hm getrennt, um als solcher zu gelten und der Übergang zur Östlichen Marienbergspitze stellt im Tiefsten, mit der Marienbergscharte auf 2.470 m, eine Einschartung von etwa 65 m Ausmaß dar, über die in schuttbedecktes Felsflächen abgestiegen wird, großteils auf Steigspuren.

Östliche Marienbergspitze beim Abstieg in die Westliche Marienbergscharte

Jenseits der Marienbergscharte – genauer gesagt, der Westlichen Marienbergscharte – die Östliche befindet sich zwischen Östlicher Marienbergspitze und Grünstein und bietet eine andere traumhafte Bergfahrt hier auf diesem Blog – muß die unter Bremsung im Abstieg vernichtete Energie zuerst in tiefem Schutt mühsam erneut aufgebracht werden, um zur größeren Schwester zu gelangen. Weiter oben geht die Schuttstrecke in massiven Fels über, welches das Aufstiegserlebnis bedeutend steigert und gegen das Ende Leichtfüßigkeit hervorruft.

Aufstieg zur Östliche Marienbergspitze von der Scharte aus gesehen

Etwas östlich des Gipfelkreuzes der Östlichen Marienbergspitze kam der Verfasser an, gleichzeitig auf einem optimalen Punkt für die erste Ablichtung des schönen Gipfelkreuzes. Eine Vermessungsstange befindet sich umgelegt in kurzer Entfernung vom Gipfelkreuz und wurde als Störfaktor aus dem schönen Bild gegen das Oberland ausgeblendet.

Östliche Marienbergspitze gegen Westen vom Gipfelplateau gesehen; dahinter das Gurgltal

Immer imposant erscheint die Fortsetzung der Mieminger Kette mit dem Wannigstock im Westen, der durch das Marienbergjoch getrennt wird und dessen Nordsockel bereits Lechtaldecke darstellt, die, deutlich erkennbar, völlig anders als die Südflanke der Inntaldecke geartet ist.

Östliche Marienbergspitze, 2.561 m

Weiter im Westen bot sich an dem sehr klaren Tag ein grandioser Blick in die hohen Lechtaler, unter anderem mit der Parseierspitze in 39 km Entfernung und dem Hohen Riffler in der Verwallgruppe in 49 km Entfernung.

Östliches Marienbergjoch vor Grünstein Westgrat

In der Nähe fällt die beeindruckende Gestalt der Heiterwand in 14 km Entfernung ins Auge und etwas weiter rechts der Loreakopf mit der schönen Umrundung des Fernpasses über die Gartnerwand.

Hinteres Schwärzkar, Hintere Drachenscharte mit Steiglein und Drachenkar jenseits des Drachenkopfgrates

Südöstlich der Östlichen Marienbergspitze liegt der Grünstein, getrennt durch die Östliche Marienbergscharte. Die Überschreitung zum Grünstein ist möglich, jedoch konnten wir sie am Weg zum Grünstein über den Westgrat von der Scharte aus nicht ausmachen und so  wartet sie nach wie vor auf die Begehung.

Dreigestirn: Westliche Marienbergspitze, Wamperter Schrofen und Ehrwalder Sonnenspitze

Der Blick in den Osten läßt eindrucksvoll die vier inneren Nordgrate der Mieminger Kette erscheinen, wenn, den Igelkopfgrat ob seiner geringeren Höhe auch nur ansatzweise und mächtig der zweite, der die Tajaköpfe trägt und der vierte, der den Breitenkopf, einen bärigen, kaum begangenen Gipfel trägt. Zum ersten Nordgrat, dem Drachenkopfgrat, ist ein schmaler Gamssteig erkennbar, der später als Abstieg ins Drachenkar benutzt wurde, um zur Grünsteinscharte zu gelangen.

das berühmte Motiv – Seebensee mit Zugspitze im Hintergrund

Die Hauptkette der Mieminger birgt äußerst interessante und rassige Ziele, wie beispielsweise die Überschreitung des Grünsteins von der Grünsteinscharte, die Überschreitung der Hochplattigspitzen, die Überschreitung vom Karkopf zur Hochwand, aber auch rassige Südgrate wie den Schloßgrat von der Mitterspitze.

hier muß der Übergang zum Östlichen Marienbergjoch verlaufen

Über das Schwärzkar bietet sich der berühmte epische Blick mit dem Seebensee und der Zugspitze jenseits des Gaistales und der Ehrwalder Alm. Flankiert wird der Blick von den wohlgeformten Spitzen des Wamperten Schrofens – so wampert (dickbäuchig nach der Tiroler Mundart, die Mieminger lassen vielleicht das r nach der Wampe aus, daher höchstwahrscheinlich die Missbezeichnung im älteren Kartenwerk) wie er bezeichnet wird erscheint er von der Östlichen Marienbergspitze aus gar nicht -, sowie durch die Ehrwalder Sonnenspitze. Verdeckt dabei wird der Schartenkopf zwischen Wampertem Schrofen und Sonnenspitze.

Abstieg über das Westliche Marienbergjoch

Beim Tiefblick ins obere Schwärzkar fiel den Verfasser der schmale Gamssteig ins Auge, der sofort für den Abstieg ausgewählt wurde, wann hätte man sonst die Möglichkeit, einmal das Hintere Drachenkar zu betreten, wenn man nicht regelmäßig – dem Elmar gleich – durch die schauerliche Nordrinne zum Grünstein aufsteige.

nach unten hin wird die Rinne noch feinkörniger, fast sandig und instabil

Hinab zur Westlichen Marienbergscharte und hinein ins Vergnügen, dachte sich der Verfasser, um aus der Bergtour eine schöne Runde zu gestalten, über das Marienbergtal hinauf, über das Lehnbergtal hinab. Das Vergnügen wurde allerdings in der schluchtartigen Rinne hinab ins Schwärzkar für etwa 100 Hm unterbrochen, indem er feststellen mußte, daß in dieser schlecht gebauten Rinne ein Abstieg ohne jegliches Geröll abzutreten so gut wie unmöglich ist. Gott sei Dank war an diesem Tag niemand in die Gegenrichtung unterwegs, unweigerlich hätten Aufsteigende daran glauben müssen.

im Mittelteil nach links wechseln war eher nachteilig als rechts am Fels zu bleiben

Die gesamte Rinne führt in äußerst schlechtem Fels hinab, speziell der Mittelteil weißt mehr oder weniger nur Sand mit eingebetteten Brocken aus, die man nicht begehen kann, ohne sie loszutreten. Hier hilft nur sich akustisch zu überzeugen, daß sich niemand in der Rinne befindet, bevor ein Abstieg erfolgen kann. Zum guten Glück ist die Rinne recht kurz und sollte die Rufweite nicht überschreiten.

damit der schauerlichen Rinne noch eine gute Seite zugeschrieben wird: ebenfalls ein schöner Blick auf den Seebensee und die Zugspitze

Trotz vieler Erlebnisse im Karwendel war diese Rinne eine neue Erkenntnis für den Verfasser und gleichzeitig die unangenehmste einer Rinne jemals. Weiter unten kann im Abstieg nach links auf Schuttreisen ausgewichen werden, auf denen es sich bequem bis zur Felskante rechts, in Richtung Hintere Drachenscharte, abfahren läßt.

der unterer Teil der Rinne erlaubt den Überstieg nach links in fahrbare, kleinstückige Reisen (Blick zurück)

Wem die Querung zum schmalen Gamssteig zur Hinteren Drachenscharte zu mühsam ist, der fahre weiter ab, bis flacheres Gelände die Querung ohne den Volleinsatz aller vier Gliedmaßen herauszufordern und steige an geeigneter Stelle über den im unteren Teil verschütteten und nicht sichtbaren Steig wieder auf. Alle anderen benötigen, dem Verfasser gleich, einige Anstrengung, die etwa 50 Hm eingesparten Wiederaufstiegs zu halten.

Querung im Schutthang zur Hinteren Drachenkopfscharte; das schmale Gamssteigl erkennbar

Die Spannung stieg während dem Anmarsch leicht, mit welchem Gegenstück die Hintere Drachenscharte wohl aufwarten würde und der Blick auf den Turm (Partnachkalk) an der Scharte verstärkte den Eindruck von bizarrem Gelände.

teilweise wurde das Steiglein mit frischem Geröll überschüttet

Der kurze Übergang von den Schuttreisen zur Scharte ist diesseits von leichtem Fels geprägt, jenseits noch zahmer mit einem Abstieg direkt vom Felsabsatz auf steile kleinstückige Schottereisen, die erst weiter unten zum Abfahren taugen.

Rückblick auf die Abstiegsrinne (tiefster Schatten)

Zur Zeitersparnis dieser Variante sei zu sagen, daß diese möglicherweise nicht besonders ergiebig ausfällt als die Strecke unter dem Drachenkopfgrat herum. Zum einen mag der rauhe Abstieg durch die teilweise sehr groben und unkonsolidierten Schuttreisen im Hinteren Drachenkar Ursache für den mühsamen Abstieg sein, der durch den besseren Wegverlauf über das Schwärzkar und die anschließenden Steige ausgeglichen wird, zum anderen erscheint am Ende des Abstiegs durch das Drachenkar die eingesparte Höhendifferenz von etwa 100 Hm zu den gelben Sonnenschirmen der Coburger Hütte als erstaunlich wenig groß.

Hintere Drachenscharte

Wer allerdings die Landschaft in einem abgeschiedenen archaischen Kar schätzt, bei dem nur eine Seilschaft im senkrechten Fels auf den Ostgrat des Grünsteins zu hören ist, der mag an diesem Kar Gefallen finden.

Hinteres Drachenkar

Den Aufstieg wählte der Verfasser auf einem Gamssteig knapp unterhalb der Felsen am runden Eck des Ausläufers des Grünstein Ostgrates  unterhalb der Grünsteinscharte. Mit erstaunlich wenig Anstrengung konnte der Anstieg um den Ausläufer herum begangen werden, bevor oberhalb eines kleinen Rinnsales der markierte Steig zur Grünsteinscharte erreicht wurde.

vorderes Drachenkar

Am Rückweg von der Scharte, durch das lange Lehnbergtal, durfte ein Besuch im Lehnberghaus nicht verabsäumt werden, um wertvolle Elektrolyte aufzunehmen und die Strecke Revue passieren zu lassen.

recht bequemer Aufstieg auf das Eck des Grünstein-Ostgrates

Die gesamt benötigte Zeit incl. aller Pausen betrug 9:40 Stunden. An Pausen dürften incl. der Gratbetrachtung am Marienbergjoch eine gute Stunde zusammengekommen sein.

auf der Grünsteinscharte gegen Südwesten geblickt

Die Aufstiegsstrecke betrug 1.845 m (per Sportuhr barometrisch gemessen) und die Streckenlänge betrug 16 km, ermittelt mit Outdooractive.

Mils, 14.08.2022

Breitenkopf, 2. 469 m – Abstieg ins Schwarzbachkar

Die höchste Erhebung der nördlichen Gratausläufer der Mieminger Kette trägt den Breitenkopf, der nicht nur einen gewaltigen Blick auf die Nordwände der Hauptkette bietet, sondern auch einen geschichtsträchtigen unterhalb der Geländeoberfläche.

am Gipfelgrat nach Westen geblickt

Bereits seit dem endenden 15. Jhdt. sind in den nördlichen Karen der Kette Bergbauaktivitäten belegt. Man suchte nach silberhaltigen Blei- und Zinkerzen (Galmeierze) und wurde in zunächst reicher Weise auch fündig. Mit dem Ende des 19. Jhdts. und dem Beginn des 20. Jhdts. wurden mangels genügender Ausbeute, aufgrund der teuren Gewinnung durch die Hochlage und aus Geldmangel die Bergbauaktivitäten eingestellt.

Mundloch des Hermann-Stollens

Zurück blieben begehbare Stollen, die auch im Igelskar am Weg zum Breitenkopf befahren werden können und somit die eher kurze Bergtour zum Breitenkopf aufwerten.

auf der Gaistalstraße – Hintergrund Karkopf und Hochwand

Vom Parkplatz Gaistal aus starteten wir mit dem Anmarsch durch das Gaistal bis zum Igelsee.
Natürlich kann man diese 10 km lange Strecke auch schneller mit dem Radl als zu Fuß zurücklegen, allerdings bleibt der Eindruck vom schönen Tal beim langsameren Fußmarsch einprägsam erhalten und man kann das Schwarzbachkar mit dem möglichen Abstieg studieren.

Breitenkopf mit Nordgrat und Schwarzbachkar

Selbst recht früh am Morgen tummeln sich auf dieser Strecke schon zahllose Radfahrer mit und ohne Stromradl. Man sollte also nicht später als 7:30 Uhr starten, um einigermaßen allein auf dem Fahrweg zu marschieren.

Igelsee

Mit schnellem Schritt erreichten wir nach zwei Stunden den Igelsee, bei dem linkerhand ein nach wenigen Minuten endender Forstweg abzweigt. Am Ende desselben befindet sich ein Weidezaun hinter dem – bei einem unübersehbaren Steinmandl – der Steig zur Breitenkopfhütte abzweigt.

vom Igelsee zum Igelskar mit Breitenkopf

Vorbei am Holzstoß zur Mitnahme für die Nutzung der Breitenkopfhütte, eine versperrte Selbstversorgerhütte (DAV-Schloss, jedoch wegen der Virushysterie nicht zugänglich – Stand 2021) in beeindruckender Lage am östlichen Rand des Igelskars, geht es etwa 20 Minuten bis zu einer Abzweigung vom Steig linkerhand, die unterhalb der Halde des Hermann-Stollens führt.

Abzweig zum Steig ins Igelskar

Dieser Ort –vermutlich ein allgemeiner Installationsplatz für schweres Gerät – unterhalb der Halde dürfte von den Bergwerksbetreibern aus Gründen der Zugänglichkeit mit Pferdefuhrwerken gewählt worden sein, denn vom Abzweig zur Felsnische mit dem Überbleibsel des Kompressors führt eine sonderbar breite und ebene Rampe, die nicht nur einen Steig für Personen repräsentiert.

Reste eines Kompressors unterhalb des Hermann-Stollens

Man findet dort Reste eines – vermutlich zweistufigen – Kompressors der Firma Ingersoll-Sergeant Rock Drill New York, die sich von etwa 1870 an auf die Herstellung von Geräten und Apparaturen für den Bergbau befasst. Der Produktkatalog der Firma von 1921 zeigt ähnliche Kolbengehäuse wie sie in der Felsnische unter der Halde zu sehen sind.

Halde des Hermann-Stollens

Einige Meter weiter gelangt man auf einen Zugang zur ansehnlichen Halde des Stollens und entlang dieser stiegen wir bis zum Stollenmundloch auf.
Die Eingangsgebäude des Hermann–Stollens sind verfallen, die Reste von Grundmauern zeugen noch von einstigen Vorbauten, dem Bild1 nach eventuell Tagesunterkunft und Material- und Gerätemagazin.

im Hermann-Stollen

Die Begehung des nahezu horizontalen Teils des Hermann-Stollens ist möglich und diese unternahmen wir auch. Den sehr steilen Bremsberg am Ende des horizontalen Teils konnten wir mangels Ausrüstung nicht begehen, einen Versuch über die rutschig-nassen Laufbohlen mit Querhölzern unterließen wir nach wenigen Aufstiegsmetern. Die Laufbohlen sind unter den Spreizen mit Letten verfüllt und man sollte schon eher feste Gummistiefel als leichte Bergschuhe zur Begehung tragen.

Beginn des Bremsberges im Hermann-Stollen; mit beträchtlicher Steigung und rutschigen Steigbohlen

Der Bremsberg am Ende der Horizontalstrecke weist im schwachen Lichte der Taschenlampen schätzungsweise eine Steigung von 35 bis 40% auf und am Knickpunkt konnten wir keine ausgeprägte Profilvergrößerung des Stollenquerschnittes feststellen, die man zur Manipulation der Wägen annehmen würde.

horizontale Ausdehnung Hermann-Stollen mit etwa 630 m Länge im Verhältnis zur Lage der Breitenkopfhütte

Durch einfache Zählung der Schritte und durch Multiplikation derselben mit einer mittleren Schrittlänge von 0,75 m erhält man eine recht genaue Länge des horizontalen Teils des Hermann-Stollens von 630 m. Durch diese – für die Grundrissbetrachtung der Oberflächenverhältnisse bemerkenswerte – Länge erklärt sich höchstwahrscheinlich auch die enorme Steigung des anschließenden Bremsberges, der mit dem Oberbaustollen1, der eigentlichen Erzlagerstätte bei der Breitenkopfhütte, verbunden ist. Zum Schluß fehlt jedoch ein Knick in Stollenlängsachsenrichtung, der notwendig erscheint, soll der Saigerriß (Abb. 39) auf Seite 42 stimmig sein, denn die horizontale Länge des Hermann-Stollens im Grundriss aufgetragen hat ihren Endpunkt bereits unweit der Breitenkopfhütte (siehe vermaßtes Luftbild), jedoch knapp 300 Hm tiefer (die Steigung im horizontalen Teil vernachlässigt).

im Igelskar unterwegs zur Breitenkopfhütte

Wieder ausgefahren setzten wir unseren Weg über Wiesenflächen zwischen Latschenfeldern südwestlich des Stollens aufsteigend fort und erreichten den Steig zur Breitenkopfhütte oberhalb der Geländestufe im flacheren Teil wieder, von wo aus die Hütte bereits sichtbar in ihrer geduckten Lage unterhalb eines Felsendaches wird.

altertümlicher Bergbau „Welsches Loch“

Im Anmarsch zur Breitenkopfhütte schlängelten wir uns um zahlreiche Dolinenstrukturen herum, sodaß die Mulden stets vermieden wurden. Inmitten dieser findet man unweit vom „Welschen Loch“ (vermutlich ein altertümlicher Grubenbau) eine Quelle, die mittels Rohr gefaßt und mit einem Blechbecken versehen zur letzten Wasserversorgung vor der Breitenkopfhütte dient.

Quellbrunnen vor der Breitenkopfhütte

Im Berg hinter der Breitenkopfhütte befindet sich  Oberbau-Stollen. Dieser wurde in Richtung einer mächtigen Kluft (Überschiebungsbahn?) vorgetrieben, die am Mundloch zu sehen ist. Bald erreicht der Stollen eine recht hohe Karstkaverne und in weiterer Folge eine Stollenstrecke mit ausgeprägten Kluftsysteme die schöne Harnischflächen aufweisen.

