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Kalkwand, 2.826m – Überschreitung zur Torwand, 2.770m

Eine sprichwörtliche Liebe auf den zweiten Blick entwickelt sich in der Kalkwand frühestens an ihrem felsigen Fuße, den zu erreichen eine mühsame Querung vom Junsjoch über stark steigende Schuttflächen vorausgeht. Überhaupt ist die Zuwegung aus dem Wattental zu dem unerwarteten Juwel an Abenteuerreichtum völlig anders als gewohnt, sowohl vom Südwesten, als auch vom Nordosten. Die Entschädigung an Kletterei aber dafür ist überwältigend und unvergesslich.

Kalkwand, 2.826m

Einem begeisterten Gratkletterer, der das Karwendel hinter seiner Haustüre weiß, würde es kaum einfallen dies Abenteuer ausgerechnet in den Tuxern suchen zu wollen, schon gar nicht in der Umrahmung des Wattentals, wenn er sich bei seinen winterlichen Begehungen nicht schon einmal von den schroffen Westwänden der Kalkwand hätte beeindrucken lassen und diese von seinem Schitourenziel aus mit dem Glas nicht schon näher „recognoscirt“ hätte.

Kalkwand im Detail

So kann es vorkommen, daß man die Kalkwand als mehr oder weniger begehrenswertes Ziel geistig aufnimmt, von Zeit zu Zeit dies und das, aber allgemein fast nichts darüber hört und sie einige Jahre mit sich herumträgt, bevor sich irgendwann, zwischen hehren Zielen in weit schrofferen Gefilden, das Langzeitgedächtnis regt und die Kalkwand wieder ins Bewußtsein befördert. Das ist dann der Zündfunke für die Liebe auf den zweiten Blick, die man zu ahnen vorerst nicht in der Lage ist und die sich zum lodernden Feuer ausbilden kann.

tolle Formen am Grat zum Gipfel der Kalkwand

Die Kalkwand stellt in vielerlei Sicht ein sonderbares Ziel dar. Zum einen paßt die geologische Herkunft ihrer triassischen Deckscholle1, bestehend aus verschiedenen Dolomiten (Hauptd., Rhätd. sowie Dolomit des Ladin) wenig in das Bild des Tarntaler Mesozoikums und in die in den Tuxern dominierende Quarzphyllit- und Grauwackenzone überhaupt. Die Fremdartigkeit der Kalkwand-Deckscholle ihn ihrem Gebirgszug ist auch an den umgebenden Bergformen eindrucksvoll zu sehen, verfolgt man den Kamm in beide Richtungen. Sehr auffallend zu verfolgen ist die Änderung der From zum abgerundeten Pluderling im Südwesten, der aus den Bündner Schiefern der Hohen Tauern besteht.

Rückblick

Zum anderen benutzte die Wehrmacht2 in den vierziger Jahren den am Grat leicht abgesetzten Reuterturm als Ziel und zerschoss diesen zu seiner noch heute äußert bizarren Erscheinung, was mächtige, schneeweiße Schuttreisen hinab in die farbfremden dunkleren Schieferhänge der Lizum zur Folge hatte.

Kalkwand und Lizumer Sonnenspitze von der Außerlannalm

Die Zuwegung zur Kalkwand erfolgt aus dem Wattental über weite Strecken ohne markiertem Pfad oder Steig, welches auch einen Hauch von Orientierungsfähigkeit voraussetzt, will man auf den steilen und schuttigen Westhängen bei gleichzeitig notwendigem Höhengewinn nicht zu weit abgedrängt werden.

schönes volkstümliches Wegkreuz mit dem Hl. Johannes Nepomuk – Patron: von Tschechien, von Böhmen, der Stadt Salzburg; der Beichtväter, Priester, Schiffer, Flößer, Müller; der Brücken; des Beichtgeheimnisses; gegen Wassergefahren; für Verschwiegenheit

Zu guter Letzt bilden die gewaltigen Dolomitblöcke bis weit hinab ins Tal eine optisch psychologische Barriere, jedoch versprechen sie, nach eingehender Beschäftigung mit dem Glas, auch einen gewissen Abenteuerreiz.

Innerlannalm (1.684 m)

Sie wurde 1893 erstmals bestiegen und dient heute dem Truppenübungsplatz als alpines Ausbildungsgelände im Klettern, wobei mehrere Routen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades mit blau markierten Bohrhaken erschlossen wurden. Niemand geringerer als Franz Oppurg, den der Autor noch persönlich in der AV Sektion Wattens kennenlernen durfte, hat 1971 mit E. Reisigl die erste Nordwandroute, den „Pfeilerweg“, im linken Wandteil von eröffnet, ein Anstieg im vierten Grad. Einige Jahre darauf, 1976, wurde links der Schlucht der Absamerweg von Aschaber, Haim und Hinteregger eröffnet.

Schmalblättriges Weidenröschen vor Lizumer Sonnenspitze und Tarntaler Köpfen

Die Entdeckungsreise beginnt am Parkplatz vor dem Lager Walchen, am Ende der Landesstraße im Wattental auf 1.410m. Orografisch rechts beginnt der Steig auf dem schmalem Streifen zwischen der Stieralm und dem Wattenbach auf abschnittsweise meist sehr lettigem Steig bis zum Ende der Alm, wo sich der Steig bergwärts wendet.

schöne Kalkbreccie mitten im Tal, inmitten in anderer Geologie

Am Südende der Alm beginnt ein Fahrweg durch den Wald, der über die erste Talstufe zur Innerlannalm (1.684 m) führt. Die Innerlannalm liegt in einem recht flachen Talbecken und wiederum bildet deren Südende den Beginn der nächsten Stufe auf den Lizumer Boden.

Kalkbreccie im Detail

Dieser Teil im Aufstieg ist der Wattentaler Zirbenweg, bzw. der alte Sommerweg in die Lizum. Der Aufstieg durch den Wald ist sehenswert, die Zirbenbestände nehmen mit der Höhe zu und aufgrund der wenig exponierten Lage finden sich längs des schönen Steiges auch sehr alte Exemplare von Zirben, wenn man weiß, daß ein Stammdurchmesser von etwa 40cm einem Alter von etwa 200 Jahren entspricht und diese Größenordnung auf die gewaltigen Stämme dort überträgt. Ihr Zeitgefühl ist für menschliche Begriffe beachtlich, bedenkt man, daß es 50 bis 80 Jahre dauert bis die Zirbe zu blühen beginnt.

