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Hochkanzel, 2.575m

Die Hochkanzel ist der Eckpfeiler im Roßlochkamm bei der sich der Grat von seiner West-/Ostrichtung in die Süd-/Nordrichtung wendet und erreicht wird sie von der Gamskarspitze aus in phantastischer Gratkletterei. Nach ihr folgt die Roßlochspitze als zentraler Gipfel im Roßloch, hoch über dem Roßkar.

Hochkanzel, 2.575m

Wer sich für die gesamte Gratstrecke bis zur Hochkanzel interessiert der möge vorher den Bericht zur Brantlspitze lesen. In gegenständlichem Bericht werden nur neu erlebte, besondere Passagen der ersten Etappe zwischen Gamskarspitze und Brantlspitze beschrieben und die Überschreitung zur Hochkanzel im Detail.

Blick vom Lafatscher Joch auf den auslaufenden Roßlochkamm, dahinter Südliche Sonnenspitze

Als Tagestour gesehen – die wegen der großen Entfernung vom Startpunkt beim Hackl im Halltal in Frage kommt stellt die Hochkanzel, zumindest für den Verfasser, das äußerste Ziel dar, das erreichbar ist. Eine Begehung des gesamten Grates über die Hochkanzel hinweg bis zur Roßlochspitze würde vorzugsweise mit einem Abstieg in das Roßloch und mit Rückweg über die Kastenalm zu wählen sein.

Almauftrieb in den Halleranger, dahinter Jochreisen und Lafatscher Roßkopf

Bei einem solchen Unternehmen muß im Übrigen, nach all der bisherigen Erfahrung mit dem nicht unerheblich zeitraubenden Grat bis zur Hochkanzel, die Begehung in umgekehrter Reihenfolge empfohlen werden, da die genussvollen Gratstücke lieber im Aufstieg genommen werden.

die Raiblerschichten vor dem Burattipfeiler, dahinter die Gamskarspitze

Möglicherweise stellt die oben angedachte Runde eine abschließende Erkundungstour in diesem Gebiet dar und je mehr beim Verfassen dieses Berichtes darüber nachgedacht wird, desto mehr – so muß der Schreiber bei Niederschrift dieser Zeilen feststellen – manifestiert sich dieser Gedanke.

Lafatscherverschneidung

Den durchaus ernst zu nehmenden Gratabschnitten im Roßlochkamm wohnt ein eigener Zauber inne, vielleicht aufgrund der nicht so sehr dramatischen Höhenunterschiede zwischen den Scharten wie in den gewaltigen Girlanden der Gleirsch- Halltalkette und somit für einen alten Mann durchaus schmeichelnd in der konditionellen Herausforderung.

scharf getrennt, schlechter Fels und fester Fels an den Schnittlwänden

Auch wenn hier scheinbar Werbung für ein selten begangenes Kleinod im Karwendel entsteht, so möge der wenig erfahrene Gratkletterer und der vor Ausgesetztheit und Brüchigkeit Scheue auf die weitere Lesung des Berichtes verzichten. Wir sprechen von einem Terrain das gefährlich ist und Klettertechnik, Erfahrung sowie Entschlossenheit voraussetzt – vom Glück, daß allzeit sämtliche lockeren Gratpartien im Verbund halten mögen ganz abgesehen.

Am Aufstieg zur Gamskarspitze in den Halleranger geblickt

Trotz der klettertechnisch nicht sehr schwierigen Partien – die generelle Einstufung in den zweiten Grad (manchmal vielleicht ein sehr oberer „Zweier“) trifft gut zu – sind die begleitenden Umstände am und zu beiden Seiten des Grates zur Hochkanzel eben die Zutaten für ein eher heikles Unternehmen. Hat man einen Partner mit so niemals einen dessen Kletterkünste und Resistenz im Ausgesetzten man nicht genau einschätzen kann.

die Inschriften von Tützscher und Wechner am Beginn der Felsstrecke zur Gamskarspitze

Nun genug der Gefahrenhinweise, all jene die die Begehung der Hochkanzel von der Gamskarspitze ernsthaft in Erwägung ziehen sind sich ihrer Eigenverantwortung bewußt. Als echter Bergsteiger würde man niemals jemand anderen für sein Unglück verantwortlich erklären, dies ist Fremden vorbehalten.

