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Hochwilde, 3.480 m, über Gurgler- und Langtalerferner

Die formschöne Gestalt des Nordgipfels der Hochwilde tritt bereits am Hochwildehaus in das Blickfeld. Ein kühn aufgerichteter Zahn mit steilen Flanken nach West und Ost mit einem vom Hochwildehaus aus gesehen sehr steilem Nordanstieg, der Achtung einflößt. Der Gratübergang zum südlichen Hauptgipfel zeichnet sich als zackenbewehrter Grat ab und läßt auf schöne Klettereien hoffen.

Hochwilde Nord- und Südgipfel, Hohe Weiße und Lodner, dahinter Mendelplateau und weit in der Ferne Brentagruppe

Beide Gipfel der Hochwilde vom Norden, erstiegen oberhalb des schwindenden Gurgler Ferners über deren Verbindungsgrat sowie der anschließende Abstieg über den Langtalerferner zurück zur Langtalereckhütte bildete uns Ziel an einem prächtigen Augustwochende.

Die Anreise

Diese Hochtour empfiehlt sich mit einer Übernachtung auf der Langtalereckhütte sowie mit Benutzung eines Stromradls oder für leistungsstarke Bergsteiger mit dem Mountainbike. Wer erst am Nachmittag vor der beabsichtigten Tour anreisen kann, tut gut mit der Wahl des Stromradls und wird feststellen, daß die Busverbindung vom mittleren Ötztal aus zeitlich äußerst günstig angeboten wird – der Bus befördert auf dem Anhänger auch die Radln. Von Huben aus fallen etwa 18.- für beide Strecken an, welcher Tarif die Gebühren für den  notwendigen Parkplatz in Obergurgl weit unterschreitet.

Absitzen vom Radbus in Obergurgl

Also stellten wir am geräumigen Parkplatz in Huben das Fahrzeug ab, bauten die Räder zusammen, holten unsere Tourenkollegin ab und radelten durch das Dorf zur Haltestelle, an der man mit dem Radl den Bus nach Obergurgl benutzen kann. Etwa alle halben Stunden fährt im Sommer ein Bus und benötigt eine gute halbe Stunde für die 24 km. Für die Ausfahrt am Sonntag gibt es das Service bis zum Abend. Bequemer geht es nicht.

Einfahrt in Rotmoostal, gegenüber der schöne Hangerer

Im Bus stieß Tatjana zur Gruppe, die in Längenfeld eingestiegen ist. Nach gut einer halben Stunde erreichten wir das Dorfzentrum in Obergurgl und radelten bei ungetrübtem Himmel neben der steilen Bergwiese entlang der Hohe Mut Bahn um die Bergrippe herum, die das Gaisbergtal vom Rotmoostal trennt und den Kamm von der Hohen Mut zum Kirchenkogel aufbaut. Um zur Langtalereckhütte zu gelangen, müssen diese beiden Täler hintengelassen werden, sodaß das dritte Tal das Langtal erreicht wird, durch das unser Abstieg anderntags führte.

wunderschönes Panorama im hinteren Rotmoostal mit Granatenkogel, Hochfirst, Liebener Spitze, Kirchenkogel, Heuflerkogel sowie Trinkerkogel

Das vierte und letzte Tal von Obergurgl aus gegen Westen, das sich von Nord nach Süd ansteigend erstreckt, bildet das Gurgltal, das durch den Gurgler Ferner geschaffen wurde. Die Anreise zur Langtalereckhütte allein für sich genommen stellt eine lange und wunderschöne Wandertour dar und kann von jedem Wanderer, der keine hochalpinen Eistouren unternehmen möchte, als eine phantastische Bergtour absolviert werden, bei der er im Rotmoostal auch Wissen über die Entstehung der Täler und der Geologie im westlichen Ötztal sammelt.

im Bereich der Gurgler Großalm mit dem Schalfkogel im Hintergrund

Am Weg zur Langtalereckhütte boten sich bereits zahlreiche bärige Blicke in die Mauer der Dreitausender, die die Grenzlinie zwischen dem nördlichen und südlichen Landesteil Tirols bilden. Mit wenigen begehbaren Jöchern in dieser Mauer, über die noch bis in die jüngste Zeit Schafe der Südtiroler Bauern getrieben wurden, um zu ihren Weiderechten zu gelangen, stellt der sogenannte Schnalskamm einen der Hauptkämme der Ötztaler Alpen dar.

Hochebenkar-Blockgletscher vom Hangerer herab

Gleich nach Umrundung des Ausläufers der Hohen Mut zu Tal tritt im darauffolgenden Kamm die mächtige Pyramide des Hangerers in das Blickfeld, noch bevor die Tiefe des Rotmoostals erfaßt wird. Nach der Überquerung des Rotmoosbachs steigt die Schotterstraße zur Schönwieshütte auf, die heute zu einem modernen Bau geworden ist. Nördlich der Hütte der Schönwieskopf, eine wenig mächtige, vom Gletscherschliff geformte Erhebung, wird der Schotterweg aufsteigend befahren, wobei sich von erhöhtem Standort der Rückblick auf das Rotmoostal lohnt. Granatenkogel, Hochfirst, Liebener Spitze, Kirchenkogel, Heuflerkogel sowie Trinkerkogel ragen als Umrahmung des Rotmoostals in den Himmel.

Stirn des Hochebenkar-Blockgletschers über dem Weg zur Langtalereckhütte

Anschließend fällt die Schotterstraße etwa 55 Hm ab, bevor sie gegen die Gurgler Großalm hin recht flach weiterführt und danach wieder ansteigt. Imposant zieht nach der Alm vom Hangerer ein Blockgletscher2 bis zum Schotterweg herab, der an seiner Stirn jede Menge Blockgeschiebe vor sich her wälzt. Unsere örtlichen Bergsteigerinnen berichteten, daß der Weg zuweilen durch Geschiebe verlegt sein kann und frei geräumt werden muß. Seine Stirnfront schob sich in den 50 Jahren vor 1996 durchschnittlich mit 3 m/Jahr zu Tal2.

