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Nördliche Sonnenspitze, 2.650m

Die beiden Sonnenspitzen in der Hinterautal-Vomper-Kette zählen zu den am wenigsten begangenen Gipfel in dieser Kette und auf die Nördliche Sonnenspitze, dem gewöhnlichen Ausgangspunkt für die Überschreitung zur Südlichen Sonnenspitze, führt ein mühsamer Anstieg durch das Große Kühkar. Der Grund warum hier nur von der Nördliche Sonnenspitze die Rede ist, wird im Text erläutert.

Nördliche Sonnenspitze, 2.650m

Um den Eintritt zum Großen Kühkar zu erreichen erwartet den Besteiger der Nördliche Sonnenspitze zunächst eine lange Anreise entweder über Scharnitz, heute fast ausschließlich mit dem Radl, oder, im Fall dieser Beschreibung, klassisch zu Fuß über das Lafatscher Joch aus dem Halltal.
Weiters muß dann von der Kastenalm zum Unteren Moserkar aufgestiegen werden und dieses bis zur Karverzweigung durch den südwestlich herunterziehenden Gratrücken von der Moserkarspitze aufgestiegen werden. Eine kürzere Anreise gibt es – ohne die Nordwände zu erklimmen – nicht.

Die Sonnenspitzen vom Lafatscher Joch aus im Norden

Der Anstieg vom Hackl im Halltal bis zur Kastenalm ist für die Beschreibung des Anstieges zur Nördlichen Sonnenspitze ohne Belang und, weil er über breite markierte Wege erfolgt, auch keine besonders beschreibenswerte Anreise.
Die Erwähnung, daß der Verfasser für die Strecke vom Parkplatz Halltal bis zum Kasten dreieinhalb Stunden benötigt hat, sowie ein wunderschönes Bild von den beiden Sonnenspitzen und deren Verbindungsgrat – das gleichzeitig den Blick darstellt, der nach oftmaligem Erleben den Drang zur Ersteigung dieser Region vorantreibt – möge hier genügen.
Weiters sei zur Planung der Tour daran erinnert, daß die Rückreise mindestens genauso lange in Anspruch nimmt und länger, da auf der Rückreise die Hallerangeralm zur notwendigen Labe besucht werden sollte.

Gipfel im Moserkar und rechts der Sonnenspitzenstock

Vom „Kasten“ aus– eine durchaus gebräuchliche und eigentlich treffendere Bezeichnung wie „von der Kastenalm aus“ (das innere Almwiesengelände der Alm wird nämlich gar nicht betreten sondern ein großer Bogen um sie abgeschritten) – führt die Route am Ufer des Moserkarbaches zur Linken entlang.
Der breite Schotterweg kann im Bereich der inneren Alm durch lichten Wald abgekürzt werden um ihn nach ein paar Hundert Meter wieder zu erreichen.

der Moserkarbach an der Stelle an der er versiegt

Im Bereich der größten Nähe zum durch Hochwassereinflüsse aufgeböschten Ufer und einem markanten Ahorn kann das breite, staubtrockene Bachbett überschritten werden um knapp danach wieder begangen zu werden, nämlich um die letzten versiegenden Wasserläufe des Moserkarbaches zur Wasserauffüllung zu benutzen.

Allein die Strecke vom westlichsten Punkt bis zu diesem Gebiet sollte man am Abstieg vom Hinterautal vom Zeitbedarf her nicht unterschätzen, es handelt sich um gute zwei Kilometer bzw. einer halben Stunde Gehzeit, die auf der Karte nicht so aufwendig aussieht (auf der AV-Karte gibt es Steigspuren vom Steilstück zu einem Weg in die Kastenalm hinab – vielleicht wäre dies eine lohnenswerte Abkürzung).

Steig ins Moserkar

Anschließend weisen hohe Lärchen den Weg zum Steig in das Moserkar. Er beginnt an einer Stelle, die unspektakulärer nicht sein könnte und wenn nicht ein breiter ehemaliger Fahrweg dort hin führte, würde man wahrscheinlich einige Zeit suchen. Der Steig ist für seine alpinistische Begehungshäufigkeit phantastisch gut ausgeschnitten, was auf rege Tätigkeit der Jägerschaft in diesem Gebiet hindeutet – vermutlich die Pächter der bei der Kastenalm gelegenen Jagdhütte – denn in dieser Gegend wird sehr wahrscheinlich kein alpiner Verein dafür verantwortlich zeichnen.

Am höchsten Punkt beim Zustieg „Moserkaregg“

Zum Zeitpunkt der Begehung des Steiges durch den Verfasser heizte die Sonne an diesem so traumhaften Hundstag im August bereits derart kräftig herab, daß er sozusagen „einging“, immensen Wasserbedarf zeigte und bis zur Verzweigung vom Unten Moserkar bis ins noch schattige Kühkar schlapp und immer schläpper wurde. Ein grausiger Riegel und ein Apfel waren nicht in der Lage seine Steigleistung in Form zu bringen.

erstmalig das Große Kühkar – der Aufstieg zur Nördlichen Sonnenspitze – zu sehen

Bei der Verzweigung konnte er nicht umhin über die Maßen viel zu trinken beide Flaschen voll aufzufüllen, in Unkenntnis, daß der Bach aus dem Kühkar noch gut 200Hm weiter hinauf ergiebig genug zum Tanken gewesen wäre. Wer das Thema Wasser im Karwendel kennt handelt eher früher als später.

Abzweigung der Kare und im Rückblick die Halltalkette

Unzufrieden schlapp ging es nach der Bachquerung den falschen Steig bergauf. Zwar besteht um die Ecke bei den Latschen knapp oberhalb des Baches ein direkt ins Kühkar abzweigender Steig, allerdings sieht dieser so aus, als verlaufe er sich anstelle markant die Wiese zu durchschneiden. In trügerischer Gleichgültigkeit ob der Schlappheit und ungenauer Erhebung der Situation wurde dem besseren, breiteren Steig in Spitzkehren steil bergauf gefolgt, um nach wenigen Minuten und kaum 100Hm festzustellen, daß dies der falsche war und ein bergsteigerischer Grundfehler begangen wurde – nicht genau festzustellen welcher Steig der richtige ist.

der richtige Steig 40Hm tiefer – Abstieg über unangenehme Schotterflanken notwendig

Der Abstieg zum – von oben natürlich gut sichtbaren – Steig ins Kühkar mußte somit über unangenehmes verfestigtes Sand und Schottergelände erfolgen, glücklicherweise nur über knapp 40Hm.
Solche Fehler nagen und stacheln aber gleichzeitig auch an, in diesem Fall jedoch zum Vorteil der Bekämpfung der Schlappheit gereicht.