Grauer Alpendost

Moderne Zeitgenossen mögen diesen lehrreichen Abschnitt, der mit der Ankunft unweit der Militärgebäude des Lagers Lizum auf knapp 2.000 m endet, mit dem Radl auf der sonnigen Seite der Fahrstraße umgehen und dabei viel vom Reiz des Tales am Asphalt einbüßen. Extreme Zeitgenossen würden gar das Hüttentaxi benutzen und beim Ausstieg an der Lizumer Hütte auf 2.019 m noch weniger von der Natur über die ersten knapp 6km und 600 Hm mitbekommen haben. Ihnen fehlt dann jegliche Vorbereitung auf die Größe des Tales, der topographischen Stufen, der Änderung der Vegetation und sie entbehren des erhebenden Gefühls sich auf den alpinen Teil vorbereitet zu haben.

Kalkwand und zu begehende Westflanke

Für den alpinistischen Normalaufstieg von Walchen bis zur Lizumer Hütte gibt das Führerwerk und die Wegweiser des Tourismusverbandes eine Zeit von etwa 2,5 Stunden an, wobei die Strecke mit zügigem Schritt in 1,5 Stunden leicht gemeistert wird und man muß um seinen Bergtag auch ohne technische Aufstiegshilfen keine Angst haben, wenn man etwa um 7:30 Uhr in Walchen startet, was nicht zu viel verlangt scheint, für ein Abenteuer dieser Größenordnung.

Kalkwand vom Junsjoch gen Nordosten

Die Lizumer Hütte, im Aufstieg rechts liegen gelassen, wird später, nach der tollen Runde, Als Abschlußeinkehr aufgesucht, zunächst geht es am Fahrweg taleinwärts. Hätte der Autor seine alte AV-Karte gründlich studiert, so hätte er den alten Aufstieg zum Junsjoch genommen – und somit sicher eine gute Viertelstunde abgekürzt. Dafür erfreute er sich mitten in den verbleibenden Lizumer Böden von der Hütte bis zum Talschluß an einem unvermittelt aus den flachen Wiesen aufgerichteten Hügelchen von Kalkdolomitbreccien, schneeweis und von herrlicher Struktur, die unbedingt näher in Augenschein genommen werden müssen.

Junsalm

Der weitere Weg über die letzte Talstufe hinauf, der nach wenigen Minuten zum Steig – orografisch links – im Tal sich wandelt, stellt bis auf die Geiermulde mit der Abzweigung Junsjoch/Geier hinauf einen einzigen geologischen Lehrpfad dar. Breccien jeden Gesteins, unterschiedlichste Gesteinstypen in knapper Folge und herrliche Verwitterungsformen  lassen die Anstrengungen des Aufstiegs vergessen. Des Gebirgssommers Flora kommt in der Geiermulde auf 2.350 ebenfalls nicht zu kurz.

Lizumer Reckner und Lizumer Sonnenspitze

Unspektakulär führt der Steig von der Geiermulde zum Junsjoch hinauf. Nach ein paar Serpentinen sind die etwa 130Hm überwunden und man steht am Junsjoch in der Längsachse der Kalkwand am Grat und kann den sich aufbauenden Koloss bewundern.

Kalkwand im Detail

Vom Joch aus werden ein paar Meter in Richtung Nordosten, auf die westliche Flanke des Grats in Richtung Reuterturm, vorbei an sonderbaren roten Platten (möglicherweise Zieltafeln) abgestiegen und unten in die schuttige Westflanke eingestiegen.

in der schuttbedeckten, schiefrigen Westflanke am Weg zum Reuterturm

Die Schafe stieben schon vor der Näherung des Autors auseinander, als er versuchte sich so hoch wie möglich zu halten um Höhenverlust zu vermeiden. Da auch die Schafe so nahe als möglich unter den steil geneigten Schuppenplatten des Grates Schatten zu finden, war eine Begegnung nicht zu vermeiden und in die Schutthänge hinab weichen mußten die Schafe.

Überbleibsel von Militärmaterial

Trotz guten Vorsatzes zu Beginn der wenig erstrebenswerten Querung kommt man offensichtlich nicht ohne Höhenverlust durch, da herab reichende Ausläufer der glatten Grauwackenschiefer und dem Geröll von Quaritzschollenbreccie einen immer wieder etwas nach unten zwingt.

unterhalb Reuterturm im mühsamen Gelände

In dieser Art an das Ende der Querung gelangt wartet ein etwa 100 m hoher Aufstieg zum Reuterturm. Diesen Aufstieg unternahm der Autor vorzugsweise im groben Blockwerk in der Falllinie des Reuterturms, in dem es sich vorzüglich steigen ließ, im Gegensatz zum schuttigen Hang davor.

Rückblick zum Junsjoch – darüber Pluderling, mittig Geier und rechts Lizumer Reckner

Am Weg zum groben, auffällig hellen Blockwerk unter dem Reuterturm passiert man eine eher flache Mulde mit allerlei Resten von Kriegsspielzeug, wenn man genau beobachtet, alles zusammen jedoch uralt und augenscheinlich keine atomaren Sprengköpfe, jedoch auch nicht erstrebenswert näher zu untersuchen. Fernhalten ist eine gute Wahl.

am Reuterturm mit Blick auf die Einstiegswand der Kalkwand

Unterhalb der bizarren Formen des Reuterturms hielt sich der Autor eher rechts, betrat die Grathöhe am Südwestende desselben und wurde mit einem unerwartet eindrucksvollen ersten Blick auf die Kalkwand belohnt. Diese Ansicht ist gleichzeitig auch jene, die den leichtesten Aufstieg über die senkrechten Westwände auf den Gipfelaufbau zeigt und die zur näheren Erkundung zu einer kurzen Rast am Turmfuß in der Sonne einlädt.

Einstiegswand zur Kalkwand im Detail

Nahezu der gesamte Aufstieg kann von dort eingesehen werden, auch wenn man es noch nicht ahnt. Mit dem Glas mag man einige der berühmten blau markierten Bohrhaken finden, aber diese zu kleinen Details reichen nicht einmal zur Orientierung bis zum Grataufbau. Bereits auf der glatten Flanke oberhalb der tollen Einstiegsszene in die Wand entschwinden die Markierungen dem Auge hinter dem Glas.