Breitenkopfhütte

In der Stollenstrecke nach der großen Kaverne enden die Karststrukturen und werden auch durch Richtungsänderung der Längsachse nach Südost und wieder nach Ost nicht mehr gefunden.

Kaverne im Oberbau-Stollens

Den nach der Hauptkaverne abzweigenden Stollen haben wir nicht betreten, er ist mittels Paletten abgesperrt und die Betretung als lebensgefährlich ausgewiesen. Details dieses Abschnitts des Oberbau-Stollens1 siehe Seite 41.

Harnischfläche im Oberbau-Stollen

Nach dieser tollen Erkundung setzten wir unseren Aufstieg zum eigentlichen Ziel, dem Breitenkopf, an der Felslinie links hinter die Hütte über zunächst steilen Schutt fort. Weiter oben, bereits nach einer Kurve die durch Felslinie südlich der Breitenkopfhütte beschrieben wird, leitet ein sichtbarer Steig durch den Schutt zu den begrünten Flächen, die gegen die Nordwand des Hochplattig hin liegen.

bereits nach der Breitenkopfhütte am Weg ins hintere Igelskar

Über sie steigt man bis zu einer Rippe auf, deren Südflanke zum Verbindungsgrat der Hauptkette zum Breitenkopf führt. Hier verbreitert sich das Nordkar des Hochplattig und dies ist von außen im Iglskar nicht sicht- und nicht erahnbar.

die Felsnase oberhalb der Reisen wird angesteuert

Diese Verbreiterung wird zum unteren Anstieg auf den Grat genutzt indem die schroffige Südflanke der Rippe erklommen wird.

unterhalb der Felsnase – rechts davon der Anstieg

Der Aufstieg wird nach den Schrofenhängen im unteren Teil nach oben hin immer brüchiger und zieht sich über einen kaum zu verfolgenden Steig nach oben bis zum Grat.

Aufstiegsgelände auf den Grat

Diese Strecke ist durch seine brüchigen und mit Schutt übersäten Oberflächen ein nicht so erbaulicher Teil im gesamten Aufstieg. Bewundern kann man aber die gewaltigen Nordmauern des Hochplattig.

Rückblick auf die Rippe, die links umgangen wird

Erfreulich ist allein der Blick am Südgrat, dessen Ziel, der Breitenkopf, aber noch verborgen bleibt.

Aufstiegsgelände zum Grat

Die Begehung beginnt mit leichten, niederen Absätzen und steigert sich hinsichtlich des Einsatzes der Hände etwas gegen die breite Scharte hin, die vom Iglskar aus sichtbar ist. Gesamt gesehen bleibt der Grat aber in mäßiger Schwierigkeit.

hin und wieder schmale Stellen

Vor dem plötzlichen Steilabbruch des Grates erkennt man eine komfortable Rissbildung in der Flanke gegen das Schwarzbachkar hinab, die über ein paar Meter zu einem schwach ausgeprägten und schuttbedeckten Band hinab leitet, das den Steilabbruch überwindet und zur Grathöhe zurück führt.

Abstieg zur Umgehung des Steilabbruches vor der Scharte

Die steile Flanke muß wegen des vielen Schutts mit prüfendem Schritt begangen werden, stellt aber keine Schwierigkeit dar.

Evi in der Ostflanke

Es bietet sich dann ein kurzer Abstieg über schneidige Gratplatten einer Kluftbahn in das Tiefste der Scharte, die auf breitem schuttigem Gelände durchschritten wird und jenseits mit jäh aufsteigendem Fels des Gipfelaufbaues den letzten Abschnitt des Aufstiegs auf den  Breitenkopf einleitet.

Rückblick auf den Steilabbruch

Ein Steinmann leitet wieder in die Ostflanke des Gipfelaufbaus und ab diesem beginnt ein kurzer Abschnitt an Kletterei der als schwierig einzustufen ist. Ein Riss von etwa 5 m Höhe muß dabei leicht ausgesetzt aufgestiegen werden.

Steinmann in der Ostflanke nach der Scharte

Zur Hilfe befindet sich ein Kletterseil über in diesem Abschnitt, das oben um ein Felsköpfchen gelegt wurde. Für die Kräfte eines echten Sturzes erscheint dieser Festpunkt eher zweifelhaft, zum Aufziehen im Aufstieg ist er aber völlig ausreichend.

Aufstieg zur Grathöhe – Kletterseil zur Hilfe (Bildmitte)

Es folgen weitere kurze leichte bis mäßig schwierige Gratabschnitte bis zum Gipfel und von der Scharte aus dauert der Aufstieg Gipfelaufbau kaum mehr als zehn Minuten. Am Weg zum Gipfel bietet sich rechterhand der Blick über eine steile Rinne hinab zum Nordostgrat, den wir zum Abstieg ins Schwarzbachkar nutzten.

letzte Höhenmeter zum Gipfel des Breitenkopfs

Der umwerfend beeindruckende Blick vom Gipfel des Breitenkopfs nach Westen umfasst eine gewaltige Nordflanke bis ein Kettenzweig zwischen Grünstein und Marienbergspitzen nach Norden abbiegt.

noch eine etwas luftigere Passage zu bewältigen

Diese Front misst 5,5 km (mit Unterbrechung an der Grünsteinscharte) und ist mit jener der Heiterwand und jener in der Karwendelhauptkette eine der längsten in den Nördlichen Kalkalpen. Der Wandflucht entspringen die Nordgrate ins Gaistal hinab, die besteigenswerte Gipfel tragen und jeweils über Scharten überquerbar sind.

letzte Meter am Gipfelgrat – im Hintergrund die Hochwand

In den Karen dazwischen befinden sich mehrere Gebirgsseen deren Becken die Formung Gletschern der Eiszeiten verdanken.

Fernsicht nach Westen mit der gewaltigen Nordwandmauer der Mieminger

Das stählerne Gipfelkreuz von 1958 am Breitenkopf wird von der DAV-Sektion Coburg betreut und ist eines der ältesten weit und breit.

Gipfelkreuz Breitenkopf, 2.469 m

Ein Blick nach Norden gegenüber zeigt die eindrucksvolle Zugspitze und das Platt, sowie den langen Grat von den Gatterlspitzen auf den Schneefernerkopf und im Osten schließlich türmt sich die mächtige Hochwand auf, deren Überschreitung vom Karkopf aus ein einmaliges Erlebnis darstellt.

Aufstieg mit Scharte im Rückblick

Der AV-Führer beschreibt eine Aufstiegsmöglichkeit vom Nordgrat auf den Hochplattig und vom Breitenkopf aus sieht diese Route, die nur mit mäßiger Schwierigkeit, jedoch mit Brüchigkeit eingestuft wurde, nicht sonderlich einladend aus.

Hochplattig-Nordwand mit Gratverlauf zum Breitenkopf

Für den Abstieg sah die Planung das Schwarzbachkar vor und die steile Rinne, die im Gipfelbereich ansetzt, bildete den Einstieg in den Abstieg.

Ehrwalder Becken mit dem höchsten Gipfel der Ammergauer Alpen, dem Daniel rechts der Bildmitte

Über die ersten Meter kamen wir trotz viel Schutt gut hinab, noch vor der Hälfte, so unser Eindruck, mußten wir aber auf den Grat hinaus queren, um festen Fels ohne rolliges Material zu finden. Weiter unten, im flacheren Teil, wird der Grat auch breiter.

Zugspitzmassiv im Norden

Die Steilheit der Gratflanke in das Schwarzbachkar unterbindet jeden Blick auf den unteren Teil und dabei hat der Bergsteiger bereits seine Erfahrungen gemacht, die auch in einem mehr oder weniger großen Dilemma endeten.

Rinne hinab zum Nordostgrat am Breitenkopf – unser Abstieg ins Schwarzbachkar

Auf der Suche nach einer geeigneten Stelle für den Abstieg durch die Grasschrofen näherten wir uns einer wenig ausgeprägten Graterhebung und beschlossen in die Mulde an dieser Stelle abzusteigen, auch wenn sich immer noch kein durchgehender Blick über die Flanke bis zu den Schuttreisen im Kar aufgetan hatte.

steil und brüchig geht es knapp die Hälfte in der Rinne hinab bevor wir links auf den Grat querten

Etwa in der Hälfte des Abstiegs durch die Flanke erreichten wir einen Steinmann, der unsere Entscheidung bestätigte und uns beflügelte, wegen etwaiger ungangbarer Felsen bis zu den Reisen im Kar keinen weiteren Aufstieg machen zu müssen, um eine andere Stelle zu suchen.

vor einer Graterhebung (Bild in Gegenrichtung aufgenommen) stiegen wir in den Trichter ab

So stiegen wir die bis zu einer von oben gesehen sehr ausgeprägten Felsrippe hinab, die zu beiden Seiten steil abfallende Rinnen aufweist. Die linke mit einem Steilabbruch wurde verworfen und die vielversprechende rechte Rinne über steile Schrofen abgestiegen.

Blick am markanten Felskopf nach rechts – komfortabel bis zur nächsten Stufe begehbar

Unten wieder dieselbe Situation und wieder bot der Abstieg rechts die bessere Wahl. Der prüfende Blick über die restlichen etwa 15 Hm ließ uns aufatmen, sie waren steil, aber recht einfach in festem Fels zu begehen.

letzte Stufe vor den Reisen – rechts gut abkletterbar in mäßig schwierigem Gelände

Über die Reisen bis zu blockigerem Material versuchten wir so weit als möglich karauswärts zu queren, um die Strecke im mächtigen Schwarzbachkar zu verkürzen.

Evi meistert die Passage mit ein wenig Akrobatik

Dennoch blieb eine gute Strecke bis zum Latschengürtel, der, noch nicht vorher erkundet, ein weiters Abenteuer im Abstieg darstellt.

in Summe leichter Abstieg und durch nicht überstürzte Handlungen auch ohne Rückstieg gelungen

Für Abenteuer dieser Art empfiehlt sich sehr, die Strecken bei der Tourvorbereitung in TIRIS mit dem Hintergrund des Orthofotos anzusehen. Und wenn man auch nur den Ort des Einstiegs in den Latschengürtel erkennt hat man schon einen Gutteil an Suche vorab erkundet. Diese Perspektive eröffnet im Gelände dann so manchen weiteren geschickten Schachzug in der Routenwahl.

Querung im Abstieg zum Karboden im Schwarzbachkar

Allerdings hatten wir das diesmal nicht durchgeführt und steuerten auf die breite Latschen Front zu, behielten jedoch die oberste Position, um nicht wieder aufsteigen zu müssen.

mit herrlichen Blicke auf die Wettersteinseite

Dabei stellten wir fest, daß die Steigspuren gem. AV-Karte von einer großen Mure weggespült worden sind und das Gelände schlecht gangbar war. So querten wir eine breite Latschengasse an, die sich weit hinunter zu ziehen schien.

der sich leider an einem breiten Murengraben verläuft

Leider mußten wir an ihrem Ende feststellen, daß wieder einmal eine gewisse Strecke Abenteuerparcours zu bewältigen war und machten uns durch den Dschungel auf, die nächste durchscheinende Latschengasse zu erreichen.

nach dem Rückzug und einer – glücklicherweise kurzen – Latschendurchquerung haben wir den unteren Steigverlauf gefunden

Jenseits des Krummholzes stellen wir dann zum Glück fest, daß es einen Hauch von Steig gab, dem wir folgen konnten und der uns auch zum diesseitigen Ende des Steigs brachte, den die Mure schuf.

und sehen auch schon dessen Fortsetzung jenseits des Murenbetts (genau in Bildmitte)

Schräg gegenüber konnten wir den Steigverlauf gleich sehen. Allerdings kamen wir einige Male leicht vom Steig ab, fanden ihn aber immer gleich wieder und gelangten zu einer breiten Schuttreise, die den Steig unterhalb des mächtigen Nordsockels des Breitenkopfgrates scheinbar durchschnitt.

Fortsetzung des Steiges mit Latschengasse in Bildmitte erkennbar

Scheinbar nur deshalb, weil der Schuttstrom eine Spitzkehre abschnitt. Bei der Umschau konnte glücklicherweise gleich die Fortsetzung des Steigs gefunden werden.

vermeintliches Steigende nach Umrundung des Sockels des Nordostgrates

Dieser Steig zog sich weit hinab ins Gaistal und als wir ihn im Wald verloren marschierten wir querfeldein durch die letzten Hänge bergab der Gaistal Straße zu, über die wir den Weg zum Parkplatz fortsetzten.

nach etwa 150 Hm Wald am Schwarzbach Unterlauf angekommen (links oberhalb des leuchtenden Laubbaumes in Bildmitte kommt man vom Kar auf den Steig im Wald)

Die Runde besticht schon zu Beginn mit der Schönheit des Gaistales und die Durchquerung des Tales bietet die Möglichkeit das Schwarzbachkar etwas unter die Lupe zu nehmen, auch wenn das Licht des Morgens noch spärlich darin zu finden ist.

kein schlechter Berg der Breitenkopf im Rückblick

Wir haben für die Runde mit 1.350 Hm Aufstieg und die Besichtigung der Stollen 9:50 Stunden benötigt. Die Strecke ist mit 26 km keine geringe, vor allem, wenn man sie so wie wir, zu Fuß zurücklegt.

Mils, 05.09.2021

1 Wolkersdorfer 1989: Zur Geschichte, Mineralisation und Genese des ehemaligen Bergbaues auf die Blei-Zink-Vorkommen SE des Ehrwalder Talkessels, Abb. 15 – Seite 24

 

 

Westliche Mitterspitze, 2. 693 m – Abstieg über Schoßgrat

Selten bleibt es vollkommen aus, daß die Natur dem Bergsteiger niemals ein Schnippchen schlägt, kaum aber passiert es am harmlosen Beginn einer Tour so drastisch wie es uns auf die Westliche Mitterspitze erwischt hat. Die Bestrafung für die Schlauheit den Anstieg zum Unterplattig auf dem höheren der beiden Steige über das Mitterbergle zu nehmen war schweißtreibend und zehrte an den Nerven.

Andi und Simon grübeln über die beiden Griesspitzen nach

Im Kartenwerk finden sich die beiden Routen als Steigspuren abzweigend vom Fahrweg, bzw. der obere, vom weiterführenden Pfarrer-Kathrein-Steig auf den Henneberg.
Nun könnte man den unteren direkt als ersten nehmen, der jedoch auf der Karte mit einer Unterbrechung auf dem Wiesenrücken in der Karte verzeichnet ist.  Also entscheidet man sich für den oberen, der den Bach weiter oben – unter den Felsen – überquert und ohne Höhenverlust weiter auf das Mitterbergle zurückquert.

mittig im Bild – Große Schoß, rechts darüber die Westliche Mitterspitze

Ziemlich verdattert standen wir dann am Ende des oberen Steiges und blickten auf einen riesigen Einschnitt im Bachschutt mit keiner richtig sichtbaren Fortsetzung des Steiges auf der Gegenseite.

Abzweigung zum Unterplattig vom Pfarrer Kathrein Steig

Zuversichtlich den Steig drüben anzutreffen stiegen wir in den Einschnitt ab und drüben unangenehm unter viel losen Partien und großer Steilheit in die Latschen. Natürlich fanden wir den Steig nicht, jede Gasse erwies sich nach kurzer Strecke als Sackgasse. So hieß es einen unangenehmen Rückzug zu nehmen, um die Lage zu erkunden.

erste Befürchtungen über den weiteren Steig…

Wieder auf der Ausgangsseite beim Erkunden zeichnete sich dann oberhalb der Stelle an der wir es zum ersten Mal versuchten an einer leichten Geländerippe eine ausgeschnittene Latschengasse ab, die es sein mußte. Also wieder in den Einschnitt, jedoch etwas höher und noch unangenehmer über kleinkörnige Schotterflächen zur Latschengasse.

offensichtlich hat der Bach den Steig fortgeschwemmt und es gibt keinen Übergang mehr

Am Weg dorthin verursachten die steilen Böschungen so manchen Rutscher, der mit aufgeschürften Schienbeinen bezahlt wurde. Endlich erreichten wir die gesichteten Steigspuren und dort Zeichen von sehr alter Ausholzung.

nach einem langen Kampf gegen die Natur am Unterplattig angekommen

Die Freude war nicht von langer Dauer als wir nach wenigen Dutzend Metern einen völlig zugewachsenen Verlauf feststellen mußten und bereits mit Verrenkungen das Durchkommen übten. Zum Glück wies uns bald eine  Schuttreise eine Latschengasse, auf der wir im direkten Anstieg in die Felsen oberhalb nach einer Stunde wirklichen Kampfes endlich den Ausgang aus dem Latschenfeld fanden.

durch den Wald am Mitterbergle führt der verbliebene Anstieg

Die Plagerei am warmen Hochsommertag hatte uns eine Dreiviertelstunde und die geringe Steiggeschwindigkeit darüber hinaus merklich Nerven gekostet. Zeitverluste gegenüber dem Plan sind des Bergsteigers Gift dieser Tage und wir waren einer Steigangabe erlegen, die aufgrund der Arbeit des Baches an ihren Flanken Jahrzehnte nicht mehr intakt ist, sich aber auch nach wie vor im Kartenwerk wiederfindet.

Blick über das Unterplattig

Angespannt ging es über das steile, wiesendurchsetzte Unterplattig weiter. Wenigstens gewannen wir dann rasch an Höhe, um den unrühmlichen Versteiger in der Tiefe vergessen zu können. Das Gelände dort ist schon kein Wandergelände mehr und bei Nässe um Einiges gefährlicher als ein gleich steiles Felsgelände.

typisches Gelände im Unterplattig

Über bankige Schrofen erfolgt dort der Aufstieg recht direkt, der auch gut markiert ist, jedoch mehrere Routen aufweist. Man täte gut daran, sich für eine zu entscheiden, wäre das so einfach möglich. Nach etwa einer guten halben Stunde erreichten wir einen Rastplatz, der mit einem Bankl und ausgehauenem Standplatz komfortabel hergerichtet wurde.