Nach wenigen Minuten „versiegte“ aber auch der richtige Steig durch die Nähe zum steil abfallenden Bachbett, dessen abgerutschte Flanken die Latschengassen auf einmal zur steilen Schuttböschung machten.
So kämpfte sich der Verfasser auf die andere, im Aufstieg gesehen rechte Bachseite auf einem Rücken aufwärts, bis der Geländeeinschnitt durch den Bach flacher wurde und eine Rückkehr auf die richtigere linke Seite leicht möglich wurde.

Rast im Kühkar auf 1.750m

Nach diesem unvorteilhaften und eher zu verschweigenden Intermezzo, als erfahrender Bergsteiger irgendwo, aber nur ein paar Dutzend Meter, neben dem richtigen Steig befindlich wie ein Anfänger durch dichte Latschen mit unzähligen, um das Gesicht herum beim Zerreißen knisternden Spinnfäden aufsteigen zu müssen, erreichte der Verfasser die Höhenkote 1.750m und das Kühkar schien kein Ende zu nehmen. Eine Rast mit ordentlicher Nahrungsaufnahme und dem erhobenen innerem Zeigefinger zum Zusammennehmen gab das Unterbewusstsein vor, worauf Rucksack und Körper unsanft auf den Karboden niedersackten. Es galt einen mentalen Tiefpunkt zu überwinden oder nicht.

weiteres Aufstiegsgelände im Kühkar

Ein Gutteil der mitgebrachten Geheimwaffen Rosinen und getrocknete Marillen, sowie Brot und Speck wurden verschlungen und mehr als eine halbe Flasche Wassers obendrein. Ein Zeichen völlig falscher Planung und für die Temperaturen zu anspruchsvoller Route und zu spätem Start.

Nun, das Markenzeichen des Karwendlers ist sein fast unbeugsamer Wille angefangenes fertigzustellen wann immer möglich sowie sinnvoll und nach 20min Rast hatte sich bei der Beobachtung der weißen und dunkelbraunen Schafe mit Glöckchen in den Schuttreisen unter den Abbrüchen des Grates zwischen den beiden Sonnenspitzen neuer Tatendrang breit gemacht. Die Tour muß durchgezogen werden, auch wenn sie bisher nicht professionell genug angegangen wurde und auch der zu späte Aufbruch nach sechs Uhr mit der folgenden extremen Tageserwärmung bis zum Kühkar einen erheblichen Einbruch der Kräfte verursachte.

im obersten Kühkar

Die Essenspause wirkte gleich nach wenigen Minuten wodurch das aufsteilende Kühkar bereits unter besserer Steigleistung bezwungen werden konnte.
Zum raschen Fortkommen eignen sich die Steilwiesen besser als die rechts und mittig herabziehenden Schuttreisen und meint man nach den Steilwiesen, die weiter oben etwas flacher werden, daß der Grat gleich dahinter erreicht wäre, so täuscht man sich. Nach der sichtbaren Kannte beginnt eine weitere Karstufe, die dann nur mehr mit Geröll durchzogen ist, mit einer Muldung beginnt und mit Schrofen im oberen Teil endet die dann aber wirklich den Grat zu den Nordabstürzen zu den Ladizer Reisen und der Falkenhütte bilden.

Reste eines Flugzeugabsturzes; ob das ein Learjet 23 war und weitere Details lassen sich nicht mit Sicherheit aus dem Internet recherchieren

In diesem letzten Karabschnitt befinden sich die traurigen Reste eines abgestürzten Flugzeuges, angeblich ein Learjet 23 und angeblich am 28.08.1972. Je mehr man die spärlichen Berichte dieses tragischen Vorinternetgeschehens in diesem nachzuforschen versucht, desto weniger kann man den gefundenen Details glauben, die auch vom Absturz über dem Sellraintal berichten. Wie auch immer, es war ein Kleinflugzeug dessen kümmerliche Reste zu einem Häufchen zusammengeräumt wurden und sich davon ein paar großflächigere Mantelteile des Rumpfes – durch Stürme verfrachtet – auch noch weiter oben in den Reisen der Nördlichen Sonnenspitze herab finden lassen.

Am Grat zur Nördlichen Sonnenspitze angelangt – Blick gen Norden ins Johannestal

Endlich war der Grat erreicht und der Blick richtete sich gleich auf die beschriebene Aufstiegsrinne. Dieser folgt man im Gegensatz zur Beschreibung im AV-Führer kaum soweit bis sie sich zur echten Rinne ausbildet, sondern übersteigt gleich unterhalb der Rinnenausbildung rechts auf einen Schutthang an dem dann der weitere Aufstieg sogleich sichtbar wird, denn er erfolgt längs einer geologischer Störzone, die regelrechten eingeschnitten in der Bergflanke deutlich sichtbar ist (die 10m sind untertrieben).

Einstieg in die Flanke zur Nördlichen Sonnenspitze

Steinmänner begleiten bis zum zweiten Turm, bei dem der Einschnitt endet und der weitere Aufstieg nach links oben (südöstlich erfolgt). Die Flanke ist deutlich sichtbar und weniger Steil als links davon. Dort etwas höher in der Flanke der vorerst letzte Steinmann durch den man dann weiß, die Linkskurve richtig erraten zu haben.

2. Türmchen voraus – mehr als 10m…

Anschließend wird der Flanke in direktem Anstieg etwa 40Hm weiter gefolgt, bis links ein Schuttband sichtbar wird, mit Steinmann am Ende. Über dieses zum Steinmann und von dort wieder ca. 40Hm leicht rechts haltend empor, wobei am Ende eine etwas schwierigere als der Aufstieg zuvor (im Abstieg) kaminartige Schuppe zu überklettern ist, bevor nach einigen Metern eine Flachstelle erreicht wird, in der ein Holzstock an den Fels lehnt und eine Markierung darstellt.

Rückblick von oben – der Steinmann links unten, die Scharte mit Türmchen rechts oben

Die Markierung weist nach links (nördlich) und sofort wird ein angenehm breites Band, das vorsichtig begangen werden soll, weil sehr mit Schutt beladen, sichtbar, das um einige Ecken und Ausbuchtungen herum zum Gipfelbereich führt.

Dem Holzstock Aufmerksamkeit schenken – er ist nicht durch Zufall hier; links über das Band geht es weiter

War der Fels in der Flanke bis hierher großteils noch recht fest beginnt hier auf den letzten Höhenmetern eine wesentlich schlechtere Qualität und sehr viel von dem was als Griff taugen sollte bricht aus. Noch größere Achtsamkeit auf den letzten zwanzig Höhenmetern tut also Not, vor allem, wenn sie über den Grat begangen werden, wie im vorliegenden Falle.