Abbruchmaterial und dunkle Nordwestwand der Kalkwand; Hintergrund Graue Wand und Hippold

Die einzig markante Stelle, die weiter oben erkannt werden kann ist eine offensichtliche Wandbuchschachtel, von der man sich weigert zu glauben, daß sie den Aufstieg markiert, ist man doch ohne Seil und Seilpartner unterwegs. Die Route bleibt also zunächst ungewiss, obwohl das Gipfelkreuz kaum 200 m höher zu sehen ist.

 

auf die Schiefer der Tuxer aufgeschobener Reuterturm – deutlich ist die Grenze zu sehen

Auf schmalem Band am Turmfuß wird die Einstiegsstelle erreicht, zuletzt von einem vorgelagerten begrünten Hügel über Blockwerk kurz absteigend.
Die Stelle kann kaum verfehlt werden, ein Bronzeschild bescheinigt der Route „Alpenjägersteig“ den vierten Grad und rechts davon, über einen abgetreppten Sockel gelangt man zum leichteren Aufstieg, der sich rechts nach oben zieht und an seiner Oberkante in einem kleinen Kamin endet, der zu schmal zum Spreizen ist, jedoch genügend Griffe und Tritte in seinen Rändern aufweist, sodaß die Genusskletterei im festen Dolomit bereits auf den ersten Metern ausgekostet werden kann.

Blick vom Einstieg zur Ausstiegskante mit schiefem schmalem Kamin

Über ein Band im unteren Drittel der Einstiegswand und ein breites darüber erfolgt der Gutteil der Querung nach rechts oben und nach diesem Band beginnt der Riss sich zu öffnen, der oben zum schmalen Kamin sich weitet.

 

nach 2/3 der Einstiegswand

Dem Karwendelgeher gereicht nach den ersten Zügen der wunderbar strukturierte, griffige und stets feste Dolomitfels zum Jauchzen gut. Nirgendwo scheinen Brocken sich zu lösen, jedes Griffleistchen sitzt bombenfest und in überschwänglich leichter Kletterei ist die erste Wandstufe erreicht.

 

Rückblick auf den Einstieg in die Kalkwand

Oben belohnt die erste Wandstufe ihre Eroberung mit einem schönen Blick auf einen langen Zopf von Breitblättrigem Hornkraut, das im Kanal über der Wandkante auf über 2.600m wunderbar gedeiht.

Rückblick von der Ausstiegskante auf die Einstiegswand der Kalkwand

Auf schuttigem breitem Band geht es unspektakulär mittelsteil nach oben weiter und ein auffälliger Steinmann wird passiert. Am Ende des Bandes befindet sich wieder ein Bohrhaken, bei dem das Gelände durch einen jähen Abbruch in die Junsgrube nach Südosten eine 90° Kurve erzwingt, um etwas steiler der Falllinie des Plattengeländes zu folgen.

Ausstiegskante mit Breitblättrigem Hornkraut

Am Ende des Plattengeländes wird eine gelbliche Wand erreicht, die eine Wendung nach rechts erzwingt und wenige Meter nach der Wendung erblickt man einen Durchschlupf auf die nächst höhere Wandstufe, der man folgt und etwas schuttbedecktes Gelände erreicht, das gleich luftiger wird und den Blick auf das tief unten liegende Wattental wieder freigibt. Hier beginnt sich der Grat auszubilden.

breites Schuttband bis Steinmann

Mit großer Erwartung auf den Grat und Freude über die wunderbar festen und gut strukturierten Felsverhältnisse wurden die nun wieder etwas schwierigeren Meter am Gratansatz gemeistert.

bei der gelblichen Wand mit Richtungsänderung oberhalb

Die plötzliche Ausgesetztheit und steileres Gelände verstärkten den Eindruck, daß der Gratansatz etwas schwieriger erscheint, von der klettertechnischen Einstufung her betrachtet ist diese Sequenz jedoch mit der Einstiegswand gleichzusetzen.

Rückblick von der Südwestflanke der Kalkwand

Der rasch erreichte Grat bietet erstmals den Blick zum Gipfelbereich und nach einer Minute über die sich verschmälernde Gratschneide auch zum Gipfelkreuz. Die letzte Viertelstunde zum Gipfel erfolgt nun auf dem Gustostück der Tour mit bärigen Gratabschnitten und einem fulminanten Ausstieg auf den Gipfelbereich.

 

herrlicher Tiefblick in die Wattener Lizum

Mit ein wenig Auf- und Ab erfolgt die leichte Kletterei über den moderat steigenden Grat, der immer schärfer wird und durchgängig auf seiner Nordwestseite geklettert wird. Wie auf den Bildern zu sehen befindet man sich in festem Fels, der genügend Risse und kleine Absätze als Tritte bietet. Die Kante der Gratschneide bietet hervorragende Griffe.

steileres Gelände zum Grat mit allzeit wunderbar festem Fels

Die Wand unterhalb wäre großteils auch begehbar, ist jedoch mit Schutt und Geröll belegt, das zur Verschneidung mit dem Gipfelbereich hin zunimmt.

Ausbildung zum Grat, Gratansatz

Nach ein paar nett zu kletternden Aufschwüngen und ein paar schmalen, ausgesetzten Passagen erreichte der Autor einen letzten Gratzacken, der den auslaufenden Grat einleitet.

am Grat erstmals das Gipfelkreuz sichtbar

Hinter diesem muß noch einmal ein paar Meter zu einer wenig ausgebildeten Scharte abgestiegen werden, in der der Grat seine schärfste Stelle aufweist – zumindest nach der subjektiven Empfindung des Autors.

schärfer werdender Grat

Am Bild im Rückblick erscheint es, daß das Trümmerfeld am Fuße der Kalkwand dem Grat recht nahe ist. Man lasse sich davon nicht täuschen, der Höhenunterschied beträgt etwa 200 m und wirkt durch die gewaltige Größe der Blöcke geringer.

tolle Formen am Grat zum Gipfel der Kalkwand

Aus der Scharte steigt der Grat buchstäblich auf seiner Schneide die letzten Meter zum letzten Highlight im Aufstieg, einem sozusagen Endzacken, auf, der über ein paar Meter leicht auf die Gipfelflanke abkletterbar ist.

schönster Teil am Grat zur Kalkwand im Rückblick

Er stellt den Endpunkt der anregenden Gratstrecke dar und als letztes Sahnehäubchen bietet er über ein paar Meter einen schmalen Ansatz auf Reibung als abschüssiges, kaum ausgebildetes Band als Trittfläche und auf der Oberseite der Scholle die Schneide als Griffkante. An seinem Ende bricht der Grat jäh zur Gipfelflanke ab.

letzte Meter am Grat zum Gipfelaufbau

Der Abstieg ist gestuft und leicht zu meistern, wobei ein großer Felsbrocken die unterste Stufe sozusagen als Treppenabsatz auf die Gipfelflanke zur Kalkwand überleitet. Bequemer geht es nicht.

beeindruckender Ausstieg vom Grat zum Gipfel der Kalkwand

An der Gipfelflanke angekommen muß man sich nach der wirklich genussvollen leichten Kletterei erst einmal umdrehen und das wohl meist abgelichtete Bild vom südwestlichen Teil des Grates der Kalkwand anfertigen, bevor der schöne Aufstieg mit den letzten Metern zum mächtigen Gipfelkreuz endet.