Rückblick auf den Weg zur Langtalereckhütte; links Gamples- und Nederkogel, im Hintergrund Hochgurgl und die Stubaier Alpen mit Wilder Leck, Windacher Daunkogel, Stubaier Wildspitze, Aperem Pfaff und Zuckerhütl

Kurz vor der Langtalereckhütte biet sich ein schönes Panorama gen West bis Ost. Im Westen reicht der Blick vom Schalfkogel über die Firmisanschneide zum Hinteren Spiegelkogel gegen Norden hin über die Ramolkögel, dem Gampleskogel bis zum Nederkogel als Wahrzeichen von Sölden. Im Nordosten reichte die gute Fernsicht zur Wilden Leck in 20 km Entfernung, dem formschönen Windacher Daunkogel, der Stubaier Wildspitze, dem Aperen Pfaff, dem Zuckerhütl, ehe der Blick im Vordergrund durch einen weiteren Gipfel direkt über Hochgurgl namens Kirchenkogel begrenzt wird.

der mächtige Schalfkogel und die Kleinleitenspitze im bärigen Anblick, unten im Bild die Langtalereckhütte

Mit etwas auf und ab führt der Weg am Hang entlang, bis der letzte Aufstieg auf den Sattel zwischen Zollhütte und Langtalereckhütte genommen wird. Von Obergurgl aus beträgt der gesamt zu bewältigende Höhenunterschied auf die Langtalereckhütte auf 2.450 m Seehöhe 600 Hm über 6,8 km. Natürlich kann diese Strecke in 2 ½ Stunden zu Fuß bewältigt werden, jedoch hätte dies für uns bedeutet, daß wir anderntags mit den beiden Hochwildegipfeln und den Grat- und Gletscherbegehungen eine Strecke von 24 km mit 1.300 Hm Aufstieg ab der Langtalereckhütte sowie knapp 2.000 Hm Abstieg mit dem schweren Hochtourenrucksack hätten bewältigen müssen. Angesichts der hochalpinen Lage und den zeitraubenden Kletterpassagen mit jeweils den Umrüstzeiten und der ungewissen Beschaffenheit des Langtalerferners kann ein solches Vorhaben als fahrlässige Planung gesehen werden.

Aufstieg ab der Langtalereckhütte

Der Morgen brachte beim Abmarsch um 6:25 Uhr hellrot beschienene Gletschergipfel, die gleich die richtige Stimmung zum bärigen Vorhaben aufkommen ließen. Der Raffael scheute den langen Weg nicht, um bei der Hochtour dabei zu sein und traf zur Abmarschzeit ein. Zu fünft starteten wir hinab gegen die Brücke über den Gletscherbach aus dem Langtal, der zur Gurgler Ache abfließt.

die beiden Gipfel vom Vortag in der Morgensonne

Während des Abstieges suchten unsere Blicke immer wieder nach der besten Route für den Abstieg über den Langtalerferner. Viele Berichte gibt es nicht darüber, daher war das Interesse groß, wie sich der als spaltenreich beschriebene Gletscher denn präsentieren würde.

Abmarsch von der Langtalereckhütte, Raffael hat den frühen Aufstieg mit dem Radl genommen und sich zu uns gesellt

Von der Ferne zeichnete sich für uns der orografisch rechts Gletscherrand als gangbar ab, Spalten konnten wir dort kaum ausmachen, jedoch ein Felsband, das sich zwischen rechtem Rand und Grundkörper des Bruchs als gangbar ansah, sollten vermehrt Spalten auftauchen, die umgangen werden müssten.

neugierige Blicke ins Langtal, unserem Abstiegstal

Nach der Stahlbrücke mit dem beeindruckend tief eingeschnittenen Bachbett führt der Steig über den Ausläufer des Schwärzenkamms steil bergan. Man könnte den Klettersteig benutzen und von seinem Hochpunkt zum Steig um Hochwildehaus wieder 60 Hm absteigen, was wir nicht ins Auge fassten. Mit bereits voll beleuchteten Gegenhängen mühten wir uns auf der Schattenseite des Tals hinauf und genossen dabei die Lichtstrahlung, die uns von der Gegenseite Wärme herübersandte.

Stahlbrücke über den Gletscherbach aus dem Langtal

Bald waren die begrenzenden Gipfel in weißes Sonnenlicht getaucht und zeichneten eine einmalig leuchtende, weiß, rot braungraue Linie gegen das Blau darüber, die auf dem Steig, der durch seine Lage an der Seitenmoräne des Gurgler Ferners prächtige Ausblicke ermöglichte, auf erhöhtem Ort besonders eindrucksvoll erlebt wird.

vielsagender Blick aus dem Gurgler Tal mit der Gurgler Ache und den Gletscherspuren; rechts Langtalereckhütte

Die Flanken der Berge gegenüber werden von Granatglimmerschiefer aufgebaut, dessen Biotitanteil signifikant rotbraun verwittert. Granat und Staurolith sollten dort zu sehen sein, welches auf einer Hochtour auf den Schalfkogel in einem anderen Jahr zu erkunden wäre.

am Steig auf der Seitenmoräne des Gurgler Ferners, gegenüber Kleinleitenspitze und Schalfkogel

Dem moderat steigenden Gletscherhochtal folgend konnten wir phänomenale Blicke erheischen. So reicht die Sicht vom Steig auf der Krone der Seitenmoräne eindrucksvolle Dimensionen, indem die zu sichtenden Berggipfel bis zum Grenzkamm reichen mit Bank- und Falschunggspitze – dem Nährgebiet des Gletschers – in beachtlichen 5,5 km Entfernung sowie dem nicht zu unterschätzenden Mitterkamm, der links, also östlich genommen wird. Selbst die aufragenden Dächer von Hochwildehaus und Fidelitashütte ragen bereits weit vor ihrem Plateau himmelwärts.

