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Reps, 2.159m im Karwendel

Bergsteigerisch kein Ziel von Interesse, topografisch, geologisch und nicht zuletzt landschaftlich ist der Reps jedoch ein Ziel, das der Karwendelfreund bereist haben sollte. An seinen Südhängen spielen sich in dem ersten Juniwochen tolle Szenen mit Blumenpracht ab. Von Bedeutung sind die mittelalterlichen Bergbautätigkeiten (auf Pb/Zn), von denen heute noch Dutzende Stollenmundlöcher (die wenigsten auf den ersten Metern noch begehbar) zeugen und deren Glanzzeiten bei sagen.at nachgelesen werden können. In den senkrechten Nordwänden des Reps, nahe der Kastenalm, gibt es schwierige Sportkletterrouten.

Reps, 2.159m

Die Normalbesteigung des Reps ist nicht mehr als eine Wanderung von der Hallerangeralm aus. Der Zeitbedarf beträgt etwa eine gute Stunde, der Höhenunterschied beträgt geodätisch lediglich gut 400m, mit den Erhebungen am Grat mögen es knapp 500m sein. Zur Vorsicht sei am Grat durch die Nordabstürze dennoch an manchen Passagen geraten.

Repskamm vom Lafatscherjoch aus gesehen

Mitten im Karwendel gelegen muß eine aufwändige Anreise zum Halleranger in Kauf genommen werden, will man den Reps besteigen. Er bildet das westliche Ende des Roßlochkammes, auslaufend nach dem herrlichen Grat von Roßlochspitze bis zum Sunntiger. Die kürzeste Route zum Halleranger besteht im Anstieg über das Halltal und dem Übergang des Lafatscher Joches.

Hallerangeralm und Lafatscherjoch am Anstieg zum Reps

Der grandiose Blick vom Lafatscher Joch nordwärts besticht natürlich vorwiegend wegen der großen Erhebungen in der Hinterautal-Vomper-Kette, deren erbauender Anblick an diesem Tag jedoch der Restbewölkung zum Opfer gefallen war. Aufgrund dieser Trübung kam jedoch der Repskamm zur Geltung, der sonst – als von  untergeordneter Bedeutung – „übersehen“ wird.

Melzerdenkmal auf 1.988m

Nach der Überschreitung des Lafatscher Joches wird etwa 300Hm zum Halleranger abgestiegen. Auf der Gegenseite zieht gleich nach der Alm ein Steig auf den Sunntiger hinauf. Dieser gehört zum Almgelände und ist auch der Normalanstieg zum Reps.

Stollenmundloch ehemaliger Bergbautätigkeiten

Nach etwa 200Hm wird das Melzerdenkmal erreicht. Benannt nach einem großen Innsbrucker Bergsteiger, der mit seinem Freund Emil Spöttl 1901 in der Praxmarerkar Nordwand durch einen Schlechtwettereinbruch das Leben verlor. Literatur über Otto Melzer findet sich in der Webseite der Melzerknappen. Die schönen Gedenktafeln der verunglückten Mitglieder mit Inschriften im Jugendstil gehalten wurden 1903 von der Bergsteigerriege des Innsbrucker Turnvereins angefertigt. In der Umgebung des Melzerdenkmales wurde Alpingeschichte geschrieben.

Blick am Gratrücken auf eine Erhebung vor dem Repsgipfel

Weiter oben, knapp 150m über das Melzerdenkmal hinauf, ist der Gratrücken erreicht. Der Reps wird dort verdeckt durch eine der drei flachen Erhebungen, die am Gratrücken zum Reps überschritten werden. Der Steig zum Sunntiger wird noch vor dem Gratrücken weglos verlassen.
Am Gratrücken angelangt bricht nördlich eine schauerliche senkrechte Wand ab, südlich fällt der Repskamm mit steilen Hang unter Latschen- und Baumbewuchs, die ältesten davon Zirben neben Lärchen und Fichten, ins Lafatschertal ab.