Gipfelkreuz der Kalkwand – es hätte eine Auffrischung nötig, nicht?

Den nordöstlichen Teil des Grates hat der Autor sogleich in Augenschein genommen und feststellen müssen, daß vom Gipfel der Kalkwand aus nicht viel eingesehen werden kann, außer, daß der folgende Gratsattel mit einer schauerlichen, brüchigen Kante nach Osten, zur Junsalm hin, abbricht.

Nebengipfel der Kalkwand

Also zuerst eine Stärkung und Studium des tollen Gipfelbuches aus dem Jahre 1988, in dem bei der Einweihung des Gipfelkreuzes, das über nun mehr als 30 Jahre allerdings bereits signifikant in Mitleidenschaft gezogen wurde und eine Reparatur dringend nötig hätte, soll es Bestand haben, auch der Kasernenkommandant zur Zeit der Diensterbringung des Autors in Absam sechs Jahr zuvor, teilgenommen hat.  Eine erstaunliche Entdeckung nach 38 Jahren Absenz vom Heer.

edles Gipfelbuch Kalkwand

Die Aussicht von der Kalkwand in die Zillertaler Alpen kann als grandios bezeichnet werden. Mit ihrer zentralen Lage deckt sie in einem Winkel von knapp 90° und einer durchschnittlichen Entfernung von 25km alle hohen Gipfel ab, von denen die meisten in voller Größe zu sehen sind.

Hintere Stangenspitze (3.225 m), Wollbachspitze (3.210 m), im Vordergrund (dunkel) Nestspitze (2.966 m), Großer Löffler (3.378 m) und Spitz vom Großen Mörchner (3.285 m) rechts

Mittlerweile, während dem Genuss der Landschaft, traf ein junges Pärchen vom Nordostteil des Grates ein, die den Aufstieg vom Salzsattel aus in Angriff genommen hatten, Pascal und Christina aus Tux.

Bildmitte Hochfeiler (3.510 m)

Somit waren wir drei die einzigen Besucher des bärigen Gipfels an diesem Tag. Und auch das Gipfelbuch bescheinigt, daß er nicht sehr häufig bestiegen wird. Die Eintragungen pro Jahr umfassen wenige Seiten mit Eintragungen, sieht man von den großen Gruppen verschiedener, auch ausländischer Militäreinheiten ab, die sich darin verewigt haben.

Großer Möseler (3.479 m) links, Hoher Riffler (3.231 m) und eindrucksvoller Bergsturz vom Schmittenberg herab

Die Überschreitung mit Aufsteigenden aus der Gehrichtung fortzusetzen erschien dem Autor eine kluge Wahl – zwar etwas faul, aber bequem an einem „Lazy Sunday“ nach einer kräfteraubenden Tour über die Villerspitzen im Stubai. Und wer fragt dem wird geantwortet; die beiden hatten nichts dagegen und im Gespräch stellte sich heraus, daß die Kalkwand zu einem der Hausberge von Pascal zählt, der auch viel darüber zu berichten wußte.

die beiden Erhebungen der Torwand (2.771 m) mit dem Gipfel links

Zunächst muß am Abstieg die gelbliche Zone von Rhätdolomit zwischen den beiden Gipfeln der Kalkwand in Form einer nach Osten hin brüchigen Einsattelung durchschritten werden.

Nordostgrat in der Achse

Hierzu erfolgt der Abstieg über feste und oberflächlich sehr raue Platten in eine erdig, schuttbedeckte Verschneidung und auf der Gegenseite auf einem Band in bequemen Gehgelände auf die Flanke des Nebengipfels. Der Pfad ist mit Steinmännern markiert, obwohl auch auf dieser Seite die blau markierten Bohrhaken den Weg weisen.

Nordöstlicher Nebengipfel und Grat bis zum Salzsattel (weißer Sattel) rechts

Hinter der Rippe mit dem auffälligen Band aus der Verschneidung steigt man ein paar Meter nach oben, um in besserem Fels zu queren, als die Steinmänner unten vorschlagen.

Abstieg mit Pascal und Christina in die Scharte zum Nebengipfel

Oben passiert man von Zeit zu Zeit die Bohrhaken und steigt mit etwas mehr Auf und Ab als unten, dafür interessanter. Im Allgemeinen ist der Nordostteil des Grates weniger scharf und leichter, teilweise auch im Wechsel mit Gehgelände und zwischendurch öffnen sich imposante Blicke über die schauerliche Ostwand zur Kalkgrube hinab.

Rückblick zum Gipfel der Kalkwand

Der stetig absteigende Gratteil und das Ende der Grattour überhaupt werden mit gemütlichem Schritt etwa nach einer Viertelstunde ab Verlassen des Gipfels erreicht. Am Ende des Grates spitzt sich selbiger noch einmal zu einer auslaufenden Schneid zu, deren Totalabbruch zunächst rechts (östlich), dann links eindrucksvoll eingesehen werden kann und der letzte Bohrhaken auf einer lose aufgelagerten Felsplatte markiert das nahe Ende des Grates, der nach einem schmalen Band mit einer Abseilstelle senkrecht abbricht.

Rückblick zur Kalkwand

Bei der Platte mit dem Bohrhaken führt der Abstieg in die schuttbedeckte Nordflanke der Kalkwand. Über undeutlich zu erkennende Steigspuren erfolgt der Abstieg zu ebenfalls schwer erkennbaren Steinmännern in gerader Linie südwestwärts hinab.

letzte leichte Gratsequenz

Die Geländeform gibt die Richtung fast vor, man folgt ihr bis zur Sichtung der Steinmänner mit nicht zu steilem Abstieg.

