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Kleiner Bettelwurf – Südwestflanke und Südgrat

Alte Routen und Steige zu erforschen war uns immer schon eine beliebte Tätigkeit am Berg und heute waren es zwei eher kurze Klettereien die uns auf den Kleinen Bettelwurf führten, bzw. auch wieder hinunter.

Südgrat des Kleinen Bettelwurf

Südgrat des Kleinen Bettelwurf

Abseits von Normalanstiegen gibt es meist viel Neues zu schauen und wenn diese noch dazu neue mittelschwierige Kletterrouten beinhalten, dann lacht das Herz des Entdeckers.
Der Klier Karwendelführer von 1978 – damals noch ein umfassender Führer der, im Gegensatz zur heutigen Handhabung, alle Routen auf einen Gipfel enthielt, beschreibt, wenn auch recht knapp, zwei Anstiege auf den Kleinen Bettelwurf, die uns nicht bekannt waren und deren Entdeckung uns bei zufälligem Blättern in dieser alten Literatur spontan in ihren Bann zogen. Außerdem soll es nicht sein, daß in unserem unmittelbaren Heimatgebiet Routen – noch dazu beschriebene – existieren, die wir nicht kennen.

Aufstieg auf den Westgipfel des Kleiner Bettelwurf über den Südgrat

Aufstieg auf den Westgipfel des Kleiner Bettelwurf über den Südgrat

In Entschlossenheit, diese Routen einer Erstbegehung durch Andi und dem Verfasser dieses Beitrages zuzuführen starteten wir früh morgens gegen die Bettelwurfhütte. Perfektes Wetter und nahezu Windstille auch in größerer Höhe machte den Anstieg zum Vergnügen.

Klier Karwendelführer 1978

Klier Karwendelführer 1978

Für die Südwestflanke muß die Hütte westwärts passiert werden, um hinter die beschriebene „zweite Rinne, wenige Minuten nach der Hütte“ (es sind ca. 10min) zu gelangen, von der aus, rechts die leicht begrünte Rippe hinaufzieht, die den ersten Anstieg abseits des Steiges zum Lafatscher Joch bildet.

Blick zum Aufstieg zur Südwestflanke des Kleinen Bettelwurf

Blick zum Aufstieg zur Südwestflanke des Kleinen Bettelwurf

Der Aufstieg erfolgt im unteren Teil großteils über schuttbedeckten Wiesenflecken und zum anderen Teil auch nur über schuttbedeckten Schrofen bis zum erwähnten Trümmerfeld, ab diesem der Aufstieg bis zur Querungsmöglichkeit der ebenfalls erwähnten „hinaufziehenden Felsrippe“ etwas angenehmer wird. Teilweise kann man auch einen alten Steig erkennen, der sich zwischendurch wieder verliert, bevor man ihn nach ein, zwei Minuten wieder ausmachen kann und ihm weiter folgt.

Aufstiegsgelände zur Südwestflanke ca. 100Hm oberhalb der zweiten Rinne

Aufstiegsgelände zur Südwestflanke ca. 100Hm oberhalb der zweiten Rinne

Den Aufstieg bis zur Querungsmöglichkeit sollte man nicht zu weit oben vermuten und zu weit aufsteigen, denn dort wo man ihn als bequem erachtet ist man unter Umständen schon nahezu 50Hm zu hoch aufgestiegen und ärgert sich ein wenig über den vermeidbaren Höhenverlust, sobald der beschriebene Einstieg „in die erste steile Felsrinne von links gezählt“ sichtbar wird.

hinter dem Rücken im Vordergrund zeichnet sich die Südwestflanke ab

hinter dem Rücken im Vordergrund zeichnet sich die Südwestflanke ab

So ereilte auch uns dieses Schicksal und wir mußten in lockerem Schutt die Reise auf ihrer Breite von ca. 50m abwärts queren, schenkten dadurch nicht nur mühsam erstiegenes Terrain her, sondern erreichten den Felsgürtel auch nur unter viel Lärm vom abrutschendem Schutt, ca. 150Hm über dem Weg zum Lafatscher Joch. Eine Situation die der Bergsteiger versucht zu meiden wie der Leibhaftige das Weihwasser, ist sie doch bei geringem Höhenunterschied für andere gefährdend und vermittelt sie auch völlig unverschuldet einen gewissen Anfängereindruck, vor dem man sich vor – auch noch so weit entfernten und daher unerkannten – Beobachtern nicht wegstehlen kann.

Querung im Reisengelände mit losem Schutt

Querung im Reisengelände mit losem Schutt

Nachdem wir mit geizig abgegebenem Höhenverlust nun festen Fels erreichten, waren wir natürlich nicht an der originalen Einstiegsstelle, sondern ca. 20Hm darüber und mußten einen Übergang um die bereits aufgezogene Rippe in die Rinne – oder besser Schlucht – finden, die weiter unten in leichtem Gelände beginnt. Die Stöcke wurden endgültig verstaut und der anstehende Fels gemustert.

am Felsgürtel bei der ersten Rinne angekommen

am Felsgürtel bei der ersten Rinne angekommen

Eine furchtbar brüchige Passage mit steil abwärts geneigten schuttbedeckten Plattenstufen – der Albtraum eines jeden Kletterers – begrüßte uns im nicht ganz originalen Einstieg der Südwestflanke. Die kurze Passage bis zur Rinne in festerem Wettersteinkalk forderte gleich gute 10min, die sich wahrscheinlich die Waage gehalten hätten mit einem geringfügig weiteren Abstieg und dem originalen Einstieg. Das Schicksal des Entdeckers hielt uns fest im Griff.