Panorama der orografisch linken Gletscherbegrenzung des Gurgler Ferners mit Hochwildehaus links

Auf geschichtsträchtigen Moränen mit rund geschliffenem Geschiebe hat sich längst Humus gebildet und Vegetation Platz gegriffen. Hochlandgräser und krautige Pflanzen haben Terrain erobert, das die überwiegende Zeit des Jahres von Schnee bedeckt wird und erst im August die maximale Ausprägung an Flora erreicht.

geschliffene Felswände der Südostflanke der Firmisanschneide; der Gletscher unterhalb des Gipfel bereits beinahe verschwunden

Die Weite des Gurgler Ferners und vielmehr seine enorme Länge geben Raum für mannigfaltige Natursichtungen. Selbst wenn die Eiszeiten und seine Hochblüte mit dem Gletscherhochstand vor etwa 175 Jahren kaum mehr zu erahnen sind, gewinnt der Aufmerksame bei Betrachtung der Höhenunterschiede der heutigen Gletscheroberfläche hinauf zur Krone der Seitenmoräne Eindruck der enormen Eismassen, die einst den Moränenwall geschaffen und das Tal geformt haben. Trotz des enormen Massenverlustes des Gurgler Ferners betrug die größte Stärke des Gletschers 2007 noch 150 m (3).

Hinterer Spiegelkogel mit Ramolhaus

Der Kundige wird in der Morgensonne die unterschiedlichen Gesteine der gewaltigen Begrenzungsflanke erkennen, die sich im nordostwärts gerichteten Bogen gegen Obergurgl wendet und des Gletscherschliffs behände Arbeit in der Flankenhöhe aushauchen zu sehen vermag. Die sommerlich morgenleuchtende Komposition von besonders klarer Schönheit.

Ramolkögel und weiter draußen Gampleskogel bis Nederkogel

In dieser phantastischen Kulisse führt der Steig ab der Abzweigung zum Ramolhaus über etwa 260 Hm zum Hochwildehaus. Dort entdeckt man eine augenscheinlich intakte Hütte, wenn auch mit Stützgebälk an ihrer südlichen Fassade angebaut. Leider ist sie dem weichenden Permafrost zum Opfer gefallen, durch das Tauen veränderte sich die Gründung mit Hebungen und Setzungen, die am Gebäude irreparable Schäden verursachten.

kurz vor dem Hochwildehaus mit erstem Blick auf die Hochwilde und Zollhütte rechts

Einen Steinwurf entfernt steht die kleine Fidelitashütte, die 1896 lange vor dem Hochwildehaus von der Sektion Karlsruhe des DAV erbaut wurde, bietet anstelle des Hochwildehauses heute Stützpunkt für Touren im und rund um den Gurgler Ferner.

Hochwildehaus mit Stützkonstruktion der Südfassade

Ein weiters Gebäude bildet die Zollhütte, die 1995 ihre Bestimmung verloren hat und noch vor 50 Jahren, als der Großvater des Autors hier Dienst versah, unter steter Bewirtschaftung stand. Die „Finanzach“ (Finanzer = Zollbeamte), wie die Exekutivbeamten im Ötztal genannt wurden, stöberten entlang der Grenze zum südlichen Landesteil Tirols Schmuggler auf, die teilweise ein einträgliches Geschäft vor allem mit Tabakwaren und Kaffee betrieben und auch bei Nacht und Nebel Waren in Kraxen und Rucksäcken über die Jöcher und Grate nach Norden trugen.

Fidelitashütte als Ausweichquartier für das Hochwildehaus

So manche Verfolgungsgeschichte von Finanzern und Schmugglern trug sich dabei nach dem Krieg in den 50er und 60er Jahren zu. Später, als die Einträglichkeit des Schmuggels durch den zunehmend internationalisierten Handel zusammenbrach, erfreuten sich die Finanzer an schönen Schitouren bei der Grenzüberwachung.

grandioser Blick über den orografisch linken Teil des Gurgler Ferners

Flach führt der Steig nach den Hütten an den Gletscherrand des im Aufstiegssinn linken Teils des Gurgler Ferners heran und vorher noch erreicht man eine große Lacke, die wahrscheinlich ein kümmerliches Überbleibsel eines der Eisseen darstellt, die bei ihrem Ausbruch das Tal verwüsteten und von denen sich eine Zeichnung eines kirchlichen Bittgangs auf den Steinernen Tisch (Gebiet unterhalb des Hochwildehauses) in Wikipedia befindet.

grandiose Sicht auf das Schalfjoch (3.372 m) mit Aufstieg mittig in der linken Bildhälfte

Nicht nur aus diesem Grund hat der Gurgler Ferner eine gewisse Bekanntheit erreicht, sondern auch durch die Notlandung des Schweizer Wetterforschers Auguste Piccard, der nach einer Fahrt in die Stratosphäre mit seinem Ballon im August 1931 am Gurgler Ferner notlanden mußte4.

