Schlagwort-Archive: Gütenbergalm

Falzthurnjoch, 2.150m – Überschreitung zur Bettlerkarspitze

Der nordöstliche Ausläufer des Sonnjochkammes, der sich zwischen Gerntal und Falzthurntal erhebt trägt das Falzthurnjoch, weniger Joch als ein Gipfel. Er wird über die Vorgipfel der Schneeköpfe von der Gütenbergalm aus angestiegen. Die Tour ist eher eine kurze und für goldene Herbsttage bestens geeignet.

neues Gipfelkreuz am Falzthurnjoch, 2.150m

Zusammen mit der Überschreitung von der Bettlerkarspitze zur Schaufelspitze, stellen diese Unternehmen großartige Bergfahrten im östlichen Karwendel dar.

Der gewählte Ausgangspunkt des Anstieges ermöglicht eine reizvolle Rundtour mittlerer Länge um das Plumskar und bietet eindrucksvolle Ansichten auf die südwestlich gegenüberliegenden Gipfel der geologisch wichtigen, überschobenen Hochlandschaft der Rauhen-Knöll-Verzweigung im Dreieck Dristkopf- Rappenspitze – Stanser Joch Spitze.

Anstieg zum Falzthurnjoch von Maurach aus; nordseitig auf den Gütenberg, anschließend am gesamten Kamm bis zum Gipfel des Falzthurnjoches und weiter bis zur Bettlerkarspitze (nicht sichtbar)

Nach der Überquerung des Bachbettes aus dem Bärental wird das kleine Kraftwerk der Gernalm erreicht, bevor die wilden Abbrüche im eingespannten Hauptdolomit der östlich gegenüberliegenden Brandlklamm im Bärental enden und es steiler im Wald des Rehtales weitergeht. Die von den Schneeköpfen herabziehenden Reisen sind von schlechter Felsqualität und formen den Talabschluß entsprechend mit Murenrinnen und Hangrutschungen.

Straße zum Plumsjoch gegenüber

Bald ist auf 1.610m der Übergang zur Gütenbergalm erreicht und für einen Moment war ich geneigt die nun folgenden 100m Höhenverlust  zur Abzweigung des Steigleins auf den Aschenlahner mit einem direkten Anstieg durch die – noch – Nordseite zum Gratrücken abzukürzen. Das Gelände und die Latschengassen erschienen ersteiglich.
Nachdem ich aber das Gelände oberhalb nicht gut einsehen konnte fiel die Entscheidung zugunsten der orthodoxen Variante.

am Gütenbergsattel 1.610m

Auf dem Fahrweg unterhalb der Gütenbergalm zweigt rechts in steil aufsteigendes Gelände ein Trampelpfad des Weideviehs ab, den ich als Anstieg genommen habe. Es dauerte eine Weile bis ich den undeutlich sichtbaren Steig ziemlich am Ende des Waldes, der offenen Fläche gegen den Bärenziechgraben zugeneigt, auf ca. 1.580m fand.

ca. 50Hm über der Abzweigung vom Weg zur Gütenbergalm

Zur Orientierung blicke man immer nach oben und suche den direkten Zustieg zu einer Lärchengruppe am Rande des sich öffnenden Abbruchhanges (siehe Fotos auch in der Galerie).

am Ende der Hangrutschfläche kurz vor dem Aschenlahner

Ist der Rücken mit dichtem Latschenbewuchs erreicht erblickt man eine breite gut ausgeschnittene Latschengasse, die fast bis zum Gratrücken des Kammes hinaufführt.

Blick auf den Gütenberg; am Ansatz des Weges kommt man vom Gütenbergsattel herunter

Der Aufstieg ist durchgehend steil und innerhalb der Latschen gepaart mit Sommerhitze sicher über die Maßen anstrengend.

Aufstieg in steilem Gelände

Der Aschenlahner ist ein Steilhang mit ungewöhnlich hohem Gras – Nährboden für gewaltige Lawinen im Winter.

am Gratrücken angelangt

Unterwegs gibt es die Möglichkeit, daß man auf die dem Abbruch zur Alm zugeneigte Seite steigt. Dies wurde mir erst oben am Gratrücken bewußt, an einem Punkt wo sich der Aufstieg über den Aschenlahner und dem hinter der Latschenseite liegenden Alternativaufstieg auf ca. 1.850m wieder vereinen. Welcher Weg der bessere ist konnte ich nicht erkunden.

nordseitige Latschengasse zum Gratrücken

Ab dort beginnt der Anstieg direkt am Grat, der bis auf fast 2.000m noch länger nur ein wiesenbewachsener Rücken bleibt.

