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Wettersteinwand, 2. 483 m – Abstieg über Rotplattenspitze

Als längste Kette im Wettersteingebirge wird nicht nur der Gipfel selbst, auch die gesamte östliche Teillänge des Wettersteinhauptkamms ab der Meilerhütte als Wettersteinwand bezeichnet. Der Wettersteinwandgipfel selbst bildet dabei die höchste Erhebung in diesem Teil und er ist ausschließlich weglos und mühsam zu ersteigen. Ideal für weitgehend einsame Abenteuer am Grat.

Wettersteinwand, 2.483 m

Zur Besteigung der Wettersteinwand kommen zwei Aufstiege in Betracht, ein leichter über die Rotplattenspitze und ein etwas anspruchsvoller über das Bergleintal und die lange Flanke unter dem Grat nach den drei Scharten mit Aufstieg auf den Wettersteinkopf. Empfehlenswert erscheint letztere Variante, da die Klettereien im Aufstieg passieren und der Abstieg vorwiegend im Gehgelände erfolgt. Überhaupt ist der Grat über die atemberaubende Schneide des Musterstein im westlichen Teil die schwierigere und wird sanft im Ostteil nach dem Gipfel der Wettersteinwand bis zur Rotplattenspitze.

Blick ins Bergleintal

Der ideale Ausgangspunkt ist ein kleiner Parkplatz etwas oberhalb des Gasthaus Hubertus in Reindlau. Dieser Ort muß auch eine besondere Tradition unter den Bayerischen Bergsteigern des letzten Jahrhunderts haben, denn dort befindet sich eine kleine Ansammlung von Gedenkkreuzen von abgestürzten Kameraden von Bergsteigervereinigungen.

Talstufe im Bergleintal

Zunächst entlang des Bergleinbaches und später durch den Mischwald wird eine Talstufe erreicht, durch die der Bach eine bemerkenswerte Klamm geschnitten hat. Mit Hilfe der Inntalvergletscherung und die kaum vorstellbaren Wassermassen, die seit der Gebirgsbildung des Wettersteins im Gelände sägten, kann man sich die ansehnliche Schluchttiefe leichter erklären.

tiefer Schluchteinschnitt durch den Bergleinbach

Die Schlucht, lediglich auf 1.300 m gelegen, bot dem Verfasser zum wiederholten Male beachtliche Restschneemengen, die den Sommer als Schneebrücke über der Klamm überdauern. Eine Begehung der Schneereste wäre ein töricht hohes Risiko.

nach der Talstufe im Bergleintal

In Serpentinen wird die Talstufe genommen und etwa ab 1.450 m wird der Steig oberhalb der Steilstufe etwas flacher, der Mischwald endet allmählich und lediglich Latschen säumen von dort den Aufstieg.

Schäferhütte mit Musterstein

Etwa eine Stunde führt der Steig – meist nahe an den steil von den Öfeleköpfen herunterziehenden Felswänden – durch das Bergleintal, bis die Hirtenhütte des Schafzuchtvereins erreicht wird. Sie liegt nahe dem Steig zur Meilerhütte auf 2.000 m, dem Quellgebiet des Bergleinbachs.

 

dichter Nebel verhindert die Sicht auf den Anstieg zum Wettersteinkopf

Von der Hütte aus richtet sich nun der Blick schräg nordostwärts über die Südflanke der Wettersteinwand hinauf zum Grat, wo der Wettersteinkopf sichtbar ist – zumindest an Tagen ohne hartnäckigen Nebel, der den Verfasser den dauerhaften Blick verwehrte und den Aufstieg zum Grat in besonderer Weise beeinflusst hat, wie gleich zu berichten sein wird.

Rückblick auf den Einstige in die „Gänge“

Diese Route gilt es zu verfolgen, um den Vorgipfel der Wettersteinwand, den Wettersteinkopf zu erreichen (der AV-Führer spricht von einer längeren Querung der Südflanke, hinein bis in die Verschneidung zwischen Wettersteinkopf und Wettersteinwand; diese Route mag nach den Beobachtungen im Aufstieg nicht empfohlen werden).

