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Kramerspitz, 1.985 m – Überschreitung West/Ost

Selten hat man das Vergnügen berufliche und private Aktivitäten angenehm zu verbinden und noch dazu, wenn gleichzeitig „auf“ und „in“ ein und demselben Berg stattfinden – am Kramerspitz bei Garmisch-Partenkirchen, in den Ammergauer Alpen ist dies gelungen.

Kramerspitz, 1.985 m

An einem schönen Wintertag im Februar 2020, anlässlich der Anschlagfeier des Kramer Tunnels, manifestierte sich beim Anblick der felsigen Hauptdolomitspitze der Entschluss diesen netten Gipfel zu besteigen, ja gleichsam der Tunnelachse zu folgen und das Massiv, viel mehr als nur zu besteigen, in der Höhe zu überschreiten, in dessen Fuß der westliche Umfahrungstunnel der Stadt getrieben werden sollte.

Bauarbeiten am Kramertunnel Südportal

Nach 627 Tagen, am vermuteten Durchschlagstag, war es so weit, den Kramerspitz bzw. die Kramerspitzrunde anzugehen und am österreichischen Nationalfeiertag beim Durchschlag auf dem Gipfel zu stehen. Leider klappte die Voraussage des Durchschlagzeitpunktes um wenige Stunden nicht, sodaß der Gipfel zuerst bestiegen wurde und dann der Durchschlag erfolgte.
Fragt man sich nun wofür dieses zeitliche Zusammenfallen gut hätte sein sollen, so gibt es keine rationale Erklärung dafür, außer der Leidenschaft, die Tunnelbauer in sich tragen. Und Bergsteiger.

Beschilderung am Ausgangspunkt Maximilianshöhe

Die Runde über den Kramerspitz – wie die Einheimischen ihren Hausberg nennen – ist im Sinne des Bergsteigens, wie der Verfasser es betreibt und auf diesem Blog beschreibt, eine leichte Wanderung, also eher eine Trainingstour. Der wenig versierte Bergfreund möge sich an örtlichen Beschreibungen der Route orientieren und sie im Ostteil vielleicht abkürzen, siehe Bildergalerie.

Kreuzweg Richtung Stepberg

Jedenfalls besticht der Kramerspitz durch seine Aussicht nach Süden, auf die gewaltige Nordmauer der Wettersteinkette und seiner Vorberge, bis hin zum Waxensteinkamm und der Zugspitze einem großartigen Panorama gegenüber.

morgendlicher Blick vom Kreuzweg auf die Breitenau

Weiter im Osten, getrennt durch den Scharnitzpaß, setzt sich der eindrucksvolle Blick bis zum Horizont auf die Nordabstürze der nördlichen Karwendelkette und das Karwendel-Vorgebirge fort.

schöne Aussicht auf den Daniel bei Ehrwald, den höchsten Berg der Ammergauer Alpen

Startpunkt der Wanderung ist der kleine, auf der Fahrt am Südportal des Kramertunnels entlang dem Parkplatz Maximilianshöhe vorgelagerte Parkplatz, oder dieser selbst, auf 780 m gelegen. Von dort, ein Schild zeugt davon, erfolgt der Aufstieg auf dem breiten Wanderweg in Richtung Stepbergalm.

Aufstieg auf dem Weg zum Stepberg, Querung der Kögerlaine

Stetig nach Nordwest, führt der Weg nach knapp 100 m Wegstrecke zunächst an ein Warnschild, das einen militärischen Bereich ankündigt, an dem man rechts auf den breiten Steig, der parallel neben der Durerlaine (Bach vom Kramermassiv herab, im Herbst nur Bachbett) herabzieht, wechselt auf dem nun ständig aufgestiegen wird, bevor sich, etwa nach einer knappen Viertelstunde, die Aufstiegsrichtung noch westlicher wendet und dadurch etwas flacher wird, sowie der Abstand zum Ortsteil Breitenau sichtlich rasch schwindet.