Die wenig dampfgesättigte klare Luft am so herrlichen Junimorgen erlaubte selbst für die mittelmäßige Bildleistung eines Telefons phantastische Aufnahmen während der langen Anreise vom Hackl zum Halleranger. Die Schnittlwände mit dem wurstradlgleich abgeschnittenen Burattipfeiler (vor knapp vier Jahrzehnten von Udo und dem Verfasser als schwierigste Klettertour ever in dessen Karriere bezwungen) hinterm Joch machen Fotos der Heimat zu einem Blickfang an dem alle Ansichten von Südseeinseln verblassen.

am Grat zur Gamskarspitze

Brüchige und deshalb rasch vergängliche Raiblerschichten von hochfestem Wettersteinkalk über Jahrmillionen in der Aufschiebung vorne hergeschoben, senkrecht aufgerichtet, zerschartet und von Wind und Wetter gerichtet können im Abstieg zum Halleranger bestaunt werden. Phantastisch skurrile Anblicke und wie Aristoteles in einem Aphorismus treffend erkannt hat: „Die Natur schafft immer von dem, was möglich ist, das Beste“.

alle Gipfel des heutigen Tages; von re. n. li.: Gamskarspitze, Brantlspitze, Hochkanzel

Nach dem Auftanken von Trinkwasser an nicht ultraviolett behandeltem und daher keimbehaftetem, kristallklarem und wohlschmeckendem Bergwasser an den Quellen im Halleranger galt es, wie alle Jahre wieder, beim Aufstieg zur Gamskarspitze den kleinen Kampf mit den Latschen auszufechten.

das nächste Ziel, die Brantlspitze

Der kleine Kampf besteht in der Suche nach dem effizientesten Aufstieg durch die Zunternfelder (Latschenfelder) nach der großen Wiesenfläche mit den markanten Nadelbäumen an seinem Saum. Hier verliert sich der breite Steig, der von der Lärche schräg oberhalb der Hallerangeralm in Richtung Hallerangerspitzen angestiegen wird in zig einzelne Gassen, die aber meist nur Gamsspuren sind und keine gut gangbaren Aufstiege.

Grubenkar- und Dreizinkenspitze über dem weiten Roßkar

Ein Tipp für all jene denen die Gassen zwischen den sichten Latschen nicht so geläufig sind besteht darin, daß die Almwiesenfläche einfach bis zu einer Wasserrinne ostwärts aufgestiegen wird und dann über den teilweise recht schroffigen aber dafür latschenfreien Einschnitt des Wasserlaufes über die Latschen hinausgestiegen wird.

Karwendelhauptkamm

Damit kommt man etwas weiter östlich der Ideallinie an und muß steil weitersteigen, vermeidet aber den kleinen Kampf und spart Zeit ein. Oben trifft man auf die Rippe mit den Schrofen, die sich zu oberst zum Grataufbau hinziehen und den Weg zur Gamskarspitze auch ohne Markierungen weisen.

Tützscher und Wechner haben sich zu Beginn der folgenden Felsstrecke – wie es deren Brauch gebot – vor mehr als 120 Jahren mit schwarzer Farbe auf glattem Fels verewigt und noch heute ist an den gut erhaltenen Buchstaben erkennbar, daß dies sogar mit hoher Präzision in der Glyphologie geschah (Wechner war Lithograph). Diese Markierungsart von vollendeten Touren als Erstbegehung seien dem alpingeschichtlich interessierten Leser hier nicht vorenthalten (die beiden Paradebergsteiger waren Mitglieder in einer der ersten und berühmtesten Bergsteigervereinigung in Tirol, der „Wilde Bande“, die von 1878 bis Ende der 1930er Jahre existierte; sollten die beiden gemeinsam unterwegs gewesen sein, dann muß es vor 1884 gewesen sein – Wechner starb in diesem Jahr, Tützscher 1897).

von der Gamskarspitze in den Halleranger geblickt

Bald nach dem Ende der Wiesenhänge und dem Beginn der Gratzone ist die Gamskarspitze zuerst über einen Schutthang, sodann weitgehend am Grat und zuletzt in der südlichen Gipfelflanke erreicht.
Bisher ein leichtes Ziel und bis oben hin mit Stöcken zum Gipfel begehbar. Kurz vor dem Gipfel können über einen kurzen Bereich am Grat alle drei Gipfel der nun folgenden Überschreitung bis zur gleichzeitig eingesehen werden – Gamskarspitze, Brantlspitze, die Zwischenerhebung nach der Brantlspitze und zuletzt die heute begehrte Hochkanzel.