Überquerung eine tiefer gelegene Rinne

Von dort quert der Steig dann westwärts unter mäßigerer Steigung als zuvor. Bald wird eine Rinne unter leichtem Höhenverlust überquert und das Gelände führt unter der ersten Felsrippe auf eine abgewaschene, mäßig steil geneigte Felsfläche in den Schatten des Ausläufers vom Westlichen Schoßkopf herunter.

schöne gletschergeschliffene Platten im Wettersteinkalk führen zur Geländestufe

Kurz darauf standen wir unterhalb einer hohen Felsstufe in das darüberliegende Kar, „Große Schoß“ genannt. Es kann über ein schräg nach oben verlaufendes Rißsystem erklommen werden. Zur Hilfe dient eine Drahtseilversicherung mit einer aufgescheuerten Stelle, die aber noch gut tragfähig ist.

seilversicherte Passage über die Geländestufe in die Große Schoß

Die Große Schoß erwies sich an dem klaren Sommertag als eine harte Nuss hinsichtlich durchgehend großer Steigung und dem monoton zurückzulegenden Höhenunterschied von 470 m bis zu den Felsen unterhalb der Einschartung zwischen Östlicher Griesspitze und Westlicher Mitterspitze. Dieser Teil hat uns eine volle Stunde gekostet.

unverfehlbarer Anstieg zur Westlichen Mitterspitze (links zweigt der Anstieg zum Fisch ab)

Nach der Wandstufe, an der Stelle des beschrifteten Felsens „West. Mitterspitze“ zweigt scharf westlich der Anstieg zum „Fisch“ ab, dem Anstieg zur Östlichen Griesspitze. Bezeichnet ist dieser nur mit einem „F“ und einem Pfeil etwas entfernt und im Schatten am Morgen nicht deutlich sichtbar, also leicht zu übersehen.

zuoberst in der Großen Schoß muß die lange Schotterreise bewältigt werden

Das untere Kar ist begrünt und in dessen Mittelteil tummelte sich eine Herde Schafe. Es muß also noch einen anderen Zugang zur Großen Schoß geben, als über die direkte Felswand.

eine Markierung weist den kaum sichtbaren Steig durch die grellen Schotterpartien

Oberhalb der begrünten Karfläche trafen wir auf Schuttreisen, die ein gutes Stück an Weg und Höhenunterschied zur Felslinie der Karbegrenzung ausmachen. Jedoch führt auch durch sie ein Steig, der auch sichtbar ist. Sogar ein kleiner Felsbrocken mitten in der Reise trägt zur Orientierung eine rote Markierung (im Frühjahr sicher länger mit Schnee bedeckt) und weist zum Einstieg, der ebenfalls weithin sichtbar markiert ist. Eine Wasserrinne wird im Anstieg durch das Schuttkar links liegen gelassen.

an der Felslinie angelangt

An der Felslinie beginnt eine nette leichte Kletterei, die teilweise die Hände erfordert. Nach oben hin bilden sich mehr und mehr schräge Flächen aus, die mit Schutt belegt sind und den Aufstieg zur Einschartung erschweren. Dort endet plötzlich die vorher reichlich erlebte Markierung des Aufstiegs.

Rückblick über die Große Schoß

Da wir die Scharte vor Augen hatten und nicht mehr auf die Markierung angewiesen waren, wäre es auch möglich, daß dieselbe über eine Rinne links wegführt und eine Rinne hinauf zur Westlichen Griesspitze markiert. Das gilt es nun ein andermal festzustellen. Jedenfalls bemerkten wir plötzlich und zu spät, daß die Markierungen am Weg zur Scharte an irgendeiner Stelle aufhören mußten und fehlten.

herrlich leichtes Klettergelände zur Scharte

Die Scharte mit ihren Ausblicken auf die Nordseite der Mieminger, sichtbar vornehmlich die Tajaköpfe und die Ehrwalder Sonnenspitze, verbunden mit einer leichten Brise Jochwind brachten wieder etwas frischen Elan in den vom steilen, heißen und monotonen Steigen ermüdeten Körper. Der Restaufstieg auf die Westliche Mitterspitze verläuft direkt am Grat, ist leicht ohne Kletterei zu begehen und regt – wie die meisten Gratverläufe – an.

kurz vor der Scharte zwischen Östlicher Griesspitze und Westlicher Mitterspitze

Zuerst jedoch erkundeten wir von der Scharte aus einen Aufstieg auf die Östliche Griesspitze direkt am Grat, der allerdings nicht so leicht machbar schien, da der Gratschrofen westseits der Scharte jäh und senkrecht abbricht.

bäriger Blick auf den Hinteren und Vorderen Tajakopf; links der beiden die Ehrwalder Sonnenspitze

Also ein ungangbarer Zacken, der nur durch den Abstieg, der Unterquerung etwa 40 Hm unterhalb und einem Wiederaufstieg in einer schmalen Rinne auf den Grat möglich ist. Umso unglaublicher schien uns ein Gipfelbucheintrag, daß man den wahrscheinlich – durch die Brüchigkeit – meist heiklen Grat von den Griesspitzen bis zum Hochplattig incl. Aufstieg aus dem Tal an einem Tag zurücklegen kann.

Gratkopf nach Westen zu den Griesspitzen – er muß tief umgangen werden

Von der Scharte müssen noch 120 Hm auf die Westliche Mitterspitze zurückgelegt werden und unter tollen Tiefblicken auf die Nordseite der Mieminger Kette erfolgen sie mit wesentlich weniger Mühe als die 650 Hm in der Großen Schoß.

Gratanstieg auf die Westliche Mitterspitze

Die Bergrettung Mieming hat ein Jahr zuvor ein schönes neues Kreuz aufgestellt und die Mitglieder haben es über den beschwerlichen Anstieg per Muskelkraft hinaufgebracht, was besondere Achtung verdient.

das bärige neue Gipfelkreuz der Bergrettung Mieming

Am Westgipfel der Mitterspitzen kann die Östliche Mitterspitze eingesehen werden, ohne eine weitere Gratbegehung nicht aber der Mittelgipfel. Rechts neben dem Ostgipfel erhebt sich der Westgipfel des Hochplattig und beim Abstieg über den Schoßgrat konnten wir den bizarren Gratverlauf dorthin bewundern. Beim direkten Anblick aus dieser Nähe staunt man, daß dieser bei der allgemeinen Brüchigkeit in diesem Teil des Grates mit nur einer Einstufung als schwierig begehbar ist.

die Östliche Mitterspitze vom Gipfel der westlichen gesehen

Nach Norden hin erstrecken sich die ausgedehnten Kare mit ihren zahlreichen kleinen Seen. Direkt nördlich unterhalb liegt das Brendlkar mit seinen noch vorhandenen zwei Seen. Einer der beiden oberen Seen ist bereits ausgetrocknet, der zweite steht kurz davor zu verlanden.

Brendlkar mit den beiden Seen und rechts den Iglsköpfen

Die rechte Begrenzung des Brendlkars bilden die Iglsköpfe mit der Übergangsscharte vom gleichnamigen Iglskar. Meist handelt es sich bei den von oben phantastisch grünblauen Seen um Felsbeckenseen glazialen Ursprungs.

unser Abstieg über den Schoßgrat

Den Abstieg wählten wir über den Schoßgrat. Die Tageszeit war – nicht zuletzt durch den Verhauer am Anstieg ins Unterplattig – fortgeschritten und an die weitere Gratstrecke zum Ostgipfel nicht mehr zu denken. Simon hatte den AV-Führer studiert und auf die Möglichkeit des Schoßgrates im Aufstieg hingewiesen – diese nahmen wir nun wahr.

Schoßgrat – sieht harmlos aus, jedoch mit nicht zu unterschätzenden Stellen versehen

Bereits auf den ersten Metern am Grat, nach dem Zurücklassen der Geröllstrecke am Gipfelaufbau, zeigt der Grat Zähne. Nicht, daß sofort mit dem Abklettern begonnen werden muß, so doch mit sehr steilen Einlagen von Schrofen zu beiden Flanken und einem Steilabbruch, der im Sturzfall nicht zu unterschätzen ist, in die Kleine Schoß hinab.

Gratköpfchen mit steil fallender Wand in die Kleine Schoß

Einige Passagen erfreuen gleich das Herz des Gratkletterers, wenn es auch leichter gewesen wäre, die Gratbegehung im Aufstieg genommen zu haben.
Hin und Wieder begegneten wir Steinmännern, die an der unmittelbaren Gratschneide natürlich ihrem Zweck kaum gerecht werden und meist dort fehlen, wo vom Grat abgewichen werden muß – so weiter unten am Schoßgrat.

der Anstieg auf die Östliche Griesspitze wird erkundet

Gegen die Seitenrippe hin – es handelt sich um jene, die in Abstiegsrichtung rechts abzweigt – neigt der Schoßgrat sich mit einer immer steiler werdenden Gradiente und das letzte sichtbare Steinmandl am unmittelbaren Grat fiel schon nicht mehr unsere Wahl der Begehung, die zum Östlichen Schoßkopf hin führt.

Übergang zum Westlichen Schoßkopf in Bildmitte

Wir entschieden uns für die Abzweigung nach rechts, wobei man nicht davon sprechen kann, daß es sich um eine echte Gratgabelung handelt, weil nach rechts über die Flanke abgestiegen werden und ein breites Schuttfeld überquert werden muß, bevor sich dieser Teilgrat in Richtung zum Westlichen Schoßkopf wieder schroff ausbildet.

tief eingerissener, bizarrer Grat auf den Hochplattig im Osten

Der Abstieg über die Westflanke erfolgt unangenehm auf plattigem, schuttbelegtem Fels und endet in einer Schuttreise vor einem Steilabbruch, der auch von oben nicht eingesehen werden kann. Somit begaben wir uns in eine ungewisse Situation, die nur mit der Hoffnung verbunden war, daß wir das Richtige unternahmen, nicht aber mit der Gewissheit.

die Griesspitzen von Südosten betrachtet, ganz rechts der Gratkopf mit dem Senkrechtabbruch auf seiner Westseite

Im gegenteiligen Fall hätte nur ein langer Rückweg zum Gipfel den Ausweg gebracht, denn beide Seiten des Schoßgrates sind von Senkrechtabstürzen an der Basis geprägt und für den Ortsunkundigen ungangbar.

Übergang vom Schoßgrat auf den Westlichen Schoßkopf

Die Spannung spitzte sich zu, als wir den Gratansatz  erreichten und der erste Ausblick vor dem Turm mit den auffälligen Verwitterungsflächen und der Rutschfuge an seiner Basis war ernüchternd. Daß dieser Turm nicht schon in die Tiefe abgerutscht ist erscheint beim ersten Anblick als ein Wunder.

Felsenfenster im stark verwitterten Gratkopf und eindrucksvolle Rutschfuge

Allerdings bestätigte sich das von weit oben, vom Schoßgrat aus gesehen, daß seine Westseite begrünt ist und eine bequeme Überleitung auf den sich dahinter ausbildenden Westliche Schoßkopf darstellt. Simon überkletterte die Mauer nach der heiklen Rutschplatte und fand dahinter einen leichten Abstieg über ein paar Meter Schrofengelände zur Scharte.

auf der begrünten Hinterseite des Gratkopfs Richtung Scharte zum Westlichen Schoßkopf

Diese Stelle markiert gleichzeitig auch das Ende des schwierigeren Teils des Schoßkopfgrates und nach der Scharte beginnt ein kurzes Stück von festem Wettersteinkalk, bevor dieser sich in eine harmlose aber steile Flanke auflöst.

Rückblick auf die Übergangsstelle (Scharte tiefer gelegen, nicht Sichtbar)

Der Rest des Abstiegs erfolgt über flacher werdende begrünte Bergwiesen, die auch der Schafzucht dienen, wie am Zugangssteig durch die Flanke von der Großen Schoß aus vermutet werden kann. Dieser Steig wird auch für den Abstieg genutzt, er endet im mittleren Drittel derselben auf dem Aufstiegssteig.

Westlicher Schoßkopf

Der Abstieg ins Tal erfolgte entlang der Aufstiegsroute, wobei wir jedoch diesmal nun den Steig, der direkt über das Mitterbergle führt verfolgt haben und großteils auf dem gut sichtbaren und teilweise mit alten Markierungen versehenen Steig durch Wald und unten Latschen, wieder auf den Henneberg und weiter zum Parkplatz am Waldschwimmbad gelangten.

bärige Aussicht vom Rastplatz auf Barwies und Mieming

Unter Rücksichtnahme im Abstieg auf Andis defektem Knie benötigten wir für diese schöne Runde knapp 12 Stunden incl. allen Pausen, Erkundungen und dem Schnitzer am Mitterbergle.

vom Mitterbergle auf das Unterplattig geschaut; dahinter die beiden Schoßköpfe

Den Anstieg über den Schoßgrat und die Begehung der Großen Schoß im Abstieg gewählt, sowie moderat kurze Pausen sollte man in der Planung die Tour mit minimal 8 bis eher 9 Stunden Zeitbedarf bei der Erstbegehung veranschlagen können.

Einstieg in die Latschen auf das Mitterbergle am Weg vom Henneberg

Zu bewältigen sind 1.850 Hm und die vollkommen südseitige Ausrichtung sollte im Sommer hinsichtlich des Trinkvorrates berücksichtigt werden.

Mils, 21.08.2021

Grünstein, 2. 663 m – über Westgrat

Vom Gipfel nach Westen geblickt fragten wir uns nach seiner Besteigung über den Ostgrat, wie es wohl am Grat weitergehen würde, vielmehr, ob eine Gratbesteigung von Westen auf den Grünstein möglich ist und lohnt.
Dem AV-Führer entnimmt man die Möglichkeit dazu, beschrieben als abwechslungsreichstem Anstieg, der vom Hölltörl und vom Marienbergjoch über den Verbindungssattel zu den Marienbergspitzen möglich ist.

am Weg zum zweiten Riffel- – unterhalb von Simon eine schmale Mauer mit dem atemberaubenden Tiefblick in die Nordrinne

Mit diesen verheißungsvollen Aussichten auf eine bärige Gratkletterei machten wir uns kurz vor sieben Uhr vom Gasthaus Arzkasten aus auf den Weg und wählten den Anstieg über das Marienbergtal. Im Schatten und mit der abstrahlenden Sonnenbeleuchtung von den Handschuhspitzen im Tal gegenüber erreichten wir die Marienbergalm gegen acht Uhr, noch keine Zeit zur Einkehr in die nette Alm.

Grünstein von Locherboden aus gesehen – die vier Riffeln am Westgrat gut sichtbar

Die erste Möglichkeit den Anstieg auf der Nordwestseite des Grünsteins einzusehen bot sich einige Gehminuten unterhalb der Alm.

Grünstein Westgrat und links Östliche Marienbergspitze vom Marienbergtal aus; in der Mitte führt der Anstieg hinauf

Die wild zerklüftete Westseite des Grünsteins erlaubt keinen sonderlich aufschlussreichen Blick die im AV-Führer beschriebene Route zu erkennen, sie verschwimmt zu sehr mit der Östlichen Marienbergspitze und erst mit dem nordwestlichen Winkel am Marienbergjoch tritt die Aufstiegsroute klarer in Erscheinung.

der Sattel zwischen dem Grünstein und der Östlichen Marienbergspitze wird angesteuert

Ein kleiner Nachteil beim Zustieg über das Marienbergtal besteht in dem etwas weiteren Weg zurück vom Joch zur großen Schuttreise zwischen Östlicher Marienbergspitze und Westteil des Grünsteinmassivs, die oben, an ihrem Ursprung den Beginn des Aufstiegs im Fels bildet.

im oberen Arzbödele

Wir stiegen an geeigneter Stelle (latschenfreie Hänge) vom Steig zum Hölltörl auf Steigspuren in den begrasten Hang – das obere Arzbödele – ein und querten auf ihm wieder leicht zurück nach Norden, um den Rand der Schuttreise zu erreichen, entlang dessen wir zur Klamm am Ursprung der Reise aufstiegen. Im obersten Teil wird dabei eine Wasserrinne mit unangenehmen Rutschflanken überquert.

am oberen Ende des Arzbödeles – Näherung an die Reise zwischen Östlicher Marienbergspitze und Grünstein Westgrat

In der Klamm beginnt leichte Felskletterei über die ersten Absätze an der Grenze zwischen unterem alpinem Muschelkalk (rechts, südlich), der gleich im Aufstieg verschwindet und der Reifling Formation (links, nördlich), in der bis zum Sattel aufgestiegen wird.

Blick nach Westen auf den Wannig

Gleich nach den ersten Absätzen und der Klamm kann rechter Hand ein Seil oberhalb der steilen, von gut gangbaren Rissen durchzogenen Flanke gesichtet werden, zu dem man aufsteigt und auf einer begrünten Rippe zwischen der Flanke der Ö. Marienbergspitze und dem Grünstein Westteil endet. Auf dieser Rippe wird weiter aufgestiegen.

nach wenigen Minuten rechts in die Flanke mit dem Seil am oberen Ausstieg

Weiter oberhalb zwingt eine aufragende Felswand auf der Rippe nach rechts, etwas näher zum Grünstein hin und man verliert die schön beleuchteten, bizarren Türme der Ö. Marienbergspitze aus den Augen.

am Rücken oberhalb der Flanke – der weitere Aufstieg erfolgt im rechten Teil der Senke

An dieser Stelle tritt grauer Reiflinger Knollenkalk mit seinen wellig knolligen Oberflächen deutlich ins Auge und deutlich ist auch die Abgrenzung vom aufragenden Wettersteinkalk des massiven Westteils des Grünsteins. Wir folgten dem sehr interessanten Verlauf der dünnbankigen und steil südfallend bis aufrecht gestellten Schichten bis zum Sattel.

hinter Simon werden die Reiflinger Knollenkalkbänke sichtbar

Weiter oben verflachte sich die Felskuppe der Mittelrippe zwischen Ö. Marienbergspitze und Grünstein wieder und die wild zerfurchte Südflanke der Ö. Marienbergspitze trat wieder schön zutage.

Aufstieg im sich weitenden Kar in Reiflinger Knollenkalken

Bei der Betrachtung aus diesem Winkel stellten wir uns die Frage ob und wo es eine Abkletterstelle gibt, um von der Ö. Marienbergspitze auf den Sattel und weiter zum Grünstein zu kommen.

die Rippe wurde rechts überwunden, links wird wieder die Östliche Marienbergspitze sichtbar

Gegenteiliger Meinung diskutierten wir bei der Betrachtung der Flanke kurz über die Möglichkeiten wobei Simon, der den Eindruck von der Besteigung der Ö. Marienbergspitze vom Vorjahr vom Gipfel aus noch geistig vor sich hatte, schüttelte den Kopf und meinte, daß er sich einen Abstieg ohne Abseilen nicht vorstellen kann.