Mittelteil des Bandes – sieht schlimmer aus wie es ist – man steige es mit Bedacht

Auf der kleinen Gipfelfläche der Nördlichen Sonnenspitze befindet sich kein Gipfelkreuz, dafür aber ein Steinmann und eine Gipfelbuchschachtelhalterung mit einem netten Gipfelbuch der Lenggrieser, die man so oft in Karwendelgipfelbüchern liest. Die erste Seite des Buches trägt das Hinterlegungsdatum und just zu seinem Geburtstag am 4. August hatte der Verfasser seine Tour auf sie durchgeführt. dazu mußte mit Peter Mayr’s  Höhenheilmittel angestoßen werden.

erstmals der Gipfelbereich der Nördlichen Sonnenspitze vom Band aus sichtbar

Während der Jause mußte der Verfasser eine besorgniserregende Beobachtung machen. Über dem Bettelwurf und weiter südlich im Inntal brauten sich hohe dunkle Wolken zusammen und selbiges auch im Vorkarwendel im Nordosten.

die bekannten und geschichtsträchtigen Gipfel im Bockkar über dem Roßloch

Nun wird auch dem Leser auch klar warum der Titel vorliegenden Berichtes nicht von der Überschreitung der beiden Sonnenspitzen spricht – der Verfasser hat zwar mit Widerwillen dennoch entschlossen sofort eine Entscheidung getroffen und recht rasch, nach einer nur zwanzigminütigen Rast, den Rückzug vorgezogen.
Ein Gewitter am schutzlosen Grat, zählt zu den vermeidenswertesten Angelegenheiten der Bergsteigerei.

Blick auf das Lafatscher Joch – Ungemach zieht vom Inntal über Bettelwurf und Großem Lafatscher auf

Nun, jeder Schaden hat auch einen Nutzen lautet eine Weisheit und der Nutzen für den Verfasser war eindeutig, die Aufstiegsflanke auch als Abstiegsflanke kennenzulernen. So sei allen, die die Flanke bereits aufgestiegen sind versichert, daß der Abstieg keineswegs als übel einzustufen ist. Die Schuttpartien mit Bedacht abgestiegen werden immer wieder feste Partien erreicht, die wunderbar abzuklettern sind. Einzig die zuvor beschriebene Schuppe, die etwas kniffliger abzusteigen ist, aber auch ohne große Anstrengung gemeistert wird, dort allerdings mit großer Körpergröße leichter.

Blick von der Nördlichen Sonnenspitze auf den Westteil der Karwendelhauptkette

Der Abstieg ins Kühkar erfolgte rasch. Kaum eine halbe Stunde ist dafür notwendig.
An der Latschengrenze angelangt sollte der Verlauf des Steiges durch die Latschen gefunden werden, doch dies war wieder nicht so möglich wie gewünscht und ein Verbindungssteig wurde stattdessen gefunden, der in der teilweise recht unangenehmen Flanke von der Rippe von der Moserkarspitze herab querte.

Rückzug über die Flanke der Nördlichen Sonnenspitze

Am Moserkarbach angelangt waren die Wolken in dem kleinen Himmelsfenster, das dort sichtbar ist zum Teil wieder aufgelockert und dies war einerseits für den weiteren Abstieg beruhigend, andererseits gab es aber Anlass zum Ärgernis des hastigen Rückzuges.

Abstieg ins Moserkar – Rückblick ins Kühkar und auf die Nördliche Sonnenspitze

Der Steig im Unteren Moserkar führt durch wahrhaft schönes Gelände und erfreut. Tief eingeschnitten zeichnet der Bach seit Jahrtausenden seinen Lauf auf. Am Abstieg durch die Latschen beim Moserkaregg kann das gewaltig weitläufige Gelände der Kastenalm eingesehen werden. Bis ins Roßloch hinein zieht sich die fast ebene Almfläche dahin.

wunderschöne Szenen im Moserkar – der Bach hat sich über lange Zeit tief eingeschnitten

An der Querung des trockenen und sehr breiten Bachbettes, das bei Hochwetter nicht breit genug sein kann, waren nun die ersten Regentropfen zu spüren – die Gewitterzelle hatte sich nun innerhalb einer halben  Stunde über das Sonnenspitzenmassiv geschoben.

Überquerung des Moserkarbaches an markanter Stelle mit altem Ahorn

Mit leichtem Laufschritt versuchte der Verfasser Garagen am Weg zu erreichen, bevor ihn die schweren Tropfen erreichen möchten und das gelang auch.

das Gewitter über den Sonnenspitzen hat begonnen

Unter dem 50cm herausstehenden Dach der Garage neben der Schotterstraße beim Radldepot vor der Kastenalm wurde das Gewitter durch „unterstehen“ – durch das früher sogar Ehen entstanden sind – abgewartet.

aus dem trockenen Unterstand in die Nässe geblickt

Bei jedem der vier bis fünf gewaltigen Blitze über dem Sonnenspitzengrat manifestierte sich Sinnhaftigkeit der Entscheidung umzudrehen noch weiter.

 

Nach einer guten halben Stunde war der Spuck ebenso schnell zu Ende wie er begonnen hat und der Heimweg konnte angetreten werden. Durch die Trockenheit des so schönen Sommers war auch jegliche Lache am Weg sofort aufgesaugt und von oben tropfte ohne Wind auch nichts herab. Der Regenschutz konnte somit diesmal im Rucksack verbleiben.

der Spuk nach 40min vorbei – die Südliche Sonnenspitze erstrahlt im Sonnenlicht

Am Weg zum Halleranger entstand in der gereinigten Luft noch ein klares Foto der Sonnenspitzen und der Kare drum herum – so schnell kann eine Gewitterzelle abregnen und wieder klares Wetter herrschen.

Sonnenspitzen im Zoom

Auf der Alm gab es nochmals Energienachschub – wie könnte es anders sein – in Form von Knödelsuppe und Bier. Als gegen halb acht das Lafatscher Joch erreicht wurde erstrahlten die Sonnenspitzen im Abendlicht. Ein anderes Mal wird auch die Überschreitung gelingen.

Route ab dem Kasten im Hinterautal

Die Tour endete nach 15 Stunden und 3.525Hm gegen neun Uhr am Parkplatz beim Hackl.

Mils, 04.08.2018

Kaltwasserkarspitze, 2.733m – über Südgrat

Mit kühn aufragendem Gipfelaufbau ist die Kaltwasserkarspitze eine der markantesten und schönsten Gipfelformen in der Karwendelhauptkette sowie der vierthöchste Berg im Karwendel.

Gipfelaufbau der Kaltwasserkarspitze

Gipfelaufbau der Kaltwasserkarspitze

Der Südgrat, auch Heissenkopfgrat, über den Großen Heissenkopf, die Sägezähne, die sich auf kurzem Teil fast zur Schneide verjüngen, und der ca. 70m hohe Gipfelaufbau bestehen aus hellem, gebanktem oberen Wettersteinkalk. Dieser Bankigkeit verdankt man auch den relativ leichten Übergang auf einem mittelbreiten Felsband unterhalb des Grates vom ersten Gratausläufer vom Gipfel aus gesehen, im Aufstieg gesehen eben der letzte zu meisternde vor dem Gipfelaufbau.