Blick auf die Wettersteinwand

Etwa nach einer dreiviertel Stunde ab dem Start trifft man im schönen Nadelbaum-Mischwald auf eine Weggabelung, dessen steilere Variante weiter in Richtung Stepbergalm/Kramer verfolgt wird und man den unteren Saum der Latschen erreicht.

herrlicher Blick auf Blassen- und Waxensteingrat mit verhüllter Zugspitze

Nach Querung der Kögerlaine (1.472 m) wird das Gelände kurzfristig steiler und führt über einen tief ausgeschwemmten Lehmgraben und eine anschließende flachere Strecke zu einer auffälligen Lichtung, an der im Gras ein wenig ausgetretenes, aber doch sichtbares Steiglein direkt auf dem Rücken emporführt. Eine markante abgestorbene Fichte markiert die Abzweigung.

unscheinbares Steiglein direkt auf der Rippe zum Predigtstuhl

Auf dem Steig entlang quert man gleich danach einen breiteren Steig in West/Ost-Richtung, der überschritten wird. Die folgende Gasse am Aufstiegsrücken leitet über tolle Landschaft mit schönen Blicken nach West und Ost. In der Tiefe ist die Breitenau bereits verschwunden und der Blick richtet sich auf Grainau.

idyllischer Restplatz etwa 150 m unterhalb der Grathöhe

Weiter oben gabelt sich der Steig in einen rechts fortführenden Jagdsteig (in der Karte nicht enthalten) und in der beizubehaltenden direkten Linie am Bergrücken. Kurz danach wird das Gelände steiler und führt in eine schmale Latschengasse, sowie in wenigen Minuten auf die Grathöhe, oder besser auf den breiten Kammrücken, leicht westlich vom Predigtstuhl, den man kaum als markante Erhebung wahrnimmt und im Steigeifer, sowie im neu gewonnen Blick gen den Norden der Ammergauer, gegebenenfalls links liegen lässt.

oberes Schlupfloch zum Kamm

Am Steig am Gratrücken führt die Tour unter etwa 160 m Höhenunterschied nun ostwärts dem Gipfelkreuz des Kramerspitzes entgegen. Dabei kann teilweise durchaus der Steig verlassen werden und direkt am Grat gewandert werden. Nordseitig fallen die Dolomitbänke mehr oder weniger tief in schwach ausgeprägte Kare ab und der Blick auf den Gipfelbereich des Kramerspitzes wird eindrucksvoller.

Blick nach Norden am Kamm

Auf dem letzten Aufschwung kann der Grat nicht bis zum dahinterliegenden Sattel begangen werden, er endet am höchsten Punkt am Vorkopf mit einem senkrechten Abbruch zum Sattel zum Gipfelaufbau. Dem Geländekundigen wäre es wahrscheinlich möglich die geschätzten 10 m über einen Kaminriss abzuklettern, der Unkundige erkennt diese Möglichkeit erst im Rückblick am Sattel. Jedenfalls ermöglicht der kleine Umweg eine tolle Perspektive des Gipfelbereiches.

Nordseite des Kramerspitz-Gipfelaufbaues

Auffallend am Westrücken des Kramer ist, daß der Plattenbau desselben durchwegs südfallend aufgebaut ist, welches durch die Überschiebung von Süden her logisch ist, der Gipfelaufbau des Kramerspitz jedoch nach dem Sattel zum westlichen Vorgipfel sich nordfallend zeigt – eine klassische Überkippung?

nach Westen geblickt, im äußersten Kamm Vorderer und Hoher Ziegspitz

Geologisch war die sogenannte Kramer-Schuppe schon im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts Gegenstand intensiver Untersuchungen und sie wurde damals als nördlichste Schuppe der Inntaldecke1 interpretiert und auch widerlegt.

fast in einer Linie, Predigtstuhl, Hirschbichl und Frieder (links Friederspitz)

Auf der schuttbedeckten Oberfläche einer der nordfallenden Bänke von Hauptdolomit erfolgt unter beachtlicher Neigung auch der letzte Aufstieg auf den Gipfelbereich, sozusagen dem Spitz des Kramerspitzes, den ein außergewöhnlich hohes, metallgedecktes Gipfelkreuz ziert. Als Kuriosum wurde eine schmale Rastbank am Fuß des Gipfelkreuzes aufgestellt, das den erwanderbaren Charakter des Kramerspitzes unterstreicht.

eindrucksvoller Gipfelaufbau des Kramerspitz von Westen gesehen

Ein bemerkenswert gediegenes Gipfelbuch des Volkstrachtenvereins Garmisch enthüllt die Gipfelbuchschachtel am Kramerspitz und es nimmt auf diesem leichten, vielbegangenen Ziel einigermaßen Wunder, daß es trotz seiner kurzen Lebensdauer noch nie dem Regen preisgegeben wurde.

