Rosskopf Südostgrat bis Stempelspitzen, eine Traumtour

Schon lange beschäftige ich mich im Halltal bzw. im Karwendel Ost mit Touren die nicht mehr bekannte oder normale Aufstiege darstellen. Immer nach dem Ziel alte, vergessene oder wenig begangene Routen zu entdecken. Nun habe ich eine solche ausgeführt: Rosskopf Südostgrat bis Stempelspitzen eine Traumtour

Der Rosskopf Südostgrat ist zwar unten allen Begfexen und Kennern des Halltales bekannt, jedoch dürfte es sich nur um eine gute “Handvoll” Bergsteiger handeln die diese Route wirklich nehmen. Das Gipfelbuch nennt einige Namen, die auf den spärlichen Seiten seit Beginn des neuen Gipfelbuches ca. 2002 immer wiederkehren. Manche davon mehrmals pro Jahr. Und es sind wenige Seiten, die seit der Neuauflage des GB beschrieben worden sind.
Meinen kurzen Gipfelaufenthalt nutzte ich auch, um eine Übersicht zu bekommen wieviele Personen den Rosskopf jährlich meistern und unterteilt auch mit welcher Route. Da man in diesem Kreis Bergsteiger auch den Anstieg bzw. die weitere Route mitteilt, konnte ich erkennen, daß bei ca. 70 Eintragungen ca. 120 Personen pro Jahr den Rosskopf besteigen, ganz grob in etwa die Hälfte davon über den SO-Grat. Somit müssen es mindestens 50 Personen sein, bzw. noch weniger verschiedene Individuen, denn manche machen die Tour bis zu fünfmal pro Jahr.
Wozu die Statistik? Vielleicht ist sie in ein paar Jahren Zeuge für Veränderungen die mit der Wahnsinnsaktion der Straßensperre ein Einklang zu bringen, oder auch die Folge davon ableitbar ist.

Wie auch immer, zuerst steht das Bergerlebnis. Und über dieses möchte ich nun berichten.

Die wunderschönen Tage des fortgeschrittenen August 2012 wären vergeudet, würde man nicht eine Bergtour damit verbinden. Die Fernsicht dieser Tage ist dermaßen verblüffend klar, daß ich einige Fotos nur aus reiner Neugier geschossen habe, um zuhause mit einer Kartenpeilung herauszufinden welcher Gipfel es westsüdwestlich gewesen ist, den ich noch nie vorher vom Karwendel aus gesehen habe. Ich bilde mir ein, es muß einer der hinteren Ötztaler gewesen sein und schätze die Fernsicht auf 70 bis 100km.

 

Der Einstieg dieser interessanten Route ist genau wie im AV-Führer beschrieben in einer gräßlich brüchigen Rinne ca. gute 150Hm vom W-Bandesteig höher zu finden, siehe die grüne Markierung:

 

Die orange Markierung mag eine Variante sein, oder auch der Normalanstieg; jedenfalls bin ich froh sie nicht genommen zu haben, denn knapp nach dem Einsteig kamen ganz schön bedrohliche Brocken heruntergebraust. Kurz danach sollte ich dann sehen, daß Herr Gamsbock in seiner Pracht an der rechten Gratflanke dafür verantwortlich zeichnete. Ich hatte in weiser Voraussicht einen Hut dabei, jedoch wissen wir, daß der nicht alles ist.

Weiter oben gibt es dann eine Art Verschneidung zwischen links, sehr steil in der Rinne weiter, oder rechts, etwas flacher auf einer glatten Platte, mit aufziehendem schlechten und sehr gebrächem Fels. Die Stelle ist unverfehlbar, ist sie doch tief orange gefärbt und sehr lehmig.
Ich entschied mich instinktiv für die Rinne links in etwas besserem Fels, jedoch insgesamt sehr brüchig und man fühlt sich teilweise zu Unrecht als “Lahninger”, weil sich auf den tief schuttbedeckten Schluchtböden kleinerer Steinschlag nicht verhindern läßt. Das ist nun der Vorteil; die Tour ist so wenig begangen, daß man keinen Kollegen gefährdet.