Bergleintal bis Lochlehn

Am Beginn der Flanke muß eine etwas unangenehm zu querende Schuttreise durchschritten werden in der man tunlichst nicht zu hoch aufsteigt, um im wiesendurchzogenen Schrofengelände nicht in zu steilem Gelände weiter zu steigen. Es empfiehlt sich die Gasse etwas oberhalb der vom Einschnitt des Bergleinbaches heraufziehenden Latschen und der darüberliegenden Felsschrofen anzuvisieren. Hinter diesem „Einstieg“ mag dann mit mehr Steigung in der Flanke „Gänge“ in der AV-Karte aufgestiegen werden.

Gemsen im Aufstieg

Das rippige, girlandenförmige Gelände über die Südflanke herab und der unberechenbare Nebel versperrten dem Verfasser meist im entscheidenden Moment die Sicht auf den Grat bzw. Auf den Hochpunkt und so wurde die Querung im Aufstieg zu einem gewissen Blindflug, der zum Schluß darin resultierte, daß die geeignete Rinne zum Grat, die noch westlich vom Wettersteinkopf den Grat erreicht, nicht gefunden, sondern in der Tiefe überstiegen wurde.

Rückblick im Aufstieg; hier bereits schon zu östlich, um die Rinne zum Grat zu erwischen

Nachdem das Gelände steiler und schroffiger wurde und sich auch die Ausbildung des oben erwähnten Einschnitts zwischen den beiden Gipfeln abzeichnete, empfand der Verfasser es an der Zeit eine Position zu bestimmen. Als Hilfsmittel diente der GPS-Standort, der auf der unterlagerten Karte der AV-App zur Verwunderung anzeigte, daß nur mehr etwa 120m Aufstieg zu bewältigen sein würden, die Position jedoch direkt unterhalb des Wettersteinkopfs lag. Es lag also auf der Hand die Aufstiegsrinne verfehlt zu haben.

Endstation mit der Ostquerung

Ostwärts in die Verschneidung erschien aufgrund des schärfer werdenden Geländes nicht die gute Option zu sein und bergwärts geblickt versperrten ansehnliche Wände den Blick auf ein Ziel. In solchen Fällen kann man weiter herumirren, oder auch eine kleine Rast einlegen und hoffen, daß sich irgendwann der Blick nach oben auftut und eine Route ersichtlich wird.

mögliche Aufstiegsvarianten etwa 120 Hm unterhalb dem Wettersteinkopf

Letzteres war nach einem Griff in die Studentenfutterdose und einigen weiteren Minuten der Fall wobei zwei vielversprechende Routen die Qual der Wahl eröffneten – links ein schöner und leicht kletterbarer Riss in eine steile Scharte und geradeaus in eine etwas flachere Mulde, jedoch ohne Aussicht auf den Grat. Der gefasste Beschluss fiel zugunsten der Route geradeaus und wenn sich selbige als unkletterbar erweisen sollte, ein kurzer Rückzug und links hinauf.

Variante Direttissima, links wäre die flache Mulde

Es kam insofern anders, als daß sich beim Erreichen der Mulde, an einem hellen, als frisch zu bezeichnendem Abbruch wieder eine Gabelung öffnete, die rechts noch besser aussah als die Mulde. Der Eindruck dieser Verschneidung erschien trotz immenser Steilheit als machbar, sie verjüngte sich nach hinten oben zusehends und die Felsqualität sowie die Oberflächen deuteten auf leichte Kletterbarkeit hin, mit einziger Unbekannter – das Gelände oberhalb der Stufe.

rechts die schöne Verschneidung gefunden

Die letzten Meter in der Verschneidung ließen sich mit wirklichem Genuss klettern, der die Angst vor der ungesicherten Kletterei auf die oben leicht überhängende Kante weitestgehend schwinden ließ. Handrisse, Absätze und Flächen als Tritte zum Gegenstemmen in den Wänden zu beiden Seiten ermöglichten einen sicheren Aufstieg, bei dem auch der Rucksack durch die Engstelle gezwängt werden musste.