Der Rückblick auf den Halleranger und der Halltalkette vor dem nun langen Weg ausschließlich auf Fels ist unersetzlich und deshalb hier eine Ablichtung.
Zu Beginn der Gratkletterei zur Hochkanzel findet sich im Bereich der Gipfelbuchschachtel erneut eine verwitterte Markierung von Wechner am Fels, leider aber auf den folgenden Gipfeln keine mehr. Möglicherweise wegen der dort kaum vorhandenen ebenflächigen Blöcke im Gipfelbereich, denn es ist schwer vorstellbar, daß ihn der Grat nicht unwiderstehlich gereizt hat.
Zum Gipfelbuch und den Gipfelbüchern auf Brantlspitze und auf der Hochkanzel sei ein Lob und Dank an die beiden Betreuer gerichtet. Sie haben sich sogar die Arbeit angetan die letzten Einträge des alten Gipfelbuches zu übertragen, nachdem dieses durch Feuchtigkeit unbrauchbar geworden ist. Leider habe ich die Gipfelbuchschachtel auf der Hochkanzel in genau der Stellung vorgefunden – liegend! -, die eine Durchnässung geradezu perfekt möglich macht – sapperlot Herr Pfarrer!

die Gegend um das Knappenhüttl unterhalb des Überschalljoches

Im Wissen über die zeitraubende Gratstrecke wurde diese nach hastigem Verzehr einer kleinen Portion Studentenfutter ohne großen Aufenthalt auf der Gamskarspitze um 11:15 aufgenommen.

Tiefe Konzentration am schmalen bis schneidigen Grat läßt die Zeit wie im Fluge verstreichen. Ab und zu ein nachdenkliches Innehalten nach einer brüchigen Partie ist durchaus kein seltenes Erlebnis an dieser interessanten Kante sowie der Wechsel zwischen anregenden scharfen und leichten breiten Gratteilen lassen den Geist vollends in die Arbeit eintauchen und betäuben das Zeitgefühl. An einem Tag an dem es mit höchster Wahrscheinlichkeit kein Gewitter geben wird, ein hemmungslos auszukostendes Erlebnis.

kleine Störzone mit leichtem Übergang wenige Minuten nach dem Start am Grat

Drei Stellen mit Störzonen im Übergang zur Brantlspitze wurden neu abgelichtet.
Die erste kleine Einschartung kurz nach dem Start des Überganges ist in Richtung Brantlspitze leicht durch Umgehung links (nördlich) zu umgehen, auch wenn es nicht so aussieht. Dass man sich vor dem Abstieg auf einer Störzone bewegt erkennt man erst im Rückblick.

zweite brüchige Scharte

Die zweite Stelle – durch eine größere und unangenehmere Störzone – stellt die tiefe Scharte kurz vor der Brantlspitze dar und ist ebenso leicht zu begehen. Im Abstieg kann ein sinnvoller Schwenk nach links (nördlich) zu einem spitzen Türmchen erkannt werden, der im brüchigen Material einem Hauch von Rampe gleicht. Vom Türmchen zurück zur Scharte auf geneigter Fläche auf einigermaßen trittfestem Untergrund.

Abstieg in die Scharte, links die logische Route

Die dritte Stelle stellt der Ostrücken zur Brantlspitze dar. Im Aufstieg ist er leicht, ja sogar erfreulich anregend zu nehmen und die eher nicht mehr bombenfesten Partien am schmalsten Teil fallen wenig auf. Im Abstieg erschien mir dieser Teil mit der anderen Körperhaltung als recht brisant und veranlasste mich in die Nordflanke unterhalb abzusteigen und in dieser zur Scharte zu queren.

Rückblick mit erkennbarer Abstiegsroute

Das Gelände dort ist zwar schuttbedeckt und unangenehm für eine Querung, aber doch etwas sicherer als der besagte Gratteil. Wir sprechen von ca. 25m Gratlänge zwischen den losen Partien unten (deutlich sichtbar und rechts, südlich, leicht zu umgehen) und der ebenso deutlich sichtbaren Verschneidung an der Gratschneide oben.

letzter Aufstieg auf die Brantlspitze jenseits der Scharte – im Abstieg den Mittelteil des Grates gemieden

Auf der Brantlspitze angekommen begann die Neuerkundung zur Hochkanzel – das erwartete Abenteuer für das die lange Anreise von 6:30 Uhr bis knapp vor 12 Uhr mittags in Kauf genommen wurde.