 

Östliche Marienbergspitze vom Sattel aus gesehen

Tatsächlich erscheinen die Wände bei näherer Betrachtung in Sattelnähe als sehr schwierig und wir beschlossen, dieses Thema auf eine Besteigung der Ö. Marienbergspitze zu verschieben um von oben nochmals näher die Wand zu erkunden.

Blick auf den Grünstein Westgrat – links im Hintergrund bereits der Grünstein sichtbar

Im Rücken bei Betrachtung der imposanten Südwand befindet sich unser Aufstieg auf den Westgrat und die entfernte Perspektive aus der Ferne ist bei der Suche nach einem Einstieg in die Nordwand des Grünstein Westgrates eine vorteilhafte. Weiters kann von dort aus auch der Grünstein eingesehen werden, um einen Entfernungseindruck zu bekommen.

Blick vom Sattel auf den Drachengrat mit Hinterem und Vorderem Drachenkopf

Sofort fiel uns in Sattelnähe ein Riß- und Bändersystem in der sonst geschlossenen und mächtigen Wandfront auf, das durch die Wand in die obere Flanke des Westgrates führen sollte und wir überquerten den Sattel mit atemberaubender Aussicht auf die nördliche Mieminger Kette und hinab zu den Seen.

am Nordgrat zum Hinteren Drachenkopf die Grenze zwischen Reiflinger Bankkalk (südlich) und Wettersteinkalk (nördlich) perfekt zu erkennen

Vom Sattel aus sehr eindrucksvoll zu betrachten ist die geologische Trennfuge am oberen Drachenkopfgrat, gleich nach dem Gipfel des Grünsteins, zwischen Reiflinger Bankkalk (südlich) und Wettersteinkalk (nördlich, zum Einschnitt bis in das Kar vor dem Hinteren Drachenkopf hinab reichend) die vertikal verläuft und eine markante Linie darstellt.

Simon vor einem mittig im Sattel liegenden Gratkopf, der überschritten wird

Ein weiterer geologischer Einschub am Drachenkopfgrat befindet sich in der tiefsten Einschartung vor dem nördlich gelegenen Hinteren Drachenkopf und zwar tritt hier dunkelgrauer Partnachkalk deutlich sichtbar zutage (Bild davor).

Blick auf den Aufstieg mit dem Weg zum Marienbergjoch in der Tiefe

Bei der Annäherung an die vermutete Aufstiegswand trat die Route eindeutig hervor und beide interpretierten wir denselben – aus unserer Sicht einzig gangbaren – Verlauf durch die Wand.  Die Route führt am Wandfuß einige Meter weg vom Sattel nach Westen, bevor eine leichte Muldung in der Wand mit gut überkletterbaren Felsstufen, recht festem und gutgriffigem Wettersteinkalk erreicht und direkt in Falllinie ansteigender Kletterei bewältigt werden muß.

 

Simon in der Nordflanke des Westgrates des Grünsteins – in direkter Linie geht es in mäßig schwieriger Kletterei hinauf

Zur besseren Übersicht der Bilder blieb der Verfasser noch vom Wandfuß weg, während Simon über ein leicht steigendes Band zum Aufstiegspunkt der Kletterei anstieg.

vom Sattel wird auf mittelbreitem Band vorher etwa 30 bis 40m westwärts gequert

Die Stufe dürfte etwa 30 bis 40 Hm umfassen, wird oben flacher und dadurch mit mehr Schutt überdeckt. Sie endet mit einer Flachstelle auf einem kleinen Teilgrat zum Wandmassiv hin und ist umgeben von eindrucksvoll zerklüfteten Türmchen und vielen kleinen Schuttreisen, sowie mit einem massiv sperrenden Felsriegel in Gratrichtung.

Rückblick auf die untere Wandstufe zum Sattel zwischen dem Westgrat des Grünsteins und der Östlichen Marienbergspitze

Dem Felsriegel wichen wir auf einer Art Rampe, die oben in eine zu überkletternde Felsstufe übergeht rechts ansteigend aus womit wir – optisch begleitet durch das Eintauchen in Sonnenlicht – den Grat erreichten und die dunkle Nordflanke des Westgrates auf den Grünstein verließen.

flachere Steilstufe zum Westgrat des Grünsteins

Die nette Kletterei durch die Flanke mißt etwa 60 Hm und der Höhenunterschied zum Grünstein Gipfel beträgt am Grat noch etwa 50 Hm, die allerdings mit etwas Auf und Ab am Grat etwa 100 Hm Aufstieg bedeuten. Der Abstand am Grat dürfte zwischen 220 m und 250 m betragen und wir waren einigermaßen erstaunt über die Nähe des Gipfelkreuzes.

am Westgrat angekommen – Grünstein Gipfel bereits sichtbar

Am Grat besticht die Aussicht nach Norden und in die Tiefe mit ihrem Farbunterschied zwischen dem hellen Wettersteinkalk und den grauen Reiflinger Knollenalken. Im Norden erheben sich majestätisch die Östliche Marienbergspitze und der Wamperte Schrofen, der so häufig falsch geschrieben wird, wenn man des Tiroler Dialektes nicht mächtig ist. Wampert ist man dann, wenn man eine Wampe hat, also einen dicken Bauch.

Blick nach Norden auf Östliche Marienbergspitze und rechts der Wamperte Schrofen

Der Grat führt zunächst steil nach oben auf einen Vorkopf, der – wie könnte es am Grat anders sein – auf seiner Rückseite einen Abstieg in die nächste Scharte aufweist. Und der Abstieg jenseits ist der Kniffligste im Übergang zum Grünstein. Knifflig hinsichtlich der Steilheit und dem Übertritt auf einen Klemmblock, der den jenseitigen Aufstieg auf den nächsten Gratabschnitt ermöglicht.

Blick nach Süden auf das Riffeltal und den Höllkopf

Ihn unten zu umgehen wäre möglich, jedoch bergsteigerisch verfehlt. Im festen Fels gewinnt man schnell Vertrauen in den kurzen steilen Abstieg und erfreut sich des Blickes auf die lange Wettersteinmauer im Norden durch die enge Scharte.

leichte Gratkletterei bis zu den Riffeln

Ein paar Meter des Aufstieges hinter der Südkante der folgenden Gratschuppe reicht der Blick auf den ersten der vier Riffeln, die nicht nur das Riffeltal bezeichnen und bereits von Locherboden aus sichtbar sind, sondern auch ganz nett zu begehen sind.

und Abkletterstelle auf den Klemmblock

Eine derartige Erscheinung kennt man im Karwendel von den Gratköpfen am Grat von der Scharte zwischen den Bachofenspitzen auf die hintere der beiden.

 

Passage des ersten Riffels auf dessen Nordseite – der immense Nordabfall wird erst vor dem zweiten Riffel sichtbar

Den ersten, so heißt es im AV-Führer, umgeht man nordseitig. Auch wenn man mit der Vorstellung an nordseitige Verhältnisse seine natürliche Hemmung hat ist diese Umgehung eine der Harmlosesten weit und breit.

während der erste Riffel ein schönes Felsenfenster mit großartigem Blick auf das Gurgeltal bietet

Der Überstieg vollzieht sich auf einem breiten, eher flachen Band mit, jenseitig, einem kleinen „Dach über dem Kopf“ und gleich darauf einem Felsenfenster mit Blick ins Gurgeltal. Der Westlichste der Riffeln – ein einmaliger Ort.

 

Rückblick vor der Passage des zweiten Riffels auf dessen Südseite

Der Zweite der Riffeln folgt sogleich. Im Abstand von wenigen Metern erhebt sich der nächste Felskopf, der dann, wie alle übrigen, unspektakulär südseitig umgangen wird. Der Überstieg auf den zweiten Riffel findet auf einer schmalen Felsmauer mit aufregendem Tiefblick in die schauerliche Grünstein Nordwand statt und aufgrund der Schmalheit der Mauer bleibt die Spannung auf wenigen Schritten bis zum Riffel erhalten.

weiteres Felsenfenster zwischen dem zweiten und dritten Riffel mit Ausblick auf den Wamperten Schrofen mit dem Pitzenegg im Hintergrund

 

Seine leicht überhängende Form und das schmale Band bedingen am zweiten Riffel ein wenig Artistik, jedoch ist die Passage gut machbar. Alternativ kann er ein paar Meter darunter umgangen werden.

Südpassage unterhalb der letzten beiden Riffeln – von ihrer Dimension bekommt man nichts mehr mit, sie werdfen direkt und ohne Kletterei passiert

Hinter dem zweiten Riffel und noch vor der nächsten leichten Passage der beiden letzten Riffeln gibt es unter einem kurzen Aufstieg nochmals ein bäriges Felsenfenster in den Norden, das man nicht versäumen sollte zu erkunden.

zwischen letztem Riffel und dem Gipfelaufschwung zum Grünstein bietet sich erneut ein toller Ausblick, diesmal auf die Ehrwalder Sonnenspitze

Die Passage der folgenden Riffelzähne erfolgt harmlos an ihrem Fuße. Der letzte Aufschwung auf den Gipfelaufbau des Grünsteins führt – wenig ansteigend – an einer bemerkenswerten Scharte mit gewaltigem Ausblick auf die Ehrwalder Sonnenspitze vorbei.

Aufstieg unterhalb des Gipfelaufschwungs – das Gipfelkreuz des Grünsteins bereits sichtbar

Nach diesem tollen Ausblick führt der Aufstieg steiler weiter und mündet knapp unterhalb des Gipfels in den Normalweg auf den Grünstein über das Riffeltal und in wenigen Minuten wird der Gipfel über die letzten brüchigen Felsabsätze erreicht.

wieder einmal am schönen Grünstein, 2.663 m

Immer wieder erstaunt am Grünstein das völlig intakte Gipfelkreuz von 1967. Einzig der wetterseitige Metallschutz am Hirnholz gibt Anlass zur Sorge, daß es rascher Schaden erleiden könnte als nötig.

Rückblick auf die kurze und nette Kletterei am Grünstein Westgrat

Imposant anzusehen ist der Drachenkopfgrat, der gen Norden zieht und mit ein wenig Phantasie kann man den Rücken und einen gewaltigen Kopf eines Drachens erkennen und der Grat wären dessen Rückenschilde. Der Begriff Drache leitet sich allerdings nicht von deutschen Wort, sondern vom slawischen „draga“ ab, welche „eine durch Abrutschung entstandene Mulde am Hang“ bezeichnet (FINSTERWALDER 1951, S. 185).

die Nordkare am Grünstein – gerade noch an der Ostflanke des Vorderen Drachenkopfes der Seebensee sichtbar; Hintergrund Zugspitzmassiv

Richtung Osten entsendet die Mieminger Kette vier Nordgrate, die jeweils mit einer massiven Einschartung zur Hauptkette gekennzeichnet sind.
Der erste und kürzeste trägt die Drachenköpfe, der zweite die Tajaköpfe, ein Kar weiter befindet sich ein Nordgrat, der seine Einschartung nicht direkt an der Nordwand hat, sondern erst nach einer signifikanten Gratstrecke und der die Igelsköpfe trägt und der letzte Nordgrat, mit einem massiven und hohen Gipfel geschmückt, dem Breitenkopf, verläßt dieser die Mieminger Kette vom Hochplattig nach Norden. Der durchaus imposante Breitenkopf ist in fünf Kilometer Entfernung noch vor der mächtigen Nordflanke der Mitterspitzen sichtbar.

Blick vom Grünstein nach Osten mit Drachensee und den Nordgraten, Tajaköpfe, Igelsköpfe und zuletzt der Breitenkopf; im Osten der Hauptkette die mächtigen Griesspitzen

Letzterer stellt den höchsten aller Gipfel der Nordgrate dar dürfte aufgrund seiner kurzen, eher abfälligen Beschreibung im AV-Führer nicht häufig begangen werden. Vom Grünstein aus sehen seine Flanken nicht uninteressant aus und damit wurde er für eine Erkundung ins Auge gefasst.

Seine Besteigung über das Igelskar und der Begrenzung durch die mächtigen Hochplattiggipfel ist dieselbe wert. Die kurze, scharfe Gratstrecke bildet einen begehenswerten Abschluß und mit dem Abstieg ins Schwarzbachkar kann der Routinierte mit Orientierungsgabe eine bärige Runde im Gaistal von der Leutasch aus abschließen.

Abstiegsrippe links vom Riffeltal, unten der Arzberg, unser Abstiegsziel

Nach Süden werden in der Mieminger Kette kaum scharfe Grate entsendet. Direkt an den Grünstein schließt mit seichter Scharte am Hölltörl der Höllkopf an, der den höchsten Abschluß des langen Südrückens des Arzbergs darstellt. Das Hölltörl stellt auch die Grenze zwischen dem gipfelbildenden Wettersteinkalk und dem Hauptdolomit des Arzbergs dar.

die Riffeln im Abstieg vom Riffeltal aus gesehen

Den Abstieg unternahmen wir durch das Riffeltal, um über die Schotterreisen rasch abfahren zu können. Der Normalaufstieg auf den Grünstein findet großteils auf der – im Abstieg gesehen – linken Rippe vom Riffeltal statt.

leichte und nette Kletterei in der Felsstufe zwischen Hölltörl und Riffeltal

Zum Abschluß, und mit genügend Zeitreserve des eher kurzen Abenteuers der Besteigung des Grünsteins über den Westgrat ausgestattet, unternahmen wir die Erkundung des Arzbergs.

bester Wettersteinfels – beste Laune

Vom Hölltörl sind dabei lediglich 70 Hm zu überwinden, bevor man auf dem Plateau dieses regionaltouristisch höchst wichtigem Gipfelchen steht, stellt es doch den Höhepunkt der Wanderrunde zwischen den beiden parallellaufenden Marienberg- und Lehnbergtal dar. Dementsprechend vielen Wanderern begegneten wir dort.

Grünstein vom Zäunlkopf aus gesehen

Die Besucherströme beschränken sich jedoch ausschließlich auf den Höllkopf und versiegen einige Meter hinter dem Gipfelkreuz, von dem es, nach Süden, keinen im Kartenwerk verzeichneten Weg mehr gibt. Im AV-Kartenwerk finden sich Steigspuren bis hinab zur Arzbergmahd und diese wollten wir, nach teilweiser Einsicht vom Grünstein aus, im Abstieg erkunden.

Westliche Griesspitze vom Zäunlkopf aus gesehen

Zusammenfassend kann vorweggenommen werden, daß dieser Bergbuckel, nach einigen kurzen und sanften Gegenanstiegen auf Zäunl- und Hoher-Kopf tatsächlich freigeschnitten an der Arzbergmahd endet. Dort endet auch der sichtbare Steig und einen weiteren Abstieg durch den Wald konnten wir nach kurzer Suche nicht finden, vermuten ihn aber Richtung Ostnordost, zum Ende eines Fahrweges mitten im Lehnbergtal, von dem ein Anstieg kaum 150 Hm und nur 700 m Strecke zur Mahd beträgt.

der Arzberg mit seinem Gipfel auf 1.905 m (stirnseitig am Ende des Rückens)

So ließen wir die Schafe, die unter einer freistehenden Tanne Schutz vor der Sonnenbestrahlung suchten, zurück und stiegen an der Stirnseite des Rückens weglos durch den Wald ab. Den Weg zum Parkplatz erreichten wir an der Abzweigung nach Weisland etwa 300m vor dem Ende des Waldes bei Arzkasten.

die Arzbergmahd mit neu erbauter Hütte und den Schafen unter der Tanne im rechten Bilddrittel

Die wirklich schöne Besteigung des Grünsteins über den Westgrat erfordert etwa 7:30 Stunden (bei unserer Abstiegsvariante, sonst ggf. eine gute halbe Stunde weniger) und erstreckt sich über gut 12 km. Bei unserer Abstiegsvariante werden 1.700 Hm zurückgelegt, sonst gut 100 Hm weniger.

Mils, 15.08.2021

Grünstein, 2.661 m – Überschreitung von Grünsteinscharte

Markant vom Inntal und dem Mittelgebirge aus gesehen, bestimmt der Grünstein das Westende der hohen, zusammenhängenden Gipfel in der Mieminger Kette. Nach Westen hin trennt ihn – von seinem Gipfelkreuz hinabgeblickt – der 900 Hm tiefe Einschnitt des Marienbergjochs vom Wannig, dem letzten Gipfel der Mieminger, bevor die Kette der Deckenüberschiebung ihre ferne Fortsetzung in der mächtigen Heiterwand im Westen findet.

Abstieg zum ersten leichten Gratköpfl

Als Bergtour über den Normalweg vom Hölltörl aus, durch das Riffeltal, mag der Grünstein als eine wenig attraktiv zu ersteigende Schottergrube erscheinen, der Aufstieg auf den Ostgrat aus der Grünsteinscharte ist geologisch interessant, bergsteigerisch mäßig, jedoch schön. Der Grat selber (ab Pkt 2.475m) ist einfach zu begehen, bietet wenig bergsteigerische Höhepunkte oder Herausforderungen und wird großteils eher als Gratrücken empfunden.

Grünstein Ostgrat und Gipfel von Locherboden aus (Vordergrund Wankspitze)

Beim Aufstieg auf den Grat warten mit einem geologischen Einschub in den sonst so monotonen ungebankten Wettersteinkalk interessante Besonderheiten.
Diese beginnen in der obersten Höllreise, knapp unterhalb des schluchtartigen Einschnitts auf den Grünstein Ostgrat, der westlich der Grünsteinscharte eine sonderbare topografische Form für einen von einer Scharte ausgehenden Grat bildet. Das Geheimnis der von unten nicht zu überblickenden unerwarteten Erscheinung ist leicht erklärt – der Hauptgrat biegt bereits weiter westlich nach Norden um wobei die massive Grünsteinschuppe1 eine Art Südsporn ausbildet, der einen talbildenden Kerbriss gegen die Scharte hin ausformt der als steiles Tal zwischen zwei Graten empfunden wird. Die Füllung dieses – vom Autor als Riss empfundenen – Tales dürfte bei der Deckenaufschiebung vollständig durch Reichenhaller Schichten erfolgt sein, betrachtet man die Geofast Karte 116 – Telfs2.