Rückblick auf die Verschneidungskletterei

Wie meist bei solchen Situationen erweisen sich die solchen Engstellen darüber liegenden Geländeflächen als flacher und zum Glück war das auch der Fall. Eine kleine ebene Fläche konnte zur Erkundung des Geländes in aufrechter Position genutzt werden. Der Absturz links der Rippe war der obere Teil der flacheren Mulde, die zuerst um Aufstieg ausgewählt wurde. Diese erwies sich als eher glatt, mit kleinbrüchigen Schuttflächen belegt, was nachträglich die absolvierte Route als goldrichtig aufwertete.

ein Blick auf das folgende Ziel

Die Orientierung war nach wenigen Metern weiteren Aufstiegs endlich gegeben und zeigte das überraschende Ergebnis bereits etwa 30 m östlich des Gipfelsteinmannes am Wettersteinkopf angekommen zu sein, womit die Positionsbestimmung im Schrofengelände unten bestätigt wurde. Leider erledigte sich somit ein Teil der schönen Gratkletterei auf den ersten der beiden Gipfel des Tagesziels.

Rückblick auf die Direttissima

Eine bescheidene Aussicht an diesem – an sich schönen – Tag eröffnete dennoch einen fast ungetrübten Blick gen Westen zur Zugspitze und nach Norden auf Garmisch-Partenkirchen mit dem ebenfalls im Nebel gefangenen Kramerspitz.

Blick zu den Ammergauern mit dem Hausberg der Garmisch-Partenkirchner, Kramerspitz

Nach Osten, auf die Wettersteinwand, mochte ein Bild ohne Nebel nicht klappen, auch nicht mit erneuter Wartetaktik. Also wurde der Grat in Angriff genommen und über den ersten Kopf gegen die Scharte abgestiegen.

Aussicht gegen Westen mit dem Zugspitzplatt

Den ersten Gratkopf durchzieht auf der Abstiegsseite ein Band mit Wiesenpolstern. Der anschließende kleine Buckel wird rechts umgangen, den Grund dafür erkennt man im schroffen Abbruch auf dessen Gegenseite, die mit einigem Auf und Ab weiter hinab in die tiefste Einsenkung führt.

Überschreitung nach Osten auf die Wettersteinwand; zunächst erfolgt der Abstieg in die Scharte voraus

Im Gegenaufstieg begegnet man gleich im unteren Teil ein paar schärferen Stellen, die mit dem Körper südseitig auf guten Tritten leicht erklettert werden. Die anschließenden Gratstücke können meist aufrecht, mit kaum nennenswertem Einsatz der Hände begangen werden. Kleine Schärtchen runden das Graterlebnis ab. Für den Übergang rechne man mit einer knappen halben Stunde.

gefolgt von einem Abstieg in die Scharte

Die Überschreitung vom Wettersteinkopf auf die Wettersteinwand beträgt etwas mehr als 500 m und dabei fallen etwa 60 m Abstieg und 120 m Aufstieg an. Die weitere Strecke zur Rotplattenspitze beträgt gute 800 m und für den Übergang auf die die geodätisch gut 80m niedrigere Rotplattenspitze sind knapp 50 m Aufstieg vonnöten.

schöner Aufstieg jenseits der Scharte

Der gesamte Übergang beträgt somit knapp 1.400m und dabei werden kaum 200 m Aufstieg bewältigt – in Summe ein sanfter Grat, der auch als solcher vom Tal aus gesichtet wird.