Einstieg etwas zu hoch des Endes der Rinne

Einstieg etwas zu hoch des Endes der Rinne

Die folgenden und in der knappen Beschreibung „Steilabsätze“ genannten Kletterpassagen machten jedoch die zuvor erlebte Situation mit der unglücklichen Querung und dem unfreundlichen, gefährlichen falschen Einstieg wieder wett. Andi mit seiner phänomenalen Reichweite – die man sich niemals zum Vorbild durch Nachahmung machen darf, ohne in ernsten Schwierigkeiten zu enden, weil ein halber Meter, vom linkshändigen Griff zum diagonal gemessenen gestreckten rechten Tritt, einfach fehlt – sprang förmlich über eher glatte, wenig strukturierte Partien hinauf, während ich eher hinterher keuchte, jedoch unter nicht minderer Freude und Begeisterung über die nette Kletterei nach dem unfreundlichen Einstieg.

nach dem Einstieg in festerm Fels und deutlich ausgeprägter Rinne; unten kann man Steigspuren erkennen; sind sie jünger als der Führer die Querung "hinab" beschreibt?

nach dem Einstieg in festerm Fels und deutlich ausgeprägter Rinne; unten kann man Steigspuren als Querung erkennen; sind sie jünger als der Führer die Querung „hinab“ beschreibt?

Die Schwierigkeiten in der ca. 200Hm messenden Rinne hielten sich in Grenzen, aber einige Stellen III, mit mäßiger Ausgesetztheit können unsererseits bescheinigt werden. Zur besseren Verdeutlichung hier ein Link zum Video über den Aufstieg in der Rinne:

Kleiner Bettelwurf Südwestflanke

Sobald man sich in der Rinne wohlfühlt und Zeit und Raum beim Klettern vergisst, erfährt man auch gleich deren oberes Ende. indem sie sich recht plötzlich weitet und nach dem die letzten Felspartien in flacherem Gelände emporgestiegen wurden, ein wenig felsdurchzogener Schutttrichter sich öffnet, der zur eigentlichen Westflanke sich ausbildet.

typisches Gelände in der Rinne der Südwestflanke

typisches Gelände in der Rinne der Südwestflanke

Der Aufstieg in diesem ist richtig mühsam und die Entscheidung den Allradantrieb, durch die Verwendung der Stöcke, zu verwenden wird so lange hinausgezögert, bis der Anteil an festem Fels immer kleiner wird, je näher man sich gegen den Westgipfel des Kleinen Bettelwurf hinauf kämpft. Diese letzten ca. 150Hm zum Gipfel der fürwahr unerstrebenswerte Teil der Südwestflanke.

Andi am oberen Ende einer Steilstufe

Andi am oberen Ende einer Steilstufe

Während dieses Aufstieges in der richtig breiten Südwestflanke kann man recht gut den Südgrat, unseren auserkorenen Abstieg, erkennen und in dessen oberstem Teil auch so manches – für den Abstieg – zuversichtlich stimmendes Steinmandl.

am unteren Ende des Trichters der die Westflanke bildet

am unteren Ende des Trichters der die Westflanke bildet

Endlich am Westgipfel des Kleinen Bettelwurf angekommen kann man die im Führer genannte Aufstiegszeit von 2-3h eher nachvollziehen, als mit dem Maß des Blickes von der Hütte bis zum blitzenden Gipfelkreuz auf dem Ostgipfel des Kleinen Bettelwurfes gemessen.

Kleiner Bettelwurf Westgipfel

Kleiner Bettelwurf Westgipfel

Das alte kleine hölzerne Kreuz und die an diesem Tag phänomenale Weitsicht entschädigte uns für die unterste und oberste Partie auf der Route der Südwestflanke. Trotz der schönen Kletterei in der Rinne sprechen wir aber in völliger Übereinstimmung keine Empfehlung für die Südwestflanke aus, zu inhomogen sind die Einzelabschnitte und die Kletterei kommt eindeutig zu kurz. Diese Überzeugung erlangten wir noch stärker nach dem Abstieg über den eindeutig schöneren Südgrat, der in weiten Teilen genau den Geschmack des Karwendelfelsgehers trifft und auch weitgehend einer leichten Gratkletterei entspricht.

von links oben nach rechts unten im Vordergrund Großer u. Kleiner Lafatscher, im Hintergrund Kaskar- u. Sonntagskarspitze und die beiden Praxmarerkarspitzen, rechts das Zugspitzmassiv

von links oben nach rechts unten im Vordergrund Großer u. Kleiner Lafatscher, im Hintergrund Kaskar- u. Sonntagskarspitze und die beiden Praxmarerkarspitzen, rechts das Zugspitzmassiv

Die echten Kletterpassagen am Südgrat fallen im Abstieg gefühlt deutlich kurz aus, denn die meisten Höhenmeter werden auf den steil abwärts geneigten Steilstufenplatten der auffallend mächtigen Schichtung am Kleinen Bettelwurf gemacht, sodaß die Gratabbrüche an ihrer Spitze zwar nicht an der Vorderseite, aber nur knapp dahinter im oberen Teil durchwegs westseitig abgeklettert werden und der mächtigste aller, im untersten Teil – zunächst etwas schwer zu finden –  an dessen Ostseite über eine sehr scharfkantige, mit eigenartig rundlich geformten Oberflächen ausgestattete Verschneidung genommen wird.

Andi am beginnenden Südgrat

Andi am beginnenden Südgrat

Diese Passage ist höchstwahrscheinlich im Aufstieg in direkter Route zu ersteigen, soviel wir dann von unten sehen konnten. Nach der oben beschriebenen Rinne muß nämlich ein etwa knapp zehn Meter langes, abwärts geneigtes, brüchiges Band mit einer mittigen Schmalstelle begangen werden das wiederum, leicht abwärts geneigt, zum Gratverlauf hinaus führt. Im Aufstieg wird es eher gemieden, weil dort wegen der Felsgeometrie die unangenehme ausdrehende Körperhaltung erforderlich ist und auch, weil Griffe eher brüchig und spärlich sind.

schöne Passagen mit westseitigem Abklettern vom Grat

schöne Passagen mit westseitigem Abklettern vom Grat

Wieder am Grat angekommen befindet man sich auf der letzten großen Steilplatte und findet den von uns vergrößerten Steinmann auf der Spitze der leicht abschüssigen gestuften Platte, die den Auftakt zum letzten, besonderen Teil.