Schmelzwasserlacke mit dem orografisch rechten Teil des Gurgler Ferners, mittig die Hochwilde, rechts der Mitterkamm, der die beiden Teils des Gurgler Ferners scharf trennt

Breit und scheinbar flach liegt der orografisch rechte Teil des Gurgler Ferners vor des Betrachters Auge, zerschnitten durch den Mitterkamm, der im Aufstieg rechts liegen gelassen wird. Über den schönen Gletscher wird das Jöchl zwischen Mitterkamm im Norden und dem Annakogel im Süden angesteuert. Beide Erhebungen bilden den Gratausläufer der Hochwildegipfel nach Norden.

tiefe Wasserläufe mit Katarakten und herrlichem Farbenspiel am unteren Teil des Gletscherfeldes

Wir verzichteten auf dem gut einsehbaren Ferner auf das Seil, Spalten konnten wir auf der recht ebenen Strecke nicht erkennen, vielmehr Schmelzwasserrinnen und kleine Katarakte davon, die stets gut umgangen werden konnten. Eine nett zu wandernde Labyrinthstrecke mit wenigen unbedeutenden Abweichungen von der direkten Route.

der flache Gurgler Ferner präsentierte sich ohne Spalten, jedoch mit tiefen Einschnitten der Wasserläufe und öffnete ein kleines, kurzes Labyrinth

Am kleinen Jöchl vor dem Annakogel erreichten wir felsigen Untergrund, welcher Nachdenken über die weitere Verwendung der Steigeisen erzwang. Wir beschlossen angesichts der Aussicht auf den weiteren Verlauf der Route hinter dem Jöchl den Aufstieg ohne Eisen fortzusetzen. Sie wären auch schon beim bisherigen Aufstieg nicht vonnöten gewesen.

Rückblick über den phantastischen Gurgler Ferner mit Schwärzenkamm rechts

Schön anzusehen reichten die Gipfel im Westen des Schnalskamms gegen den Himmel. Bank-, Falschungg- und Karlesspitze, die Nährgebiete des gewaltigen Gurgler Ferners bilden den Grenzkamm im Westen und der Übergang vom grauen Glimmerschiefer auf den durch seinen Biotitanteil rötlich verwitternden Schiefergneis im Westen wurde in der Vormittagssonne deutlich sichtbar.

Überstieg vom Jöchl auf den orografisch linken Teil des Gurgler Ferners

Die firnige Oberfläche am stärker steigenden Teil bis zum Hochwildekamm war hinsichtlich von Spalten ebenso problemlos zu begehen wie auch der Teil davor. Phantastische Aussichten öffneten sich auf Tirols höchsten Berg, den Ortler in 46 km Entfernung.

Aufstieg auf herrlichen, firnbedeckten Gletscheroberflächen; hinten mittig Hochwilde Nordgipfel

Am Sattel zwischen dem auf seiner Südseite ganz schön schneidigen Annakogels konnten wir den schönen schmalen und zerrissenen Gratverlauf des nördlichen Hochwildegipfels studieren.

Gipfelaufbau Nördliche Hochwilde vom Sattel zum Annakogel gesehen

Der Ferner reicht weit an die aufsteilenden Flanken heran, lediglich ein paar Dutzend Höhenmeter sind vom Eisrand bis zum Einstieg der Kletterei zu bewältigen.

vom Eisrand am Gipfelaufbau der Hochwilde über die beeindruckende Weite des Gurgler Ferners nach Norden geschaut

Sofort auf den ersten Metern auf der aperen Flanke des Gipfelaufbaus erspäht man den granatführenden Schiefergneis, der zum Südgipfel hin häufiger wird und teilweise schöne Kristallausbildungen beinhaltet. Allerdings sind die oberflächlich sichtbaren Bruchstücke weitgehend verwittert.

Rückblick vom Grat zum Gratturm, der auf seiner Südseite eine Abseilstelle aufweist und der rechts am Klettersteig umgangen werden kann

Wir nahmen den direkten Grat auf einen Turm und sahen uns nach einigen Klettermetern auf ausgesetzten Platten vor einer etwa 15 Hm Abseilstelle, bei der erstmals das Seil gute Dienste leistete.

Raffael bereits an der Abseilstelle, dahinter der kühne Gipfel der Nördlichen Hochwilde

Dieser Turm hat seinen Vorteil in der den Hauptgrat überragenden Lage, sodaß schöne Fotos auf den Nordgipfel der Hochwilde angefertigt werden können.

zuletzt spitzt sich die Turmschneide beachtlich zu

Die Sicherungsstelle ist durch einen Bohrhaken und eine Seilschlinge für die Abseilfahrt gut abgesichert. Leider hatten wir durch Unachtsamkeit eine verflixte Seilverknotung, die 10 min Zeit kostete.

vorher noch ein atemberaubender Blick zum Hochwilde Nordgipfel

Nachdem wir auf die seilversicherte Gratstrecke zurückgekehrt sind, verlief der restliche Aufstieg zum Gipfel wie am Klettersteig.

Rückbau des Abseilstandes und Verlassen des Gratturms

Zur Erleichterung des Aufstiegs über eine steile glatte Platte sogar Stufen in den Fels gehauen – eine etwas schräge Praxis, um jeden beliebigen Touristen hinauf zu bringen, wie uns schien.

bärige Eindrücke am plattigen Grat zum Hochwilde Nordgipfel

Nach wenigen weiteren Passagen standen wir am Nordgipfel der Hochwilde, noch 23 m tiefer als der Südgipfel, der den Hauptgipfel darstellt.

in diese plattige Flanke wurden sogar Trittstufen geschlagen; diese Dummheit dürfte in den Jahren des Berghochtourismus in den 60er oder 70er Jahren begangen worden sein

Ein in der Sonne blitzendes Edelstahlkreuz ziert die Nördliche Hochwilde. Es wurde auf einer massiven Platte errichtet, die luftig auf dem Grat thront und unserer Gruppe Platz bot.

am Nordgipfel der Hochwilde angelangt, im Hintergrund der Südgipfel

Eine zweite Gruppe hätte der Kreuzplatz jedoch nicht aufnehmen können und wir waren an diesem Tag die ersten, vielleicht auch die einzigen Bezwinger aus dem Norden.