Übergang zur Abseilstelle – hier knapp 180° umgedreht südwestwärts zu Steinmännern hinab

Sobald der als Art Absperrung errichtete Steinmann erreicht ist und etwas darüber hinaus abgestiegen wurde, öffnet sich hinter einer herabziehenden Felsrippe die Sicht auf einen kleinen Turm mit auffälligem Steinmann der angesteuert wird (Bild).

Abstieg schräg querend, Steinmänner schwer sichtbar am Bild

Damit ist der ungewisse Teil des Abstiegs eigentlich schon überwunden, denn von dort wird nur mehr über Rippen und Türmchen unterhalb der hohen Nordwestwand auf das Schuttfeld Richtung Torwand hin gequert.

Rückblick vom zweiten Steinmann

Natürlich folgen über die Querung bis zum Schuttfeld hin noch einige schöne Kletterstellen, aber die Richtung ist klar und kann durch das sichtbare Schuttfeld eigentlich nicht mehr verfehlt werden. Der Abstieg erfolgt also im Wesentlichen nur mit einer signifikanten Hauptrichtungsänderung.

auffälliger Steinmann im Nordosten nach Richtungsumkehr

Am Schuttfeld muß wieder zur Grathöhe aufgestiegen werden. Dabei passierte Pascal eine Stelle mit Trümmern von Fahlerz3, das aus einem Brocken herausgeschlagen wurde und die Minerale Azurit (blau) und der Malachit (grün) schön anzusehen sind.

Steinmännern folgend über ein paar kleine Rippen bis unterhalb die Abbruchwand

Unter vorwiegend Gehgelände am Grat wird über einen reichen Wechsel an Gestein zum Salzsattel abgestiegen. Es begleiten dort, von oben nach unten: Raibler Schichten (Tonschiefer, Sandsteine, Dolomit und Breccien), Dolomit des Ladin, Hautdolomit, Bänderkalk und zuletzt wieder Dolomit und auffällig dabei ist die dünne Schicht von schwarzen Kalken, zwischen den mächtigen Dolomitlagen.

Rückblick vom Aufstieg auf den Grat auf das letzte Kaminschen am Abstieg

Die Bezeichnung „Salzsattel“ für den Sattel zwischen Kalkwand und Torwand ist natürlich als Metapher zu sehen und stellt die salzweiße Farbe in den Fokus. Geologisch gesehen besteht dieser kurze Teil aus Rauhwacke mit Gips und hier findet sich eine gute Erklärung über die Funktion dieser Schicht am Sattel, die zu verstehen hilft wie die Kalkwand durch Deckenüberschiebung an ihren Platz gekommen ist.

Fahlerz mit Malachit und Azurit

Am Salzsattel endet der bergsteigerisch interessante Teil der Kalkwandüberschreitung.
Jenseits des Sattels stiegen wir in leichtem Gehgelände wieder über den in den Tuxern typischen, von verschiedenen Schiefergesteinen gebildeten Gratrücken auf die Torwand auf.

unterer Teil des Grates zum Salzsattel

Mit einem schönen Rückblick auf die tolle Kalkwand  verabschiedeten sich die Bergkameraden am Gipfel der Torwand, Pascal und Christina über den Zinten und der Autor über den Westhang der Torwand absteigend.

Rückblick auf die Kalkwand am Aufstieg zur Torwand

Weglos über den Hang, der im Winter eine schöne Schitour bietet, hinab in den Melkboden wird am Torjoch der Weg zur Lizumer Hütte erreicht. Zur Einkehr in der Hütte muß man den breiten Schotterweg auf einem abzweigenden alten Weg verlassen, da der Schotterweg an der Hütte vorbei zum Kasernenlager führt.

Gipfel Torwand gegen Kalkwand

Die Einkehr in die Lizumer Hütte lohnt sich nicht nur wegen dem grandiosen Rückblick, sondern auch wegen heimischen Bieres uns der g‘schmackigen Kasknödelsuppe oder anderen Speisen.

Rückblick vom Melkboden zum zerrissenen Nordostgrat

Auf der Bank vor der Hütte kann ein Großteil am Grat vom Junsjoch bis zur Torwand mit dem Glas eingesehen werden.

Route Gratüberschreitung Kalkwand

Unter schnellem Schritt über den Zirbensteig ist man einer guten Stunde in Walchen am Parkplatz.

 

Überblick über die Gratstrecke der Kalkwandüberschreitung von Melkboden links bis Junsjoch rechts

Die Tour erfordert den Anstieg über 1.620m und über eine Strecke von knapp 21km. Mit einem Gipfelaufenthalt von etwa einer Stunde und einer dreiviertel Stunde in der Lizumer Hütte betrug die Gesamtzeit 9:44 Stunden. Die Rundenzeit von der Hütte bis zur Hütte betrug knapp 6 Stunden incl. Gipfelpause.

Mils, 09.08.2020

1 Enzenberg-Praehauser, Mechthild 1976: Zur Geologie der Tarntaler Breccie und ihrer Umgebung im Kamm Hippold-Kalkwand (Tuxer Voralpen, Tirol). Mitt. Ges. Geol. Bergbaustud. Österr. S. 163-180

2 Dingeldey, Christian: Bericht 1998 über geologische Aufnahmen im Quartär der Tarntaler Berge auf Blatt 149 Lanersbach.- Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt, 142/3, S.304-305, 2000.

3 https://www.uibk.ac.at/geologie/schausammlung_cs/fahlerz.html

 

N

Schitour Torwand, 2.771m

Wer die Torwand im Wattental im Jänner früh am Morgen angeht, steigt über lange Passagen im Schatten auf. So ist es mir heute ergangen – trotzdem gefiel mir der abwechslungsreiche Aufstieg in felsigem Gelände und die gesamte Tour.

Panorama von der Torwand zum Talschluß der Wattener Lizum

Vom Parkplatz vor dem Lager Walchen wird zunächst über die linke Bachseite und Stieralm auf der Schiroute in Richtung Lizumerhütte aufgestiegen. Einige hundert Meter nach der Abzweigung zur Lizumerhütte weiter wird über die links aufsteigenden Hänge in Richtung Rosskopf – einem markanten runden Buckel – der etwas dem Weg zum Torjoch vorgelagert ist, aufgestiegen.