Rinne ostseitig im unteren Teil des Südgrates, Blick von oben

Rinne ostseitig im unteren Teil des Südgrates, Blick von oben

An dieser Stelle mußten wir länger innehalten um uns zu orientieren.
Die Routenbeschreibung sieht hier eine Rhythmusänderung vor (im Text in den Aufstieg versetzt: …der erste Gratabbruch wird an der W-Seite über schottrige Platten umgangen…).
Der Blick auf das Gelände unter uns zeigte auf der Ostseite das übliche Gelände in der Südflanke mit steilen, schuttbedeckten Platten und somit keine wirklich logische Weiterführung der Route, mittig am Grat den ungangbaren Steilabbruch mit dem extrem scharf werdenden unteren Teil und westseitig in sich übergehende extrem schuttbedeckte Platten, die seitlich des Grates eine variierende Breite von etwa drei bis sieben Meter aufwiesen.

Rinne ostseitig im unteren Teil des Südgrates, Rückblick von unten

Rinne ostseitig im unteren Teil des Südgrates, Rückblick von unten

Soviel wir auch nach Steinmandln östlich in Gratnähe suchten, wir konnten keine sichten. Also stellte sich eine etwa 30m lange prägnante Verschneidung westlich des Plateaus auf dem wir das Gelände erkundeten als einzig logische Verbindung zu den Schuttterassen „auf der W-Seite des ersten Gratabbruches“ und man konnte am Ende jener den „ersten Gratabbruch“ erkennen und die 90° Kurve nach Osten um den Gratabbruch herum erahnen, der am Ende des begrünten Rückens, wenige Meter neben dem Normalweg auf den Kleinen Bettelwurf auf diesen einmünden mußte.

Querung am Band nach der Rinne wieder zum Grat

Querung am Band nach der Rinne wieder zum Grat

Leider ist aber mit der Wendung auf die Westseite damit auch die aussichtsreichen Gratkletterei vorbei, führt doch die Rinne und dann die Schuttterassen etwa 10m unter dem Grat auf wenig sympathischem Terrain die letzten ca. 100Hm knapp neben dem schönen Grat im Schutt abwärts und man fühlt jähe, daß dieser Teil nicht so recht zum Kontext des bisher erlebten paßt.

unterstes Plateau nach Querung aus der Rinne

unterstes Plateau nach Querung aus der Rinne

Der Aufstieg muß daher – per aspera ad astra – umso schöner sein, wenn man vom tückisch rollenden Untergrund am Plateau oben dann in festen Fels einsteigt.

Gelände unterhalb des letzten Plateaus, der Normalweg ist nicht einmal mehr 100Hm entfernt

Gelände unterhalb des letzten Plateaus, der Normalweg ist nicht einmal mehr 100Hm entfernt

Nun, wir mußten uns mit der Natur der Sache abfinden und beschlossen, daß wir bei nächster Gelegenheit den Südgrat im Aufstieg erkunden wollen und vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, die Gratkletterei von ganz unten zu beginnen.

Andi beim Erkunden; diese Richtung entspricht nicht der Originalbeschreibung, wäre aber machbar gewesen

Andi beim Erkunden; diese Richtung entspricht nicht der Originalbeschreibung, wäre aber machbar gewesen

Im Abstieg neben dem Grat fanden wir noch eine, von oben aus schon gut sichtbare, kleine Scharte, von der aus wir die Ostseite des Grates erkunden konnten. Von dieser aus zeigt sich aber kein erstrebenswerterer Abstieg als die noch etwa drei Duzend Meter weiter zu findende Stelle – um den ersten Gratabbruch herum – an der man die 90° Kurve nach links auf den Normalweg hinaus queren kann.

dieser Abstieg muß jener der Originalbeschreibung sein

dieser Abstieg muß jener der Originalbeschreibung sein; in der Rinne bis zu den Schuttterassen abgestiegen

An dieser Stelle wäre ein Steinmandl mehr als angebracht, jedoch ließen sich nicht einmal Reste davon finden. Dieses wäre für den Aufstieg wichtig, da es exakt den Auftakt der Beschreibung des Führers bilden würde.

Blick über die geneigten Schuttfelder zum ersten Gratabbruch unten

Blick über die geneigten Schuttfelder zum ersten Gratabbruch unten

Die Vermutung liegt nahe, daß die Errichtung an dieser Stelle nicht erwünscht ist/war, da  eines Steinmandls möglicherweise unerfahrene Berggeher auf den Plan rufen würde ihm zu folgen und diese dann in Schwierigkeiten enden, die sie nicht mehr bewältigen können.
Wir haben jedenfalls keines aufgebaut, die Stelle ist für jenen, der den Südgrat probieren will und sich entsprechend vorbereitet und das Vermögen an Kletterkunst hat, leicht zu finden.

Blick über die geneigten Schuttfelder vom ersten Gratabbruch hinauf

Blick über die geneigten Schuttfelder vom ersten Gratabbruch hinauf

Am Normalweg angekommen wendeten wir uns zurück und betrachteten den schönen Abstieg, den schönen Südgrat.
Rückblickend muß festgestellt werden, daß unsere Abstiegsgeschwindigkeit am Grat trotz der nötigen Orientierung bei der Erstbegehung atemberaubend war. Verglichen mit der Abstiegszeit  vom Ostgipfel des Kleinen Bettelwurfs ist der Südgrat in geschätzt die Hälfte der Zeit abzusteigen. Kaum verwunderlich, steigt man doch großteils direkt am Grat und somit in der direkten Route bis auf das Ende der Wiesenhänge die von der Bettelwurfhütte heraufziehen.

Andi nach der 90° Kurve um den untersten Gratabbruch herum auf der Querung zum Normalweg

Andi nach der 90° Kurve um den untersten Gratabbruch herum auf der Querung zum Normalweg

am Ende der Wiesenhänge, rechts Normalweg, nach links geht es ab zum Südgrat

am Ende der Wiesenhänge, rechts Normalweg, nach links geht es ab zum Südgrat

Der Aufstieg kann für den geübten Karwendelgeher als ein kleiner Leckerbissen bezeichnet werden. Stellen im III. Grad sind durchaus vorhanden, schmales, abschüssiges und meist mit Schutt bedeckte Passagen am Grat sind nicht zu unterschätzen und der etwas abgelegene Westgipfel des Kleinen Bettelwurf lädt zu längerem Verweilen ein. Rundum, eine gelungene Alternative zum Normalweg, der sie für uns künftig sein wird.