Rückblick im Aufstieg zur Wettersteinwand

Mit dem Fortschritt der Tageserwärmung löste sich auch der zähe Nebel  mehr und mehr auf und bescherte am Gipfel der Wettersteinwand teilweise einigermaßen brauchbare Sicht auf die Wettersteingipfel und Umgebung, leider aber nicht über den begangenen Westgrat hinaus.

gemütlich geht es am Grat dem Wettersteinkopf entgegen

Ein neues Gipfelkreuz trugen uns drei Individualisten ein gutes Jahr vor dieser Besteigung, im Juli 2020, auf die Wettersteinwand hinauf.

Gratverlauf erster Teil zur Rotplattenspitze

Die Gipfelbuchschachtel schließt dicht und bewies bereits im ersten Winter Trotz gegenüber Durchfeuchtung. Es bleibt zu hoffen, daß das nette Kreuz ohne Blitzschutz lange überleben wird.

Rückblick auf die Überschreitung vom Wettersteinkopf

Der breite Grat zur Rotplattenspitze kann durchgehend ohne Ablegen der Stöcke begangen werden. Klettereien gibt es keine und auch keine großen Höhenunterschiede durch Scharten, ein Spaziergang mit gut 80 m Gefälle.

letztes Gratstück zur Rotplattenspitze

Die Rotplattenspitze bildet den östlichsten Punkt der Runde. Man könnte von ihr noch weiter auf die Obere Wettersteinspitze überschreiten, welche wieder einen rassigen Übergang über die Mittagsscharte darstellt.

Obere Wettersteinspitze von der Rotplattenspitze, toller Gratübergang

Der Abstieg von der Rotplattenspitze erfolgt über den südöstlich ins Tal hinabziehenden Grat. Er wird weiter vorne verlassen und links neben dem Grat steil abgestiegen, die Gratrippe stets zur Rechten.

Südrippe von der Rotplattenspitze hinab zur Fleckalm

Weiter unten, in glattem plattigem Gelände, bzw. unterhalb dessen, wendet sich der Abstieg nach links der Fleckalm zu. Bereits von weit oben können die Steige in der weiten Mulde der Fleckalm eingesehen werden und man präge sich von oben den Einstieg des Steiges in die Latschen ein, um ihm später unten zu finden.

bereits abgestiegen und auf den Platten angekommen

Eine detailliertere Beschreibung des Abstiegs findet sich im oben verlinkten Beitrag der Oberen Wettersteinspitze.
Zurück zum Parkplatz werden die Wanderwege nördlich des Bauernwinkels benutzt.

Durchschlupf am Steig nach Lochlehn

Die Runde vom Wettersteinkopf über die Wettersteinwand bis zur Rotplattenspitze und zurück erstreckt sich über 1.560 m und 11,5 km. Man rechne 7 bis 8:30 Stunden mit kleinen Pausen.

Mils, 18.09.2021

Obere Wettersteinspitze, 2.297m – Überschreitung zur Rotplattenspitze 2.399m

Der Gebirgszug als Namensgeber des sehr festen Wettersteinkalkes wird an seinem östlichen Ende von den beiden Wettersteinspitzen begrenzt – unser Ziel stellte die höhere der beiden, die Obere Wettersteinspitze dar, von der aus die Überschreitung über den tollen Grat auf die Rotplattenspitze erfolgte.

Obere Wettersteinspitze in toller Stimmung

Weder der Südanstieg auf die Obere Wettersteinspitze noch der Abstieg von der Rotplattenspitze sind markiert. Es gibt einen Steig über die Klamm, die von der Rotplattenspitze herunterzieht – im oberen Teil in der AV-Karte mit „Dischlerklamm“ bezeichnet. An- und Abstieg sind sehr steil und die Runde über den Grat stellt den Höhepunkt dar, der die steile Zuwegung jedenfalls rechtfertigt.

die Tour im Detail - eine tolle leichte Runde
die Tour im Detail – eine tolle leichte Runde

Durch die vollständig auf der Wetterstein-Südflanke gelegene Rundtour über beide Gipfel können im späten Herbst die goldenen Tage mit der letzten Sonne genossen werden, auch bald am Morgen bei frühem Aufbruch.

im unteren Teil der Schotterreise, nach dem Ende des Waldes

Am Tag unserer Begehung allerdings mußten wir uns lange gedulden bis Simon und ich in den Genuß der so sehnsuchtsvoll erwünschten Bestrahlung kamen – erst gegen mittags beim Eintreffen am Gipfel der Rotplattenspitze lichteten sich die Hochnebel und die Sonne brach durch.