Rückblick von der Brantlspitze zur Gamskarspitze

Der Übergang findet auf einer abgewinkelten Gratstrecke ab, die zwar auch nicht vollkommen, so doch viel besser eingesehen werden kann, wie jene von der Gamskarspitze zur Brantlspitze. Vorweggenommen kann festgestellt werden, daß für die Erkundung mit dem Glas eigentlich nur der Ostrücken der Hochkanzel interessant erscheint. Dies deshalb, weil alle anderen Abschnitte ohne jede Schwierigkeit für den erfahrenen Gratkletterer begangen werden können.

der Grat zur Hochkanzel im Überblick

Zunächst erfolgt der Abstieg in die erste der beiden tiefen Scharten, am Weg zum Mittelkopf, der innerhalb der Gratlinie im Roßlochkamm eben einen Knick darstellt. Dieser ist leicht und kann als eine Erholungsstrecke angesehen werden, an der die eindrucksvolle Umgebung unter Betrachtung genommen werden kann, beispielsweise Details des Überganges von der Roßlochspitze zur Hochkanzel.

gewaltige Schlucht hat sich durch eine abgerutschte Platte gebildet; sie zieht – schön anzusehen – vom Grat steil hinab

Eine gewaltige Schlucht, gebildet aus dem Abrutschen einer der brüchigeren gratbildenden Platten zieht sich im Abstieg zur Scharte durch den kompletten Hochkanzelstock und hinterläßt einen gewaltigen Eindruck, der die Ausprägung der weiter unten aufragenden Hochkanzeltürme so richtig zur Geltung bringt. Durch die Hochkanzeltürme führt laut Klier ein Anstieg im IIIer Gelände auf die Hochkanzel und auch diese Route ist ein lange gehegter Wunsch, jedoch muß dieser unbedingt mit Partner erfolgen, zu kühn sieht das Gelände vom Knappenhüttl her aus.

Gratverlauf zum Mittelkopf

In der ersten – halbtiefen – Scharte leitet ein „Häutchen“ an Felsverbindung auf den Anstieg zum Mittelkopf über. Es ist halbwegs fest im Verbund und gut begehbar, aber auch nordseitig umgehbar. Der weitere Aufstieg zum Mittelkopf findet auf breiter Rampe statt.

kleines Grathäutchen im tiefsten Bereich der Scharte zum Mittelkopf

Nun bietet sich erstmals der Blick auf den westseitigen Abstieg in recht brüchigem Gelände. Die verschiedenen Plattenqualitäten haben hier verschiedene Verwitterungsformen hinterlassen und zum Glück derart, daß der Abstieg wesentlich leichter erfolgt als auf den Fotos mit Frontalansicht von der Hochkanzel aus.

die Flanke zur tiefen Scharte im Übergang ist zuerst brüchig, dann fester

Im Abstieg links müssen zuerst ca. 20Hm unangenehmen Schuttgeländes überwunden werden, bevor der Fels fester wird und gleich darauf in eine links hinab führende runde Nische überleitet.

Rückblick auf den gewählten Abstieg, die Nische oben erkennbar

Dieser Nische folgt eine Abstiegsrinne, die durch eine weichere schuttbedeckte Platte gebildet wird und der wiederum einige Dutzend Höhenmeter gefolgt werden kann, bevor abermals linkerhand eine Art Band weiter in die Flanke hinab leitet und erneut in einer vertieften schuttigen Platte bis knapp vor die tiefste Scharte abgestiegen werden kann.

Abstieg in der schuttigen Rinne

Der gesamte Abstieg mag auch auf dem messerscharfen sich abzeichnenden Grat rechts der oben beschriebenen Route möglich sein und das vielleicht sogar in festerem Fels, mir erschien jedoch die beschriebene Route für den Abstieg als sinnvoll, die Handflächen innen bereits einigermaßen vom ungeheuer schneidenden Fels gezeichnet.