Mils, 25.09.2016

 

 

 

Signalkopf im Halltal

Kein Gipfelkreuz ziert den Signalkopf im Halltal und er ist auch nur ein wenig auffallender, etwas erhöhter Punkt, wenn man die Gratüberschreitung von der Speckkarspitze zum Kleinen Bettelwurf unternimmt. Mit 2.504m ist er sogar noch niederer als die Gratschneide westlich davon (2.530m), was man auch gerade noch vom Inntal aus sehen kann.
Die Namensgebung weist auf frühe Vermessungstätigkeiten hin, es könnte sein, daß er in der Vermessung der Halltalkette ein wichtiger Visurpunkt war, aber dies werde ich noch herausfinden. Carl Gsaller beschreibt seine Zusammenarbeit mit der militärischen Vermessungstätigkeit der Alpen im ausgehenden 19. Jhdt. und dort wird auch der Ansatzpunkt für meine winterlichen Recherchen der Namensgebung zu suchen sein.
Weiters gibt es auch nur wenig Literatur über den Signalkopf im Halltal, im Internet findet man nur dürftige Erwähnungen über die Überschreitung und wenige Erwähnungen als Schitourenziel.

Inzwischen der Giganten östlich und westlich davon ist er nicht sehr auffallend und dennoch erscheint er, von erhöhtem Blickwinkel aus gesehen, durchaus reizvoll und einladend ihn zu besteigen, wenn man ihn nicht bei der Gratüberschreitung  eben so „mitnimmt“ sondern beispielsweise als kurze Nachmittagstour von der Bettelwurfhütte aus.

Signalkopf von Südosten aus gesehen, Standplatz ca. 100Hm oberhalb des Weges von Bettelwurfhütte zum Lafatscher Joch

Wir haben es einmal vor einigen Jahren von der Bettelwurfhütte aus versucht, scheiterten aber daran, daß wir nicht aufmerksam genug waren und das „Schlupfloch“, die auffallende Scharte im östlichen Drittel des Gipfelaufbaues nicht auf die Nordseite durchquert und somit die wesentlich leichtere Umgehung der Gratschneide nicht gefunden hatten. Letztes Jahr, als Manuel und ich dann die Überschreitung Speckkarspitze zum Kleinen Bettelwurf durchgeführt hatten, fiel uns unser Fehler von damals wie Schuppen von den Augen. Damals jedenfalls hatten wir keine Sicherungsmittel dabei und wagten die weitere Gratkletterei nicht.
Erhöhte Aufmerksamkeit ist auch dem Aufstieg von der Bettelwurfhütte zu widmen, will man nicht die kräftezehrenden Reisen durchwandern. Es gibt zur Aufstiegserleichterung weit bis zum Grat hinaufziehende felsige Rücken und Platten, die recht guten Halt bieten; jene sind etwas weiter östlich zu finden und man muß dann noch ca. 200m westlich am Grat bis zum Gipfelaufbau absolvieren, ist aber bequemer aufgestiegen als in den Reisen.

Ansicht von der Aufstiegsroute von der Bettelwurfhütte etwas östlich des Gipfels, Rinne mit Einschartung am Grat im östlichen Drittel es Gipfels gut erkennbar.

Der Führer rät (von der Speckkarspitze kommend) die Einschartung zu überspreizen und südlich am Grat entlang zu klettern. Auf umgekehrtem Wege erschien es uns damals leichter die Rinne nach der Einschartung hinaufzusteigen. Allerdings ist die Rinne mit viel Schutt durchzogen und daher nicht für mehrere gleichzeitig gut zu begehen. Der Grat dürfte die besser Wahl sein, das ist Geschmackssache.

die Scharte, hier ist auf die Nordseite zu queren

Rinne unterer Teil

Rinne von unten

Der weitere, kurze Verlauf ab der Scharte zum Gipfel ist ein Felsband und erinnert an einen schmalen Steig ähnlich mancher Passagen des „Lustigen Bergler Steiges“ in den Kalkkögeln, wenn es einmal schmäler und leicht ausgesetzt wird. Man kann ihn fast frei ohne Kletterei gehen, ohne viel Einsatz der Hände.

Blick auf den nordseitigen Steig (ein Band 50cm breit) von Westen; die Scharte befindet sich hinter der dem verschwindenden Band

Ab hier  geht das Felsband in eine breite Rinne über und führt in ca. 10-15Hm zum Gipfel.

Rinne mittig im Bild zum Gipfel

Den Gipfel bilden drei auffallende mittelgroße Felsblöcke und dahinter befindet sich die nächste größere Einschartung, die das Gipfelchen von dem weiteren Gratverlauf zum Speckkarspitz trennt.

drei Felsblöcke am Gipfel des Signalkopf, dahinter die Graterhebung P. 2.530m und die Speckkarspitze

Hier schön der Gratverlauf in westliche Richtung.

vom Gipfel des Signalkopf nach Westen, unterhalb eine nicht sichtbare Einschartung

Wenn man am Gipfel steht und in alle Richtungen blickt, dann erkennt man trotz der scheinbaren Bedeutungslosigkeit des Signakopfes den generell typisch wilden, zerrissenen Charakter und die nicht unschwierigen Flanken der Karwendelerhebungen.

die Flanken vom Gipfel des Signalkopf nach Süden geschaut; mit der Bettelwurfhütte, 427m tieferliegend

vom Gipfel des Signalkopf den Gratverlauf nach Osten geschaut, links (nördlich) das innere Vomperloch

der Gigant des Kleinen Bettelwurf im Osten des Signalkopfes; den Übergang haben wir im August 2012 beschrieben, siehe eigenen Artikel

Blick nach Ostnordost, v. r. Hochnissl, Huderbankspitze, Kaiserkopf, Hochglück, Eiskarlspitz, Spritzkarspitz und ganz links die Hochkanzel

Und hier die „zahme“ Westseite des Signalkopf, recht leicht zwischen Großem und Kleinem Speckkar über Wiesen und wenig Schrofen zu erreichen und hierzu bedarf es keiner Beschreibung.

im Vordergrund der Signalkopf, im Hintergrund der Kleine Bettelwurf; es scheint, daß die Platte dazwischen irgendwann ins Halltal abgerutscht sein muß

Hier ein Hauch von Steig zum Gipfel auf der Westseite, knapp unterhalb der Gratschneide zu erkennen.