Anstieg zum Steig

Zunächst starteten wir in Lochlehen nach mulmigem Gefühl ob der Parkplatz wohl nicht jemandes Eigentum verletzte in den Wald nördlich des Weilers, der weithin sichtbaren Schotterreise zwischen den beiden Gipfeln zustrebend.

kurz vor dem Steig – der markante Vogelbeerstrauch im Herbst in rötlichem Kleid

Nach der kurzen Waldpassage wird über ein paar Minuten auf Forstwegen am unteren Ende der Reisen ein Jagdhüttchen erreicht, von dem ein deutlicher, aber teilweise unterbrochener Steig über Wiesen in die Schotterzone hinaufzieht.

Rückblick am Weg zum Umgehungssteig

Bevor sich die Reise zur Klamm ausformt liegen auf ihrer rechten Begrenzung zwei deutlich sichtbare Ausbuchtungen und bei der oberen der beiden zieht von der rechten Begrenzung der Reise ein wenig deutlich sichtbarer Steig nahezu im rechten Winkel hinauf an dessen oberen Ende bereits die ausgeschnittenen Latschen erkennbar sind, die den Beginn eines großzügig ausgeschnittenen Steiges bilden. Ein auffallend rot gefärbter Vogelbeerstrauch bildet im Herbst eine auffällige Landmarke zur Auffindung des Einstieges.

der Steig im oberen Teil

Der steile Steig stellt im Prinzip nichts anderes als die östliche Umgehung der Klamm dar. An einer Stelle befindet sich an einem Steinspitzl eine alte verblichene rote Markierung, was darauf hindeuten könnte, daß er nicht ausschließlich jagdlichen Zwecken dient, oder diente.

knapp nach dem Ende der Latschen und des Umgehungssteiges

Auf etwa 1.650m endet der Umgehungssteig und freies Bergwiesengelände löst den dichten Latschenbestand im unteren Aufstiegsteil ab.

Wir folgten den Wiesen weiter nordöstlich dem Südgrat der Oberen Wettersteinspitze zustrebend. Das Gelände enthält einige Steigspuren, auch deutlich ausgeprägtere, die aber alle nicht unseren Geschmack für die Aufstiegsrichtung trafen. Daher kreuzten wir diese nur und setzten unseren Aufstieg im zunehmend schrofendurchsetzten Gelände in Richtung Südgrat fort.

knapp unterhalb des Gratrückens beobachten die Gemsen von markanter Stelle den Simon

Ein paar Gemsen säumten unseren Weg und beobachteten unser Treiben in stoischer Ruhe.
Etwas unterhalb der Grathöhe erblickten wir ein auffälliges Stück Stahl im Wiesengelände, das nach näherer Untersuchung ein eigenartiges Gefühl hinterließ. Es handelte sich um einen Bombensplitter, gut 10mm stark und mit vielen Berstrissen durch die Explosion durchzogen – ein untrüglich Zeichen daß das Stück vom Umfang eines Bombenmantels stammt.

der Verfasser müht sich die steile Flanke hinauf – im Hintergrund die Rotplattenspitze

Sehr auffallend beeindruckte der Erhaltungs- bzw. der wenig ausgeprägte Korrosionszustand nach etwa 75 Jahren im Hochgebirge. Man hatte die besten Materialien für die niedrigsten Zwecke verschwendet. Gottseidank ist die tödliche Fracht hier heroben auf nahezu 2.000m niedergegangen und hat sein Ziel nie erreicht.