Musterung des Langtaler Ferners, unserem Abstieg; im Hintergrund das Pfelderer Tal

Rings um den Nordgipfel besteht eine grandiose Aussicht auf die Ötztaler Alpen und bis weit in das Ortlergebiet mit dem massiven Stock des Monte Cevedale und weiter bis zur Brenta und in die Presanellagruppe in 67 km Entfernung.

der Südgipfel der Hochwilde vom Nordgipfel aus gesehen

Bei einer kleinen Jause mit Gipfelschau und der Einnahme von in diesen Höhen unverzichtbarer Höhenmedizin machten wir uns auf den Südgipfel über den seilversicherten Grat durch die Überschreitung in Angriff zu nehmen.

Hohe Weiße und Lodner links, rechts in der Ferne Brenta und Presanella, rechts das Roteck in der Texelgruppe

Der ruppige Grat wartet mit schönsten Kletterstellen auf, die ohne die Seilversicherung bei Eigensicherung etwa dreimal so lang dauern würde, vorausgesetzt, man beherrscht schwierige Kletterei.

Höhenmedizin auf der Nördlichen Hochwilde

Durch die Verseilung kann die Gratstrecke am unteren Ende von mäßig schwierig angesetzt werden. Dies bedeutet aber nicht, daß aufgrund der jäh abstürzenden Flanken und der teilweise ausgesetzten Passagen Schwindelfreiheit nicht notwendig wäre. Der Ungeübte mag sich daher dort besser nach Klettersteigart mit einem Steigset bewegen.

Abstieg in die erste tiefe Einschartung zwischen der Nördlichen und Südlichen Hochwilde

Zwei bedeutend tiefe Abstieg in Scharten sind am Grat zu bewältigen, wobei die zweite in die Trennscharte führt, sodaß uns die Überschreitung über die nur 375 m Luftlinie entfernten Gipfel in einer guten halben Stunde glückte.

einer der kurzen Aufstiege am Grat zwischen den Hochwildegipfeln

Der Übergang erfolgt in wirklich schönem Gratgelände und mit bärigen Kletterstellen über gestufte Schieferbänke in festem Fels. Die Bilder zeigen, was Worte nicht so perfekt beschreiben können.

Rückblick von der Tiefen Einschartung auf den Abstieg vom Nordgipfel der Hochwilde

Natürlich war der Hochwilde Südgipfel an diesem so wunderschönen Tag stark besucht. Der Normalaufstieg vom Süden führt üblicherweise von Pfelders über die Stettiner Hütte und stellt eine anspruchsvolle, teilweise seilversicherte Steigwanderung dar, die ohne irgendwelche Hilfsmittel ausgeführt wird.

die überhängede Platte im oberen Bilddrittel wird westseitig unterhalb umgangen

Das kunstvolle Gipfelkreuz auf dem Südgipfel der Hochwilde konnten wir an diesem Tag nicht ohne Dritte für uns ablichten.

Umgehung der kühn hängenden Platte

Jedoch ist das keineswegs von Bedeutung, solange die weniger versierten Bezwinger, die angesichts des atemberaubenden Ausblicks mit solchen Kleinigkeiten überfordert sind, einen gewissen Respektsabstand davon halten, anstelle sich im Sitzen daran noch anzulehnen.

der rundlich geformte Südgipfel der Hochwilde

Glücklicherweise war das bei unserem Shooting nicht der Fall und die Besucher der Hochwilde verhielten sich zurückhaltend.

auf den letzten Metern zur Südlichen Hochwilde, dahinter der bärige Grat

Epische Blicke erstrecken sich von der Hochwilde in alle Himmelsrichtungen.

letzte herrliche Gratabschnitte vor der Südlichen Hochwilde

Dominieren von Westen über den Norden mit dem direkten Blick über den Hochwilde Nordgipfel und der Firmisanschneide auf die Ötztaler Wildspitze in den Osten die nahen Dreitausender der Ötztaler Alpen, so tun das vom Osten über den Süden die fernen Dolomiten, die Brenta- und Presanellagruppe sowie im Südwesten die Ortlergruppe wieder in größerer Nähe. Ein Rundblick, der ewig im Gedächtnis bleiben wird.

Südliche Hochwilde, 3.480 m

Für den Autor stach jedoch ein eher kleines Detail ins Auge, das so gegensätzlich kaum irgendwo betrachtet werden kann und zwar der Karbonatzug der Laaser Serie, Kalke und Marmore inmitten kristalliner Formationen.

im Südabhang des Gurglerkamms das weißlich/graublaue Band des Carbonatzuges der Laaser Serie – Kalkmarmor und Marmor, in der Ferne dahinter Olperer, Schrammacher und Hochfeiler

Einzelne Bänke lang gezogener metamorpher Sedimentgesteine im Schoß von ebenso metamorphen Gesteinen völlig anderer Herkunft und Genese (Bildung), die den Gipfelaufbau von Hoher Weiße und Lodner im Süden bildet und sich sichtbar von Süden über 15,5 km nordostwärts bis zur Weißspitze oberhalb von Moos im Passeier erstreckt. Anfangs- und Endberg wurden nicht ohne Grund so benannt. Das sich deutlich abzeichnende weißlich bis leicht graublaue Band beginnt am Gipfel des Lodners auf 3.100 m und erstreckt sich nach Nordosten fallend im Höhenband von etwa 1.950 m bis 2.300 m, das auch als „Carbonatzug der Laaser Serie“ bekannt ist.