Aufstieg auf den die höchste Erhebung der Sägezähne

Aufstieg auf den die höchste Erhebung der Sägezähne

Die Tour über den Südgrat und Großen Heissenkopf ist zweifellos die wesentlich schönere als jene über das östliche Birkkar und das Hochjöchl. Dessen gewahr wird man im Abstieg zu selbigem.

Das noch schlafende Halltal vom Lafatscher Joch aus geserhen

Das noch schlafende Halltal vom Lafatscher Joch aus gesehen

Der Start der Tour war für mich der Parkplatz beim Hackl am Eingang ins Halltal. Um 4:40 Uhr verließ ich zuerst im Schein der Lampe, dann im Dunkeln, eiligen Schrittes die schlafenden Dörfer des Inntales, dem Lafatscher Joch entgegen und weiter zum Jagdhaus im Kasten, um dort Simon zu treffen, der in gut einer Stunde mit dem Radl von Scharnitz unterwegs sein würde.

Olperer vom Lafatscher Joch aus in der Morgensonne um 6:45 Uhr

Olperer und Schrammacher vom Lafatscher Joch aus in der Morgensonne um 6:45 Uhr

Im Grübeln beim Aufstieg kam mir der Gedanke, daß es bei einer so langen Tour falsch ist, den Treffpunkt mit normaler Marschzeit zu kalkulieren, denn der Löwenanteil an Aufstiegsmetern lag ja nach dem Treffpunkt noch vor uns und die Wetterlage versprach einen zermürbend heißen Tag. Aber vereinbart ist vereinbart und so mußte ich in gut drei Stunden – 7:45 bis 8 Uhr war vereinbart – im Kasten sein.

der Zunterkopfkamm

der Zunterkopfkamm

Am Joch entstand diese schöne Aufnahme der Kaltwasserkarspitze im Morgenlicht (siehe Foto oben) mit dem sehr langen Grat, der im Aufstieg – so viel sei hier schon verraten – schier nicht enden will, bevor es abwechslungsreich in leichte Kletterei auf die Sägezähne übergeht.

Kaltwasserkarspitze mit Südgrat; ganz unten (knapp über dem Repskamm) der kleine Heissenkopf, großer Heissenkopf und Sägezähne vor der Kaltwasserkarspitze

Kaltwasserkarspitze mit Südgrat; ganz links (knapp neben dem Repskamm) der Großer Heissenkopf, dann die Höchsterhebung der Sägezähne und der Grat zur Kaltwasserkarspitze

Das Joch 10min früher erreicht als kalkuliert, beschleunigte ich den Schritt ein wenig über das Normale hinaus als ich die Distanz zum markanten Gumpenkopf südlich der Kastenalm sah. Ein langer Weg von fast 7km und mir blieb eine knappe Stunde dafür, um die Vereinbarung zu halten.

Lafatscher Nordwand im Morgenlicht

Lafatscher Nordwand im Morgenlicht

Die Beleuchtung der Berge um 7 Uhr früh Mitte August ist dermaßen einmalig, daß ich jedem nur raten kann um 3:45 Uhr aufzustehen und sich auf zu machen auf das Lafatscher Joch, um dort einmalige Eindrücke von Licht und Schatten zu erleben. Nahezu jeder Riss ist zu dieser Tageszeit in der Nordwand des Großen Lafatscher sichtbar.

Weg ins Rossloch; bei der Kurve geht es schneller im Bachbett weiter

Weg ins Rossloch; bei der Kurve geht es schneller im Bachbett weiter

Um 8:10 Uhr das Ziel im Kasten erreicht – es waren genau die 10min, die ich in der Früh noch vergaukelt habe – war ich froh, daß ich nicht zu arg wortbrüchig war. Simon ist mir ca. 100Hm entgegen gegangen, um nicht untätig im Tal zu sitzen.

markanter Laubbaum bei Abzweigung zum Moserkarsteig

markanter Laubbaum bei Abzweigung zum Moserkarsteig

Der Schotterstraße links folgend (nicht rechts zum Jagdhausgelände hinein) marschierten wir ca. 5min bis eine scharfe Rechtskurve unser Missfallen weckte und wir links ins Bachbett auswichen. In diesem beobachteten wir sehr genau die beiden Ufer und fanden mit scharfem Blick die Stelle, an der die Abzweigung ins Moserkar mit einer eher breiten, schnurgeraden Latschengasse abzweigte. Am rechten Ufer (in Gehrichtung) konnte man, wegen dem Schottergeschiebe dieses Sommers, nur schwach Steigspuren erkennen, dafür aber einen markanten Baum, dessen Foto in der Bildgalerie als einprägsame Hilfe dienen möge.

nördlicher Teil der Abzweigung

nördlicher Teil der Abzweigung

Es gibt eine zweite Stelle, an der eine Abzweigung möglich ist und zwar einige Gehminuten weiter und hier ist die Bachquerung rechts gut sichtbar, dafür die linke Seite mit Schottergeschiebe gut getarnt.

Lärchenwald am Beginn des Steiges ins Moserkar; links in den Zuntern geht es auf den Kleinen Heissenkopf

Lärchenwald am Beginn des Steiges ins Moserkar; links in den Zuntern geht es auf den Kleinen Heissenkopf

Für den weniger Orientierungsbegabten sei einfach gesagt, daß das Ziel, der Aufstiegssteig ins Moserkar, am Fuße des kleinen Lärchenwaldes an der Flanke des Heissenkopfes zu finden ist. Dort beginnt der Steig, der dann nochmals eine Überraschung in sich birgt, will man nicht ins Moserkar, sondern auf leicht übersehbarem Steige auf den Kleinen Heissenkopf.

Beginn des Steiges oberer Teil

Beginn des Steiges oberer Teil

Zunächst beginnt der Steig mit dichtem Grasbewuchs, sodaß man genau schauen muß, um ihn zu erkennen. Nach ca. 20Hm findet man sich aber bereits in typischem Steigbild mit jüngst ausgeführtem Zunternausschnitt, danke hier an die Wegpfleger, ein angenehmer Aufstieg beginnt.

langes Teilstück vor markanter Abzweigstelle nach links, westlich

langes Teilstück vor markanter Abzweigstelle nach links, westlich

Durch den archaischen Lärchenwald geht es, noch gut geschützt vor der Augustsonne, einige Kehren hinauf, bis die Kehren enden und der Steig sich dann deutlich und dauerhaft ins Moserkar wendet. Nun muß aufgepaßt werden: ca. 10-20m nach einer markanten Stelle, an der der Steig über eine Rippe herumführt, befinden sich linkerhand kleine rote Markierungen auf recht kleinen Steinen im Boden. Diese stellen den Aufstieg zum Heissenkopf dar. Folgt man der Abzweigung vor der markanten Stelle im Steig, endet man ca. 50Hm oberhalb auf einem Jägersteig und erkennt bald, daß es dieser nicht sein kann. Wir profitierten von einem anderen Bergsteiger, der einige Minuten vor uns diesen falschen Steig versuchte und oben herumirrte. Die Situation ist in der AV-Karte nicht so dramatisch darstellbar wie sie wirklich ist; den Abzweig zu finden kann, wenn man im Gespräch mit Tourenpartnern ist, leicht übersehen werden und man findet sich, bis man es merkt, zu weit ins Moserkar hinein.