Ansicht vom Grat, links davon die gewählte Absteigsroute

Die somit erreichte tiefe Scharte ist jene aus der die Besteigung der Hochkanzel aus dem Kar der Schneepfanne erfolgt. Der Blick in die Rinne und auf die unten ausgebreitete Schneepfanne zeigt, daß die Schneepfanne auch noch Mitte Juni ihrem Namen ganze Ehre zeigt, der Firn reicht durchgehend von unten immer noch bis zur Scharte herauf.
Ein Notabstieg könnte hier erfolgen.

beeindruckender Aufstieg zur Hochkanzel jenseits der Scharte

In der bisher erlebten Manier, möchte man meinen, ginge es nun am Grat weiter. Der Felskopf jenseits der Scharte mit den losen Trümmern am Band ist rasch erklommen und bevor man sich einer schönen weiteren Gratstrecke erfreuen kann wird am Felskopf oben angelangt der jähe, senkrechte Abbruch auf der Westseite des Kopfes erblickt.

an der tiefen Scharte angelangt; gegenüber der Felskopf mit dem senkrechten Abbruch an seiner Hinterseite

Möglicherweise ist er gangbar, mir erschien das Abenteuer aber sofort als unnötig herausfordernd und veranlasste mich zur Rückkehr in die Scharte.

kurzer Abstieg in die Südflanke

Umgesehen nach einer Alternative konnte sofort ein südseitiger Abstieg über eine auffällig „gebrauchte“ Schuttreise erkannt werden. Die Abstiegstiefe beträgt geschätzt 15Hm und nach einer leichten Linkskurve befindet man sich komplett in der plattigen Südflanke der Hochkanzel mit perfektem Ausblick auf die wilden Türme über dem Lochhüttl.

in der Südflanke – Platten mit etwa 70/75° Neigungswinkel

An der imposanten Flanke den sofortigen Aufstieg zum Grat wieder gesucht, kann der Westabbruch des zuvor begangenen Kopfes betrachtet werden und mit dem geistigen Ausruf eines „Halleluja“ geschieht die nachträgliche Zustimmung zur Entscheidung, gar nicht erst über den Abstieg desselben nachgedacht zu haben.

leichte Rückkehr von den Platten in der Flanke auf die Grathöhe

Nun, die Rückkehr aus der etwas bedrückenden Versenkung zum begehrten Grat erfolgt wenige Meter nach dem zuvor beschriebenen Abbruch von der Stirnfläche einer der mächtigen Platten in der Flanke aus über wenige Meter in festem Fels. Der Rückblick zeigt die Situation recht treffend.

die ersten Meter des Grataufstieges im Rückblick

Hiermit sind die leichten Schwierigkeiten im Gratübergang zur Hochkanzel auch schon Geschichte.
Mit einem gewissen Gefühl der Befreiung wird der mäßig schwierige Grat weiter emporgestiegen und nach wenigen Minuten ist der feste Fels des mittelbreiten Grates vollkommen erklommen und schuttiges Gelände leitet in den Gipfelbereich über.

am Ende des Aufstiegsgrates auf den Gipfelaufbau der Hochkanzel

Nach wenigen Dutzend Metern und noch weniger Höhenmeter ist das Ziel, die Hochkanzel, erreicht.

Gipfelplateau der Hochkanzel

Den gesamten Gratverlauf gesehen ist dieser Übergang leichter als jener von der Gamskarspitze zur Brantlspitze, aber er bietet auch einige leicht knifflige Passagen, die abwechslungsreich und in gewisser Weise geistig herausfordernd, aber leicht zu klettern sind.

Gipfelbuchschachtel auf der Hochkanzel – bitte niemals so platzieren!

Der Ausblick auf die Umgebung an diesem markanten Eckpunkt des Roßlochkammes ist natürlich wieder phänomenal. Von Westen bis Norden der gewaltige Kessel des Roßloches mit den Gipfeln oberhalb berühmter Kletterrouten wie die Laliderer Wände und den folgenden Gipfeln in der Vomper Kette wie die Spritzkarspitze oder die Plattenspitze, die nur noch von wenigen Idealisten wie Juergen aufgesucht wird und eine noch entbehrungsreichere Anreise voraussetzt, wie die Tagestour vom Hackl auf die Hochkanzel. Die Begehungen dieser Gipfel hat eine Frequenz die an den Fingern einer Tischler-Hand pro Jahr abgezählt werden kann. Unbedingt zu empfehlen!