Grünstein Geologie – Geofast Karte 116 – Telfs

Trümmer und Bruchstücke aus diesem vermeintlichen Tal können bereits im beeindruckend langen Aufstieg zur Grünsteinscharte bestaunt werden – und sind sie anderer Farbe oder Form als die generelle Umgebung, so fallen sie auch dem geologischen Laien ins Auge. Ein schönes Exemplar von Rauhwacke der Reichenhall Formation lag gleich neben dem Steig in einer Höhenlage > 2.200 m.

in der Höllreise auf etwa 2.200m unterhalb der Grünsteinscharte

Dieses Handstück enthält zur Verwunderung des Autors rötliche Kalke (Dolomite?) und gleicht keineswegs der üblichen Rauhwacke, die beispielsweise im Karwendel zu finden ist.
Es weist die typischen Merkmale des Zellenkalks auf, das feine Gespinst aus übrig gebliebener Matrix nach dem Auslaugen des Gipses, sowie gleichzeitig, mit den vollständig in Matrix eingebundenen Bruchstücken, typische Merkmale eines Konglomerats.

Rauhwacke und Konglomerat der Reichenhaller Formation aus der Grünsteinschuppe

An der Grünsteinscharte nehme man sich die Zeit und betrachte beide aufgehenden Grate (Westgrat der Griesspitze / Grünstein Ostgrat). Bereits Otto Ampferer3 beschreibt deren Verschiedenartigkeit, die mit dieser Beschreibung tatsächlich auch dem Laien auffällt. Weiters ist die Beschreibung der Reichenhaller Formation am Grünstein Ostgrat von Hubert Miller6 zu erwähnen.

Blick jenseits der Grünsteinscharte zu den Taja Köpfen (man beachte die unterschiedlichen Gratansätze von der Scharte)

Von der Grünsteinscharte führt gegen Westen das steile Tal in dem sofort nach dem Ende der Schuttrampe und dem Erreichen des festen steilen Felses die Unterschiede zum Wettersteinkalk, der die senkrechten Flanken bildet, sichtbar werden.

Radlfahrer- und Grünsteintürme im aufgehenden Grünstein Ostgrat

Reichlich Geröll der Reichenhall Formation, in Form und Farbe zur schroffen Südflanke unterschiedlich, geleitet über ein paar Minuten Steigzeit zu einer Engstelle, die auch eine niedere Geländestufe bildet.

durch die Reichenhaller Schichten auf den Grünstein Ostgrat

Da sie auch das Trichterende des darüberliegenden Schuttkars darstellt, fanden wir die Flanken und die Klüfte zum Ersteigen der Stufe erdgefüllt und etwas verschmiert vor, die mageren Tritte und Griffe dadurch leicht rutschig und etwas knifflig zu durchsteigen. Ein Schlaghaken deutet auf Abseilaktionen über diese Stelle hin, die jedoch nur zur Bergung notwendig wären, nicht zum Abklettern über die Stufe.

Simon stürmt über die Reichenhaller Gesteine im bizarren Gelände voran

Das erdig, schuttige Gelände im Trichtergelände oberhalb der Stufe stellt für den Bergsteiger ein wenig attraktives Terrain dar und er ist froh, wenn er nach wenigen Höhenmetern auf schmierigem Untergrund eine kleine Grathöhe erreicht, die unterhalb eines Felskopfes nordwestlich auf den Hauptgrat hinüber führt und er damit das sonderbar interessante Gelände der Reichenhall Formation verlassen hat.

Simon an der Engstelle bzw. Geländestufe zum Grünstein Ostgrat

Im Rückblick, nach einigen Höhenmetern am bröselig erodierenden Grat, kann der Unterschied der geologischen Formationen gut erkannt werden. In Bildmitte wird die Reichenhall Formation durch den linken (nördliche) und rechten (südliche) Wettersteinkalkflügel eingebettet. Form und Farbe der Felsen unterscheiden sich deutlich.
Im weiteren Gratverlauf bis zum Gipfel des Grünsteins herrscht dann ausschließlich ungebankter Wettersteinkalk vor.

Vereinigung der Wettersteinkalkflanken des Kerbrisses (nach Ansicht d. Verf.) der Grünsteinschuppe; letzte Sondergesteine der Reichenhaller Schichten rechts neben Simon

Erneut nach einigen Minuten des Aufstiegs wird der Punkt 2.475 m erreicht (verzeichnet in der AV-Karte), der den Abschluss des Aufstiegs aus der Grünsteinscharte über 200 Hm markiert und von dem aus ein erster Überblick über den weiteren Gratverlauf möglich ist. Am Weg dorthin verwundert die ungewöhnliche Kleinstückigkeit des Bruches im dortigen Kalk.

Rückblick auf die Vereinigung der seitlichen Wettersteinkalksporne mit den Reichenhaller Schichten mittig liegend (Form und Farbe!)

Die Einschätzung, die knapp unterhalb von Pkt. 2.475 m über den Gratverlauf getroffen werden kann, ist recht übersichtlich und vollständig. Sowohl der nordseitige Aufstieg etwa mittig in der Überschreitung – über den in der Folge berichtet wird – als auch Pkt 2.563 m sind gut zu erkennen.

erster Überblick über den Grünstein Ostgrat

Auch wenn man über die Girlanden zwischen den Festpunkten noch keine Detailansichten hat so ist der Grat im Verbund mit diesem Blick und dem nach Studium der Längsansicht bei der Fahrt von Locherboden aus für einen Gratkenner und -liebhaber recht gut einschätzbar.

westliche Hinterseite des Gratköpfls

Ein erster rundlicher und leichter Gratkopf stellt sich nach einigen Metern Abstieg sodann in den Weg, der frontal in Angriff genommen wird und jenseitig, im unteren Teil, eher auf der Nordseite zur folgenden Scharte abgeklettert wird. Die scharfe Scharte bildet den Wechsel zurück auf die sonnige Südseite des Grates.

nordseitiger Abstieg in die Scharte

In leichtem Gelände geht es weiter, vorwiegend in Gehgelände, mit Einlagen von kurzen Kletterstellen auf die nächsten höheren Graterhebungen. Ab und zu begegneten wir Steinmandln, die auf einer direkten Gratroute ihrem Zweck nie gerecht werden und somit sehr häufig sinnlos gesetzt sind. Sinnvoll wären sie immer dort wo vom Grat in Flanken abgewichen werden muß. Mit diesem Erlebnis hat wahrscheinlich schon jeder Freund von Gratüberschreitungen Erfahrung gemacht.

Gratpassage auf eine leichte Graterhebung

Bei einem wuchtig aufstehenden Grataufschwung, dem man sein Band der Begehung im dunklen Norden gleich ansieht, erwartet den Bergsteiger ein wenig klettertechnische Prüfung.

Annäherung an die wuchtigste Graterhebung mit nordseitiger Bewältigung

Die Scharte im Vordergrund des eindrucksvollen Klotzes erlaubt einen schönen Talblick auf das Stöttltörl und die Hauptdolomittürme auf die Wankspitze (Klettersteig).

schöner Blick auf das Stöttltörl mit beeindruckendem Wechsel der Geologie zwischen Wettersteinkalk im Hauptkamm und Hauptdolomit im Südausläufer des Wanks

Das schuttbedeckte Band der kalten Nordseite des massiven Grataufschwungs führt teilweise über leicht unangenehm abschüssige Stellen, bis eine deutlich erkennbare Verschneidung die Route nach oben kennzeichnet.

herrliche und leichte Risskletterei über etwa 25 m auf die Grathöhe

Die Verschneidung gefiel uns gleich auf Anhieb, da sie schöne Risse und Stufen enthält, um durch den steilen, etwas schräg nach oben gerichteten Aufstieg wieder die Grathöhe zu erreichen.

Rückblick auf den Nordaufstieg mit herrlicher Untermalung durch den Drachensee

Bevor man an das Massiv des Grünsteins herankommt überschreitet, muss nach dem Aufstieg aus der Nordseite des Grataufschwunges noch ein zweiter, in der AV-Karte verzeichneter Punkt, der Pkt. 2.563 m, der lediglich um 100 m niedriger ist als der Grünstein selber, erklommen werden. Diesen letzten und höchsten Aufschwung erblickt man bereits direkt nach dem Nordaufstieg.

Abstieg zur Scharte (sieht schwieriger aus als er ist)

Wieder trennt eine Scharte die beiden Graterhebungen, wie könnte es anders sein. Ab dem Aufstieg aus der Nordseite bis hin zur Erhebung 2.563 m bewegt man sich vorwiegend im Gehgelände, selbst im steilen Abstieg zur Scharte.

Überblick über den folgenden Abschnitt

Und wieder führt die sinnvollste Route in die Nordseite, der Aufstieg zum Grat jedoch nicht mehr unter Kletterei sondern vorwiegend aufrecht mit teilweiser Abstützung durch die Hände.

in der Nordflanke

Selbst von dem markanten Punkt 2.563 m aus ist der Gipfel des Grünsteins jedoch immer noch nicht einzusehen.

Scharte hinab zu den Drachenköpfen (Beschreibung Geologie O. Ampferer, siehe Text)

Der Abstieg zur Scharte, die dann zum Bergmassiv des Grünsteins überleitet beträgt recht genau 50 Hm, wodurch nach der letzten Scharte noch 150 Hm zum Gipfel zurückzulegen sind.

Rückblick auf Pkt. 2.563 m

Von der markanten,  nicht einladenden Scharte, bzw. der nordseitigen Rinne am Grünstein schreibt Otto Ampferer3: „An der obersten großen Einschartung, wo eine gangbare Schneerinne von Norden heraufreicht, ist ein bituminöser zerdrückter Dolomit eingelagert.“
Es ist also anzunehmen, daß er sie begangen hat, oder, zur Feststellung der Verhältnisse, zumindest über einen Teil abgeseilt worden ist.

Stirnflanke des Grünstein Massivs; Simon blickt in die Scharte zu den Drachenköpfen hinab

Jenseits der Scharte blockiert eine mächtige Stirnwand des steil aufgehenden Grates die direkte Einsicht in das Grünstein Massiv. Wir suchten den Übergang an der untersten Stelle etwa auf Grathöhe und fanden dahinter wenig ansprechendes, monoton steigendes, schuttbedecktes Gelände vor.

Aufstieg hinter der wulstigen Stirnflanke auf den Grünstein Gipfel

Recht steil und zu einem großen Teil mit Schutt bedeckt schien uns die Flanke über ihre gesamte Höhe zu zwingen. Wir überlegten zuerst den Aufstieg im festen Fels ohne Schutt nahe der Gratkante, jedoch erreichte diese Route im oberen Teil senkrechte bis überhängende Partien, die wir nicht erkunden wollten.

unansehnliche Querung der Südflanke des Grünstein Massivs

So blieb uns nicht viel über als einen – dem Bergsteiger unliebsamen – Aufstieg zu unternehmen, und zwar die aufwärtsgerichtete Querung einer wenig strukturieren Felsflanke im Schutt.

Rückblick auf die steigende Querung aus der letzten Scharte

Gegen die Grathöhe hin bildete sich die Flanke dann gestufter aus und wir konnten trotz des enormen Schuttbelags treppenartig weitersteigen. Oben auf Grathöhe erreichten wir die letzte Scharte vor dem Grünstein, die uns sehr brüchig erschien und das Risiko nicht Wert war sie zu durchschreiten.

Umweg unterhalb der Grathöhe in die Südrinne der Gipfelscharte am Grünstein

Die Alternative bestand in der Umgehung der Scharte in ihrer Südrinne, mit etwa 25 Hm Abstieg zu einem Steinmandl hinter dem ein halbwegs taugliches Band unterhalb der Scharte durch die Rinne führte, jedoch wohl unterhalb der Scharte in der Südseite des brüchigen Gipfelaufbaues.

Simon im Rinnentiefsten (oberhalb die Gipfelscharte zu sehen)

Über die Rinne querten wir anschließend auf einem Band steil hinauf zu einem Steinmandl und von dort über wenige weitere Meter auf den Gipfel des Grünsteins. Dieser Teil unserer Gratbegehung ist auch Teil des Normalaufstiegs durch das Riffeltal.

Ausstieg aus der Rinne über einen steilen Aufstieg zum Steinmann

Sehr beeindruckend am Grünstein ist eine umfassende Aussicht, steht er doch als letzter der hohen Gipfel der Mieminger Kette, abgesehen vom signifikant niedrigeren Hochwannig, direkt vor den Lechtaler Alpen im Westen und ist durch die umgebenden Täler weit von anderen hohen Bergen getrennt.

Grünstein, 2.661 m

Der höchste Gipfel der Verwallgruppe, der Hohe Riffler ist genauso sichtbar wie der höchste Gipfel der gesamten Nördlichen Kalkalpen, die Parseierspitze.

interessanter Übergang auf die Marienbergspitzen, im Hintergrund der Wannig als westlichster Gipfel in den Miemingern

Bei der Peilung zu den vorgenannten Gipfeln (siehe Bild in der Galerie) helfen die auf gleicher Achse liegenden markanten Spitzen des Blankahorns (Peilung Hoher Riffler) und des Bergwerkkopfes (Peilung Parseierspitze). Eine Fernsicht von etwa 50 km war uns an diesem schönen Spätsommertag beschieden.

Peilung vom Grünstein zu: Hoher Riffler und Parseierspitze

Nordwärts vom Grünstein hinab geschaut findet sich ein interessantes Hochtal, zweigeteilt durch den scharfen Grat der die Drachenköpfe verbindet, das westlich liegende Schwärzkar und das östlich liegende Drachenkar, letzteres mit dem Durchstieg über die Grünsteinscharte. Drei weitere Kare, getrennt durch massive Nordausläufer der Mieminger Kette vervollständigen deren Nordseite gen Osten hin.

Tiefblick nach Norden auf die Drachenköpfe und den Drachensee, im Hintergrund die Zugspitze

Im unteren Teil des Drachenkars befindet sich der etwa 30 m tiefe Drachensee und in einer weiteren Talstufe darunter, etwa 200 m tiefer, liegt der Seebensee. Beide Wasser liegen eingemuldet in einem Felsbecken glazialen Ursprungs, wie man der sehr interessanten Arbeit von Wolkersdorfer4 entnehmen kann.
Dem etymologischen Ursprung der Bezeichnung „Drachen…“ für den See und dem darüber liegenden Kar ist Wolkersdorfer ebenfalls nachgegangen und hat bei Finsterwalder5 die slawische Ursprungsbezeichnung „draga“ als Synonym für „eine durch Abrutschung entstandene Mulde am Hang“ gefunden.

Grünstein Gipfelscharte die wir gemieden haben

Der Übergang vom Grünstein auf die Marienbergspitzen, bzw. umgekehrt, dürfte eine erstrebenswerte Tour in festem Muschelkalk (Geofast Karte: 116 – Telfs2) darstellen, die in die engere Wahl für den kommenden Sommer aufgenommen wird.

die Griesspitzen im Osten und kaum sichtbar mittig hinter deren Verbindungsgrat der Hochplattig

Deutlich erscheint der Höhenunterschied zu den höchsten Gipfeln in der Mieminger Kette im Osten und zum Niedrigsten im Westen. Der Höhensprung zu den Griesspitzen im Osten erscheint gleich markant als jener zum Wannig im Westen und zöge man eine Gerade von Östlicher Griesspitze zu Wannig, der Grünstein läge mit nur sechs Meter Abweichung nach oben darauf. Zwischen beiden Griesspitzen kann der gerade noch sichtbare Hochplattig erspäht werden.

Gipfel des Hochplattig vom Grünstein aus gesehen

In den Süden hinabgeblickt, ins Riffeltal, schaut der Abstieg weit weniger einladend aus. Die Südflanke scheint aus schlechtem Wettersteinkalk zu bestehen, mit großflächigen Verwitterungsbereichen, die sich völlig schuttüberzogenen Karen und langen, breiten Reisen ausdrücken.

Tiefblick nach Süden ins Riffeltal

Bemerkenswert am Grünstein ist der hervorragende Zustand des offenbar 53-jährigen Gipfelkreuzes und wenn es seine jugendliche Erscheinung nicht allein durch eine äußerst kluge Wahl und Ernte des Holzes verdankt, dann vielleicht zusätzlich der klugen Wahl der Konstruktion, die der Autor bei den vielen Kreuzen auf seinen Gipfeln noch nicht annähernd in dieser Form gesehen hat.

Konstruktion Gipfelkreuz Grünstein

Jeweils die oberen Horizontalflächen der Armausleger sowie der Kopfteil des schönen Gipfelkreuzes werden durch massive schmiedeeiserne Bleche abgedeckt und sind somit bis über ihre Kanten vor Unbilden der Witterung und Blitzen geschützt, ebenfalls das Hirnholz der Auslegerenden (am linken Ausleger leider bereits fehlend). Ein schmiedeeiserner Ring um das Zentrum aller vier Balken mit massiven Schraubstellen an denselben verleiht dem Kreuz die notwendige Verbandsstabilität sowie Bandagen um die Armausleger und geschraubte Laschen durch dieselben die Faseröffnung des Balkenholzes durch Wind und Wetter verhindern.

Band aus der Rinne am Abstieg – so ganz leicht ist es nicht zu begehen

Ein massives schmiedeeisernes Christusmonogramm über dem Kopfteil fängt Blitzentladungen zuverlässig ein und leitet deren Energie über Bandeisen in die Erde ab – wobei wahrscheinlich sogar die Form des „Rho“ und die Schutzpanzerung der Ausleger aufgrund der elektrischen Durchverbindung mit den Halteseilen als zwei Faradaysche Käfige wirken und damit weiteren Schutz gewährleisten.
In jeder Hinsicht ein Meisterwerk der Gipfelkreuzkonstruktion.

Normalabstieg in das Riffeltal; im obersten Bereich noch auf schuttbedecktem felsigem Untergrund

Im Abstieg oben, unterhalb des Gipfels, betritt man noch festen Fels, im eher erdigen Mittelteil kann über lange Strecken auf den Schotterreisen bequem hinab gefahren werden. Aufsteigende im Riffeltal sind im Mittelabschnitt nicht zu beneiden, sie pendeln je nach Untergrundbeschaffenheit zwischen östlicher und westlicher Begrenzung der steilen Mulde, in der der Aufstieg via Direttissima erfolgt.

Mittelteil des Abstiegs durch das Riffeltal

Gegen das unterste Drittel der Abstiegshöhe hin, kann auf der orographisch rechten Seite des Tals wieder über strukturierten, felsigen Untergrund abgestiegen werden, der immer besser wird und sich zur Freude des Begehers schlussendlich noch zu einer netten und leichten Kletterei über die letzten etwa 150 Hm entwickelt.

fester Fels erfreut nach den Schuttpartien im Mittelteil

In einer leichten Verschneidung von gut acht Meter Höhe fanden wir im untersten Teil eine Seilversicherung vor, die, möglicherweise, als die schwierigste Stelle zu bezeichnen ist, die aber ohne solche Sicherung auch problemlos zu meistern wäre.