Abzweigung zum Steig auf den Kleine Heissenkopf; der Steig führt am Steilhang links weiter

Simon nach der Abzweigung zum Steig auf den Kleine Heissenkopf; der Steig führt am Steilhang links weiter

Nach 20Hm muß man sich wieder orientieren, da die roten Markierungen dünner werden und man am Fuß des Steilhanges nicht sofort erkennt, daß es links weitergeht. Hat man die ersten 30-40Hm gefunden sind die weiteren gut 500Hm nicht mehr zu verfehlen.

Steiggelände zum Kleinen Heissenkopf

Steiggelände zum Kleinen Heissenkopf

Der Steig ist von der Abzweigung unten nicht mehr ausgeschnitten, zumindest nicht die groben Zuntern, die weit in den Steig hereinhängen und so muß man gut die Hälfte des sehr steilen Steiges immer wieder nicht nur angestrengt in brütender Hitze aufsteigen, sondern auch noch alle möglichen Verrenkungen vollführen und der Rucksack bleibt so manches Mal richtig hängen. Ein häufiger Blick auf die Uhr zeigte mir aber doch eine durchschnittliche Steiggeschwindigkeit von rd. 500Hm/h.

Simon im Steig nach ca. 2/3 der Aufstiegshöhe

Simon im Steig nach ca. 2/3 der Aufstiegshöhe

Zwei Trinkpausen mußten es doch sein und zwei Riegel mit dem mir unangenehmen Industriezuckergeschmack ebenso. Die Länge der Tour erfordert zwingend regelmäßige Energieaufnahme und die moderne Art davon hatte ich in Form von sechs – modern genannten – Powerbars mitgenommen, neben einer mittelgroßen Tupperbox Rosinen, Nüssen und getrockneten Mangostreifen, nebst meinem Standardmahl am Berg, dreier Äpfel.

es wird Gottseidank luftiger

es wird Gottseidank luftiger, weit hinten die Rauhkarlspitze

Unbedingt empfehlenswert ist die Auffüllung des Trinkvorrates am Moserkarbach, bevor der Anstieg beginnt, denn – wie der Karwendelkenner weiß – kein Wasser abgesehen von gelegentlichem Schmelzwasser oberhalb der Almenlinie auf ca. 1.700m.

das Rossloch aus ca. 1.800m Höhe

das Rossloch aus ca. 1.800m Höhe

Während ich mich in den Latschen hinauf quälte und versuchte nicht zu schnell Kräfte zu vergeuden, lief mir der junge Simon mit seiner bestechenden Kondition regelrecht davon. Wie unter Bergsteigern üblich geht aber jeder seinen ihm angenehmen Schritt und man wartet an geeigneter Stelle wieder zusammen. Somit kommt jeder auf seine Rechnung, keiner verausgabt sich oder muß bummeln und der Schnelle hat mehr Zeit sich umzusehen und ins Schwärmen zu kommen.

am Kleinen Heissenkopf

am Kleinen Heissenkopf

Im letzten Teil des extremen Steiges nimmt der Zunternbewuchs deutlich ab, man befindet sich schon nahezu auf 2.000m in Kammnähe, und ein heiß begehrtes kühles Lüftl kühlt wieder auf angenehme Betriebstemperatur herunter.

Aufstiegsgelände zum Großen Heissenkopf

Aufstiegsgelände zum Großen Heissenkopf

Am überraschend großen, dolinendurchzogenen Plateau des Kleinen Heissenkopfes machen wir im Schatten eine Rast; ich mußte unbedingt für einige Minuten der erbarmungslosen Sonne auf den Nackenbereich entgehen. Für weniger sonnenfeste und helle Typen ist für diese Tour unbedingt ein Nackenschutz ratsam, der gesamte Aufstieg bis zum Gipfel (ca. 4 Stunden ab dem Abzweig unten beim Moserkarbach) bietet keinerlei Schutz vor der Sonne, auch nicht unten in den eher kleinwüchsigen Zuntern.

Rückblick am Kamm zum Großen Heissenkopf

Rückblick am Kamm zum Großen Heissenkopf

Nun beginnt ein äußerst langer Kamm/Gratanstieg, der mehrmals Gipfelnähe vorspiegelt und in der Nähe der gipfelartigen Erhebung den Blick auf weitere Erhebungen preisgibt. Sehr markant ist das in der Nähe des Großen Heissenkopfes und steht man auf jenem und erblickt nach allem Aufstieg die Entfernung zur Kaltwasserkarspitze, wird einem erst bewußt wie lange der Grat wirklich ist.

weiterer Aufstieg

weiterer Aufstieg

Die Beschreibung des Kammes bis zum Großen Heissenkopf (2.437m, nicht die höchste Erhebung im Grat) kann insofern schmal ausfallen, als daß dies einfach ein Rücken ist, der manchmal mehr, manchmal weniger von Bergwiesen durchzogen ist und ab und zu schuttige Partieen enthält.

am Großen Heissenkopf; nein dahinter befindet sich nicht die Kaltwasserkarspitze!

am Großen Heissenkopf; nein dahinter befindet sich nicht die Kaltwasserkarspitze!

Ab diesem geht es mit schmäler werdendem Grat weiter, zunächst leicht abwärts aber bald wieder aufsteigend mit ein paar ganz leichten Kletterstellen, bzw. solche für die man ab du zu mit den Händen hilft.

teilweise etwas schärfere Partieen am Aufsteig zu den Sägezähnen

teilweise etwas schärfere Partieen am Aufstieg zu den Sägezähnen

Die nächste Erhebung sind die Sägezähne (2.660m) und diese gut 200Hm vollziehen sich nur mehr in schuttigem Felsgelände auf wenig bis schärfer ausgeprägtem Grate mit einer Abkletterstelle in der tiefsten Einschartung zum folgenden Gratteil, die auch westseitig umgangen werden kann, aber im Abklettern leicht bewältigbar ist, wie man im Rückblick von unten aus erkennt; vorwiegend jedoch ist dieser Aufstieg leichtes Aufstiegsgelände ohne Herausforderungen.