Signalkopf mit Blick von West nach Ost

Im Abstieg im Osten auf der „wilden“ Seite kann man zuerst im oberen Teil jungfräulichen Reisen frönen die die Höhenmeter zur Bettelwurfhütte rasch verringern (ich schätze ich habe für den gesamten Abstieg keine halbe Stunde dafür gebraucht) und im unteren Teil das Refugium der Gemsen  in der Hangmulde des kleinen Speckkars, ca. 50Hm oberhalb des Weges von der Bettelwurfhütte zum Lafatscherjoch.

beliebter Platz der Gemsen, hier sind sie ungestört, die Eindringlinge queren das Speckkar etwas weiter unten und sehen sie nicht

Das Kleine Speckkar im oberen Teil ist auch ein landschaftlich lohnendes Gebiet, das man einmal gesehen haben sollte. Teilweise erinnert es an eine Mondlandschaft mit anderem Charakter als das restliche Speckkar (vielleicht Reste der Platte dazwischen) und ist daher empfehlenswert.

Für weiter Interessierte hier eine Bildergalerie über die gesamte Tour mit Aufstieg über den Plattensteig, weiter über Speckkar-Südgrat sowie den Einstieg unterhalb des Speckkargipfels in die Gratüberschreitung:

 

Mils, 23.07.2013

 

Die Bettelwurfrunde, Kleiner Bettelwurf und Großer Bettelwurf

Die Runde um die Bettelwürfe empfiehlt sich normalerweise mit dem Anstieg auf den Kleiner Bettelwurf und dann den Übergang, teilweise als Klettersteig ausgeführt, zum Großer Bettelwurf.
Ich habe die Runde heute umgekehrt gemacht, weil der Abstieg zum Bier in der Bettelwurfhütte vom kleinen Bettelwurf schneller und etwas bequemer ist, als vom großen Bettelwurf. Dafür muß man die senkrechten Partien des Klettersteiges im Abstieg machen. allerdings sind diese nur kurz, jedoch muß man die Oberarme strapazieren.

Wenn man den Übergang geht, egal in welche Richtung, dann ergreift einen von selbst Respekt vor dem Erstbegeher des Überganges, Carl Gsaller. Er hat das damals ohne Wegbeschreibung oder Aufstieghilfen geschafft, ja nicht einmal genau gesehen haben kann er den Übergang in seiner gesamten Länge . Er hatte, im Versuch den großen Bettelwurf zu ersteigen, irrtümlich den kleinen Bettelwurf erwischt und seine kämpferische Bergsteigernatur ließ es nicht zu, daß er „unverrichteter“ Dinge wieder ins Tal abstieg, nein er hat am Gipfel des Kleinen beschlossen, den Übergang zum Großen sofort anzugehen.

Wenn man sich das Foto von heute ansieht, dann muß man schon Respekt haben, denn der nächste Zufluchtsort oder Hilfe ist nämlich nur gute 1.100Hm tiefer zu finden und niemand würde ihn am 18. Juni 1878 auf diesem Gebirgszug vermissen:

Blick vom kleinen Bettelwurf zum Übergang auf den großen Bettelwurf

Der Übergang vom Großen Bettelwurf zum Kleinen vom Großen aus gesehen

Die wortgewaltige Beschreibung Carl Gsallers, den Übergang betreffend, hier als Zitat seiner Schriften in kursiv (Start des Originaltextes ist die Beschreibung der letzten Meter des Aufstieges des Kleinen Bettelwurfes):