Torwand, 2.771m

Ich habe heute  eine Variante gewählt, um den flachen Teil der Straße zur Lizumerhütte zu vermeiden und bin hinunter zu den Kasernengebäuden gefahren und zur Kapelle aufgestiegen.
Dort fand ich eine frische  Spur vor, die zur Grauen Wand führen sollte und bald sah ich zwei Mann vor mir in der sehr abgeblasenen Flanke in Richtung Graue Wand aufsteigen. Muß kein sonderliches Hochgefühl sein hier abzufahren.

rechts geht’s ab

Oberhalb des kleinen Einschnittes zweigte ich von der Spur ab und stieg etwas steiler in Richtung Karmulde des Torjoches weiter, wodurch ich den Rosskopf praktisch links (nördlich) in Aufstiegsrichtung umgangen bin. Der Vorteil – neben einer Abkürzung von geschätzt 10min – dieser Routenführung war, daß ich gegen 10:20 Uhr den bereits besonnten Bereich erreichte und länger darin aufsteigen konnte, als bei der Originalroute.

bei der Abzweigung zur Torwand, rechts geht es direkt der Sonne zu

Allerdings wird die untere Karmulde dabei in der vollen Tiefe erreicht, was einen etwas steileren Aufstieg in Serpentinen notwendig macht, wenn man nicht zur deutlich höher gelegen Spur von der Lizumerhütte herauf aufsteigen. Diese führt in der Flanke der rechten Karbegrenzung ohne Serpentinen aufwärts, bis zur nächsten flacheren Stufe. Später habe ich erfahren, daß durch diese Spur kurz vor mir Kollege Jürgen eine kleine Tuxer Reib’n absolviert hat und sein lesenswerter Bericht sich lohnt bei ihm vorbeizuschauen.

unberührtes Aufstiegsgelände

Oben angekommen breitet sich eine leichte Mulde aus und im Sommer gibt es dort offenbar einen kleinen See oder eine Lacke, im Winter ist nichts davon sichtbar.
Die Spur zum Torjoch setzt sich nun mit einigen wenigen Metern Höhenverlust fort.

der Anstieg durch die Steilstufe (rechts oben der Anstieg von der Lizumerhütte)

In etwa auf Punkt 2.370m zieht rechter Hand eine auffällige Rippe ziemlich direkt südlich zu einer Flachstelle im Kamm auf die Torwand hinauf und diese muß man für den weiteren Anstieg wählen, das Torjoch (2.386m) wird nicht erreicht, ca. 150m vorher zweigt die Route auf die Torwand ab.

in Richtung Torjoch weiter

Der Aufstieg erfolgt wieder im Schatten, da gegen 11 Uhr die Sonne vollständig vom Gipfelaufbau der Torwand abgedeckt wird. Dies ändert sich erst oben, nachdem der Kamm erreicht wurde (siehe Foto).

der Aufstieg wird etwas steiler

Ab der Flachstelle – ich habe sie Podest genannt, obwohl sie viele Meter breit ist – taucht man wieder in Sonnenhänge ein, die jedoch immer wieder unterbrochen werden, da die Nordwestflanke der Torwand am Spätvormittag exakt parallel zur erst auftauchenden Sonnenbahn liegt.

Rückblick auf das Gelände des Torjoches

Die schneebedeckten Hänge zum Gipfel muß man sorgfältig aussuchen und von unten die beste Route einschätzen, denn im heurigen Winter hat der Föhn ganze Arbeit geleistet. Nicht nur, daß er die Flanke recht ausgiebig abgeblasen hat, er hat auch harsche, harte Windgangln geschaffen, die manchmal recht unangenehm zu queren sind.

steiles Aufstiegsgelände vom „Podest“ aus gesehen

Überhaupt bieten die letzten 250Hm einige Herausforderung. Die Flanke ist recht steil und für eine Erstbegehung die beste Variante trügerisch einzuschätzen weil die Steilstufen nicht vollständig überblickbar sind.

Rückblick auf den bisherigen Aufstieg

So bin ich etwas zu weit nach Süden abgekommen, fand aber zwischen den Blöcken rasch wieder heraus und kam auf breite Flächen, die die Normalroute darstellen.

vorletzter Steilhang

Im Großen und Ganzen bietet der Anstieg über die teilweise rassige Steilflanke jedoch keine Schwierigkeiten und über eine schöne steile Kuppe wird dann der Gipfelbereich betreten.

Kalkwand 2.826m

Die Torwand wartet nicht mit einen Gipfelkreuz auf. Eine schlichte Holzstange im Steinmandl gesockelt stellt die gesamte Zier des Gipfels dar. Es gibt kein Gipfelbuch, zumindest nicht offensichtlich.

Panorama von der Torwand zum Talschluß der Wattener Lizum

Als erstes fällt am Gipfel der Torwand der südlich gelegene und um 55Hm höhere und imposant steil aufragende Gipfel der Kalkwand auf – eine schöne Tour muß die Kalkwand wohl sein.

Panorama Wattener Lizum gen Inntal

Über den Ausblick möchte ich mich zu den Touren im Wattental heuer nicht wiederholen – er ist einfach auch von der Torwand großartig. Besonders das Trio der Riesen im Südwesten (Geier, Reckner und Sonnenspitze) bieten Grundlage für tolle Fotos.

Geier, Reckner und Lizumer Sonnenspitze

Von Osten Bis Süden warten die Zillertaler Giganten mit ihrer weißen Pracht auf und oberhalb der Grüblspitze, über der Junsbergalm im Tuxertal erkennt man deutliche Ansätze von tückisch breiten Anrissen der heuer auf Wiesenhängen so problematischen Gleitschneelawinen.  Südlich ausgerichtete Wiesenhänge – kein gutes Aufstiegsgelände heuer.

Gleitschneelawinen und -anrisse oberhalb der Junsbergalm

Immer wieder imposant ist der breite und nach den kräftigen Schneefällen nun besonders schöne Talkessel der Wattener Lizum mit dem weiten Hochtal, der zum Talabschluß die Mölser Sonnenspitze hat – eine empfehlenswerte, traumhafte Rundtour vom Lager Walchen.

Panorama Wattener Lizum West

Kaum ein Lüftl heute auf der Torwand machte mir den Gipfelaufenthalt zur Freude. Die zeitlose Schönheit des Panoramas und wieder einmal kein einziger weiterer Bergsteiger – alle Pracht für mich alleine. Leider aber auch keine Möglichkeit die Freude verbal und den Gipfelschnaps zeremoniell zu teilen.