Felstunnel am Weg zum Reps

Zunächst leiten Steigspuren auf ohnehin nicht zu verfehlender Route am Gratrücken entlang. Sie verlieren sich an breiten Stellen und treten auf engen Stellen wieder deutlicher in den Blick.
Am Steig abwärts nach der ersten Graterhebung, etwa 5min auf dem Rücken entlang, wird eine auffällige Senke sichtbar die einer genaueren Untersuchung bedurfte.
Seitlich im Süden der Senke befindet sich eine felsige, trichterförmige Ausbuchtung, die, von oben gesehen, im Nichts unterhalb des darüber hinweg führenden Steiges verschwindet.

Felstunnel mit Dimensionen

Wer hier aufpaßt und ein paar Meter zum Trichter hinabsteigt steht vor einem seltenen Felsphänomen im Karwendel. Der Gratkamm wird von einem natürlichen Tunnel durchzogen, bei dem man die gegenüberliegende Seite der Südflanke der Sonnenspitzen sehen kann. Die Tunnelachse verläuft in leicht nordöstlicher Richtung die Neigung des Tunnels ist erheblich, denn von 2.150m Höhe blickt man direkt auf die „Gelbe Gufel“ auf 1.600m Höhe wodurch sich mit Hilfe einer horizontalen Abstandsmessung anhand der AV-Karte eine Neigung des Tunnels von recht genau 30° errechnet.

Felstunnel mit Gelber Gufel am Gegenhang

Der Zufall kann es gewollt haben, daß das Ziel des Blickes durch den Tunnel selbst ein Naturphänomen darstellt. Es handelt sich bei der sogenannten Gelben Gufel um einen Breccienrest, entstanden durch Moränenablagerungen des eiszeitlichen Gletschertransportes. Deutlich sind die beiden Gufeln – die Aushöhlungen zu erkennen.  Die gelblich erscheinenden, sandig-schluffigen Gesteine sind aus Lockersedimenten entstanden.
Äußerst interessant ist dabei, daß die Breccie durch meterdicken Wettersteinkalk überlagert wurde. Ein Phänomen, das dem Autor Rätsel aufgibt.

Lage und Richtung Felstunnel am Repskamm mit Entfernung zur Gelben Gufel

Bei genauer Betrachtung fällt weiter auf, daß ein einzelner Laubbaum den unwirtlichen und steilen Hang als Lebensraum angenommen hat und daß die Wiesen unter der trockenen Gufel überaus üppig erscheinen – vielleicht ein Hinweis auf erhöhte Nutzung der Aushöhlung durch Wild, das bei Wetterstürzen dort Schutz sucht.

Gipfelaufbau des Reps

Weiter am Steig bzw. der Gratrippe entlang, mit zunehmend dichterem Bewuchs durch Latschen, wird der niedere Gipfelaufbau des Reps erreicht. Ab und zu finden sich noch verblasste rote Punktmarkierungen des ehemaligen Steiges, der leider aufgelassen wurde. Anhand der störenden Latschen, durch die man sich manches Mal fast hindurchzwängen muß, kann abgeschätzt werden, daß die letzte Wegpflege durch Ausschneiden der Latschen wohl auch schon gut 20 Jahre ausgeblieben sein muß.
Ein letzter Anstieg über etwa 40Hm bildet den Abschluß der interessanten Gratwanderung von etwa einem Kilometer Länge.

Rückblick auf das Überschalljoch und den Bettelwurf

Am Gipfel des Reps bietet sich aufgrund seiner zentralen Lage im Hinterautal ein überwältigender Ausblick auf die umliegende Bergwelt. Nahezu alle wichtigen Gipfel des inneren Karwendels können vom Reps aus eingesehen werden, ein Aussichtspunkt besonderer Güte – leider an diesem Tag durch die Schlechtwetterreste etwas eingeschränkt.

die Nordwände des Reps

Am Grat folgend könnte man noch bis zu den steil abfallenden Wänden östlich der Kastenalm vordringen, wie sich am Foto nach Westen erkennen läßt. Weit außen im Tal thronen die gewaltigen Jägerkarspitzen im Westen. Fast die gesamte Gleirsch-Halltal-Kette ist vom Reps aus einsehbar. Den Abschluß der Sicht vom Reps bildet der Große Bettelwurf.

der Gleirsch-Halltal-Kette zentraler Teil

Nach Norden hin, zur Hinterautal-Vomper-Kette, befand sich an diesem Tag mehr Restbewölkung und somit gibt es nur Bilder des herrlich abgeschiedenen Roßloches mit den es umrahmenden Gipfeln. Markant dabei – und am Foto zu sehen – die Lalidererspitze mit den bekannten Laliderer Nordwänden.