erstes Köpfchen innerhalb der Latschen begangen

Das gestufte Gelände wird meist direkt am Grat begangen, durch einen stark latschenbewachsenen Aufschwung führt eine ausgeschnittene Gasse hindurch.

nun etwas schroffiger weiter

Anschließend geht es nochmals in breitem Gelände weiter.
Ein erster schroffiger Kopf auf in etwa dieser Höhe läutet die kurze Kletterei über einen immer schärfer werdenden Grat ein und die Stöcke werden verstaut. Der Kopf endet in einem nur mehr mäßig ansteigenden Grat.

leichtes Klettergelände

Der folgende Abschnitt am Grat ist in der gesamten Überschreitung der ausgesetzteste Teil. Er ist nicht schwierig zu begehen, die scharfen Abschnitte nimmt man linkerhand mit guten Griffen auf der durchwegs festen Gratschneide und guten Tritten unterhalb jener, zwischen Latschenbewuchs hindurch. Eine anregende Strecke, die Freude bereitet.

Überblick über den scharfen Grat bis hin zum Gipfelaufbau des ersten Schneekopfes

Am Ende dieses Abschnittes türmt sich der erste Schneekopf fast senkrecht empor und ein plötzlich sichtbares Steiglein – ein Gamswechsel – erscheint als weiterführender Weg an der steilen Wand des Schneekopfes entlang.

toller Gratübergang

Dieser schmale Steig leitet mit wenig Höhengewinn entlang der mächtig aufragenden Flanke des Schneekopfes auf den Rücken eines nach Osten entsandten Ausläufers. Der schmale Steig führt direkt an dessen Verschneidung mit dem Schneekopf heran und die Verschneidung wird bis zum oberen Ende des grasbewachsenen Rückens hochgeklettert.

bereits in der Ostflanke des ersten Schneekopfes, das Steiglein gut sichtbar

Schwierigkeiten am Steiglein sind keine vorhanden, ein fester Tritt und Sicherung an Griffen, die sorgsam gewählt werden sollten, sind ausreichend, Kletterei – und zwar nur leichte – erfordert lediglich die Verschneidung selbst.

Verlauf des Steiges

Am schmalen Steiglein empfiehlt es sich schuttige Partien bei Bedarf etwas auszuräumen, damit der sichere Tritt gewährleistet ist.

Rückblick

Nach dem Erklimmen der Verschneidung – ich habe die obere Rinne in festerem Fels genommen – kann wiederum mit Stöcken der restliche Aufstieg in reinem Gehgelände zum ersten Schneekopf erfolgen.

hinten die Verschneidung sichtbar, ich habe die rechte, steilere in festem Fels genommen

Ein Steinmann ziert den Schneekopf und gleich danach erfolgt wiederum ein Abstieg zur Einschartung sowie jenseits dieser, der lange Aufstieg zum Falzthurnjoch, das seit einem Monat ein fesches Gipfelkreuz ziert, gestiftet und errichtet vom Hockey Club Pertisau.

Falzthurnjoch vom ersten Schneekopf aus

In der AV-Karte ist hier ein Fehler enthalten. Das Falzthurnjoch mit 2.150m ist nicht die zweite Gipfelerhebung von Nordosten am Kamm, es ist die erste. Ob die zweite Erhebung im Grat ebenfalls die Höhe von 2.150m hat darf bezweifelt werden. Ein nivellierender Blick auf diese fällt mit dem Ergebnis einer um einige Meter niedrigeren Höhe aus (siehe Foto vom Rückblick).

neues Gipfelkreuz am Falzthurnjoch, 2.150m, im Hintergrund die Bettlerkarspitze

Nach dem Eintrag ins junge Gipfelbuch und einer Jause geht es wenig spektakulär am breiten Grat weiter, eben zur Erhebung, die lt. AV-Karte das Falzthurnjoch darstellen soll.
Eine weitere Girlande mit einem markanten Kopf und darauf folgend ein flacherer Teil im Gratverlauf folgen, bevor es klettertechnisch wieder etwas interessanter wird.