Vomperkette mit Platten- und Spritzkarspitze sowie Hochglück

Im Osten beeindruckt der Ausblick über das archaische Vomperloch, und wer dasselbe nicht kennt dem sei seine Durchquerung ans Herz gelegt. Eine solche Wildnis inmitten ausgeprägtester Zivilisation – wo gibt es das schon?

die bizarren Hochkanzeltürme – ein Anstieg führt über sie herauf und läßt nicht los…

Der Hausberg Bettelwurf mit seiner reizvollen Überleitung über die Fallbachkartürme auf Hohe Fürleg und die Trattenspitze bietet eine kolossale Felsenfront im Süden und dieser Mauer nach Westen folgend bildet das schöne Hinterautal zwischen Gleirschkette und Karwendelhauptkamm den Abschluß im Panorama.

schreckliche Anblicke aber Nichtbergsteiger stehen drauf mußte ich lernen

Dem Gipfelbuch – leider recht unfachmännisch im Steinmandl verwahrt wie das Bild zeigt – entnahm ich, daß einer, dem Kanzeln gar nicht fremd sind, der Verursacher für die der Haltbarkeit unzuträglichen Verwahrung des neuen und nett gestalteten Büchleins gewesen ist. Zwei Tage vor mir, sagt sein Eintrag, habe er den Gipfel besucht….seither hat es nicht geregnet. Es sei ihm verziehen – aber Herr, gib ihm ab jetzt die Gabe solche Werke von nun an wettergeschützt zu verstauen.

bereits am Rückzug – der schöne und feste Grat wird wieder abgeklettert

Ein halbes Stündchen konnte der Gipfel genossen und der Aufstieg von der Roßlochscharte beäugt werden bevor die Hast den Rückweg einzuschlagen den Augenblick, der nicht verweilen darf, beendete.

Gelände zur Scharte; habe dort Steinmandl errichtet- Haltbarkeit fraglich

Was den Rückweg und die damit verbundene neue Erfahrung der Kletterstellen anbelangt, so sei eigentlich nur die kurze, wenig vertrauenerweckende schlanke Platte in der kleineren Scharte nach der tiefsten Scharte erwähnenswert. Diese ist vom Osten nach Westen unangenehm aber auch sehr kurz und auch nicht schwierig. Ich habe nördlich eine Umgehung unternommen.

in der Flachstrecke zurück zum Mittelkopf; das dünne Felshäutchen in der Scharte erschien mir am Rückweg unangenehm locker und zu umgehen

Der Aufstieg zum Mittelkopf erschien auch von unten auf gleicher Route des Abstieges am sinnvollsten und alle anderen Partien bis zur Brantlspitze konnten ohne nennenswerte Hirnleistung nach Gutdünken gewählt werden.

Erwähnenswert ist die Dauer der Überschreitung von der Hochkanzel bis zur Gamskarspitze, sie betrug recht genau 1 1/2 Stunden und der Abstieg zur Hallerangeralm weitere 70min.

eine phantastische Reise liegt hinter mir

Nach einer deftigen Knödelsuppe bei Evi und Horst auf der Hallerangeralm über’s Joch zurückgeeilt – und weil auf 2.000m noch Sonne – beschloss ich ein abschließendes Training zur Bettelwurfhütte zu unternehmen, also nochmals an die 300Hm dazu zu hängen.

der berühmte Herzelfelsen

Bei einem Abschlußbier bei Christine und Ralf auf der Bettelwurfhütte konnte dann der Sonnenuntergang im Tal verfolgt werden und den Parkplatz beim Hackl erreichte ich an dem lang hellen Junitag in der Dämmerung nach 14 Stunden gegen 20:45 Uhr.

die letzten Sonnenstrahlen Richtung Bettelwurfhütte

Die Bergsteigeruhr zählte insgesamt 3.020Hm und die Messung anhand der Karte in Outdooractive beträgt 29km.

Mils, 16.06.2018

 

 

Brantlspitze – 2.626m

Die Brantlspitze liegt inmitten eines Ausläufers der Hinterautal – Vomperkette und dieser Ausläufer trennt das Roßloch vom Halleranger.
Sie ist in diesem Ausläufer die höchste Erhebung und über einen jeweils scharfen Grat mit der Gamskarspitze im Westen und der Hochkanzel im Osten verbunden. Diese Grate machen den sonst unscheinbaren, bzw. unausgeprägten Gipfel für den Bergsteiger interessant.

Brantlspitze, 2.626m

Brantlspitze, 2.626m, Blick Richtung Westen

Der Start der Tour war um 06:30 vom Parkplatz Sprungschanze in Gnadenwald. Um 09:30 ging es nach einer Trinkpause auf der Hallerangeralm weiter, Richtung Gamskarspitze. Der Tag begann schon heiß, also war eine Tankung unbedingt nötig.