Blick auf das Bockkar mit Lalidererspitze

Nach Osten hin steilt der Roßlochkamm zum Sunntiger hin imposant auf. Dem Kamm folgend befindet sich bereits hinter dem Sunntiger das erste Ziel einer leichten Gratkletterei und zwar die Hallerangerspitzen. Über sie hinweg wird die Gamskarspitze erreicht, von der aus eine der schönsten Gratklettereien im Karwendel bis zur Hochkanzel führt.

vom Reps nach Osten in das Roßloch geblickt – mittig die Roßlochspitze

Am Rückweg mußte eine schon frühere Sichtung erkundet werden. Nahe der Großen Kohlerrinne – ebenfalls eine geologische Besonderheit am Roßlochkamm – befindet sich ein westlich der Rinne auf etwa 2.050m ein Stollenmundloch eines ehemaligen Bergbaues. Des Weiteren finden sich an der oberen Begrenzung der Rinne Überreste einer Hütte. Ob es sich dabei um eine bergbauliche Einrichtung handelt, oder ob die Reste einer Schäferhütte zuzuordnen sind konnte nicht zureichend in Erfahrung gebracht werden. Letztere Aussage findet sich im Internet.

Große Kohlerrinne

Der Stollen wurde an einer Schichtengrenzlinie angelegt und verläuft schichtparallel, nordwestlich einfallend. Nach dem Mundloch besteht eine kleine Kaverne mit ein paar Metern Länge bevor Auf etwa 10m ist er einsehbar. Deutlich ist die von links (westlich) aufsteilende kompakte Wettersteinkalkplatte zu sehen, während rechts davon eine Art Störzone bzw. kleinstückig zertrümmerte  Kalke verdrängt wurden (Raiblerschichten?).

Stollenmundloch westlich der Großen Kohlerrinne

Eine nähere Begehung als bis zum halb zugeschütteten Stollen am Ende der Kaverne hätte nur unter extremer Zwangshaltung sowie Schutzkleidung erfolgen können und kam deshalb nicht in Frage. Die Schuttmassen unterhalb des Mundloches deuten auf eine gewisse Tiefe des Stollens hin.

Kaverne hinter dem Mundloch

Die Große Kohlerrinne – wahrscheinlich beide Kohlerrinnen – scheinen in ihrer Geschichte eine Auffüllung durch völlig fremdes Material als dem dort vorherrschenden Wettersteinkalk erhalten zu haben. Die dünnbankigen, mergeligen Schichten im cm-Bereich scheinen Sedimentgestein zu sein, jedoch müssen sie völlig anders entstanden sein als deren Umgebung. Leider findet sich keine nähere geologische Beschreibung im Internet.

Blick aus dem Stollenmundloch

Am Weg hinab zur Hallerangeralm säumt der Steig mit Blumen prachtvoll dekorierte Bergwiesen und für den Autor sind die Wiesenhänge unterhalb des Sunntigers neben dem inneren Issanger im Halltal ein Geheimtipp für den Blumenfreud. Man besuche sie je nach Fortschreiten der Schneeschmelze in den ersten Juniwochen.

auch der Bayerische Enzian, Schusternägel genannt

Mit herrlichen Fotomotiven von Bergblumen und kühnen Gipfeln endet der interessante Ausflug auf den Reps, der auch bei nicht einwandfreiem Wetter in guter Erinnerung bleibt.

einzigartige Blumenpracht am Halleranger

Die Aufstiegszeit vom Hackl im Halltal über das Lafatscher Joch mit Abstieg zur Hallerangeralm betrug knapp vier Stunden, der Rückweg ist schneller erledigt, da der Abstieg nur bis auf etwa 1.750m erfolgt und der Gegenaufstieg zum Joch lediglich mit gut 300Hm zu Buche schlägt. Die Gesamtzeit ist durch die Untersuchungen im Gelände diesmal nicht von Relevanz.

Mils, 02.06.2018