die Wettersteinwand in 13 km Entfernung

Ein einzigartig ungestörter Blick auf die südlich gegenüberstehende Wettersteinwand in 13 km Entfernung und die noch gewaltigeren Kämme des Hochblassen und des Waxensteins in knapp der halben Entfernung lädt zum Studieren der eindrucksvollen Grate ein. Viele schöne Gipfelziele und Gratüberschreitungen warten dort auf die Begehung, beispielsweise die Überschreitung der Dreitorspitzen, die Überschreitung der Oberen Wettersteinspitze zur Rotplattenspitze oder die Überschreitung von Wettersteinkopf auf die Wettersteinwand.

die westlichen Ammergauer mit den Spitzen der in km Entfernung liegenden Geierköpfe links des Gipfelkreuzseiles

Im Westen des Kramerspitz, die im Blick vom Gipfel aus verwegensten Spitzen in der Ferne der sonst recht sanftmütigen Ammergauern kann eine atemberaubend schöne Frühjahrsschitour durch die Nordseite der Geierköpfe mit fulminantem Abschluß durch ein Felsentor in einem steilen Couloir unternommen werden.

Tiefblick auf Garmisch

Tief zu Füßen des Kramerspitzes der vom Verkehr geplagte, mit Tradition behaftete Markt Garmisch-Partenkirchen, längst zur Stadt gereift und mit interessanten Lüftlmalereien auf traditionellen Häusern verziert.

Kammbiegung nach Norden links im Bild und weiterer Verlauf des Kramermassivs

Im Abstieg leitet der Kamm zunächst abrupt nach Norden um und führt über einen seichten langen Sattel an die Nordseite des Massivs heran, auf deren brüchigen Flanke tiefer zum nächsten Sattel gegen den Mittergernkopf hin abgestiegen wird.

Links der Bildmitte der Katzenkopf, östlichster Hochpunkt der Kramerspitzrunde

Vorher noch fällt wieder auf, daß die Gratklippen des nördlich zu umgehenden Gratstücks westlich des bemerkenswerten Einschnitts der Ackerlaine senkrecht stehen, also eine neuerliche Änderung  des Überkippungszustandes am Grat. Der Gratrücken dahinter im Westen fällt wieder gegen Nord, mit Senkrechtabbrüchen im Süden, gegen die Stadt.

in der Nordflanke zum Mittergernkopf

Über den breiten Steig gegen die Roßkarköpfe und weiter in den Sattel westlich davon hinab fallen auf der Nordseite knapp 100 Hm Abstieg an, von denen 60 Hm jenseits wieder im Aufstieg auf den Mittergernkopf (1.860 m) gewonnen werden.

Steig zum Sattel und auf den Mittergernkopf

Der dem Kammverlauf deutlich vorgelagerte Mittergernkopf trägt ein großes Gipfelkreuz, und an der Grathöhe selbst befindet sich ein Minigipfelkreuz am Steig.

am Mittergernkopf – das vordere Gipfelkreuz liegt im Hintergrund in der Flucht des kleinen Kreuzes

Der breite Steig am Gratrücken setzt mit ein paar Felsstufenabsätzen durch die Latschen zum nächsten Sattel mit dem jenseitig gelegenen Katzenkopf fort, der die letzte Graterhebung im Kramermassiv bildet und nachdem der Kamm zum Königstand und danach steil in die Seleswände abbricht. Dieses Ziel, den Katzenkopf, möge der Geübte Geher mitnehmen und den schönen Steig mit dem Steilabstieg durch die Latschen in Richtung Königstand erleben.

Rückblick auf den Kramerspitz vom Mittergernkopf

Vom Sattel zwischen Mittergern- und Katzenkopf führt ein unscheinbares und enges Latschengässchen auf den kaum 100 m höheren Gipfel des Letzteren. Ein neues, einfach gehaltenes Gipfelkreuz wurde dort 2021 aufgestellt, wie an der Schnitzerei zu lesen ist.

Katzenkopf, 1.817 m

Das flache Gipfelplateau, auch als Bergfeuerplatz für den in der Gegend traditionell verehrten Johannes den Täufer zur Zeit um die Sommersonnwende – die Johannifeuer am 23. Juni – genutzt, gibt einen letzten Blick entlang des Kamms zum Kramerspitz hin frei, mit der deutlich sichtbaren Kammrichtungsänderung gegen Nord östlich vom Kramerspitz.