Am Gipfel der Gamskarspitze, Blick zum Grat Speckkarspitze - Kleiner Bettelwurf

Am Gipfel der Gamskarspitze, Blick zum Grat Speckkarspitze – Kleiner Bettelwurf

Auf der Gamskarspitze ist nun wieder ein Gipfelbuch, gespendet von einem guten Bergsteiger aus Innsbruck, den ich vor einigen Jahren einmal auf der Tour von der Hüttenspitze zur Fürleg kennengelernt habe. Danke!

Um 11:45 ging es dann von der Gamskarspitze weiter, dem Ziel – der Brantlspitze – bzw. auch dem schönen Grat zu.

erster Abschnitt des Grates zur Brantlspitze; dort fester Wettersteinkalk, kaum brüchig

erster Abschnitt des Grates zur Brantlspitze; dort fester Wettersteinkalk, kaum brüchig

Der Karwendelführer zeichnet den Grat mit II und „ausgesetzt“ aus. Dies kann ich über fast den gesamten Gratverlauf bestätigen, allerdings sind durch Abbrüche und Ausbrüche der jüngeren Zeit doch Stellen entstanden, die über kurze Passagen vielleicht eher III als Schwierigkeitseinstufung verdienen. Dies ist jedoch auch eine subjektive Empfindung.

Höhle nach den ersten Metern in der Nordflanke; evtl. ein lohnendes Ziel bei Gewittergefahr, sie scheint über die Nordflanke halbwegs gut erreichbar zu sein

Höhle nach den ersten Metern in der Nordflanke; evtl. ein lohnendes Ziel bei Gewittergefahr, sie scheint über die Nordflanke halbwegs gut erreichbar zu sein

In etwa ab dieser Teillänge des Grates wird der Fels etwas schlechter hinsichtlich der Brüchigkeit und auch etwas schärfer in der Ausprägung.

Man steigt in eine kurze steile Scharte ab (kein Problem mit dem Abstieg) und findet gegenüber den ersten schlechten Fels vor.

Abstieg in griffigem Fels

Abstieg in griffigem Fels

Der weitere Aufstieg ist jedoch auch ohne Problem zu meistern, wenn man sich genügend Zeit für Griffe und Tritte läßt.

jenseits der Scharte schlechte Felsqualität

jenseits der Scharte schlechte Felsqualität

Ein Felsenfenster – falls man es in der Konzentrationsphase findet – erfreut das Herz.

Felsenfenster

Felsenfenster

Nun wieder besserer Fels, jedoch allzeit brüchig und man tut gut daran die einladenden Platten am Grat gut zu prüfen, zu beklopfen und daran zu rütteln.

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Die Blicke in das Überschalljoch und in das Roßloch sind gewaltig. Zu beiden Seiten jede Menge Schutt am Fels.

Tiefblick ins Überschalljoch

Tiefblick ins Überschalljoch

Tiefblick ins Roßloch

Tiefblick ins Roßloch

Ein Blick zurück zeigt uns, daß wir noch nicht sehr viel der Strecke geschafft haben, 1/3 mag es jedoch sein.

erster Blick zurück auf die Gamskarspitze

erster Blick zurück auf die Gamskarspitze

Es geht etwas lockerer weiter, der Grat ist nun gut 1m breit und erlaubt allzeit aufrechtes Gehen.

etwas breitere Gratpassagen nach dem ersten Drittel

etwas breitere Gratpassagen nach dem ersten Drittel

Die Freude währt nicht lange, nun kommt die erste Passage mit der typischen gelborangen Störzone.

erste Störzone im Fels

erste Störzone im Fels

Sie ist nicht so schlimm, wenn man sie von der kleinen Scharte aus direkt überklettert. Ich habe südlich und nördlich eine Umgehung gesucht, jedoch nichts Brauchbares gefunden.

Störzone wird am Besten direkt überschritten

Störzone wird am Besten direkt überschritten

Beim Versuch zu fotografieren habe ich meine Kompaktkamera aus dem Hosensack herausgedrückt und sie ist wie ein Fußball hüpfend in die Nordflanke hinuntergepurzelt. Ein Riesenschreck, zumal sie nicht mehr stehengeblieben ist und jeder Aufschlag am Fels innerlich geschmerzt hat.
Nun, ich bin ihr nachgestiegen, ca. 50m tief, habe sie aber nicht mehr gefunden. Der Fels in der Nordflanke ist ungemein brüchig und auf Wasser zu gehen, kann nicht mehr viel schwieriger sein, als mein Abstieg. Finanziell kein großes Problem, 180 Euro und 4 Jahre alt, ein schmerzlicher Verlust jedoch wegen der bisher geschossenen Fotos.
Nun mußte das Handy herhalten und ich möchte mich an dieser Stelle für die Fotoqualität in diesem Bericht entschuldigen…

da unten liegt sie nun auf ewig die kleine Japanerin

da unten liegt sie nun auf ewig die kleine Japanerin

Nach dem Sammeln und dem Entschluß nicht aufzugeben musterte ich den weiteren Grat und kam zum Schluß, daß alles was man von dort sehen kann nicht besonders fest ist und die Vorsicht erhöht werden muß.