abklettern der einzigen Scharte bis zu den Sägezähnen

ein paar Meter abklettern der einzigen Scharte bis zu den Sägezähnen

Knapp vor Erreichen des Hochpunktes der Sägezähne läßt sich erstmals die Kaltwasserkarspitze erblicken. Die Entfernung ist atemberaubend, man glaubt dabei, vom gewaltigen Eindruck getroffen und stockenden Schrittes, daß man erst die Hälfte des Grates hinter sich gelassen hat.

noch ein ordentliches Stück Aufstieg

noch ein ordentliches Stück Aufstieg

Tatsächlich aber liegt diese Erhebung recht genau bei zwei Drittel der Gesamtstrecke, und, was man noch nicht realisiert hat, man hätte brutto nur mehr 73Hm Aufstieg vor sich. Netto sind es aber sicher deutlich mehr als 100Hm, wahrscheinlich sogar 150Hm, da nun die Sägezähne beginnen.

das Ziel zum ersten Mal vor Augen und doch noch so weit entfernt

das Ziel zum ersten Mal vor Augen und doch noch so weit entfernt

Ab diesem Punkt beginnt ein äußerst schöner Gratabschnitt mit kleinen Herausforderungen am Ende und mitten drin zwei tiefere Einschartungen, die beide östlich umgangen werden. Wie so oft bei Karwendelgraten kann man bei beiden im Rückblick erkennen, das das Abklettern an der Abbruchfront gar nicht so dramatisch gewesen wäre.

der Gratverlauf zur Kaltwasserkarspitze

der Gratverlauf zur Kaltwasserkarspitze

Der Grat gibt sich nun häufig schärfer als zuvor, jedoch gibt es aufgrund der plattigen Struktur des oberen Wettersteinkalkes auch flächenhafte Teile, die mittelsteil geneigt sind und nach Osten ins Rauhkarl abfallen. Ein Freude auf diesen schuttfreien, reibungsfreudigen Flächen entlang zu marschieren.

schärfer Teil am Grat zur Kaltwasserkarspitze

schärfer Teil am Grat zur Kaltwasserkarspitze

Häufige Steinmänner – wie bisher –  begleiten den Ersteiger sogar am Grat, wo ihre Wirkung eher klein ist, aber in den Umgehungsflanken an den Abkletterstellen wichtiger sind.

Umgehung der vor uns liegenden Scharte durch abklettern rechts (östlich)

Umgehung der vor uns liegenden Scharte durch abklettern rechts (östlich)

Eine besonders schöne Einschartung befindet sich kurz vor einem langen Gratteil in festem Plattenkalk mit einem nahezu horizontalen Gratstück bis zur nächsten Einschartung folgend.

Rckblick auf Abkletterflanke

Rückblick auf Abkletterflanke

Dieses bewältigt man über die Ostflanke und mit ca. 30m Abstieg erreicht man die Scharte mit leichtem Aufstieg (anders als sie am Foto aussieht) auf der Gegenseite.

Aufstieg aus einer Scharte zur Kaltwasserkarspitze

Aufstieg aus einer Scharte zur Kaltwasserkarspitze

Ein gewaltiger Felsklotz, einem Echsenkopf gleich,  ist die letzte Erhebung am Grat, die man rechts, ostseitig umgeht. Die Umgehung  erfolgt vom scharfen Grat ca. 20m abwärts und unten mit ca. 100m Länge in der Flanke zu einer weiteren breiten Scharte, die man links liegen läßt und daran vorbeigeht.

eine weitere Scharte folgt am Gratverlauf Kaltwasserkarspitze

eine weitere Scharte folgt am Gratverlauf Kaltwasserkarspitze

Nach der Scharte bleibt man unterhalb des Grates und erreicht, zwischen großen lose liegenden Blöcken nach einer Minute eine weitere kleinen Scharte (ca. 2-3m breit) an der man sich wegen der weiteren Ungangbarkeit der Ostflanke und des kaum kletterbaren Aufstieges auf den Grat unversehens und instinktiv auf die schattige Westseite zu queren veranlaßt sieht.

sie wird ebenfalls rechts (östlich) umgangen

sie wird ebenfalls rechts (östlich) umgangen

Die Westseite des Grates verspricht Zuversicht für den Weiterweg und mit ihren ca. 50m langen Bändern könnte sie als die Schlüsselstelle des Aufstieges bezeichnet werden. Sie stellt den Höhepunkt an leichtem Klettergenuß auf diesem Grat dar und bildet gleichzeitig den Abschluß des Grates vor dem Gipfelaufbau zur nun steil aufragenden Kaltwasserkarspitze.

zwischen Blöcken hinweg

zwischen Blöcken hinweg

Die Bänder, bzw. das Band, das man naheliegend wählt ist das mit durchschnittlich 40cm breiteste und es zieht sich – wegen einer größeren Rippe in der Hälfte nicht vollkommen einsichtbar – fast bis zum Felsstock des Gipfel hin. Bei einer kleinen Einschartung nach der Rippe wechselten wir auf ein leicht höheres Band für die letzten 20m bis zum Ende des Grates.

letzter Gratverlauf zur Kaltwasserkarspitze unterhalb auf schmalem Band mit mäßiger Schwierigkeit

letzter Gratverlauf zur Kaltwasserkarspitze unterhalb auf schmalem Band mit mäßiger Schwierigkeit

Die Felsneigung sieht auf den Fotos steiler aus als sie wirklich ist, jedoch ist eine überlegte Dreipunkttechnik beim Klettern, sowie absolute Schwindelfreiheit vonnöten, um diesen Abschnitt zu bewältigen.

Simon am Band letzter Teil

Simon am Band letzter Teil

Der Fels ist dort im Griffbereich weitgehend fest und nebst dem Band für meist vollflächige Trittauflage gibt es ausreichend Griffe, die man natürlich vor der Verwendung auf Festigkeit prüft.

die letzten paar Meter am Band

die letzten paar Meter am Band

Nachdem man den Felsstock erreicht hat erklimmt man über viel Schutt und entweder ein paar Serpentinen oder im direkten Aufstieg über ca. 30Hm wieder den Grat, der an dieser Stelle in den Felsstock der Kaltwasserkarspitze übergeht.

weiterer aufstieg, die Flanke rechts nach oben

weiterer Aufstieg, die Flanke rechts nach oben

Nun ragt die Kaltwasserkarspitze noch ca. 50Hm hoch auf und der Gipfel wird über einen schuttigen Anstieg zu einem kurzen Riss erklommen.

Gipfelaufbau der Kaltwasserkarspitze

Gipfelaufbau der Kaltwasserkarspitze

Nach dem Riss und einem weiteren Riss im Übergang steht man bereits am schräg gerichteten, zerklüfteten Gipfelplatteau der Kaltwasserkarspitze, die wir knapp nach 12 Uhr erreichten.