ein Bombensplitter inmitten der Südflanke der Oberen Wettersteinspitze etwa auf 2.100m

Der wenig ausgeprägte Südgrat der Oberen Wettersteinspitze läßt bereits etwa 250Hm unterhalb des Gipfelkreuzes einen Orientierungsblick auf dasselbe zu. Allein die noch vor dem Kreuz liegenden Türme, Scharten und Rinnen können nicht so gut eingesehen werden, daß bei der Erstbegehung die Ideallinie erkennbar wäre. Wir entschieden uns für eine Variante etwas rechts der direkten Sichtverbindung zum Kreuz und stiegen in die steilen Geländeformen ein. Die Sichtverbindung endet in diesem Gelände gleich darauf.

An Süd(grat)rücken zur Oberen Wettersteinspitze, Gipfelkreuz sichtbar

Nach einigen letzten Schrofen wurden die Stöcke verstaut und rassiges leichtes Klettergelände wurde vorgefunden. Schlußendlich standen wir vor einer etwa 10m hohen Rippe aus festem Fels gebildet und sahen uns gezwungen durch einen sich ober verjüngenden Riß auf den Grat zu gelangen, um die Orientierung zum Kreuz wiederzufinden.

die Untere Wettersteinspitze und ihr wilder Grat zur Oberen Wettersteinspitze – eine eigene Tour…

Simon bewältigte die oben an einen „guten Dreier“ grenzende Stelle in Entschlossenheit und fand die Sichtverbindung am Grat sofort, sodaß der alte Mann nachsteigen konnte, zunächst in der Meinung keinen Höhenverlust mitmachen zu müssen. Eine wirklich tolle Passage mußten wir beide von oben feststellen, absolut fest und mit Wasserrippen durchzogen, die beste Klemmgriffe bildeten.

Schlüsselstelle am Gratturm östlich der leicht zu begehenden Rinne zur Oberen Wettersteinspitze

Die Freude über die schöne Stelle währte am weiteren Gratstück allerdings nicht sehr lange, denn wir mußten feststellen am Vorkopf des Gipfels angekommen zu sein. Ein etwa 10m tiefer Abstieg trennte uns durch eine Schuttrinne vom Gipfelaufbau. Diese Hürde mußte noch genommen werden, wobei wir vom Blick hinab in der Rinne unten annehmen konnten, daß sie den Normalaufstieg von der Südflanke darstellt.

Endstation auf unserem Gratturm, ein kurzer Abstieg links in die Rinne wird erforderlich

Am Gipfel der Oberen Wettersteinspitze herrschte an diesem Tag ein unangenehm kalter Nordwind und wenn er auch nicht besonders stark wehte, so förderte er dennoch immer wieder lästigen Nebel auf die Grathöhe, die unsere Unternehmen zunächst bedenklich erschienen ließ.

Obere Wettersteinspitze, 2.297m – dahinter Nördliche Karwendelkette und Sojerngruppe

Unter ständiger Beobachtung der Nebelsituation im nördlichen Tal Richtung Garmisch pausierten wir ein knappes halbes Stündchen. Der Eintrag ins Gipfelbuch erfolgte auf der abgerissenen letzten Seite des arg mitgenommenen Buches. Ersatz wäre schon im heurigen Sommer nötig gewesen.

Jause am kleinen Gipfelplateau – unser Aufstiegsgelände der Südgrat unten gut sichtbar

In der Ferne von Nordwest kämpfte sich hinter dichter Hochnebelfront blauer Horizont in unsere Richtung durch, der allerdings noch in weiter Ferne lag, als wir beschlossen die Überschreitung zur Rotplattenspitze trotz teilweiser Einnebelung des Grates zu unternehmen.
Anhand der Fotos kann man die Situation natürlich nicht nachvollziehen, darauf stellt man ja nur das Beste dar.