Östlich der Talsenke des Passeiertals findet sich die Fortsetzung, die bis zum Beginn des Ratschingstales reicht. Im Südwesten, etwa 31 km Luftlinie von der Hochwilde, liegt das Dorf Laas im Vintschgau in dessen Gemeindegebiet der knappe Dreitausender, die Jennwand, den weltberühmten Laaser Marmor liefert.

Ein weiteres Juwel befindet sich direkt im Gipfelbereich, etwas abseits der begangenen Flächen, im Schutt – Granaten, eingebettet in Matrizen von Schiefergneis und Glimmerschiefer. Wenn auch oberflächlich stark verwittert, sind die Kristalle eine Augenweide, die während einer Metamorphose5 vor etwa 350-360 Ma (Millionen Jahre) entstanden sind.

Ausprägung des Granatglimmerschiefers am Gipfel der Südlichen Hochwilde

Granaten in den Ötztaler Alpen sind zumeist vom Typ Almandin, also Silikate mit Eisen anstelle von Magnesium, Mangan oder Kalzium im chem. Aufbau. Möglich macht die Sichtung das Vorkommen der Granatglimmerschiefer des Granatenkogels, der sich in einem schmalen Band von Nordost nach Südwest erstreckt und auf der Hochwilde zu finden ist.

Das Gurgler Eisjoch im Westen sowie das Langtaler Joch im Osten der Hochwilde stellten die Übergänge der Schaftriebe1 in die Weidegebiete der Südtiroler Bauern in Nordtirol dar.

Gipfelschau in den Westen auf den Schnalskamm und das Gurgler Eisjoch

Wer sich mit dem Tiefblick auf die Jöcher vorstellt, daß Herden mit hunderten Tieren im Frühjahr die noch schneebedeckten Abhänge hinauf getrieben wurden, über den Gletscher zu den Weidegebieten geführt und noch vor dem Herbst die schuttbedeckten schroffen Abhänge wieder talwärts absteigen mußten, der gewinnt Eindruck von den Mühen, die Mensch und Tier auf sich genommen haben, um das Leben im alpinen Raum zu sichern.

im Blick zurück der Nordgipfel der Hochwilde, der sich in einer Linie über die Firmisanschneide zur Ötztaler Wildspitze erstreckt

Im Rückblick nach Norden erscheint der Nordgipfel der Hochwilde als kühne Schneide und phantastisch von der Natur angelegt, reicht die Peilung nach Nordwesten bis zur knapp 18 km entfernten Ötztaler Wildspitze (3.768 m), wobei sie den Gipfelhochpunkt der Firmisanschneide (3.490 m) nur knapp westlich verfehlt. Die beiden hohen Gipfel seitlich der Firmisanschneide sind der Schalfkogel im ihrem Süden und der Ramolkogel im Norden.

gegen Nordwesten der Gurgler Kamm mit den Seelenkögeln, Granaten- und Essenerspitze sowie der Liebener Spitze, im Hintergrund die Stubaier Alpen mit dem Zuckerhütl, der Sonklarspitze, dem Habicht, den Feuersteinen und dem Pflerscher Tribulaun

Zwischen den nächsten Gipfeln im Gurgler Kamm östlich des Schnalskamms – die beiden Kämme werden durch die Hochwilde getrennt – befindet sich das Langtal mit dem Langtaler Ferner unsere Abstiegsroute.

Herwig vor dem kunstvollen Gipfelkreuz auf der Südlichen Hochwilde

Nordöstlich davon befinden sich die am Vortag bei der Fahrt von Obergurgl zur Langtalereckhütte so prächtig aufgereiht fotografiert, die Gipfel von Mittlerem und Hinterer Seelenkogel, Granatenkogel, Kirchenkogel, Essener Spitze, Trinkerkogel, Heuflerkogel, Liebener Spitze und Hochfirst.

In der Ferne dahinter die Stubaier Alpen, von denen viele Touren auf diesem Blog beschrieben sind, beispielsweise Breiter Grieskogel, Lochkogel, Schrankogel, Zuckerhütl, Sonklarspitze, Wilder Freiger und Östlicher Feuerstein.

ganz links Penser (Sarner) Weißhorn, in der zweiten Kette die westliche Umrahmung der Sarntaler Alpen mit Hirzer bis Hoher Ifinger, im Vordergrund die Rötenspitze in der Texelgruppe

Bei dem schönen Wetter konnten wir in der Ferne hinter der Hohen Kreuzspitze noch Olperer und Schrammacher sowie den Großen Möseler in den Zillertaler Alpen in 58 km Entfernung erkennen, bevor die Rundschau dem Wasserdampf der Luft zum Opfer fiel und die Sicht diffus wurde.

Lodner und Hohe Weiße im Süden, links davon ganz vorne die Grafspitze und gerade noch sichtbar der Tschigat zwischen ihr und der Hohen Weiße

Die Sicht wurde im Osten wieder klarer und ab dem – wenn man es nicht kennt – schwer zu findenden Penser (Sarner) Weißhorn in der Ferne, die gleich links hinter der Sefiarspitze im Vordergrund liegt, tauchten wieder Gipfel in der Ferne auf. Der höchste Gipfel der Sarntaler Alpen, der Hirzer (2.781 m), bildet den zentralen Punkt der Mauer, den die Sarntaler Alpen gegen das Passeiertal aufbauen und die mit dem Großen Ifinger abschließen. Die Dolomiten in der Ferne dahinter waren leider nur mehr schemenhaft zu erkennen.