Schlüsselteil des unteren Drittels

Der letzte Rest des Abstiegs bis zur Reise am Talfuß besteht wieder vorwiegend aus Gehgelände, teilweise mit notwendiger Abstützung mit den Händen in steileren Bereichen.

verseilte Stelle als Schlüsselteil

Am Reisengelände angelangt waren wir von den letzten Klettereien im Abstieg, die in ihrer Ausprägung mit den letzten 100 m im Abstieg vom Oberreintalschrofen verglichen werden können – jedoch weniger ausgesetzt -, recht erfreut.

Blick auf die letzten Abstiegsmeter

Zur bildlichen Dokumentation hätten wir noch die 70 Hm auf den Höllkopf aufsteigen sollen, welches wir aber der fortgeschrittenen Stunde und dem nächsten Tagesziel der Biertankstelle der Marienbergalm zum Opfer fallen ließen. Das Riffeltal mit dem schönen unteren Teil hätte sich am Höllkopf gut dokumentieren lassen und muß ein anderes Mal nachgeholt werden.

Rückblick auf das untere Drittel des Abstiegs vom Grünstein; in Bildmitte der Einstieg oben

Am Weg zur Alm reizte uns der Anblick der Marienbergspitzen welche bereits zur Begehung beschlossen waren und welchen der Simon in den Folgewochen nicht widerstehen konnte. Somit ist ein Teil der Überschreitung auf den Grünstein schon bekannt.

Wannig im Westen und unser Weg zum Marienbergjoch und der Marienbergalm

Die Runde über den Grünstein Ostgrat mit Abstieg über die Marienbergalm führt über 1.630 Hm und rd. 15 km vom Parkplatz Arzkasten und zurück. Eine Abkürzung wäre möglich, wenn am Hölltörl über die Höllreisen zum Lehnberghaus abgestiegen werden würde.

Östliche Marienbergspitze – ein nächstes Zwischenziel

Für die lange empfehlenswerte Variante, die auch den Blick auf die kühn aussehenden Marienbergspitzen ermöglicht, benötigten wir mit allen Pausen und einem Bier auf der Marienbergalm 8:30 Stunden.

Mils, 06.09.2020

1 Raffael Ferreiro Mählmann & Jürgen Morlok: Das Wettersteingebirge, Widerlager der allochthonen Inntaldecke, und die Ötztalmasse, Motor tertiärer posthumer NW-Bewegungen im Mieminger Gebirge (Nordtirol, Österreich): Seite 17

2 Geofast Karte 116 – Telfs:
Reichenhall Formation (gelbe bis ockerfarbene Rauhwacke, Dolomitbreccie, untergeordnet Dolomit und Kalk; Unteres Unteranisium)

3 AMPFERER, O.: Geologische Beschreibung des Seefelder, Mieminger und südlichen Wettersteingebirges: Seite 36-37:
„Der Einschnitt des Grünsteintörls ist ein tektonischer und der Aufbau des Hauptkammes zu beiden Seiten ein verschiedener. Der Westgrat der Griesspitzen bricht in steiler Wand zu der Einschätzung herab, die von einer Anzahl von Felstürmen besetzt wird. Der Muschelkalkzug der Nordwand bildet den untersten Teil des Grates und streicht über denselben auf die Südseite der Scharte, wo er an einer Querverwerfung abgeschnitten wird. Auf der Grathöhe schieben sich zwischen diesen vorzüglich aus Knollenkalken bestehenden Muschel-kalkstreifen und die tiefste Scharte mehrere kleine Felstürme ein, die durch Rutschflächen voneinander geschieden werden. Die östlichste Zackengruppe wird von schwarzen Knollenkalken mit schwarzen, grünen, seltener roten Mergellagen aufgebaut. Die drei kleineren, westlich daran stoßenden Zacken bestehen aus hellgrauem Kalk, der letzte niedrige Höcker vor der Scharte aus zerdrücktem bituminösem Dolomit. Die Scharte wird ebenfalls von diesem Dolomit ausgekleidet, welcher auf beiden Abhängen der Scharte bis zu den geschlossenen Schutthalden hinab reicht. An der Nordseite zieht er sich am Fuße der Kalktürme längs einer Rutschfläche gegen Osten. An der Westseite der Scharte baut er einen kleinen Höcker auf, an den der kühne, aus hellem Wettersteinkalk bestehende Grünsteinturm stößt. Auch dieser Turm ist von den westlich aufragenden Grünsteinköpfen durch eine Spalte abgetrennt. An der Südseite wird dieser große Turm noch eine Strecke weit von dem Dolomit der Scharte umgriffen. Jenseits des Grünsteinturmes erhebt sich der Hauptkamm wieder und leitet über die Grünsteinköpfe zum Gipfel des Grünsteines (2667 m). Dieser Kamm zeigt keine scharfen, hochzackigen Formen, sondern einen mehr treppenförmigen Anstieg. Flache, gegen Westen zu immer höhere Gratstücke, getrennt durch scharfe Einrisse, liegen hier vor. An der obersten großen Einschartung, wo eine gangbare Schneerinne von Norden heraufreicht, ist ein bituminöser zerdrückter Dolomit eingelagert.“

4 WOLKERSDORFER, C. (1989) Diplomarbeit: Zur Geschichte, Mineralisation und Genese des ehemaligen Bergbaues auf die Blei-Zink-Vorkommen SE des Ehrwalder Talkessels (Tirol) mit einer geologischen Kartierung (M 1:10000) im westlichen Mieminger Gebirge:
Anm.: d. Verf.:
Zur Erklärung der Entstehung von Drachensee und Seebensee: Seite 10, 52
Zur Erklärung der Entstehung der Bezeichnung Drachensee: Seite 20 ff

5 FINSTERWALDER, K. (1951): Die Familiennamen in Tirol und Nachbargebieten und die Entwicklung des Personennamens im Mittelalter. – Schlern-Schriften, 81: 1—418; Innsbruck
Anm.: d. Verf.:
Entlehnbar (Stand 01/2021) in der
Provinzbibliothek der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol – Innsbruck

6 MILLER, H. (1965): Die Mitteltrias der Mieminger Berge mit Vergleichen zum westlichen Wettersteingebirge: Seite 190:
„Zwischen Wettersteinkalk eingeschuppt finden sich Reichenhaller Dolomite am Ostgrat des Grünsteins und in der Südostflanke der Handschuhspitzen.“

 

Hochplattig – Überschreitung, 2.768 m

Die höchsten beiden Gipfel in der Mieminger Kette verbindet ein toller leichter Grat mit einigen schönen Kletterpassagen der sich, nach dem Mittelgipfel des Hochplattig, noch etwas schärfer gegen den Hochplattig Ostgipfel hin entwickelt. Nach einem bereits rassigen Aufstieg auf den Westgipfel entdeckt man auf der gut 800 m langen Gratbegehung phantastische Passagen in mäßig schwierigem Fels. Der zeitliche Bedarf der Rundtour wird bereits im Aufstieg klar – im Sommer, bei erwarteter Gewittertätigkeit, soll dies nicht unterschätzt werden.

Rückblick auf den Hochplattig Westgipfel

Der Zug der Hochplattig Berge innerhalb der Mieminger Kette findet sich im Internet geologisch wenig beschrieben. Mit Ausnahme der an ihrem Ostfuß angelehnten Judenköpfe und dem westlich davon entstandenen Erosionsgebiet der „Jude“, findet man wenig, bisweilen vorwiegend Literatur über die Tektonik, nicht aber über die Geologie dieses Teiles in der Kette. Für den Geologen interessant sind der Westteil und der nordwestliche, wannenförmige Teil des Mieminger Gebirges, sowohl tektonisch als auch lithologisch.

schärferer Gratabschnitt Richtung Ostgipfel

Über das beeindruckend auffällige Gebiet der Jude, das den Begeher am oberen Teil des Steigs zum Gachen Blick mehr und mehr zu faszinieren beginnt, können einige kurze Beschreibungen im Netz gefunden werden, die sich am Ende dieses Berichtes zitiert finden.

schönes Gipfelkreuz am Gachen Blick

Unter den alten frei zugänglichen geologischen Arbeiten großer Wissenschaftler befindet sich eine junge, sehr interessante Diplomarbeit über den Bergsturz am Stöttelbach1 eines Geowissenschaftlers, die als Nebenerwähnung zwar nur grundsätzlich erklärend, aber dennoch, die brennende Frage enthüllt, woher die Begriffe im Zusammenhang mit dem Wort „Jude“ stammen. Nach seinen Recherchen entstammt dieser in der heutigen Form veränderte Ausdruck dem Althochdeutschen Wort „Jutta“ der so viel wie Milch bedeutet. Die Herleitung des Zusammenhangs erklärt er mit der milchigen Farbe des Judenbaches nach Niederschlagsereignissen.

Aussicht auf den Anstieg zum Westgipfel des Hochplattig

Die Arbeit zu lesen möchte der Autor unbedingt empfehlen, sie befaßt sich in sehr interessanter Weise mit dem Entstehen des unteren Teils des Aufstiegsgeländes zum Gachen Blick, dem Teil bis auf den Henneberg, sie gibt einen groben geologischen Überblick über die Südhänge der Mieminger Berge und sie enthüllt weitere Flurnamen.

beeindruckende Judenbachschlucht

Das Gebiet der Jude und der Judenköpfe wird geologisch von Ampferer2,3 beschrieben und bietet eine Handzeichnung mit der Gesteinsbestimmung im Vertikalschnitt, die der geologisch interessierte Bergsteiger auch sofort an Form und Farbe im Aufstieg erkennen kann.

die Gehängebreccie am Judenkopf in der rechten Bildhälfte sichtbar

Als sehr interessantes Detail in diesem Gebiet sollten die glazial entstandenen Gehängebreccien beschrieben werden, die – als beachtliche Seltenheit – Kornanateile aus dem Kristallin besitzen. Sie sind auf den Judenköpfen zu finden und im Abstieg vom östlichen Gipfel des Hochplattig auf der beginnenden Flanke oberhalb der Schluchtkante zu sehen – eine Lageskizze liefert Wehrli4.

 

blick in die wilde Judenschlucht

Die Flurbezeichnung „Schwz-Schiefer“ in der AV-Karte ist auf die auffälligen schwarzen Mergelschieferschichten in der Judenbachschlucht zurückzuführen, die man am Weg durch die Rauhwacke und Raibler Schichten vom Gachen Blick zum Wettersteinkalkmassiv der Kette zur Rechten zu Gesicht bekommt.

 

Simon am Wegkreuz Gachen Blick

Eine Vertikalschnittabfolge durch die Mieminger Kette als Übersicht findet man bei Becke4. Leider sind die unteren Flankenteile darauf nicht mehr zu sehen, nur der ab dem Oberplattig vorherrschende Wettersteinkalk.

 

Rückblick auf den Gachen Blick

Mit der eindrucksvollen oberen Abbruchkante der Judenbachschlucht endet der erdgeschichtlich interessante Teil des Aufstiegs. Der ab dieser Höhenstufe vorherrschende Wettersteinkalk der östlichen Mieminger Kette kann als recht fester Fels mit mehr oder weniger großen Verwitterungsflächen mit der typisch ockerbraunen Farbe beschrieben werden, die auch am Grat auftreten, nicht aber solche Ausmaße erreichen wie beispielsweise am Grat zwischen Gamskar- und Brantlspitze in der Roßlochumrahmung des Karwendels.

 

an der Latschenobergrenze und am Steigende angelangt

Der Aufstieg zum Gachen Blick wird hier nicht beschrieben, da er einen normalen Steig darstellt, der in etwa zwei Stunden zum Gipfelkreuz einer der hauptdolomitisch gebauten Vorberge der Mieminger Kette führt. Von unserem Start beim Waldschwimmbad (900 m) in Obermieming benötigten wir knapp zwei Stunden bis zum Hochpunkt auf 1.909 m.

 

in Bildmitte die schwarzen Mergelschieferschichten

Jenseits des Hochpunktes folgen etwa 30 m Abstieg zur Verbindungsscharte zum Massiv. Ab dem Tiefpunkt führt westlich ein schwach sichtbarer neuer Steig durch die Latschen nach oben, östlich brechen die Schutthänge in die Judenbachschlucht ab und haben den alten Steig bereits ungangbar gemacht, bzw. ist die Begehung über ein paar Minuten nur auf wenig einladenden erdigen und geneigten Spuren möglich – bei Feuchtigkeit ober Nässe ungangbar.

 

weglos über Schrofen hinauf

Sobald die Schluchtkante überschritten wurde steigt das Gelände in steilen, schrofendurchzogenen Bergwiesen gegen die Felswände des Hochplattigzuges.

 

am Schluchtriss angelangt

Man strebt einem deutlich sichtbaren schrägen Riss zu, der nordwestlich hinaufzieht. Er hat seinen Beginn unterhalb der Albeleköpfen und zieht beeindruckend weit nach oben zum Grat.

 

schneegefüllter Riss

Bei unserer Begehung Ende Juli befand er sich aufgrund seiner Lage und Tiefe im unteren und Mittelteil noch immer schneegefüllt und aufgrund der beachtlichen Höhe des fast schon zu Eis umgewandelten Firns erweckt der Anblick den Anschein, als würden die tiefsten Stellen über den Sommer nie ganz aper ausschmelzen.

 

im Mittelteil des unteren Aufstiegsteils, rechts neben dem Riss

Auf der rechten Kante des Risses beginnt auf etwa 2.350 m die leichte Kletterei auf gut griffigem und festem Fels. Über schräge Rinnen und Platten wird rasch an Höhe gewonnen, bis weit hinauf stets rechts der Verschneidung, im Mittelteil des unteren Teils noch eine Rippe weiter rechts (östlich) der Verschneidung.

 

unterhalb der Platte nach rechts gequert

Im mittleren Teil des oberen Aufstiegsteils näherten wir uns dem langen Riss wieder, der weiter oben sichtbar auf eine Gabelung hin ausläuft.

 

schöne Aufstiegspassagen mittig im unteren Teil

Eine freistehende, etwas über das Gelände hinausgehobene Rippe leitet in leichter Kletterei auf die Gabelung hin.

Gratrippe

An der Verzweigung ragen die Wände einer gelblichen Felskopfgruppe hoch auf und der rechte Teil der hinauf führenden Rinne erscheint wenig einladend.

Ende der Gratrippe

Das Gelände links ist nicht einsehbar weshalb wir zur Einschätzung über den oberen Rand des Schneefeldes querten und den weiteren Anstieg fanden.

am Ende des unteren Teils, hier Gabelung – weiter nach links

Eine völlig andere Geländeform fanden wir nach einigen Minuten Aufstieg nach der Querung vor. Das Gelände bestand, soweit sichtbar, aus breitem Plattengelände ohne signifikante Erhebungen, mit einförmiger Steigung gerichtet, eine typische Rutschfläche.

Rückblick auf das Plattengelände

Zum Grat hin stieg die Neigung der Felsfläche nochmals etwas an, bevor sie an der Überleitung zum Grat wieder abflachte und über Bänder bequem die Grathöhe erreicht wird.

herrliche Passagen im Plattengelände

Von der Grathöhe westwärts erreichten wir in wenigen Minuten den Westgipfel des Hochplattig, mit dem einzig intakten Gipfelkreuz der drei Haupterhebungen. Den Aufstieg zum Westgipfel bewältigten wir somit in knapp über 4 Stunden.

Simon auf der Grathöhe zum Westgipfel des Hochplattig

Trotz des nicht recht gnädigen Wetters konnten wir uns am Ausblick nach Norden erfreuen, wo die imposanten Erhebungen des westlichen Wettersteinkammes aufragen. Leider die Gipfel alle im Nebel.

Simon am Westgipfel des Hochplattig, 2.749 m

Im Westen bot ein Sonnenfenster Sicht auf die Ehrwalder Sonnenspitze mit den nahen Gipfeln der Gartner Wand und des Grubigsteins der Lechtaler Alpen im Hintergrund, im Vordergrund der Tajakopf

Blick auf die sonnenbeschienene Ehrwalder Sonnenspitze, dahinter die Lechtaler Alpen

Im Nordwesten reicht der Blick über den das Talbecken von Ehrwald einfassenden Daniel, dem höchsten Gipfel der Ammergauer Alpen und knapp rechts daneben auf den imposanten Säuling, im Norden besticht der umkehrende Zug der höchsten Wettersteinberge mit dem höchsten Gipfel, der Zugspitze.

Ehrwalder Becken mit Daniel dahinter

Im Norden hat man einen guten Blick auf einen der Übergänge im Wetterstein, dem Gatterl, das eine Einsattelung im Hauptkammm darstellt.

Wettersteinkette im Norden gegenüber, im Vordergrund der Breitenkopf, 2.469 m

Nur sehr kurz gab uns der von Süden ständig neu heraufziehende, hartnäckige Nebel die Einsicht auf unsere Gratüberschreitung frei, die wir nach etwa zwanzig Minuten Gipfelpause in Angriff nahmen.

Blick auf die Überschreitung zum Hauptgipfel des Hochplattig

Auf der jenseitigen Gratstrecke vom Aufstieg beginnt der Grat zunächst mit einem höheren Aufstieg und einem tieferen Abstieg zu einem Schärtchen hinter dem ersten Kopf, bevor ein weiterer hoher Kopf erklommen werden muß.

Abstieg hinter dem ersten Gratkopf

Nach den ersten beiden abgerundeten Erhebungen geht das Auf und Ab mit weniger Höhenunterschied weiter, teils in Gehgelände, teils mit zu überkletternden Stufen.
Eine Gratbiegung ermöglicht einen weiten Blick auf die Hochwand im Osten.

zweiter Gratkopf

Kurz danach folgt eine nicht abkletterbare Stelle die südlich zu umgehen ist, die in eine scharfe Scharte mit dem ockerfarbenen Verwitterungsmaterial abfällt von der es jenseits im Klettermodus steil nach oben weitergeht.