der Übergang am Grat mit der Rotplattenspitze jenseits

Gleich nach dem Gipfel folgt nach breitem Gratrücken ein schmaler und ausgesetzter Abstieg über eine Kletterstelle, die sich für den Karwendelfreund dermaßen fest darstellt, daß er laut aufjauchzen könnte. Möglicherweise ist diese Stelle die schönste und vielleicht die schwierigste am gesamten Übergang, sie blieb dem Verfasser jedenfalls in guter Erinnerung.

gleich nach dem Beginn die erste rassige Stelle – kurz senkrecht, fester Fels, max. II+

Es folgen in angenehmer Abwechslung immer wieder leichte Kletterstellen, die im Durchschnitt mit II bewertet werden können, vielleicht die eine oder andere kurze Passage mit II+.
Die Kletterstellen wechseln mit großteils Gehgelände und meist befinden sich diese nur in einer Schwierigkeit, die mit II- bewertet werden kann.

tolles und leichtes Gratgelände

Der Grat teilt sich in zwei Abschnitte.
Der Ostteil bis zur Mittagsscharte ist jener, bei dem die interessanten Kletterstellen nach unserem Empfinden etwa 15% der Distanz ausmachen, die leichten Kletterstellen bei denen nur eine Teilabstützung des Oberkörpers nötig ist mit etwa 20% und reines Gehgelände ohne Einsatz der Hände etwa 65%.

eine der etwas schwereren Stellen – alles aber fest und leicht zu steigen, ein Genuß!

Ein auffälliger Gratzacken ca. 5min vor der Mittagsscharte wird südseitig umgangen. Macht man das sehr knapp an seinem Fuße und steigt sofort wieder zum Grat auf kommt man anschließend in den Genuß von einigen kurzen Passagen auf schönen nordseitig hin geneigten Platten, die in anregender Kletterei bewältigt werden können.

der markante Gratturm

Der Westteil befindet sich hauptsächlich im Gehgelände. Kletterstellen muß man nahezu suchen und abgesehen von der einzigen Wandstufe an der Dischlerklamm gibt es nur ganz kure Passagen die geklettert werden können.

plattiges schärferes Gratgelände

Bis zur Mittagsscharte hinab – der Höhenunterschied von der Oberen Wettersteinspitze auf diesem Abschnitt beträgt 50Hm – benötigten wir eine knappe Stunde. Die letzten Abstiegsmeter bis zur Scharte werden von Steinmännern gesäumt.

die tieferen Scharten dürften max. 20m Abstieg erfordern, meist wesentlich weniger

Nach der Mittagsscharte werden 150Hm Aufstieg ohne weiteren Höhenverlust notwendig. Die Strecke nach der Scharte bis zur Grathöhe wählten wir mit leichter Nordwestroute etwas unter der Grathöhe in der Südflanke, nicht direkt am unbegehbaren unteren Gratteil nach der Scharte.

kurz vor der Scharte

Rasch erreichten wir aber den Grat wieder und erlebten noch ein paar kleine Gratzacken in Kletterei. Ab diesen formt sich ein breiter Rücken aus, der nur von der vorher erwähnten Felsstufe bei der Dischlerklamm als Gehgelände unterbrochen wird.

Gratverlauf westlich der Mittagsscharte – etwas links in die Flanke entschieden wir

Um halb ein Uhr erreichten wir nach nicht ganz eineinhalb Stunden den ungezierten Gipfel der Rotplattenspitze – diesmal dafür in prallem Sonnenlicht.

letzte Gratzacken die Klettervergnügen bereiten, dahinter Gehgelände zur Rotplattenspitze

Außer einer Grenzmarkierung und einem Steinmann gibt es keine weitere Kenntlichmaching der Rotplattenspitze. Zu wenig wichtig wird dieses Zwischenziel zwischen der Oberen Wettersteinspitze und dem noch um 186m höheren Wettersteinwandgipfel sein.
Für uns stellte sie jedoch den Endpunkt der Überschreitung und den Abstiegspunkt von der Wettersteinwand-Kette dar.

letzte Höhenmeter zur Rotplattenspitze

Einfrieren hätten wir uns gewünscht den Augenblick zu können, den wir bei toller Herbststimmung am Gipfel zugebracht hatten. Das halbe Stündchen verflog im Nu.