Grat zur Bettlerkarspitze

Damit ist bereits mehr als die Hälfte des Kammes begangen. Nun folgt eine Abfolge aus zinnenartig angeordneten Grattürmchen, die in leichtem Winkel zum Gratverlauf stehen, den Flügeln eines Ventilators gleich.

interessanter Gratteil knapp nach der Mitte der Überschreitung

Am besten steigt man die großen Türmchen jeweils nordwestseitig ab und begeht die kurze Scharte dazwischen auf der Südostseite des Grates, gefolgt vom Wiederaufstieg auf die Oberkante des nächsten Köpfchens. Ein Schmankerl und willkommene Abwechslung auf dem einfach zu gehenden Grates.

in den Zinnen die wie Ventilatorflügel dastehen

Die Freud über die Naturschönheit währt nur kurz, sie endet rasch. Dafür wird die Flanke mit der Steilrinne der Bettlerkarspitze deutlicher sichtbar.

noch eine Partie davon

Hinter dem letzten Gratkopf in der zuvor beschriebenen Abfolge erschrak ich mindestens ebenso wie der Herr über dieses Gebiet, ein stattlicher junger Steinbock in nächster Nähe erblickte mich und stieß einen hellen Warnschrei aus, der – nach dem ersten Schreck für mich bei all der majestätischen Erscheinung des Tieres lustig weiblicher klang als es sein viel kleinerer Genosse Gamsbock hervorzubringen vermag.

die Zinnen im Rückblick

Ein Steinbock im Stimmbruch, die Vorstellung brachte mich zum schmunzeln.

der Steinbock – Gesell für die nächsten 10min

Nun blieb das Tier trotz Fluchttier – wie es seine menschlichen Artgenossen, die in diesem Tierkreiszeichen geboren – standhaft am Grat stehen und, obwohl mir das Treiben von Wild widerstrebt – mußte ich ihn durch die Notwendigkeit des Vorankommens vor mit hertreiben.

der junge Mann in voller Schönheit, kaum 15m entfernt

Im Bestreben vor allem jetzt im Herbst die Kräfte des Tieres nicht zu sehr zu beanspruchen mäßigte ich meinen Schritt und er trabte mit Pausen des Umblickens gemütlich und lautlos vor mir her, nahm die Köpfchen mit einer eleganten Leichtigkeit, als wären sie bloß Gehsteigkanten. Ein Moment an dem ich fühlen könnte, daß er in diesem Gelände König ist und gegen ihn der Mensch ein unbedarfter Eindringling. Trotz seiner überlegenen Erscheinung mußte die Verfolgung einigermaßen stressig auf ihn wirken, da er reichlich Losung während der paar Minuten Feindkontakt verlor. Ich konnte mir die filmische Festhaltung dieser Szenen trotz Sturzgefahr nicht verkneifen. Also stolperte ich am breiten Grat entlang und versuchte ein Video des stolzen Tieres.

Leider blieb das Ego des Tieres bis zum Ende des Sattels, an dem der hohe Nordostabsturz der Bettlerkarspitze dem Grat ein Ende setzte erhalten wo es aber endlich in die Flanke auswich in der die Gämsen vor dem mächtigen Onkel die Flucht ergriffen.

einen letzten Gratrücken einfach über den Riss abgestiegen

Am Ende des Sattels, wo der Anstieg zur Bettlerkarspitze über einen immer steiler werdenden Schutthang hinaufzieht und linkerhand die ansetzenden Felsen den Blick verwehren, war ich froh aus dem Blickfeld des Steinbockes zu sein. Allerdings dauerte es keine zwei Minuten in denen ich den Schutthang empor keuchte, der sich an seinem oberen Ansatz zur dunklen steilen Schlucht ausbildet, bis der stolze Bock den Grat wieder erobert hatte und – den Kopf ja nicht weit genug gedreht – verächtlich aus den Augenwinkeln heraufsah.

Anstieg zunächst über Steigspuren

Nun mußte ich aber das Abenteuer mit dem Tier bleiben lassen und mich der bedrohlichen Schlucht widmen. Steinschlag durch handtellergroße Brocken lagen im Schnee der letzten Wochen und daraus kann man unschwer schließen, daß ein Aufstieg hier bei regem Betrieb auf der Bettlerkarspitze wohl auch mit Kletterhut ein Risiko bleibt.

Herr Steinbock hat den Grat wieder erobert

Kontaktaufnahme ist von unten zwar mit jenen am Gipfel möglich, jedoch kaum mit jenen, die über den Normalweg auf der Westseite des Nordgrates ansteigen und den Grat knapp unterhalb der seilversicherten Stelle erreichen. Somit war ich froh, daß die beiden anderen Bergsteiger vor mir den Gipfel verlasen habe, als ich noch den halben Grat vom Falzthurnjoch vor mir hatte.

die Schlucht zwischen Gipfelaufbau und Nordgrat – brüchiges Gelände zu beiden Seiten, der Fels in der Schlucht ist im Mittelteil fest