Rückblick vom Gipfel der Kaltwasserkarspitze auf den Südgrat (Heissenkopfgrat)

Rückblick vom Gipfel der Kaltwasserkarspitze auf den Südgrat (Heissenkopfgrat)

Leider ist das Gipfelkreuz vom mühevoll gebauten, horizontalen Sockelchen abgerissen und ein paar verbogene M16 Edelstahlanker bilden den traurigen Rest vom einstigen Glanz des Kreuzes auf diesem edlen Gipfel. Ein längs zerbrochenes Holzstück im Steinmann, in dem auch das leider sehr mitgenommene Gipfelbuch verstaut ist, ziert nun den Gipfel.

Simon und der Verfasser auf der Kaltwasserkarspitze

Simon und der Verfasser auf der Kaltwasserkarspitze

Die Kaltwasserkarspitze ist aufgrund ihrer entbehrungsreichen Zustiege kein häufig begangener Gipfel und trotzdem zählten wir Mitte August 2016 an die 25 Personen in diesem Jahr, die ersten beiden bereits Ende Mai und nochmals Anfang Juni, wahrscheinlich Figlfreaks.

das ehemaliger Gipfelkreuz der Kaltwasserkarspitze

das ehemaliger Gipfelkreuz der Kaltwasserkarspitze

Lohn für die Mühe des Aufstieges ist ein – rein mit Fotos – unbeschreibbarer Ausblick in alle Richtungen. Am Sonntag des 14. August herrschte eine derart geringe Luftfeuchtigkeit, daß die Fernsicht gewaltig war. Im Osten konnte man Großglockner (wie man von mir in anderem Bericht weiß beträgt dessen Luftlinienentfernung zum Großen Bettelwurf nur 97km) und Großvenediger deutlich und scharf erkennen. Im Südosten bis Süden die Gletscher der Zillertaler mit hervorstechendem Markpunkt des Olperers und im Südwesten die Stubaier Gletscher und weit entfernt die Giganten im Ötztal bis nach Westen über die Spitzen im Arlberggebiet bis zur Zugspitze. Alle Gletscher trugen weitreichende Wolkenanhäufungen über den Gletscherflächen, ein Zeichen der unaufhaltsamen, enormen Verdunstung und dem traurigen Rückzug der Eisflächen.

die Bettelwürfe, der große davon fünfthöchster Gipfel im Karwendel (zählt man die Ödkarspitzen als zwei Einzelgipfel)

die Bettelwürfe hinter dem Rosslochkamm, der große davon fünfthöchster Gipfel im Karwendel (zählt man die Ödkarspitzen als zwei Einzelgipfel)

Auf den selben 180 Grad des Ausblickes hat man aber auch in nächster Nähe die gewaltigen Gipfel und Grate der Hinterautal-Vomper-Kette, der Karwendelhauptkette. Im nächsten Osten beginnend ein weiteres lohnendes Ziel aus dem Kasten, die beiden Sonnenspitzen, noch etwas anspruchsvoller als die Kaltwasserkarspitze mit einem haarigen Abstiegsgrat hinab ins Moserkar, weiter im Osten die Lalidererspitze mit ihren berühmten Nordwänden, die bis vor gut hundert Jahren als letztes „Problem“ im Karwendel durchstiegen wurden, sie sind die längste geschlossene Wandflucht der Nördlichen Kalkalpen. Als letzter markant sichtbarer Gipfel begrenzt die Dreizinkenspitze den Hinterautalteil der Karwendelhauptkette.

Blick auf die östlichen Gipfel der Karwendelhauptkette

Blick auf die östlichen Gipfel der Karwendelhauptkette

Nochmals so weit wie die Dreizinkenspitze kann man weit im Osten die Lamsenspitze mit links daneben das Lamsenjoch erkennen, etwas südöstlich davon bei guter Orientierungsgabe den Hochnissl, fast von der Dreizinkenspitze verdeckt. Etwas rechts der Hochglück und hinter dem Grat der beiden Sonnenspitzen kann man gerade noch die Rosslochspitze erkennen.
Im Südosten dann Hochkanzel, Brantlspitze und Gamskarspitze sowie die Hallerangerspitzen mit auslaufendem Repsgrat.

Blick auf Rossloch Repskamm und die Gipfel des östlichen Teiles der Gleirsch-Halltal-Kette

Blick auf Rossloch Repskamm und die Gipfel des östlichen Teiles der Gleirsch-Halltal-Kette

Fast schon im Süden das Lafatscher Joch – mein Heimweg – mit anschließend exakt südlich die beiden Lafatscher und die Gipfel des Westteiles der Gleirschtal-Halltal-Kette mit dem unverkennbaren Turm der Kaskarspitze sowie zu deren Rechten die beiden gleichgestaltigen Schwestern der Praxmarerkarspitzen ruhen. Weiter östlich findet man die Jägerkarscharte, neben dem Lafatscher Joch der einzige Süd/Nord Übergang vom Gleirschtal in das Hinterautal.
Den Abschluß im Südosten bilden die mächtigen Jägerkarspitzen und der wild gezackte Rigelkargrat der am Hohen Gleirsch übergeht bevor dieser mit einem langen Kamm hinunter nach Scharnitz die Kette beendet.

Blick auf die Gipfel des westlichen Teiles der Gleirsch-Halltal-Kette

Blick auf die Gipfel des westlichen Teiles der Gleirsch-Halltal-Kette

Im Uhrzeigersinn weiter erkennt man hinter dem zuvorderst gelegenen südlichsten der Birkköpfe den unteren Spitzhüttenkopf, direkt vor der weit entfernten Hohen Munde.
Das östliche Ende des Spitzhüttengrates trägt die Große Seekarspitze im Osten. Dieser nordwärts folgend finden sich Pleisenspitze, Breitgreißkarspitze und von jener fast verdeckt die Larchetkarspitze. Abschließend, nach der Kleinen Seekarspitze die Große Riedelkarspitze, die Marxenkarspitze im Vordergrund und weiter hinten die Bockkarlspitze.

Blick auf die westlichen Gipfel des Karwendelhauptkammes

Blick auf die westlichen Gipfel des Karwendelhauptkammes

Die zweithöchsten Gipfel im Karwendel, die Westliche und Östliche Ödkarspitze mit der Krönung uns gegenüber, dem höchsten Gipfel des Karwendels, die Birkkarspitze bilden den Abschluß nach Nordwesten.

Birkkarspitze in voller Größe

Birkkarspitze in voller Größe

Im Norden ein schöner Blick auf die Östliche Karwendelspitze, die Grabenkarspitze, den Lackenkar- und den Kuhkopf ziemlich exakt im Norden und im Nordosten das weite Johannestal mit den Falkengipfeln.

Blick ins Johannestal

Blick ins Johannestal

Um 12:45 verließen wir den schönen Gipfel der Kaltwasserkarspitze, um den Abstieg in Richtung Hochjöchl anzutreten. Hierzu steigt man wieder bis zum Beginn des Südgrates ab und vor dem Grat mit dem langen Band steigt man über viel Schutt mit Querbändern durchzogen zunächst steil in das östliche Birkkar ab. Steinmänner weisen den Weg, es ist jedoch auch ohne sie klar, wie die Route begangen werden muß. Weiter unten in der bereits flacheren Flanke ist der Steig zum anschließenden Sattel wieder deutlich ausgeprägt.