Olperer in der Ferne und Kalkwand zum Greifen nahe

Hoch inspiriert trat ich den Rückweg an. Die steilen Hänge schnell überwunden und aufgrund der festen Windpressung recht gut fahrbar tauchte ich oberhalb der Höhe des Podestes in pulverige Passagen ein, ebenfalls nicht übel zu fahren.

Abfahrtsgelände im Überblick

Vom Gipfel aus fiel mir der schöne breite Kamm, der sich zu einem weiteren Kopf (nicht dem Rosskopf) hinauszieht ins Auge und ich beschloss diesen erreichen zu wollen.

weichere Hänge etwas weiter unten

Leider war der untere Verbindungsteil vom Podest bis zum Kamm total abgeweht und ich mußte ihn nordseitig in Gelände mit und über 35° Neigung umfahren (Vorsicht bei zweifelhaften Schneebedingungen!).

bereits am Kamm der umfahren wurde

Die vorsichtige Umfahrung war das kleine Risiko bei LWSII heute wert, denn am Sattel in diesem Kamm, an dem man direkt in die „Melkböden“ abfahren kann erwartete mich aufgrund der Hangausrichtung eine gewaltige Firnabfahrt.

Ausblick auf die weitere Abfahrt

Der Rest der Abfahrt zieht sich dann durch flacheres Gelände, bis zum noch etwas steileren Schlußhang kurz vor der Lizumerhütte hinab und rundet die schöne Tour ab.

Abfahrt im Rückblick

Einige Minuten Seelebaumel vor der Hütte in voller Sonnenbestrahlung und dann Suppe und Bier – Herz was willst du mehr?

Schlußhang zur Lizumerhütte

Der Rückweg über die Militärstraße und dann durch den tollen Zirbenwald ist der übliche und vielfach hier am Blog nachzulesen, er wird in diesem Bericht nicht beschrieben.

ein letzter Blick auf die Torwand

Der Aufstieg ab dem Parkplatz hat knapp 4 Stunden in Anspruch genommen, die zurückgelegte geodätische Höhe betrug gem. Bergsteigeruhr 1.450m und die gesamte Tour mit Gipfelaufenthalt (ca.30min) und Einkehr in der Lizumerhütte (ca. 30min) hat 6 1/4 Stunden gedauert.

Mils, 27.01.2018

 

 

 

 

Schitour Geier, 2.857m

Als Talabschluß ist der Geier nach dem Lizumer Reckner der höchste Berg in der Wattener Lizum und er ist der am weitesten entfernte Gipfel vom Ausgangspunkt der Schitouren in der Lizum, dem Lager Walchen.

Geier, 2.857m

Die Schitour mit ihren knapp 10km Länge hat einen Stützpunkt, die Lizumerhütte des AV und heute mußte ich diese für eine gute Viertelstunde sogar im Aufstieg in Anspruch nehmen. Bei -10°C und einem ganz schwachen Lüftl, nordseitig im Schatten ab 8:15 vom Parkplatz aufzusteigen, war für die Finger kein besonderes Vergnügen und mit dem alten Problem der unfühlbaren Fingerspitzen mußte ein Tee in der Hütte her.

Aufstieg im Wald oberhalb des Wasserschlosses

Die gut 600Hm vom Parkplatz bis zur Lizumer Hütte waren in 1 3/4 Stunden bewältigt. Die Hütte hat in der Schitourensaison durchgehend geöffnet – es gibt auch ein Shuttletaxi vom Parkplatz.

kurz nach der Einmündung auf die Straße

Den Aufstieg zur Lizumerhütte beschreibe ich hier nicht detailliert, er folgt dem Waldweg links vom Wattenbach über das Wasserschloss und dann im Wald, bevor er ca. 1km vor der Hütte auf die Militärstraße trifft und dieser bis zur Hütte folgt.

schneidend kalt – hier Gelände der Lizum mit den Militäreinrichtungen und der Lizumerhütte im Hintergrund

Nach dem Tee und Handschuhwechsel konnte die Tour endlich in der Vormittagssonne fortgesetzt werden, zumindest die erste halbe Stunde.

Nach dem Hüttenaufenthalt weiter im Hochtal

Malerisch schlängelt sich der kleine Wattenbach durch das zuerst relative ebene Hochtal nach der Hütte und dort wo es eine entsprechende Strömung gibt, vermochte der Winter den Bach für den Betrachter nicht gänzlich unter der reichlichen Schneedecke zu verbergen.

nach der Abzweigung in die Flanke unterhalb der Lizumer Sonnenspitze

Nach einigen Minuten entschied ich mich für die Inangriffnahme einer steileren Variante, als den Spuren zum Ende des Talkessels weiter zu folgen und schnitt den moderat steilen Hang, der sich von der Lizumer Sonnenspitze herunterzieht, an. Die Schneeverhältnisse ließen dies zu.

unter Sonnenschein geht es weiter

Rasch an Höhe gewinnend ging es durch große Steinblöcke hindurch und bald ereilte mich trotz fortgeschrittener Vormittagsstunde das Schicksal wieder in den Schatten des Nordhanges einzutauchen, den der flache Kopf des Pluderling so früh im Jahr am Vormittag wirft.

die Sonne hinter dem Pluderling versteckt

Der Hang wurde noch etwas steiler aber die Verhältnisse ließen zu, daß mit stetigem Höhengewinn eine nicht unbedeutende Strecke gegenüber der von Talgrund heraufziehenden Spur gespart wurde. Allerdings wieder mit dem Preis des Spurens und dieser war nicht klein.

kurz vor Einmündung in die Spuren aus dem Talgrund

Offensichtlich fand meine Idee und Route Gefallen, denn knapp vor der Einmündung meiner Abkürzung in die vorhandene Spur (ca. 2.450m) erreichten mich vier weitere Tourengeher, die mir gefolgt waren.

unterhalb der Felsen entlang

Nachdem der lange Osthang oberhalb der Mulde links unten einmündet, zieht sich der Hang in leichtem Bogen als sehr breite Rinne südwestlich weiter hinauf. Dabei werden Steilpartieen über 35° durch die Routenwahl und in Spitzkehren umgangen.

unbefahrene Hänge ziehen hinauf

Oberhalb wird das Gelände wieder etwas flacher, dreht etwas mehr nach Süden aber die Rinne prägt sich deutlicher aus. Man begeht sie östlich und schneidet dabei den Hang.