Die Rinne verjüngt sich oben fast zum Kamin, jedoch muß gar nicht in diesen Bereich vorgedrungen werden. Die Führerbeschreibung spricht von 30m ab dem Beginn der Schlucht und man tut gut daran, diese Anleitung mittels Bergsteigeruhr, oder gutem Einfühlungsvermögen, einzuhalten. Mehrfach gehen rechterhand schräge Bänder weg, die zum Aufstieg verleiten würden, denn diese Schlucht möchte man gerne schnell verlassen. Die 30m Marke kann auch gut dadurch erkannt werden, als daß knapp unterhalb eine auffällige Verjüngung den vollen Klettereinsatz zur Überwindung nötig macht (allerdings ist das keine IIIer Stelle sondern einfacher). Genau oberhalb sind die 30m Aufstieg erreicht und es geht rechts auf mittelbreitem Band weg.

bereits die 30m Aufstieg absolviert und am Weg über das Band – von rechts kommt man daher

Das Band verschwindet nach ein paar Meter und somit ist man dem steilen, brüchigen aber doch einigermaßen trittfestem Gelände ausgeliefert, das der Geübte im Normalfall meidet, jedoch in der Lage sicher zu begehen ist. Mit Bedacht und Einsatz beider Hände gelangt man nach wenigen Metern Höhengewinn knapp unterhalb der auffällig orangen Stelle an der das Seil am Nordgrat in so mancher Beschreibung die sogenannte „IIIer Stelle entschärft“. Wer es bis hierher geschafft hat, der bedarf des Seiles nicht.

am Nordgrat an der Stelle mit dem Seil angelangt

Von dort führt der noch kurze Nordgrat weiter zum Gipfel der Bettlerkarspitze. Dabei passiert man den Ausstieg aus der Schlucht, die oben Kamin ist. Oberhalb des auffällig breiten Schneefeldes unten in der Schlucht geht es in Aufstiegsrichtung rechts weg auf das Band.

Aufstiegsrinne vom Nordgrat aus – oberhalb des breiten Schneefeldes etwa mittig der Schluchthöhe geht es seitlich weg

Weil im Aufstieg das Dokumentieren nicht möglich war hier ein Blick vom Gipfel auf die im Aufstieg rechte Flanke der Schlucht, die zur orangefarbenen Stelle führt.

knapp oberhalb des untersten Schneefleckes kommt das Band aus der Schlucht herüber, nach oben links wird weggestiegen

Ein wenig Spannung fällt am Gipfel ab und natürlich darf die gelungene Überschreitung des Kammes mit dem Falzthurnjoch am Gipfel der Bettlerkarspitze nochmals überblickt und ausgekostet werden.

Gratüberschreitung vom Falzthurnjoch von der Bettlerkarspitze aus

Insgesamt gesehen ist diese Tour als leichte, angenehme und wenig begangene Grattour mit phantastischen Aussichten einzustufen, die empfohlen werden kann. Große Teile können als Wanderung bezeichnet werden.

der Grat hoch über dem Plumssattel im Überblick

Als Alternative zur letzten Schlucht am Gipfelaufbau der Bettlerkarspitze beschreibt der AV-Führer den Abstieg über das Plumskar, um weiter unten auf den Nordgrat zu gelangen.

erster Teil mit Anstieg auf Gütenbergsattel, Schneeköpfe und Falzthurnjoch

Eine Beschreibung des Abstieges von der Bettlerkarspitze entfällt in diesem Bericht, der interessierte möge den Aufstieg zu jener hier nachlesen.

zweiter Teil mit Falzthurnjoch und Grat zur Bettlerkarspitze

Der Zeitbedarf für die gesamte Runde betrug 6 1/2 Stunden. Dabei wurden 1.430Hm Aufstieg zurückgelegt und drei Pausen mit jeweils in etwa 15 bis 20min Dauer.
Es plane eine Stündchen mehr, wer im Klettern nicht besonders geübt.

Mils, 21.10.2017

Ergänzung per 26.11.2017:
Durch den Neuschnee am 26.10.2017 konnte ich eine möglich Alternative zur Begehung am Grat erkennen. Es scheint, als ob es am Grat eine Abzweigung in die Ostflanke der Schneeköpfe unterhalb des Grates gibt, siehe Foto. Dies wird auch der Steig sein den die Mander vom Hockeyclub Pertisau genommen haben (siehe Facebook „Hockeyclub Pertisau“) und wahrscheinlich der Normalanstieg.
Die Abzweigung dieses Anstieges vom Grat habe ich nicht erkannt, aber auch nicht wissentlich gesucht.

grün = Route über den Grat
rot = Alternative (vielleicht Normalanstieg?)