Am Ausstieg aus der teils bedrohlichen Rinne trifft man wieder auf den gut vetrauten grauweißen festen Karwendelkalk; dort wo er (fast) senkrecht emporsteigt fest und griffig, dort wo er weniger als 45° Neigung aufweist, mit viel Schutt bedeckt und teilweise trügerisch als Tritt zu verwenden.

Nun habe ich, die Route noch nicht kennend, wahrscheinlich einen Fehler gemacht und habe die Wand gleich nach dem Ausstieg aus der Rinne zu weit rechts (nordöstlich) genommen, was mir luftige 15Hm in senkrechtem Fels gleich am Abbruch in das Bachofenkar bescherte und den Puls zusätzlich in die Höhe trieb. Beim Abstieg glaubte ich dann zu erkennen, daß es links, weiter südlich, leichter gewesen wäre. Mir war es aber zu plattig und zu griffarm. Die echte, richtige Passage werde ich bei den Nachbesteigungen erforschen müssen:

 

Der Rest bis zum Gipfel ist Routinearbeit, jedoch kräfteraubend, teils schwer schuttbedeckt und steil. Trotzdem aber irgendwie interessant.
Die Bedeutung eines Steinmandl kurz unterhalb einer Scharte bei dem man, geleitet von der Routenbezeichnung “Südostgrat” geneigt ist rechts weiterzusteigen, jäh auf einem Turm endet an dem es auf allen Seiten nur sehr sehr tief in das Bachofenkar hinabstürzt, erkennt man ebendann, steigt die zehn Meter gerne wieder zurück und umrundet die Scharte. Von dort aus dürften es noch an die 100Hm zum Gipfel sein, den man dann stolz erreicht.

Über den Blick am 18.08.2012 habe ich eingangs philosophiert, nun der Abstieg auf vertrauter Gratroute zu den Stempelspitzen (Manuel und ich haben den Rosskopf bereits auf dieser Route im September 2006 gemeistert als er nicht ganz 13 Jahre alt war).
Der Abstieg bzw. die Gratüberschreitung zu den Stempelspitzen ist ein Genuß und die Fotos können die tolle Perspektive der Wirklichkeit gar nicht so gut wiedergeben. Trotzdem bitte ich alle Leser die Passagen genau anzusehen, es gibt dort vom “Bändchen” mit guten 5cm breiten Tritten bis hin zu “Schärtchen” die einen Spreizschritt erfordern und viele weitere variantenreiche Situationen bei den man all die erlernten Klettertechniken anwenden kann/muß. Dabei kann ich kaum eine IIIer Stelle erkennen die der AV-Führer in weiser Vorsicht erwähnt, für mich sind alle Passagen im II.ten Grad beheimatet.

An die Kondition stellt die Überschreitung aber wohl eine Herausforderung, oder es ist mir so vorgekommen, weil ich an einem der wirklichen Hundstage unterwegs war.

An der vorderen Stempelspitze angekommen kokettierte ich mit der Pfeiser- und Lattenspitze, aber ich hatte ja versprochen um 16 Uhr zuhause zu sein, um mit den Kindern in der alten Heimat Pirchat, Vomp ein Fest zu feiern. Daß daraus nichts wurde, wußte ich auf der vorderen Stempelspitze noch nicht. Also sauste ich hinunter, nahm bei Karl schnell ein Bier und dann noch eines  kurz vor dem Radldepot bei der Magdalena bei Werner.
Wie wolkenlos dieser Tag war zeigt ein Foto in der Galerie unten, dessen Perspektive jedem Halltalfreak bekannt sein wird, und man muß schon ganz genau hinsehen, um erkennen zu können, daß da wirklich ein Wölkchen am Himmel war.

 

Insgesamt 6:45 Stunden ab Mils mit dem Radl und retour bis Magdalena, wobei der Aufstieg von Mils bis zum Gipfel in 4:20 gemeistert wurde. Ohne den Versuch eine Spitzenzeit zu erreichen, da es die Premiere war und die Route auch erst erforscht werden mußte.

Rainer Antretter 20.08.2012

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