Tiefblick auf Partenkirchen

Nach Nordosten schließt an das Kramermassiv das in die Ebene vor München sich hin verflachende Loisachtal an.

Blick nach Nordost ins Loisachtal

Vom Katzenkopf dem fallenden Kammverlauf nordostwärts folgend wird in wenigen Minuten der steilste Abschnitt der gesamten Runde erreicht, der nach dem äußerst östlichen Punkt – mit einem schönen Tiefblick auf die Stadt – durch Latschen über die steile Südflanke hinab zum Königstand führt.

am Nordostpunkt mit bärigem Tiefblick

Dieser Abschnitt mag beim Blick über die felsige Flanke für den nicht an Steilheit Gewöhnten schwierig sein, er bleibt aber dennoch nur eine Wanderung auf schmalem Steig inmitten von Latschen.

Rückblick auf die steile Abstiegsstrecke

Nach dem kurzen Steilabstieg mündet der Steig in eine noch steil bleibende Mulde, deren talseitige Begrenzung nach wenigen Zehnermetern des Abstiegs endet und der Steig unter einer beeindruckend hohen bergseitigen Felswand in den breiten Weg zum Königstand übergeht.

Mulde am Abstieg

An dieser Stelle kann man noch mit wenig Zeitaufwand den Königstand besuchen welches der Verfasser versäumt hat und sich so, unwissender Weise, selbst um den mehrfach beschriebenen interessanten Anblick der Asphaltschiefer1 dort gebracht hat.

Felswand oberhalb des Wegs zum Königstand

Der Abstieg zum Ausgangspunkt erfolgt nun auf dem breiten Weg durch den Mischwald hinab, wobei zunächst eine recht lang anmutende Strecke (700 m) mit etwas hinauf und wenig hinab anfällt. Erst nach der Einmündung des Steigs vom Sattel zwischen Mittergern- und Katzenkopf – dies ist jener, den man beschreitet, wenn man den Katzenkopf nicht mitmachen will – fällt der Weg steiler ab und Tiefe wird gewonnen.

Einmündung des Abstiegs vom Sattel zum Katzenkopf, Kramersteig

Nach einigen flachen Kehren erreicht man die letzte erwähnenswerte Stelle im Abstieg. Es ist dies das Denkmal des Anton Ostler, einem Buben, der beim Bergfeuermachen in den Felswänden des Steigs abgestürzt ist.

Kurz vor dem Anton Ostler Denkmal

An einer schön exponierten Stelle wurde dort die sogenannte Felsenkanzel errichtet. Ein auskragend errichtetes Stahlpodest, das zur Zeit seiner Errichtung ob seiner damaligen Kühnheit weiß Gott mehr Aufsehen erregte als dieser Tage. Dennoch bietet es einen bärigen Blick in die Tiefe und auf die Wettersteinmauern gegenüber.

Felsenkanzel

Weiter unten am Kramersteig wird die Martinshütte am Grasberg erreicht, die bei toller Aussicht ein kühles örtlich hergestelltes Bier nach der langen Reise bereithält. Kurz vor der Hütte (im Abstieg gesehen) führt ein undeutlich sichtbarer Steig nach Westen, der Abstieg über den Grasberg, parallel zur Mittergernlaine, zum Kramerplateauweg.

Denkmal

Dem Kramerplateauweg folgt man dann noch einen guten Kilometer auf flachem Terrain über einen Abschnitt mit lichtem Kiefernwald und erreicht den Parkplatz Maximilianhöhe wieder, mit einem abschließenden Blick auf den Kramerspitz.

Lehrpfad am Kramerplateauweg

Die schöne Runde erstreckt sich über knapp 14 km Länge und 1.350 m Aufstieg. Als Aufstiegszeit auf den Kramerspitz geben die Wegweiser 4 Stunden an und vom Gipfel 3 Stunden für den Abstieg nach Garmisch (auf der kurzen Route unter Auslassung des Katzenkopfs.

Abschlußblick auf den Kramerspitz

Man kann die Runde, den Katzenkopf eingeschlossen, aber auch in 6:20 Stunden absolvieren (Angabe Outdooractive), oder – mit schnellem Schritt – in 5:30 Stunden.

Mils, 26.10.2021

1 Tollmann, Tektonische Karte der Nördlichen Kalkalpen 3. Teil: Der Westabschnitt (Seite 113)
2 Kockel/Richter/Steinmann, Geologie der Bayrischen Berge zwischen Lech und Loisach (Seite 28, 140, 143)