Zielspitze und Gfallwand in der rechten Bildhälfte, dahinter im Dunst die Brentagruppe, im Vordergrund der Normalaufstieg von Pfelders über die Stettiner Hütte

Bei Lodner und Hoher Weiße im Süden der Hochwilde befindet sich der Rundblick bereits im Süden. Diese beiden Gipfel, zusätzlich mit der schneidig aufragenden Grafspitze und dem gerade noch sichtbaren Spitzchen des Tschigat in der Ferne, wirken phänomenal als Ausklang der Ötztaler Alpen in den Süden. Dahinter in der Ferne der unverkennbare, gegen Ost steil abfallende Rücken der Mendel in 35 km Entfernung.

im Südwesten die spitze Trübwand mit immerhin 3.260 m, dahinter leichte rechts das Roteck mit 3.337, und rechts die spitze Texelspitze mit 3.318 m, weit dahinter Zufallspitze, Monte Cevedale, Königspitze und Ortler

Im Südosten zunächst die nahegelegenen Gipfel Gfallwand, Trübwand, Roteck, Texelspitze sowie leicht rechts hinter letzterer die Zufallspitze und der Monte Cevedale in 47 km Entfernung und rechts davon Königsspitze und Ortler.

im Westen das Pfossental, ein Seitental des Schnalstals, durch dieses die Schafe auf das Gurgler Eisjoch getrieben wurden, um in die Weidgründe im Gurglertal zu gelangen

Der Similaun (3.597 m) im Westen beeindruckt durch seine schöne Pyramidenform. Er ist nach der Hinteren Schwärze (3.624 m), die im Blick gleich rechts davon liegt, der zweithöchste Gipfel im Schnalskamm und vom Blickpunkt des Betrachters aus gesehen unglaubliche 197 m südlicher als die Hochwilde und somit der südlichste Punkt Nordtirols, 56,1 km südlicher als das Goldene Dachl zu Innsbruck, entsprechend der Abzweigung der Pustertalstraße von der Brennerstraße nördlich von Brixen.

Gipfelschau in den Westen auf den Schnalskamm und das Gurgler Eisjoch

Mit der Weißkugel (3.737 m), dem zweithöchsten Berg in den Ötztaler Alpen, schließt die Rundschau auf Ketten und Gipfel ab. Nimmt man den Peak Finder ernst, dann sieht man von der Hochwilde auf mehr als 3.000 Gipfel. Natürlich rein theoretisch aufgrund geodätischer Daten, nicht aber in natura mit stets fehlender Sichtbarkeit aufgrund von Luftfeuchtigkeit.

Abstieg über den Langtalerferner

Unser Rückweg über den Nordostgrat auf den Langtaler Ferner vollendete die Runde, die wir uns vorgenommen hatten. Dazu benutzten wir den Abstieg über eine Kante nordöstlich vom Gipfelkreuz.

Abstieg nordöstlich der Südlichen Hochwilde auf den Gurgler Kamm

Ein Band zieht auch direkt östlich davon in die Tiefe, dieses erreichten wir nach wenigen Minuten, als es in einen sichtbaren Steig überging.

am Steig im Abstieg zum Langtaler Ferner

In brüchigem Gelände führt es fast ausschließlich als Gehstrecke auf den abzweigenden Nordostgrat hinab.

im oberen Teil etwas brüchig, im unteren Teil leicht schuttüberzogen erreichten wir den Gipfelaufbau mit dem Firnansatz des Langtaler Ferners

Wir folgten dem Gratverlauf etwa 50 m weiter, als die alten Gehspuren im Firn das Felsgelände erreichten, da uns diese Stelle als geeigneter für den Abstieg erschien. Damit erreichten wir den direkten Abstieg zu einem ausgeaperten Felsblock, den wir als Sicherungsstelle für den weiteren Abstieg über den Gletscherschrund ins Auge fassten.

an einer geeigneten Stelle auf die Firnfläche übergetreten

Nebenbei hatten wir ohnehin vor den als spaltenreich beschriebenen Langtaler Ferner unter Seilsicherung zu begehen. Von oben am Grat zwischen den Hochwildegipfeln, sieht der überblickbare Teil des Ferners zwar gar nicht spaltenreich aus, niemand aber stellte den gesicherten Abstieg infrage.

Tatjana sichert ihren Bruder vom Felsblock über den Schrund

Die Sicherung über den Schrund hinweg stellte sich als sinnvoll heraus, obwohl niemand Schwierigkeiten mit dem etwa einen dreiviertel Meter offenen Maul hatte. Die Übertrittsstelle war günstig gewählt. Links und rechts davon klaffte das Eis weiter auseinander.

Michaela kurz vor dem Schrund

Im angeseilten Modus spazierten wir den flachen Teil des Ferners abwärts, stets eher rechts haltend, um dem Blankeis mittig des Gletschers auszuweichen.

die Länge des Marsches am Langtaler Ferner konnten wir von den Gipfeln aus gar nicht so eindrücklich erfassen, als er sich bei der Begehung darstellte; fotografieren am Seil wird zur sportlichen Aufgabe

Schließlich erreichten wir doch noch eine Spaltenzone und traten einmal in eine kleine Vertiefung, die allerdings nur etwa einen halben Meter tief war. Einigen weiteren sichtbaren, die daraufhin folgten, konnten wir ausweichen.

Rückblick auf die Gratkette vom Gurgler Ferner bis zum Südgipfel der Hochwilde; rechts der Felsturm mit der Abseilstelle sichtbar

Mit dem steilen Schlußstück hinab auf eine Seitenmoräne endete die Eisfahrt und die bremsenden Steigeisen konnten abgelegt werden.

ab der Randzone des Eises stiegen wir steigeisenfrei über teilweise tückisch rutschige Stellen aus Eis und Geschiebe

Mitten im noch steilen Hang traten wir auf das tückische Terrain über das nicht mehr aus Eis und noch nicht aus durchgehend Schutt- oder Felsuntergrund besteht, indem es stets vorkommen kann, daß man nach einigen Metern aus Schutt plötzlich Kurzpassagen in Eis ausführen muß und es einen in der Gruppe immer niederhaut. Diesmal war der Autor dran.