ein Rückblick auf die Gipfel von Torspitze bis Hirzer

Sonne in diesem Teil und weiter bis zum mittelbreiten Sattel zwischen Pluderling und dem Gipfelaufbau des Geier ließen die Stimmung zusätzlich zum windfreien guten Wetter weiter ansteigen.

im ausgeprägteren Teil des Hanges Richtung Süden

Man könnte nun knapp vor Erreichen der Kote 2.700m den steilen Schattenhang zur Rechten weiter ansteigen und somit eine kleine Ersparnis an Weglänge erreichen. Dies ist der Abfahrtshang, wie man später feststellen wird. Ich folgte jedoch dem allgemeinen Trott auf den Sattel.

im muldenartigen Teil

Am Sattel öffnet sich ein überwältigend Bild der Zillertaler Alpen. Zumindest für einen Rundblick und ein Foto muß man hier nach bereits gut 1.300Hm Aufstieg innehalten, bevor der letzte Anstieg auf den Geier gen Westen – mit unerwarteter Länge – unternommen wird.

Aufstieg auf den Sattel – rechts der dunkle Hang ist der Abfahrtshang

Mit ein paar Metern Höhenverlust muß eine Mulde überquer werden, um zum Gipfelaufbau zu gelangen.

der Sattel im Rückblick

An ihm steigt man mit einer Spitzkehre auf ein kleines Sattelchen zwischen einem Felskopf und dem weiteren Anstieg. Diese Verflachung und der Nordhang dahinter wird zur Abfahrt genutzt.

vom Sattel aus westlich auf den Restaufstieg auf den Geier geblickt

Von dort in moderater Steigung weiter bis auf den kofelartig flachen Gipfel des Geier werden in etwa 10min benötigt.

kurz vor dem Gipfel – das Sattelchen zur Abfahrt gut erkennbar, es ist das linke

Am Geier befindet sich eine aus Edelstahl geschweißte Geierfigur auf zu niedrigem Stahlprofilsockel (dieser majestätische Vogel hätte sich einen guten Meter mehr Höhe verdient) und heute bewunderten ihn mit mir ein knappes Dutzend Tourengeher insgesamt. Weniger Zierde stellt das Vermessungszeichen dar, aber es ist eben notwendig und vielleicht muß der Greif wegen Unverwechselbarkeit mit dem amtlichen Zeichen in der Tiefe leben.

Gipfelzierde am Geier, 2.857m – Lizumer Reckner im Hintergrund

Am Geier fasziniert am meisten der Ausblick nach Süden. Zum Greifen nahe breiten sich die Reisen der Zillertaler Alpen vor dem Betrachter aus, von ganz rechts dem Schrammacher, Fussstein und Olperer bis dahinter der höchste Zillertaler, der Hochfeiler, über Großer Möseler bis, weiter östlich, zum Großen Löffler und weiter.

Blick nach Südwesten mit Olperer, Hochfeiler (zwischen Olperer und Gfr. Wandspitzen) und ganz links Großer Möseler

Blickt man vom Geier nach Westen, so fallen die Talschaften des Schmirn und etwas weiter entfernt vom Navis auf. Tiefe Einschnitte mit dem Kamm, der Scheibenspitze, Schafseitenspitze und das Naviser Kreuzjöchl trägt. Von dort kann ebenfalls zum Geier aufgestiegen werden, wobei das eine Tour für erfahrene konditionsstarke Bergsteiger darstellt.

Blick nach Westen – links das Schmirntal, rechts neben dem Kamm das Navistal

Der Blick nach Norden zeigt den nahegelegenen Bruder des Geier, den Lizumer Reckner, der auch mit dem Geier mitgemacht werden kann. Dieses Vorhaben empfiehlt sich in der Gruppe. Weiter nördlich die Gipfel des Karwendel.

Lizumer Reckner vom Geier aus betrachtet, dahinter das Karwendel

Im Osten fallen die senkrechten und kaum schneebedeckten Wände der mächtigen Kalkwand auf, wobei der Blick aber bis zum geschlossenen Massiv des Steinernen Meer reicht.

links Kalkwand und rechts davon Zillertal und nach hinten auslaufend das Pinzgau

Nach gut 20min entschied ich mich zur Abfahrt. Das Ziel auf den Geier hat sich gelohnt, auch wenn der Gipfel an sich alles andere als spektakulär oder formschön ist, aber die Lage ist die Tour allemal wert. Man könnte zur Erreichung eines bergsteigerisch ehrgeizigeren Ziele ja auch den Reckner mitmachen. Da ist sogar eine kleine Kletterei dabei.

Abfahrt im Pulverhang nach dem Sattelchen

Die Abfahrt erfolgt wie vor beschrieben über die kleine Flachstelle am Gipfelaufbau des Geier und heute wartete der nach Nord ausgerichtete Steilhang dahinter mit Pulverschnee auf.

schöne Pulverhänge – dafür im Schatten

In der weiteren Abfahrt blieben die Pulverhänge bis in etwa auf 2.500m erhalten, dann, in den Osthang des Aufstieges gequert, nimmt die Pulverschneequalität sukzessive ab, jedoch herrscht momentan kein schweißtreibender Harschdeckel vor.

im steileren Teil der Aufstieghanges

Flach geht es bis zur bereits wieder in den Schatten eingetauchten Lizumerhütte hinaus, wo eine deftige Knödelsuppe mit internationalem Flair eingenommen wurde.

links gehalten entlang meiner Aufstiegsspur

Die Abfahrt beschert nach der Hütte zwei kleinen Anstiege auf der Straße über ein paar Minuten, die mit geschulterten Schi rasch überwunden werden.

Auf der Militärstraße wird vorsichtig abgefahren. Dort ist das Hüttentaxi und Militär unterwegs. Man blicke immer auch auf die Schilder rechts neben der Straße und versäume die Abzweigung zur Schiroute nicht, die man herauf gegangen ist.

von der Militärstraße auf die Gipfel und Almen im östlichen Wattental geblickt

Insgesamt habe ich für die Tour 6 1/2 Stunden gebraucht, mit drei Pausen von je gut 20min. Insgesamt zeigte die Bergsteigeruhr eine Aufstiegshöhe von 1.535m an, wobei der geodätische Höhenunterschied zwischen Parkplatz und Gipfel des Geier 1.447m beträgt.

Schitour Geier – Wattener Lizum

Mils, 13.01.2018