…Gipfel herabziehende Felsrippe, jetzt von Ost nach  West, querend, sah ich plötzlich eine weite, schneeerfülltc, mässig geneigte Rinne vor mir, die gerade zum Scheitel emporwies. Rasch wurde durch sie hinangestiegen, noch eine kurze, harmlose Kletterei und ich betrat um 12 h mittags in athemloser Spannung den Gipfel. Ein Blick nach Osten und da gab’s eine wahre Ueberraschung. Dort ragte ja pyramidenförmig ein weit höherer Felsscheitel empor, ja dort stand sie, die Grosse Bettelwurfspitze, während ich im blinden Eifer die bisher unerstiegene Kleine Bettelwurfspitze erobert hatte! Statt Freude über die unvermuthete Errungenschaft, bemächtigte sich meiner ein lebhafter Unmuth, der mich auf Alles vergessen und nur nach der grossen Spitze starren liess.
Was nun thun? Diese zweifelhaften, beim Aufstieg überwundenen Felsen gefielen mir für den Rückweg gar nicht, doch im nahen Osten senkten sich von der Scharte zwischen beiden Gipfeln zum Abfahren so recht einladende Schneefelder gegen das Speckkar hinab. Also vorerst dort hinüber, das Weitere wird sich finden! So fing ich denn an, den Quergang zu der gedachten Scharte unter dem etwas niedrigeren Ostkopf der Kleinen Bettelwurfspitze durch zu bewerkstelligen. Angenehm war dieses Kreuzen steiler, mit tiefem Schnee bedeckter Platten keineswegs. Weil ohne Stock, musste ich stets die linke Hand tief in den Schnee vergraben, eine nicht ganz überflüssige Art des Festhaltens, denn mehrmals rutschte die ganze weiche Masse unter meinen Füssen ab. Zudem äusserte sich an den Fingern ein starker Schmerz, der mir erst später klar werden sollte. Ueber trümmerbedeckte Felsen ging’s schliesslich hinab zur angestrebten Scharte zwischen der Grossen und Kleinen Bettelwurfspitze, nach einer von mir vom höheren Zunderkopf bei Hall vorgenommenen halbtrigonometrischen Messung 2564 Meter hoch. Ihre mässig geneigte Schneefläche erschien im Norden von einem fast senkrechten Absturz begrenzt, aus dem ein spitzer Fels, ganz überzogen von Moos und Flechten grüner und gelbgrüner Farbe aufragte und vom Weiss der Umgebung seltsam sich abhob.
Nun hätte ich, wie gewollt, über die lange tiefverschneite Plattenrinne zum Speckkar absteigen können, die Bahn war ja frei. Doch haIt! Da stand der Westabfal1 der Grossen Bettelwurfspitze zu verlockend vor mir, eine prächtige Pyramide, von zahlreichen Querstufen weiss und grau gezeichnet. Ich blickte verlangend hinauf und beschloss, dieselbe sofort anzugreifen. Ein Trümmerband führte auf den Nordabfall des Gipfels, woselbst eine sehr steile Rinne ohne Schwierigkeit erklettert wurde, da ihr Boden mit förmlichen Spitzhöckern sich überzogen erwies. Sodann fortsteigend, wie es eben ging, gelangte ich etwas später durch eine enge Schlucht von Süden her auf eine grössere Felsstufe. Während einer kurzen Rast wurde mit Eislimonade der brennende Durst gelöscht und die im Rücken stehende glatte Wand nach einer Ersteigungsmög1ichkeit studirt. Da sich wenigstens an dieser Stelle keine solche erkennen liess, drang ich auf dem Trümmerbande am Fusse der Wand gegen Süden vor. Bald trat ein Kamin entgegen, freilich mit überhängendem Fels in der Mitte, was mich aber nicht abschreckte, den Aufstieg durch ihn erzwingen zu wollen. Doch der Erfolg blieb aus, die überhängende Stelle war trotz hartnäckiger Versuche weder gerade hinauf, noch seitlich zu bewältigen , ich glitt einfach wieder herab. Zornig ging ich auf das Trümmerband am Fusse der Wand zurück, um weiter südlich einen Anstieg zu suchen. Und wirklich öffnete sich der Fels schon nach wenigen Tritten zu einem ersteigbaren Kamin, oben von einem Felsloch geschlossen. An letzterem wurde nun der Unmuth über den früheren Misserfolg ausgelassen, indem ich mich trotz seiner Enge sammt dem Rucksack hindurchzwang. Hinter dem Loch führte eine mit weichem Schnee erfüllte Schlucht gegen Norden auf eine zweite, der unteren ganz ähnliche Felsstufe. Von hier aus auf schwindligen Trümmerbändern der Nord-(Vomperloch-) Seite vorgehend und zuletzt gerade emporkletternd, wurde der westliche Eckpunkt der Grossen Bettelwurfspitze erreicht. Nun galt es noch den Gratübergang zum höchsten Punkt zu bewerkstelligen. Ein spitzer Kammeinschnitt bot zwar keine Schwierigkeit, unangenehmer waren aber die über den 10001100 Meter hohen nördlichen Steilabsturz ins Vomperloch vortretenden Schneewächten, die Vorsicht erforderten und mangels eines Stockes zu häufigem Kriechen zwangen. Endlich tauchte das Steinmännchen des höchsten Punktes auf gleichzeitig hüllte mich aber Nebel ein. Schnee begann zu fallen und Wie durch einen Schleier  winkte das nahe Ziel.
Um 5h 20m abends war die Grosse Bettelwurfspitze erstiegen. Von Schneeflocken umwallt, kauerte ich mich müde neben dem Steinmännchen nieder, um vor Allem den heftig knurrenden Magen zu befriedigen. Und während dieser Thätigkeit flogen die Blicke im Kreise umher, die Fernsicht zu mustern. Ich war von ihr wahrhaft überrascht und fand sie ebenso grossartig als prächtig. In der Tiefe das grüne, schöne ThaI des Inn, besäet mit Städten und Dörfern, darüber die üppigen Terassen des liebreizenden Mittelgebirges, fernerhin der dunkle Wald, umsäumt von der helleren Region der Alpenmatten, und das Ganze schliesslich gekrönt von der mächtigen, weissblinkenden Gletscherkette, die im fernen Osten auftaucht und quer durch Tirol ziehend, im Westen verschwindet, ein Bild von gewaltiger Wirkung.

 

Natürlich ist der heutige Klettersteig anders angelegt als Gsaller seine Erstbegehung beschreibt (sie dürfte auch etwas weiter südlich des heutigen Klettersteiges gelegen haben, denn er erwähnt, daß erst oben die Abstürze ins Vomperloch bedrohlich waren). Das Ziel war jedoch das gleiche und wer den Übergang heutzutage geht, der muß unweigerlich die hohe Leistung eines Alleingehers mit mittelmäßiger Ausrüstung erkennen.

wenig oft fotografierter hinterer Gipfel des Kleinen Bettelwurf

In einem weiteren Artikel werde ich mich mit Gsallers Anstieg von den Herrenhäusern auf den Kleinen Bettelwurf befassen. Soviel sei vorweggenommen, er hatte mit den selben Problemen wie H. v. Barth mit der Erstersteigung des Großen Bettelwurfes zu kämpfen und die Schwierigkeiten sind geleitet von der Sicht im spitzen Winkel auf die beiden Gipfel.

Mils, 13.07.2013

Carl Gsaller – Treffen von Alpinismus und Jagdwesen

Das schier nicht enden wollende Schlechtwetter mit Schneefall bis unter 1.500m Seehöhe veranlaßt mich zu Beginn des Juni 2013, an den Computer gefesselt, weitere Nachforschungen über die frühe Bergsteigerei anzustellen und Carl Gsaller liefert hierzu  für alle alpingeschichtlich Interessierten eine berichtenswerte, interessante und, wie ich meine, heute weitgehend unbekannte Beschreibung über das Verhältnis zwischen dem alteingesessenen und traditionell über Jahrhunderte unerschütterlich fest verankerten Jagdrecht und der beginnenden Entdeckung der Berge durch die ersten Pioniere des Alpinismus.