Simon im schmalen Schärtchen

Anschließend wird die Überschreitung wieder leichter wobei die nach Süden einfallenden Platten der Überschiebungsschuppe interessante Gratformen ausgebildet hat, die überklettert werden müssen. Die Girlandenform des Gates bietet dabei Einsichten in die dunkle Nordseite.

tolle Köpfe zu überklettern, immer in leichtem bis mäßig schwierigem Fels

Kurz vor dem Hochplattig-Mittelgipfel schlängelt sich der Gratbegehr durch ein paar nette Gratköpfchen hindurch, bevor ein Abstieg auf einer glatten Platte erfolgt, der in eine schauerliche schmale Schlucht in die Nordwand abfällt.

Rückblick auf die Gratgirlande mit dem Autor, im Hintergrund der ferne Westgipfel

Die Platte wird am Saum zum darüberliegenden Felskopf gequert, um wieder auf die Gratkante zu gelangen. Diese und der darauffolgende Abstieg leiten auf das letzte Stück zum höchsten Kopf des Hochplattig über, auf den Mittelgipfel mit der größten Höhe von 2.768 m. Dieser wird in ein paar Minuten über nur mehr wenig gestuftes Gratgelände erreicht.

Abstieg zu den Grattürmchen

Schade, daß das Gipfelkreuz zusammengebrochen beim Steinmann liegt, nachdem es offensichtlich schon vorher geflickt werden mußte.

die plattige Stelle wird direkt unter dem aufgesetzten Kopf auf den Grat hinausgequert

Wir haben uns nicht ins Gipfelbuch eingetragen, aber trotz fehlender Sicht wegen des Nebels ein paar Minuten pausiert.

Hochplattig Mittelgipfel 2.768 m mit zerstörtem Gipfelkreuz

In Richtung Ostgipfel des Hochplattig, 2.698 m spitzt sich der erste Gratabschnitt zu und wird etwas schärfer. Beste leichte Kletterpassagen folgen auf die Gehstrecke, die, beginnend am Mittelgipfel den zweiten, kürzeren Teil der Überschreitung einleitet.

Rückblick auf den Westgipfel

Die Strecke fällt nun mehr als sie steigt, es gilt auf gut 350 m Horizontalentfernung 70 m abzusteigen.

Gratabschnitt zum Hochplattig Ostgipfel, Blickrichtung zum Hauptgipfel

Durch eine bärige Abfolge von Köpfchen zu beiden Seiten hindurch trifft man auf eine tiefere Abkletterpassage, von der die Signalstange des Ostgipfels bereits sichtbar ist.

wieder durch Köpfchen und Türmchen hindurch

Am Weg dorthin folgt ein Gratstück mit kleinstückigerem Fels, auch etwas brüchiger.

bereits am Abstieg mit sichtbarer Signalstange am Ostgipfel des Hochplattig

Ein letzter steiler Abstieg mit vielleicht den interessantesten Kletterstellen der gesamten Überschreitung folgt vor der letzten Scharte, die auf das Gipfelköpfchen führt.

letzter interessanter Abstieg zum Ostgipfel

Für den Übergang von West- zum Ostgipfel wurden 1:20 Stunden benötigt.

der rassigste Abstieg vor dem Ostgipfel

Leider kann die Überschreitung nicht auf dem gesamten Verlauf eingesehen werden, da der Ostgipfel, sowie der Westgipfel verdeckt vom abwärts geneigten Grat liegt und wir hatten auch nicht das Glück den Gratverlauf bis zum Alplscharte einsehen zu können.

Simon in der Trennscharte zum Ostgipfel des Hochplattig

Beim Abstieg ins Oberplattig ist man auch bei Nebel gut aufgehoben, denn die markante Felsverschneidung im Osten leitet optisch gut über die schuttbedeckte Flanke hinab, die mit verminderter Geschwindigkeit begangen werden muß, will man nicht am steilen Schutt dahin rollen und ausrutschen.

Hochplattig Ostgipfel, 2.698 m

Die Bänder im oberen Bereich werden mit zunehmender Tiefe weniger, dafür steigen kurze Reisen in ihrer Länge an, sodaß darauf abgefahren werden kann. In Summe jedoch ist der Schrägabstieg ins Oberplattig, bzw. zum Schluchtrand mühsam, wie Hangquerungen in Schuttgelände es so an sich haben.

Blick zur Hochwand, leider der Grat zur Alplscharte nicht einsehbar

Wir sind direkt unter dem Ostgipfel in südwestlicher Richtung abgestiegen, um eine direkte Linie zum Steig auf den Gachen Blick zu gelangen.

langer querender Abstieg zum Gachen Blick

Den Abstieg von Ostgipfel bis zum Ausgangspunkt beim Waldschwimmbad darf man zeitmäßig nicht unterschätzen, wir benötigten mit sehr schnellem Schritt dafür 2:30 Stunden.

Judenkopf mit aufgesetzter Gehängebreccie von Bildmitte nach links steigend (hinter dem Nebel kaum erkennbar)

Bis zum Schluß der tollen Runde wollte der Nebel die Gipfel nicht freigeben.

Rückblick vom Gachen Blick auf den Hochplattigzug; verfallender Steig im Vordergrund, der links in den Latschen umgangen wird

Die letzten Eindrücke im Rückblick von der Moosalm aus blieben leider auch mit Nebel behaftet.

Ansicht des Hochplattig von der Moosalm

Die Rundtour führt auf eine Strecke von etwa 17 km über rund 2.000 Hm (Anzeige Bergsteigeruhr 1.945m, jedoch mit Genauigkeit +/-5m pro Höhenänderung) Anstieg und Abstieg, gesamt – mit allen Pausen (gesamt 45min auf den Gipfeln) – haben wir 8:30 Stunden benötigt. Die reine Gehzeit liegt etwa bei 7:45Stunden.

Mils, 25.07.2020

1 Westreicher, 2019: DER BERGSTURZ AM STÖTTLBACH; Diplomarbeit, Institut für Geographie Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften Universität Innsbruck
1.3.9 Flurnamen
6.3.3 Erklärung des Wortstammes „Jude“

2 Ampferer, 1905: Geologische Beschreibung des Seefelder, Mieminger und südlichen Wettersteingebirges
(Seite 60 – 62, Fig. 20.)

3 Ampferer, 1924: Erläuterungen Zur Geologischen Spezial- Karte der Republik Österreich Blatt; Zirl-Nassereith
Beschreibung Gehängebreccien, Seite 36, 37

4 Wehrli, 1927: Monographie der interglazialen Ablagerungen im Bereich der nördlichen Ostalpen zwischen Rhein und Salzach
Skizze der Lage der von Ampferer beschriebenen Gehängebreccien oberhalb der Judenbachschlucht auf den isolierten Felskämmen bei 1.972 m und 2.194 m, Fig. 1, Seite 366

5 Becke, 1983: Zur Geologie des Mieminger Gebirges
Beilage 3 (Seite 27)

 

Hochwand, 2.719m – Überschreitung vom Karkopf

Mit einer Luftlinienentfernung beider Gipfel der Hochwand vom Karkopf von gerade 1,25km mutet die Strecke eher kurz an. Freunde der Gratkletterei sind sich jedoch bewußt, daß die Erstbegehung einer Überschreitung ein zeitintensives Unternehmen sein kann – die Hochwand als Überschreitung vom Karkopf stellt darunter eine mittellange Tour dar. Dabei werden auch mehr als 300Hm Aufstieg bewältigt.

Rückblick am schmalen Grat – deutlich an Höhe gewonnen

Zusammenfassend kann die Gratstrecke als eine leichte Überschreitung mit ein paar interessanten Stellen in teilweise, nicht allzu sehr aber doch, ausgesetztem Gelände eingestuft werden. Hinsichtlich der Kletterschwierigkeiten vergibt der Autor für den Großteil der Kletterstellen eher II und einige einzelne Stellen mit III. Ein großer Anteil am Grat besteht aus reinem Gehgelände, das sich auf kurzen Strecken auch zur Schneide mit Fußbreite zur Begehung verschmälert.
Die gesamte Strecke für den sicheren Felsgeher allemal ein Gustostück.

Simon und Evi am Karkopf – hinten die Hochwand

Der Anstieg zum Karkopf wird hier nicht beschrieben, er ist beim Erstversuch der Überschreitungstour zu finden.

Abstieg vom Karkopf – über die Scharte in die Nordwand

Bei gutem Wetter erreichten wir den Karkopf gegen 10 Uhr, nachdem wir am Parkplatz „Lucke“ um 7:20 gestartet sind. Nach einer kurzen Rast am Gipfel unter überraschend frischer Thermik starteten wir den Abstieg zum Sattel nach dem Karkopf in Richtung Westen.

kurzer Abstieg – entweder auf einen runden Kopf, oder 5m tiefer zur Querung

Da wir diese Strecke bereits erkundet haben ging der Abstieg diesmal schneller.
Nach den paar Metern vom Gipfelkreuz fällt der Karkopf unter viel Schutt am Fels gleich steil ab und sofort wird auch die schmale Scharte in die Nordseite sichtbar, die man bei der Erstbegehung nicht sofort als den zielführenden Weg wahrnimmt.

im Vordergrund der kleine Kopf, an dessen Westseite abgeklettert wird

Nordseitig der Scharte herrschte zwar Windstille, aber die Temperatur war entsprechend frisch. Für diesen ersten Teil empfahl sich in unserem Fall die Jacke und Evi benötigte sogar Handschuhe. Auch so kann ein Vormittag im Sommer am Grat aussehen.

tieferer Abstieg zur Querung als Variante den kleinen runden Kopf zu überklettern

Ein paar Meter in der Rinne unterhalb der Scharte hinab wird eine kleine runde Felskuppe sichtbar, die etwas unbequem erreichbar ist, jedoch den besseren Weg darstellt, also weitere etwa fünf Meter hinab und westwärts querend wieder links in eine weitere schmale Scharte aufzusteigen.

Westseite des runden Kopfes

Hinter der Felskuppe zieht im festen Fels ein schöner Riss nach unten, der sich perfekt für den Abstieg in eine etwa 15m tiefer liegende Schlucht eignet.

Abstieg in eine kleine Schlucht mit breitem Band

Dort befindet sich der erste Steinmann, der nicht den weiteren Weg am Felsband markiert, sondern bei dem man etwa zwei Meter vorher über plattigen Fels zu einer Verschneidung mit dem überragenden Felskopf aufsteigt und dahinter leichtes Gehgelände vorfindet.

kurzer Aufstieg zu einer Schneide und Wechsel auf die Westseite – noch vor dem Steinmann

Nun ist man im Sattel nach dem Karkopf und diese kurze Strecke war auch so ziemlich die einzige auf der gesamten Überschreitung bei der man die Route wirklich suchen muß, kennt man sie nicht – deshalb die detaillierte Beschreibung.

Westseite der Schneide

Ein Foto mit eingezeichneter Route des Abstiegs vom Karkopf befindet sich in der Bildergalerie.

Nach dem Sattel stellt sich sogleich ein hoch aufragender Felskopf am Grat in den Weg. Er könnte wahrscheinlich nur sehr aufwändig umgangen werden, bietet jedoch eine schöne Kletterei in festem Wettersteinkalk mit einer ersten kniffligen Verschneidung im oberen Teil.

der erste zu überschreitende Gratkopf – leicht rechts der Bildmitte der schöne Riss, der in zwei Stufen erklettert wird.

An seinem Fuße ist die klettertechnische Bewältigung sofort klar ersichtlich. Der erste Aufschwung ist mit guten Tritten und Griffen leichter als der obere Teil, der durch seine V-förmige Verjüngung und glatten Wänden für Reibungstritte sorgt.

Evi im unteren Teil des Risses

Die Wasserlöcher zu beiden Seiten der Verjüngung sorgen für bombenfeste Griffe, die Tritte müssen allerdings sorgsam auf Reibungsstellen gewählt werden und es gilt ohne aufgeschnittene Knie dir kurze – durchaus nicht schwierige – Stelle zu meistern.

etwa 6-7m beträgt er Aufstieg des ersten Teils

Hat man die schöne Strecke bisher ohne Probleme überstanden wird man auch die weitere Überschreitung überstehen, allerdings mit ausgesetzteren Passagen als bei der bisherigen nicht ausgesetzten Strecke. Bis hierher werden etwa dreißig Minuten benötigt.

Simon in der zweiten Stufe

Am Steinmann vorbei führt der Weg entweder direkt auf die Grathöhe oder verlaufend auf diese hinauf und auf einen schrägen plattigen Kopf, der an seinem Westende fast senkrecht abbricht und der mit festem Fels einen schönen Abstieg zu einer schmalen Scharte bietet.

Rückblick auf die erste schöne Kletterstelle

Jenseits der Scharte wird leicht in der Nordflanke auf den nachfolgenden Kopf aufgestiegen, dessen nachfolgender Gratverlauf ein tolles Polster von Enzian mit einer überraschenden Dichte bietet.

kurzer Abstieg zu einer Scharte und jenseits gleich wieder hinauf mit Gehgelände

Es folgt entspannendes Gehgelände in toller Kulisse mit der immer noch 250Hm höheren Hochwand (die ursprüngliche Höhe des Karkopfes ist erst nach der Gehstrecke wieder erreicht – etwa eine Stunde nach Beginn der Überschreitung).

und wieder ein Köpfchen überschritten

Am Ende der kurzen Gehstrecke wird ein nächster Felskopf erreicht, der südseitig angeschnitten wird und dessen Grathöhe über eine Verschneidung erreicht wird.

über eine Verschneidung rechts auf die Grathöhe

Oben kann dem Gratverlauf – bei direkter Routenwahl in brüchigem Fels – durch ein südseitig gelegenes leicht schuttbedecktes und abschüssiges Felsband ausgestellt und die Grathöhe vermieden werden, was uns sinnvoller erschien.

den obersten – etwas brüchigen Kopf – links (südseitig) umgangen

Den Kopf südseitig umrundet sieht man sich einem nächsten gegenüber, immer ähnlich geartet mit Schuttbändern zu beiden Gratseiten und einem festen Kern, der, geologisch bedingt, durch höhere Witterungsbeständigkeit den Kopf bildet.

weiteres Gehgelände im Schutt

Er wird direkt an der Grathöhe überschritten und die Trennung vom verlaufenden Grat wird durch eine Scharte mit ein paar Meter Abstieg gebildet.

und wieder auf den Kopf hinauf

Vor der Scharte ist bereits die Bewältigung des folgenden Kopfes einsehbar. Sie erfolgte mit unserer Einstufung nach einer plattigen Stelle wiederum südseitig auf Schuttreisen. Nordseitig erschien eine Begehung zu Beginn der Strecke auch möglich, jedoch verjüngt sich das Schuttband zusehends, weshalb wir uns für die Südseite entschieden haben.

links auf breiterem Schuttband weiter hinauf (auf glattem Fels hinter Evi ein Haken mit einem alten Seilstück – könnte man überschreiten, wir sind es links umgangen

Etwa eine Stunde nach Verlassen des Karkopfes ist nun wieder seine Höhe erreicht und es wird klar, daß der geodätische Höhenunterschied von 250Hm erst hier beginnt, wenn nicht weitere Scharten abzuklettern wären.

das Gelände am Grat wird merklich steiler

Ein kleiner Kopf in der Folge am Grat kann überklettert werden und an seiner Rückseite über seine steil geneigte platte Oberseite in einem Riß abgeklettert werden. Er kann auch – so haben wir entschieden – südseitig umgangen werden.

das Gelände wird schmaler

Im Anschluß folgt eine wenig aufregende Strecke mit Passagen am eher breiten Grat mit einigen kleinen Köpfchen und stetig großer Steigung. Wie wir oben sehen konnten war dieser Anstieg jener auf den letzten großen Felskopf, bevor der Grat mit dem Ostaufbau der Hochwand verschmilzt.

Evi im Abstieg

Eine letzte scharfe Scharte trennt diese hohe Graterhebung vor den rassigen Partien im Übergang zum Bergmassiv. Zur ihr muß etwa 15m abgeklettert werden.
Vom höchsten Punkt am Vorkopf kann der Verlauf des Grates der Gegenseite gut eingesehen werden und dieses vorausliegende Stück ist eines der am meisten ausgesetzten auf der gesamten Überschreitung.

Umgehung der brüchigen Formation südseitig auf schmalem Band

Bevor jedoch dieses Stück beginnt ist noch ein brüchig aussehender Aufschwung zu nehmen. In direkter Sonnenbestrahlung von oben konnten wir im sehr hellen Kalk kaum eine gangbare Route über den Aufschwung erkennen und kletterten zunächst ab, um mehr Kontrast in die Sicht zu bringen.
Von der Scharte aus wurde die Route über den Aufschwung dann klar, sie mußte südseitig, etwas ausgesetzt, umgangen werden. Oberhalb der Umgehung erreichten wir eine flache Stelle mit nordwärts geneigten Platten und am Ende dieser eine Minischarte mit etwa eineinhalb Meter Abstieg vor der steilen, anspruchsvollen Felsflanke.

eine interessante und ausgesetzte Stelle voraus

Trotz der zunächst grimmigen Erscheinung der Felsflanke ist selbige eher leicht zu klettern, fester Fels und genügend große und zahlreiche Griffe und Tritte ermöglichen die sichere Passage auf eine Flachstelle oberhalb. Wir kletterten die Route auf ihrer Nordseite, bei sie zwar ausgesetzt, jedoch mit guten Tritten und Griffen bestückt ist.

vor dem steilen Aufstieg etwa 1,50m hinab zu einer Minischarte

Nach der flacheren Stelle führt die Route etwa halb um den emporragenden Felskopf herum und endet in einem Felswinkel mit etwas Schatten. Dort konnten wir den Anschluß am Grat studieren – eine steile Flanke mit eher glatter Oberfläche, aber mit einer gutgriffigen Peripherie nahe am nordseitigen Abbruch.

Simon und Evi im jenseitigen Aufstieg

Diese Route kletterte sich leichter als die Platte, auch wenn es von unten etwas prekär aussieht.
Mit dieser Passage ist der Anschluß an das Bergmassiv der Hochwand erreicht.

nordseitig etwas ausgesetzt

Oberhalb dieser Stelle beginnt der Ostgrat der Hochwand. Steil führt die am leichtesten erscheinende Route zuerst ein bisschen in die Nordflanke hinein, um dann wieder die Grathöhe zu erreichen.