Rückblick auf die Störzone bei der ich die Kamera verloren habe

Rückblick auf die Störzone bei der ich die Kamera verloren habe

Der Schein trügte zwar nicht, jedoch verbreiterte sich der Grat, sodaß sich die Sache kompensiert hat.

nach der Störzone

nach der Störzone

Eine weitere Stelle folgt, bei der man überlegen muß. Ich fand, daß es nach der gelborangen Platte links (nordseitig) recht gut gehen sollte und behielt Recht. Man kann den Aufschwung mit der griffarmen Platte somit umgehen.

Platte in der Störung

Platte in der Störung

nach der Platte geht es links und gleich wieder rechts auf den Grat gut voran

nach der Platte geht es links und gleich wieder rechts auf den Grat gut voran

Dann geht es in eine Scharte (die letzte wie mir vorkam) hinab, an der der Abstieg in einer weiteren Störzone endet. Man kann sie jedoch bequem und recht gefahrlos nordseitig umgehen, nachdem man sich bis zur ersten Platte nähert, nicht früher!

Blick hinab zu Scharte mit der Störzone im Abstieg

Blick hinab zu Scharte mit der Störzone im Abstieg

der schlechte Fels der Störzone im Rückblick; rechts kommt man gut hinab, auch wenn man es hier nicht so empfindet

der schlechte Fels der Störzone im Rückblick; rechts kommt man gut hinab, auch wenn man es hier nicht so empfindet

Der Gegengrat nach der Scharte ist imposant und die letzte Schwierigkeit vor dem Gipfel der Brantlspitze. Er ist auch teilweise mit brüchigen Stellen versehen und aufgrund der Steilheit empfiehlt sich große Sorgfalt beim Wählen der Griffe und Tritte.

letzter großer Grataufschwung vor dem Gipfel der Brantlspitze

letzter großer Grataufschwung vor dem Gipfel der Brantlspitze

Der Grat verflacht sich oben und man steht nach wenigen Minuten am Gipfel der Brantlspitze.

Vom kleinen Gipfelbuch aus 2011 sind lediglich 3 Seiten vollgeschrieben, sieht man von der Widmung ab, also wird es viele Jahrzehnte lang den Gast am Gipfel erfreuen. Ein Hoch auf die Spender!

Brantlspitze, 2.626m

Brantlspitze, 2.626m

Eindrucksvoll ist hier das Panorama.

die Hochkanzel, ein nächstes Ziel..

die Hochkanzel, ein nächstes Ziel..

Vomper Loch

Vomper Loch

Hochkanzeltürme

Hochkanzeltürme

der Halleranger

der Halleranger

Rückblick auf den Grat von Gamskarspitze bis Brantlspitze

Rückblick auf den Grat von Gamskarspitze bis Brantlspitze

Weitere Fotos siehe Galerie.

Der Rückweg ist natürlich leichter, da man die Passagen ja schon kennt. Vorsicht ist aber allemal vonnöten, denn so gut ist der Fels nirgendwo, daß man jeder Tritt- und Griffmöglichkeit vertrauen kann.
Die Stunde, die der Karwendelführer ausgibt ist sicher nicht zu hoch gegriffen, man plane also für die Rückkehr mit etwas Pause ab der Gamskarspitze 2 1/2 Stunden ein.

Nach diesem „heißen“ Abenteuer schmeckte das Bier und die Gamswurst auf der Hallerangeralm extra vorzüglich und am Rückweg stand noch die Bettelwurfhütte mit der Dörferwertung 🙂
Alles zusammen war ich (incl. Pausen ca. 3x30min) 12 Stunden unterwegs.
Die Strecke hat einen gesamten Höhenunterschied von rd. 2.400m

Brantlspitze über Gamskarspitze vom Halleranger aus

Brantlspitze über Gamskarspitze vom Halleranger aus

Mils, 21.07.2015