Carl Gsaller

Carl Gsaller aus Innsbruck war einer der Erschließer der Gebirge rund um Innsbruck, des Stubaitales, und des Karwendels, eine kurze Biographie füge ich per Link am Ende dieses Artikels bei. Die Biographie deshalb weil es über Carl Gsaller paradoxerweise keine rasch zugänglichen Information zum Abruf im Internet gibt. Wikipedia kennt zwar einige seiner Erstbegehungen, jedoch gibt es keine Informationen über ihn selber. Ich habe es mir nicht leicht gemacht und mir allerlei erdenkliche Suchformulierungen ausgedacht, alle jedoch bescherten äußerst bescheidenen Erfolg und kaum Ausbeute über die Schriften des großen Sohnes Tirols. Dem Interessierten kann ich jedoch auf Anfrage einige weiterführende Links überlassen.
Es bleibt zu hoffen, daß Günter Amor mit seinem in Kürze erscheinenden, oder bereits im Handel erhältlichen Buch „Ein Bahnbrecher des Alpinismus“ eine kleine Renaissance des Interesses an Berichten über frühen Alpinismus und den lebhaften Schilderungen Carl Gsallers, einem der großen der damaligen Pioniere und, nach allen Beschreibungen meiner bisherigen Recherchen, der erste „Extremkletterer“ seiner Zeit einleiten wird.

Wir schreiben das Jahr 1878 als Gsaller sich die Besteigung des Großen Bettelwurfes vornimmt und diesen, nach dem unbeabsichtigtem Umweg über den Kleinen Bettelwurf, schlußendlich in einer Kraftaktion, bei widrigem Wetter, mit festem Willen auch bezwingt. Wohl gewahr und, wie er schreibt, einigermaßen angestachelt davon, daß Hermann von Barth dies bereits 1870 als Erstbesteiger geschafft hat macht er sich von Innsbruck aus ins Halltal auf. Aber mehr davon in einem anderen Artikel.

Großer Bettelwurf aus der Sicht von Carl Gsaller als er den Kleinen Bettelwurf erstbestieg

In seinem Buch, bzw. Bericht „Aus dem Karwendel- und Risser-Gebirge“ beschreibt er im ersten Kapitel „Allgemeines“ zunächst eine interessante, aber nach heutiger Ordnung nicht mehr gebräuchliche Einteilung der Gebirgsketten des Karwendels und wechselt dann über in dasselbe Thema, das auch Hermann von Barth als  sehr unangenehm beschreibt und zwar, daß es im Karwendel einen sehr zu beklagenden Mangel an hochgelegenen Übernachtungsmöglichkeiten, also heute Schutzhütten, gäbe.
Man kann also daraus ersehen, daß dieser Umstand ein mehrfach bemerktes echtes Manko für die – sagen wir –  Extremsportler der damaligen Zeit gewesen sein muß.
Gut vorstellen kann sich das jeder selber, wenn er Bergtouren in die hinteren Ketten des Halltales, oder auf die Gipfel westseits des Stempeljoches unternimmt und die verkorkste, ungelöste Situation mit der Sperrung der Halltalstraße seit dem Jahr 2012 kennt. Man benötigt einfach bis zum Schranken beim Ferdinand eine Stunde mehr Aufstiegszeit und büßt dies, nach langer Tour, auch ein zweites Mal am Rückweg ein.
Für die  extremsten der Karwendelpioniere war dies natürlich, auf Tour zu den höchsten Spitzen dieser Kämme, eine echte Herausforderung und deshalb nahm man kaum fassbare Strecken an einem Tag in Angriff; extreme Strecken zu Fuß zu gehen war in diesen Tagen ohnehin an der Tagesordnung wie man immer wieder beim Lesen der Berichte, auch z. B. der Wilden Bande, erfährt. So liest man bei Gsallers Anreise zu den Herrenhäusern, daß er am Abend in Innsbruck losmarschiert ist und um elf Uhr Nachts bei den Herrenhäusern ankam. Eine Strecke bei der man heute nicht einmal daran denken würde, sie per pedes zu absolvieren.
Auch für die Orientierung der aufstrebenden Riege der Bergsteiger , für die immer weiter zunehmende Masse an Bergbegeisterten in ihren Aktionsgebieten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurden von den in den 1860er Jahren gegründeten Bergsteigerclubs und des Österreichischen Alpenvereines Karten angefertigt und Steige mit Wegmarkierungen (möglicherweise schon mit Wegenummern) angelegt.
Denkt man heute über diese ersten „Infrastrukturmaßnahmen“ der Vereine für ihre Mitglieder nach, so würde man meinen, daß diese rein aus eben dem Orientierungsgedanken heraus angelegt worden sind. Jedoch weit gefehlt, wenn man Carl Gsaller liest, man genieße folgende Beschreibung Gsallers über unglaubliche Zustände durch der Herrschaft des Jagdrechtes!