Rückblick nach der Kletterstelle von der Grathöhe

Nach einigen Minuten wird noch eine markante Stelle erreicht in der der Schichtenbau der Hochwand richtig deutlich wird. An dieser Stelle muß eine schräge Platte ein paar Meter auf schmalem Band in genussvoller Kletterei begangen und anschließend wieder auf die Grathöhe aufgestiegen werden.

atemberaubende geologische Ausbildungen

Dies ist die letzte nennenswerte Stelle am Ostgrat, die in Kletterei gewältigt wird. Der Restaufstieg erfolgt in Schrofengelände auf den höheren der beiden Gipfel der Hochwand, der kein Gipfelkreuz trägt.

letzte schöne und leichte Kletterstelle voraus

Vom hinteren, höheren Gipfel erreicht man über einen, sowohl vom Zeitbedarf, als auch von der klettertechnischen Anforderung her, nicht zu unterschätzenden Grat den vorderen Gipfel mit dem Gipfelkreuz. Mit einigem Auf und Ab und einer Umgehung auf der steilen Südostseite erreichten wir in gut 15min den Hauptgipfel, der vom hintern Gipfel aus in greifbarer Nähe schien.

knapp unterhalb des Ostgipfels

Die Höhenangaben der AV Karte mit 2.715m für den vorderen und 2.719m für den hinteren Gipfel erscheinen bei der optischen Betrachtung schwer glaubhaft, sieht der hintere Gipfel, vom vorderen aus betrachtet doch wesentlich höher aus.

weiter zum westlichen Hochwandgipfel mit dem Kreuz – Panorama der westlichen Mieminger

Richtung Norden findet sich ein grandioser Blick auf die Zugspitze und Teile des Jubiläumsgrates.

Zugspitzmassiv

Im Nordosten fällt der Blick auf den leicht zu begehenden Hochwanner (2.744m) und den der rassigen und schwierigen Teufelsgrat im Wettersteingebirge in seiner vollen Länge.

Richtung Nordosten in das Wetterstein geblickt

Das Gipfelbuch mit der kunstvollen Grafik verrät, daß die Hochwand pro Jahr nicht sehr viele Besuch erhält – erstaunlich aber die Winterbegehungen mit den Abfahrtrouten.

Gipfelrast auf der Hochwand

Den phantastischen, abwechslungsreichen Grat rückblickend betrachtet kommen die Erinnerungen an jede einzelne markante Graterhebung wieder.

damit alle zu ihrem Gipfelfoto kommen – Hochwand, 2.719m

Nicht ganz zwei Stunden haben wir für die Erstbegehung benötigt, mit dem Vorteil den Abstieg in den Sattel nach dem Karkopf schon zu kennen.

Verbindungsgrat der beiden Gipfel der Hochwand im Überblick – der hintere Gipfel mutet wesentlich höher an, als nur die 4m, die im Kartenwerk abzulesen sind

Der Abstieg darf hinsichtlich Rutschgefahr ebenfalls nicht unterschätzt werden, ein sorgfältig gesetzter Tritt ist vonnöten.

Details am Grat zwischen Karkopf und Hochwand

Vor allem im oberen Teil liegt viel Schotter am Fels der den Sicheren Tritt auf Querpassagen trügerisch werden läßt.

nicht zu unterschätzen der Abstieg

Im unteren Teil muß eine kurze sehr steile Passage abgeklettert werden. Bei Gewittergefahr sollte also die Abstiegszeit beachtet werden.

östlicher Teil des Grates zwischen Karkopf und Hochwand

Tourdaten: Gut 12km (horizontal in der Karte gemessen, räumlich ~14km), 1.700Hm und 7 ½ Stunden Gesamtzeit (ohne das knappe Stündchen Einkehr und das empfehlenswerte Essen in der Alplhütte).

Feuerlilie vor dem Strassberghaus

Mils, 06.07.2019

 

Schitour Hohe Munde, 2.592m – Ostgipfel

Außergewöhnlich! – kann als treffendes Schlagwort für die famose Schitour auf die Hohe Munde verwendet werden. Außergewöhnlich hinsichtlich ihrer ausgesetzten geographischen Lage, ihres freien und steilen Aufstieges ab der Rauthhütte, ihrer Abbrüche ins Tal vor allem nach Süden und nicht zuletzt wegen ihres phantastischen Ausblickes und eines reizvoll ausgeprägten Gipfelerlebnisses.

Rückblick auf den Punkt der kürzesten Distanz zum Felsabbruch

Wer die Schitour auf den Ostgipfel der Hohe Munde einmal begangen hat, der wird sie wohl nie wieder vergessen, vor allem dann nicht, wenn er sie bei Kaiserwetter erleben durfte. Der mehrfach anregende  Aufstieg ist ein Erlebnis der Sonderklasse.

der Großteil der tollen Mann-/Damenschaft

Bereits kurz nach Tagesanbruch leuchtet die Hohe Munde über dem Inntal und kurz darauf verrichtet die aufgehende Sonne im März ihr tauendes Werk am ungeschützten und gewaltig aufsteilenden Osthang, weshalb der zeitige Aufbruch angeraten ist.

Hohe Munde um 6:30 Uhr bei Kaiserwetter

So reizvoll und erhaben der Osthang bei gutem Wetter aussehen mag so furchteinflößend und unfallträchtig mag er bei der Begehung bei nicht passenden Verhältnissen sein, allem voran ein hart  gefrorener Aufstieg und schlechte Sicht. Am Großteil des Aufstiegs nach der Baumgrenze gibt es kaum Orientierungshilfen.

Aufstieg am Parkplatz Mundestadl

Während wir gegen 6:30 Uhr am Parkplatz der Rauthhütte „Mundestadl“ auf 1.180 m losmarschieren befindet sich der Gipfelbereich bereits im markanten malerischen gelblichen Morgenlicht und keine Wolke ist weit und breit zu sichten.

Aufstieg unter herrlicher Sonnenbestrahlung schon weit vor der Rauthhütte

Den Abmarsch eine halbe Stunde früher zu legen hätte es leicht vertragen, aber wir waren immer noch zu einer vernünftigen Zeit unterwegs und bis zur Rauthhütte kraschelte es recht laut unter den Fellen und die Schi klapperten obendrein am bock hart gefrorenen Firn der ehemaligen Liftabfahrt – ein klassischer Moment der menschlichen Hilflosigkeit gegenüber der Stille der Natur, der mit lärmender Technik überbrückt wird die alle morgendlichen Vogelstimmen übertönt.

Ostflanke im Zoom – ein paar Gipfelstürmer bereits eine gute halbe Stunde vor uns

Zu einer ansehnlichen Gruppe gereift stiegen wir über die noch vorhandene Abfahrt des früheren Mundeliftes (Betrieb bis 2003) auf. Nach einer Viertelstunde tauchten wir sieben Begeisterten bereits in die Morgensonne ein, weit vor der Rauthhütte, die zu dieser Morgenstunde noch im Tiefschlaf lag.

kurze Trinkpause vor dem rassigen Aufstieg

Vor, sowie hinter uns gar nicht wenig Gleichgesinnte, selbst der großflächige Parkplatz war um halb sieben Uhr an seiner Peripherie bereits restlos gefüllt und trotzdem empfanden wir den Aufstieg nicht als überlaufen.

Morgenstimmung als wäre es später Vormittag

Wenn eingangs über die besonderen Eigenschaften dieser Schitour die Rede war, dann kann zunächst der Eindruck an Tageszeit bei der kurzen Trinkpause bei der Rauthhütte (siehe Fotos) erwähnt werden. Dieser Eindruck vermittelte in 1.600m Höhe durch den dortigen Sonnenstand und der bereits enormen Strahlungsintensität ein gewisses „Zehn-Uhr-Dreißig-Gefühl“ und doch war es noch nicht einmal genau halb acht Uhr früh; ein nicht alltägliches Erlebnis nach dem drei Tage zuvor beendeten Winter.

die seichte Mulde durch die der Aufstieg führt

Den schwer beschreibbaren Blick des kolossalen Steilhanges dem Betrachter direkt vor Augen japst die Seele förmlich nach der Besteigung dieser Schönheit, gleichzeitig aber wächst ein gewisser Respekt vor den folgenden 1.000 Höhenmetern bis zum Gipfel.

das Abenteuer beginnt

Nach der Rauthhütte erfolgt der Aufstieg in einer mäßig ausgeprägten unbewachsenen Mulde, die nach oben hin steil wird und gleichzeitig die – vermutlich durch Lawinen von der mächtigen Hohen Munde herab hinuntergedrängte – Baumgrenze auf etwa 1.700m bildet.

am Ende der Mulde, vor der Drehung nach Süden

Am Ende der Mulde wechselt die Aufstiegsrichtung stetig steil ansteigend ziemlich radikal von Westen nach Süden auf die markante Ostflanke der Hohen Munde zu, den Hang dabei schneidend. Sie erreicht dabei auf sehr kurzen Passagen Hangneigungen von mehr als 40°, denen durch die Routenwahl so gut wie möglich ausgewichen wird und die nicht so steil empfunden werden.

welch Panorama im Norden!

Ab dieser Position – etwa auf 1.900m – werden die Auswirkungen der tageszeitlichen Erwärmung im Frühjahr voll schlagend.
Die Steilheit des Hanges mit teilweise 40° Neigung angenommen mag mit dem Sonnenstand zu Frühlingsbeginn am Morgen einen Einfallswinkel von nahezu 60° bilden – welcher gleich ist mit jenem, den die Sonne zu Sommerbeginn am Mittag auf die als horizontal angenommene Erdoberfläche bildet(!) – sodaß um diese Tageszeit bereits nahezu die maximale Wärmestrahlung wirksam werden kann.

fotohungrig nicht nur der Autor

Diese Extremsituation gegen acht Uhr früh muß erst einmal begriffen werden – am besten man erlebt sie unter „live-Bestrahlung“ an der Ostflanke der Hohen Munde direkt. Eine weitere eingangs erwähnte Superlative dieses außergewöhnlichen Berges.

Querung auf die Ostflanke

Wir erreichten diese Passage etwa um acht Uhr und stellten bereits mehr als einen Zentimeter unter die Oberfläche aufgetauten Firn fest und viertelstündlich verstärkte sich die Auftautiefe.

auch hier schon ordentliche Hangneigungen

Etwa zwanzig Minuten später im Aufstieg wird auf 2.000m ein kurzer flacherer Teil des Hanges erreicht, der sich zur Trinkpause vor dem steilsten vorausliegenden Abschnitt eignet.

kurze Trinkpause bei der Flachstelle ~2.000m

Ab dieser Stelle folgen knapp 600Hm Aufstieg mit den steilsten Passagen. Zunächst folgt die Route noch der geringsten Hangneigung Richtung Südwesten, bei unserer Begehung durch eine leichte Nassschneerutschung der vergangenen Tage hindurch, danach um eine schwach ausgeprägte Hangrundung herum bis nahe an den markanten südlichen Felsabbruch heran (nicht so nahe, daß unmittelbare Absturzgefahr bestünde).

Nassschneerutschung der letzen Tage – zu spaßen ist nicht mit spätem Aufbruch

Anschließend dreht die Richtung nach Nordwest und der Aufstieg folgt in Spitzkehren durch die steilste Passage mit einer Hangneigung laut TIRIS von mehr als 40°. Die Passage ist nicht sehr lang, sie erfordert kaum zehn Minuten Durchstieg.

am Felsabbruch angelangt – jedoch ohne Absturzgefahr mit richtiger Ausrüstung bei passenden Verhältnissen

Mit etwas weniger Steigung geht es weiter, die linken Spitzkehren im Aufstieg meist recht nahe am Felsabbruch, dem der Aufstieg etwa 100Hm parallel folgt und bei dem sich ganz oben atemberaubende Fotoszenen bieten.
Bei harten Schneeverhältnissen könnten diese Passagen unangenehm und bei Sturz gefährlich sein.

bei diesem Prachtwetter ein einziger Traum diese >40° Passagen

Oberhalb des Felsabbruches dreht der Aufstieg wieder nach links, mehr nach Westen, und erreicht weniger steile Bereiche rechts der beginnenden Lawinenverbauungen, wobei die Neigung aber in der Bandbreite zwischen 30 und 35° bleibt.

den Felsabbruch bereits überwunden, unterwegs zu einer leicht flacheren Passage

Kurz vor dem Erreichen des signifikant flacheren Gipfelhanges (<<30°) führt der Aufstieg an die Lawinenverbauten heran, bzw. oberhalb der zweiten Netzreihe über die Kuppe auf den Gipfelhang.

der Restaufstieg im Überblick – die Stimmung in gleisendem Licht am Höhepunkt

Dieser kurze letzte Teil ist nochmals deutlich steiler als 35° und führt über die Kuppe.

Hohe Munde Osthang im Rückblick

Die Kuppe des Gipfelhanges wird bei ca. 2.540m betreten und auf einem breiten, pistenähnlichen flachen Hang mit nordseitigem Lawinenverbau führt der Anstieg die restlichen 50Hm auf das riesige, vollständig flache Gipfelplateau und weiter zum Gipfelkreuz des Hohe Munde Ostgipfels.

am Gipfelhang Richtung Zugspitzmassiv

Der Ostgipfel ist um 70m niedriger als der eigentliche Hohe Munde Gipfel im Westen mit 2.662m. Die Route dorthin ist vollständig einsehbar und führt über den anfänglich schmalen Gratrücken auf den Osthang und zum Gipfelkreuz.

am Hohe Munde Ostgipfel Richtung Hohe Munde Westgipfel – ein schönes weiteres Ziel im überwältigendem Gelände

Wer die Tour dorthin fortsetzen will muß etwa 70Hm abfahren, wieder Auffellen und etwa 150Hm Aufstiegshöhe vom Tiefpunkt auf das etwa 900m entfernte Ziel einrechnen. Am Rückweg fallen wieder die 70m Aufstieg auf den Ostgipfel an, die Tour dorthin schlägt also in Summe mit zusätzlichen 230Hm zu Buche.

Tiefblick Inntal Ost

Den phänomenalen Rundblick von der Hohen Munde durften wir an diesem so perfekten Tag mit unglaublicher Fernsicht erleben. Die Bilder spiegeln nur Bruchteile wider, so konnten wir beispielsweise den mehr als 90km fernen Großglockner eindeutig erkennen.

Tiefblick Inntal West

Die Stubaier Alpen im Süden entfalten sich vor dem Betrachter gleichsam dem Bühnenbild im Opernhaus. Im Norden das gewaltige Massiv der Zugspitze und nach Osten folgend konnte jedes Detail der wilden Grate des Wettersteingebirges betrachtet werden.

die nördlichen Stubaier – so manch Ruetz nennt sie „heimatliche Sellrainer“

Weit im Osten das Karwendel mit einem kleinen Einblick in die noch tief winterlichen Karwendeltäler, die in einigen Wochen mit sagenhaft schönen Frühjahrstouren aufwarten werden.

a Mammut alive and a young one on the right

Nicht unerwähnt soll auch der Blick zu beiden Seiten ins Inntal bleiben – selten ein Punkt im Inntal, der diese Spanne an Einblick in die Talschaft zu liefern vermag.

das schönste Gebirg‘ der Welt – öffnet seine Pforten in wenigen Wochen für die Frühjahrsklassiker

Ein weiteres Highlight dieser phänomenalen Schitour stellt die Abfahrt dar. Kraftraubend sind die steilen 1.000Hm der Ostflanke ebenso zum Befahren, auch wenn, wie in unserem Fall, beste Firnverhältnisse vorherrschen. Da der Hang viel befahren wird präsentiert er sich zum Teil wie eine klassische Buckelpiste und, 100Hm am Stück beherzt abzufahren, lassen die Oberschenkel mächtig brennen.

Stimmung an der Kante – vor 1.000Hm Steilabfahrt…

Die notwendige Rast nach jedem Teilstück der Abfahrt besteht nicht nur im Abkühlen der Oberschenkeln und der Beruhigung des Kreislaufs, sie ruft die Nebenwirkung des Genusses der umgebenden Landschaft hervor, der, beim Bier von der Rauthhütte aus beurteilt, durch den zu gierig angegangenen weißen Rausch eigentlich viel zu kurz kommt.

der Exzellente unter den Schifahrern hält immer ein Lächeln bereit. Ob es diesmal dem Abfahrtserlebnis gilt?

Wir hatten uns bemüht nach der Kante oben nicht direkt über die Aufstiegsroute abzufahren, sondern orografisch rechts, bis tief hinab zum Felsabbruch genau in seiner Falllinie. Das Gelände war dort noch nicht so sehr zerfahren wie am direkten Osthang. Mit Respektabstand zur Abbruchkante wechselten wir nordostwärts auf den breiten runden Osthang nun orografisch links vom Aufstieg.

Innehalten und weit blicken

Der Rest der Abfahrt über die latschenbewachsenen Teile der unteren Ostflanke zeigte kurz nach zehn Uhr vormittags schon sehr weiche Schneeverhältnisse, dennoch gut zu befahren. Als Abfahrtsroute im unteren Teil des Hanges, die bereits wieder mit vereinzelten Baumgruppen bewachsen sind, wählten wir die direkte Linie am Hang, mitten in den lichten Wald hinein und über das letzte steile Stück im Wald zur Rauthhütte.

ausgleiten zurück in die Zivilisation

Eine sagenhaft vielfältige und anregende Schitour mit dauerhaftem Temperament über alle Abschnitte und bleibenden Eindrücken ging beim vormittäglichen Frühschoppen auf der Hüttenterrasse zu Ende.

den Gesamteindruck der Erlebnisse kann an Brittas Gesichtsausdruck abgelesen werden

Bei wenigen kurzen Trinkpausen und einer knappen halben Stunde am Gipfel hat dieses Juwel an Schitour 4:25 Stunden in Anspruch genommen (ab Parkplatz Mundestadl und zurück zur Hütte, die Abfahrt Rauthhütte – Parkplatz nicht mitgerechnet). Die Höhenmessung zeigte 1.405Hm. Die Track-Aufzeichnung in der Bildergalerie wurde bewußt erst nach der Rauthhütte gestartet und dient nur der Veranschaulichung der Aufstiegs- und Abfahrtsroute.

und am Gesichtsausdruck aller beim Frühschoppen

Harscheisen sind auf dieser Tour Bedingung (wir haben sie nicht benötigt), Spitzkehren sollten in steilem Gelände einwandfrei beherrscht werden und eine gewisse Erfahrung mit steilen Schitouren sollte mitgebracht werden. Wer sie bei Prachtwetter begangen hat der rät schon bei leicht zweifelhaften Wetter-/Schneebedingungen dringend ab, nicht nur der Sicherheit wegen, auch des Erlebnisses wegen. Berg Heil!

Mils, 24.03.2019