Am flachen Teil des Langtaler Ferners angelangt, steigerte sich die Geräuschkulisse durch die seitwärts in die Wasserläufe im Eis herabstürzenden Schmelzwasserbäche. Wie aus hunderten Quellen ergossen sich die Bäche herab und erweckten den Eindruck, der Gletscher müsse in wenigen Wochen vollends entwässert sein.

im flachen Teil des Gletschers angelangt; ab hier weitestgehend ohne breitere Spalten, dafür jedoch die eine oder andere Gletschermühle

Das Langtal macht seinem Namen beim Abstieg alle Ehre, denn vom flachen Teil des Ferners benötigten wir eindreiviertel Stunden. Am Weg durch das karge Trogtal, noch auf der Eisfläche, trafen wir auf zahlreiche Längsspalten, glücklicherweise alle zu schmal, um darin ernsthaft abstürzen zu können.

die Breite des Gletschers offenbart sich erst, wenn den Kameraden zwei Minuten Vorsprung gegeben wird, um die Perspektive einzufangen

Einige Gletschermühlen, darunter eine große, ernsthaft im Durchmesser, sichteten wir gegen das Ende der Gletscherzunge hin. Mit lautem Getöse stürzte dort der Bach in etwa in 5 m Tiefe und die Wasser verschwanden in unsichtbare Kanäle im Eis.

eine der wenigen Spalten, im Flachteil eigentlich nicht klassisch gebildete Spannungsrisse, sondern Einschnitte von Wasserläufen

Von der Ostflanke der drei Seelenkögel (übrigens entstammt die Bezeichnung den etwa sechs oder sieben kleinen Seen, die sich in der Westflanke der See`lenkögel befinden) stürzen mehrere Gletscherbäche vom Seelenferner auf das Langtaler Gletschereis herab und verschwinden im Untergrund.

Gletschermühle mit Rückblick auf die Steilstufe am Langtaler Ferner

Nach gut 4 km am Eis erreichten wir den Talboden. Auf den letzten Metern durchwanderten wir noch den lang gezogenen Eisrand, der sich in stetem, sichtbarem Kampf zwischen Schmelze und Verdrängung von Geschiebe befindet.

die größte Gletschermühle etwa in der Hälfte der Flachstrecke

Aufgewühlte Massen an Geschiebe werden von abbrechenden Eisrippen wie auf einer Baustelle aufgetürmt und von allen Seiten strömen die Wasser zu einem reißenden Wildbach zusammen, an den Rändern jede Menge Sand durch die Ablagerung von Gletscherschliff.

Eisabbruch am Gletschertor des Langtaler Ferners; hier kämpfen sozusagen die Elemente und hinterlassen ein Schlachtfeld an Eis- und Felstrümmern

Abschließend strömt der Wildbach über ein Gletschertor am linken Talrand gleichsam einem riesigen Schlund in den letzten Eiszungenteil ein, um ihn 80 m talabwärts wieder über ein Gletschertor auszuspucken. Die Mengen der Entwässerung der wenigen Gletscher, die in das Langtal eingezogen werden, erscheinen bei diesem Anblick gigantisch, wenn man bedenkt, daß sie des Sommers mit großer Kontinuität anfallen.

der Gletscherabfluß im August in seiner größten Ausprägung an Menge verschwindet in einem Maul wieder unter die Eisfläche und wird 80 m unterhalb am Ende des Eisvorstoßes wieder ausgeleitet

Nach der ermüdenden Wanderung mit dem schweren Rucksack durch das Langtal und dem kurzen Gegenanstieg auf die Langtalereckhütte gönnten wir uns eine Hüttenrast, bevor aus dem Langtal nach Obergurgl ausgeradelt wurde. Einen Radbus nach Huben hatten wir auch gleich.

noch lange marschiert man aus dem grünen Langtal zur Hütte aus, zuletzt mit 80 m Gegenanstieg

Die naturerlebnisreiche und geschichtsträchtige Hochgebirgsrunde mit Radabfahrt nach Obergurgl nahm 10:45 Stunden in Anspruch, incl. aller Pausen und Rüstzeiten. Die Strecke beträgt 19,2 km und die Steigarbeit vollzieht sich über 1.290 Hm. Der gesamte Abstieg vom Gipfel nach Obergurgl beträgt 1.720 m und die Strecke vergrößert sich auf 26,5 km – wer sie ausschließlich zu Fuß unternehmen will.

Ausradeln aus dem Gurgler Tal mit Bombenstimmung; hier nochmals der Blockgletscher

Der individuelle Leistungsfaktor für etwa ¼ der Strecke, die signifikant über 3.000 m Seehöhe im Aufstieg liegt, mag jedenfalls bei der Zeitplanung genauso Berücksichtigung finden, wie die genügend zu bemessende Auseinandersetzung mit den atemberaubenden Formationen und mit den Tücken der Strecken am Eis, die gegebenenfalls angetroffen werden können. Nicht jedes Jahr unternimmt man diese außergewöhnlich schöne, epische Reise.

Mils, 10.08.2025

Alle Literaturquellen hier erreichbar:
https://www.uibk.ac.at/iup/infofolder/afo_obergurgl/
1, 4 Meixner W., Siegl G., Historisches zum Thema Gletscher, Gletschervorfeld und Obergurgl, Seite 22, Seite 28
2 Krainer K., Geologie und Geomorphologie von Obergurgl und Umgebung, Seite 46/47
3 Fischer A., Klima und Gletscher in Obergurgl Seite 66
5 Tropper P., Krenn K., Hoinkes G., Mineralogie und Petrologie des austroalpinen Kristallins in der südlichen Umgebung von Obergurgl, Seite 190