Text aus Carl Gsaller: „Aus dem Karwendel- und Risser-Gebirge“, Kapitel „Allgemeines“
…Jedoch sei wohl bemerkt, dass es den Knappen im Hallthal eigentlich verboten ist, Fremde zu beherbergen, und wenn es trotzdem geschieht, so rechtfertigt man sich eben mit Menschlichkeitsrücksichten. Freilich darf auch lobend erwähnt werden, dass die Bergbeamten genannte Vorschrift mit grösster Nachsicht handhaben. Auch die Vereinsalpe bei Mittenwald sei angeführt, da sie Alpenkost, Kaffee, Bier und Branntwein bietet. Wer jedoch auch Nacht­lager wünscht, muss sich dasselbe vom jeweiligen Jäger im Pürschhaus erbitten, da die Aelpler als Pächter des Jagdherrn keine Touristen beher­bergen dürfen und die Jagdverwaltung die Schritte der Touristen genau kennen will. Indess findet sich für den Nothfall auch in der Alpe selbst Unterkunft, wenn man, ohne lange zu fragen, bis zur Nacht sitzen bleibt. Der Aelpler hat dann die Rechtfertigung, er hätte den Menschen aus Barmherzigkeit hier behalten müssen! Am allerschlechtesten ist es mit der Unter­kunft im Hinterauthal und im Vomperloch bestellt. Im ersteren finden sich nur einige Alpen, deren Senner oft unsichtbar bleibt, als Ruhestätten, im letzteren selbst solche nicht. Wer also Bequemlichkeit wünscht, muss sich an die äusseren Grenzen des Karwendel-Gebirges halten oder sich mit Thal-und Uebergangstouren begnügen, wer aber gar den Anspruch erhebt, ein gern gesehener Gast zu sein, der thue noch mehr desgleichen. Fast das ganze Gebiet befindet sich eben in den Händen einiger hoher Jagdherren, unter denen der Herzog von Coburg, der sich in der Hinterriss eine Art Jagd­königreich gegründet hat, in erster Linie hervorragt. Auch die meisten Alpen innerhalb seines Machtbereiches sind ihm eigenthümlich. Der Vieh­auftrieb wird daher genau bestimmt, Schafe und Ziegen sind ganz verboten, Rindvieh wird nur in beschränkter Zahl zugelassen, mit den Alpenpächtern selbst wenig Federlesens gemacht. Und wenn der Tourist in vielen Thälern des Karwendel-Gebirges die Wegmarken des Alpenvereins findet, Weg­marken, die von den Jagdverwaltungen gestattet wurden, so denke er ja an kein Wohlwollen von Seite der letzteren, o nein! Die Wegzeiger tragen im Sinne der Jagdbesitzer die Bedeutung, den Touristen genau zu lehren, wie er am schnellsten aus diesem geheiligten Gebiete der Hirsche und Gemsen wieder hinausfinden könne. Aehnliches kann man auch mündlich vernehmen. So bekam der Verfasser vom Forstverwalter Platz in der Scharnitz einmal zu hören, „man müsse diesen Herren entgegenkommen, um sie baldigst wieder hinauszubringen“.
Da in dieser Beziehung der Rechtsstandpunkt strittig erscheint, so bleibt es immer am klügsten, sich mit den Jägern auf guten Fuss zu stellen, über die Zeit der Jagden Erkundigungen einzuziehen und während derselben, sowie vierzehn Tage (wenn durchaus gewünscht, noch längere Zeit) vorher das betreffende Thal u. s. w. zu meiden. So ist der Verfasser vorgegangen und dabei gut gefahren. Um scheele Blicke einzelner Jäger aber kümmere man sich nicht! Ich will übrigens dem freundlichen Leser noch mittheilen, was mir der verstorbene Wildmeister Risser, zugleich Besitzer des Alpen­hofes in der Hinterriss, als Wunsch der herzoglich Coburg’schen Jagdver­waltung bezeichnete. „Die Jagdverwaltung wünscht in erster Linie, dass sich der Tourist in jedem Falle vor seiner Bergtour mit ihr ins  Einvernehmen setze, wobei gewiss keine nicht durch das Jagdinteresse gebotenen Hinder­nisse erhoben werden. Besonders zu achten ist auf die Zeit vom 20. Juli bis 10. August, in welcher die Hirschjagden des Herzogs leicht gestört werden können, ebenso auf die Zeit etwa vom 26. September bis 10. October, welche die Brunftzeit der Hirschen darstellt. Alles muthwillige Ablassen von Steinen, alles Schreien und Schiessen ist zu vermeiden.“ Risser legte also, entgegen sonstigen Anschauungen, den Störungen der Gemsen durch Touristen nicht viel Werth bei, er hielt die Ruhe des Hirschwildes vor Allem wichtig. Der­selbe erklärte ferner, dass Jochübergänge von Seite der Touristen, z. B. von Hinterriss nach Bächenthal, für das Wild wenig empfindlich seien, weil das­selbe auf solchen Linien mehr an den Menschen gewöhnt erscheine; auch bringe es dem Jagdherrn weniger Nachtheil, wenn seine Verwaltung vor Beginn der Jagd den erfolgten Durchzug eines Menschen erfahre, da man in diesem Falle durch geeignete Aenderung des Treibens das Wild dennoch zusammenbringe.
Damit glaube ich nun, die Verhältnisse dieses Gebietes in grossen Zügen geschildert zu haben…

Der Herzog von Coburg als Jagdbesitzer war also ein weitgehend unumschränkter Herrscher und seine Jäger vollzogen das Jagdrecht relativ harsch, den Neuankömmlingen im Gebirge gegenüber.
Man muß sich vorstellen, daß die Aelpler (also die Bauern die eine Alm betrieben haben) sogar Pächter des Jagdherrn waren (sie selbst hatten also keinerlei Recht an den Bergwiesen der Alm) und sie durften keine Touristen beher­bergen. Weiters wollte die Jagdverwaltung die Schritte der Touristen genau kennen! Besonders zu achten sei auf gewisse Zeiten, in welchen die Hirschjagden des Herzogs leicht gestört werden können!

Man kann es kaum glauben, die Jagd, der omnipotente Beherrscher des Karwendel noch vor 135 Jahren; so mutet diese Situation jedem Leser an (ich kann mich daran erinnern vor einigen Jahren bei einem Freund das Manuskript seiner bevorstehenden Jagdprüfung gelesen zu haben und darin heutzutage kaum zu glaubende Gesetze gefunden zu haben. So beispielsweise, daß ein Jäger einen Wanderer perlustrieren darf als wäre er ein Polizist (wenn er in irgendeiner Weise verdächtig auffiele, oder „Abwurfstangen“ mit sich trüge). Es scheint, daß sich einige dieser archaischen Gebräuche, genannt „Jagdrecht“, bis in das dritte Jahrtausend retten konnten).

Andererseits muß man im Vergleich zu Gsallers Text einräumen, daß in den USA die Sklaverei auch erst vor 135 Jahren abgeschafft wurde.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu wissen welche Summen an Pacht für die schier unerschöpflichen Gebiete an den Besitzer (hoffentlich das Land Tirol) bezahlt wurde und wie es zweckgebunden der Bevölkerung wieder zugute kam. Aber dies ist ein anderes Kapitel, hier liese sich stundenlang recherchieren.

Von Carl Gsaller werde ich bei nächster Gelegenheit noch die Erstbesteigung des Kleinen Bettelwurf kommentieren, auch ein Bericht in „Aus dem Karwendel- und Risser-Gebirge“.

Biographe Carl Gsaller

Mils, 02.06.2013