Simon am Gipfel der Rotplattenspitze, 2.399m


Die Nebel lichteten sich mehr und mehr, zogen jedoch immer noch dunkelgrau aus der Südflanke empor und Simons Idee gleich vom Gipfel anstelle von der Dischlerklamm abzusteigen erschien zunächst ein Blindflug zu werden.

Steinmann markiert die Rotplattenspitze

Den wenig ausgeprägten Südgrat der Rotplattenspitze verließen wir über seine linke Flanke (im Abstieg gesehen) bevor sich eine kurze Gratrippe zu einem Kopf ausbildet, hinter der es einen senkrechten Abbruch in Gratrichtung gibt. Dieser Kopf kann vom Tal aus sehr deutlich eingesehen werden und such seine ostseitige Umgehung, um wieder ins Ausgangskar zu gelangen.

ein toller leichter Grat – markant, die Mittagsscharte mittig


Westseitig ließe sich ins nächste Kar absteigen, von dem es über einen Steig an Jagdhütten vorbei auch einen Abstieg nach Lochlehen gibt. Diesen im Anstieg dokumentiert findet man bei Roman & JuergensBericht in Hikalife.

das Gratgelände um den Gipfel der Oberen Wettersteinspitze herum – auch der Südanstieg erahnbar

Im Schatten, ostseitig des Kopfes, unterhalb seines Abbruches wird eine tektonisch interessante Stelle erreicht.

am Abstieg von der Rotplattenspitze auf deren Südgrat 

Es ist dies eine Trennfuge der Schichten im stark geneigten Wettersteinfels, deren Neigung dann so richtig erfaßt werden kann, wenn man sie zum Zwecke des Abstieges selbst auf Reibung begeht. Diese „Platte“ ist als Fläche dermaßen glatt, daß das Abgleiten der Gesteinsmassen des halben Gratkopfes gut vorstellbar ist und ebenso das noch bevorstehende Abgleiten des nördlichen Teiles des Gratkopfes. Eine eindrucksvolle Stelle am Berg.

immer noch aufsteigende Nebel behindern die Sicht – links vom Gratrücken zu den Platten unterhalb des Gratkopfes war unser Ziel

Unterhalb des Plattengeländes änderten wir die Abstiegsrichtung nach Ost und stiegen über sehr steiles Schrofengelände bis zur Klamm ab, bevor wir den oberen Teil des Kares erreichten. Unterhalb des Schrofengeländes befinden sich schon wieder oberste Steige, die zur früheren Nutzung durch Viehzucht angelegt worden sein müssen.

oberhalb der Platten, rechts der Gratkopf

Über einen Steig erreichten wir das Gelände oberhalb der Klammstufen an denen sich der Einstieg in den Umgehungssteig wieder finden läßt (Steinmann mit Stecken).

Abstiegsgelände von den Platten, teilweise ungemein steil

Über den Steig hinab und über die Schotterreise im unteren Teil führte uns der Rückweg bei mittlerweile fast wolkenlosem Himmel zum Parkplatz und auf die empfehlenswerte Sonnenterrasse des Naturwirtes im Ortsteil Gasse in Leutasch.

Wiedereinstieg in den Umgehungssteig bei zwei sich vereinenden Wasserrinnen – hier die rechte kleinere Rinne

Von oben muß der Einstieg in den Steig wieder gefunden werden – mehr Fotos zur Orientierung siehe Galerie.

Im unteren Teil des Umgehungssteiges

Die bärige und einsame Runde erforderte 1.530m Aufstieg und knapp 7 Stunden Gesamtzeit, wobei wir auf jedem Gipfeln eine gute halbe Stunde Rast einlegten.

Mils, 21.10.2018