Abstiegsgelände zum Hochjöchl vom Ansatz des Südgrates aus gesehen

Abstiegsgelände zum Hochjöchl vom Ansatz des Südgrates aus gesehen

Der Abstieg in der Flanke stellt kein Problem dar, Nachfolgende können jedoch Steinschlag auslösen, daher ist es ratsam dicht beieinander zu bleiben.

Abstiegsgelände oberer Teil

Abstiegsgelände oberer Teil

Nach dem Sattel, auf der Gegenseite gibt es einen kleinen Gegenanstieg und man glaubt sich danach im westlichen Birkkar. Das ist weit gefehlt, denn hinter der lieblichen Kuppe beginnt ein sehr brüchiger, schuttiger Gratteil mit weiteren kleinen Kuppen und orangebraunem Störzonenmaterial , nicht sehr sympathisch im Abstieg.

weiterer Abstieg zum Sattel

weiterer Abstieg zum Sattel

Allerdings muß diese Partie im Aufstieg mindestens ebenso unfein sein und wir waren uns einig diesen Aufstieg besser nicht gewählt zu haben.

steile Abstieg mit viel Schutt und Störzonenmaterial

steile Abstieg mit viel Schutt und Störzonenmaterial

Die Strecke bis zum Hochjöchl ist auch gar nicht so kurz, wie sie von oben scheint. Zuletzt muß man über eine zwar feste, griff- und trittreiche aber steile Platte in den oberen Teil der Schuttreisen absteigen bei der Vorsicht geboten ist.

letzte steile Stufe in fester glatter Wand

letzte steile Stufe in fester glatter Wand

Die Reisen kann man oben teilweise gut abfahren, im unteren Teil werden sie allerdings blockig, sodaß man sie nur mehr gehen kann. In unserem Fall lag im Kar noch ein mächtiges Schneefeld, das zur Verbesserung der Wanderung im Blockwerk genutzt wurde.

Scheefeldd unterhalb der blockig werdenden Schotterreise

Scheefeldd unterhalb der blockig werdenden Schotterreise

Von unten hinaufgeblickt (Foto in Galerie) könnte man annehmen, daß der Umweg über das Hochjöchl nicht nötig sei, denn das Nebenkar direkt in Falllinie vom langen Sattel herunter sieht auch gangbar aus. Die Erkundung folgt vielleicht das nächste Mal.

Rückblick auf den beschwerlichen Aufstieg zum Hochjöchl

Rückblick auf den beschwerlichen Aufstieg zum Hochjöchl; rechts kommt man von Sattel

Nach einer weiteren Steilstufe im Gelände des Kares trifft man auf einen tiefen Bacheinschnitt im Tal, der von oben gesehen rechts zu nehmen ist. Auf Steigspuren geht es dann auf rd. 1.850m bis zur Einmündung zum Weg auf die Birkkarspitze.

das östliche Birkkar, man hält sich talauswärts rechts

das östliche Birkkar, man hält sich talauswärts rechts

Es folgen dann rd. 600Hm und ein langer Marsch abwärts und viel horizontale Strecke bis man aus dem Tal hinauskommt. Zuletzt im Wald ohne gleißende Sonne erreicht man den Schwemmkegel des Birkkarbaches im Hinterautal, kurz vor dem Kasten wieder.

von "die Ständ" aus talauswärts ins vordere Brikkar geschaut

von „die Ständ“ aus talauswärts ins vordere Brikkar geschaut

Für die Tour ab dem Kasten bis zu Simons Radldepot zurück benötigten wir knapp 7 ½ Stunden incl. 40min Gipfelaufenthalt als wir um 15:30 Uhr dort ankamen. Für Simon war nun ein langer Ritt talauswärts angesagt und auf mich warteten noch knapp 900hm über das Lafatscher Joch zurück.

wunderbar geformte Katarakte im Birkkarbach kurz vor der Klamm

wunderbar geformte Katarakte im Birkkarbach kurz vor der Klamm

Zum guten Glück nahm ich die Vorbereitung ernst und zwang mich oft genug immer wieder kleine Portionen und die Riegel zu essen, daher machten mir die folgenden 350Hm bis zum Lafatscher Niederleger keine Probleme. Nun waren 3.000Hm Aufstieg und mein persönlicher Rekord mehr als geknackt.

an Simons Radladepot vor der Straße ins Rossloch

an Simons Radladepot vor der Straße ins Rossloch

Nach dieser Strecke gibt es eine kleine Erholungsphase von 2km bis auf die Hallerangeralm, bevor der abschließende Anstieg auf das Lafatscher Joch beginnt. Zwecks Zuführung von Mineralstoffen nahm ich zur denkbar schlechtesten Tageszeit um rund halb sechs, wo die Lager eingeteilt werden und Essenszeit ist, auf der Alm mein Standardmenü ein. Ein Bier und zwei Speckknödel sagte ich mir wären schon verdient.

das Ziel, die Kaltwasserkarspitze in der Abendsonne; am Südgrat ganz links (knapp oberhalb dem Repskamm) der Kleine Heissenkopf, Großer Heissenkopf mittig und Sägezähnegrat oberhalb zur Kaltwasserkarspitze; eine gewaltige Tour

das Ziel, die Kaltwasserkarspitze in der Abendsonne; am Südgrat ganz links (knapp oberhalb dem Repskamm) der Kleine Heissenkopf, Großer Heissenkopf mittig und Sägezähnegrat oberhalb zur Kaltwasserkarspitze; eine gewaltige Tour

Eine gute halbe Stunde später wurde die Schlußetappe in Angriff genommen und knapp vor 18:30 Uhr erreichte ich, zu meiner Überraschung keineswegs weitgehend verbraucht, das Lafatscher Joch mit schöner Abendstimmung.

Abendstimmung im vorderen...

Abendstimmung im vorderen…

Die folgenden 8km Abstieg über eine Abkürzungsreise und im schnellen Schritt bis zum Parkplatz beim Hackl verursachten mir noch eine kleine Blase am rechten Sohlenballen und damit war die Tour war um 19:35 beendet.

...und hinteren Halltal

…und hinteren Halltal

Gesamt habe ich knapp 16 Stunden für die rund 38km und 3.675Hm benötigt.

Aufstiegsberechnung

14-08-2016 KWK vom Halltal

Die Tour vom Kasten aus beträgt 1.513Hm und 12km, der Aufstieg nach Führerangabe 4 Stunden, für den Abstieg gibt es keine Angabe, man kann sie mit 2 ½ Stunden annehmen.

Mils, 15.08.2016