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Schitour Birkkarspitze, 2.749m

Dieser Karwendelklassiker wird vorzugsweise im Frühjahr unternommen und die eher anspruchsvolle Tour auf die Birkkarspitze stellt schon fast mehr als nur einen Hauch von Triathlon dar. Einzig die Schwimmdistanz entfällt, dafür bietet die Tour mehr oder weniger Tragestrecke.

Birkkarspitze, 2.749m

Bei meiner Begehung war eigentlich die gesamte Reibn geplant, jedoch ließen das – im Alleingang und an einem sehr einstrahlungsreichen Tag nach einer grenzwertig genügend klaren Nacht mit Regen noch am späten Abend – die Schneeverhältnisse nicht mehr eindeutig zu. Also wurde das Vorhaben mit der Ersteigung der Birkkarspitze abgeschlossen und auf die nächste Saison verlegt. Man muß umdrehen können.

Restnebel im hinteren Karwendeltal

Leicht spät, knapp nach halb sechs mit dem Radl (kein Stromradl!) in Scharnitz gestartet war ich eh schon unter den letzten Triathleten im Aufbruch. Ein netter Kollege aus Bayern wechselte mir den unglaublich großen Zwanziger, nachdem ich wegen des ausspuckenden Parkautomaten festgestellt habe, daß man mir tags zuvor als Münze keinen Zweier herausgegeben hatte, sondern eine osteuropäische Münze, täuschend ähnlich dem Zweier, jedoch um einen knappen Millimeter kleiner im Durchmesser.

Blick ins Marxenkar

Solche Momente braucht man um diese Tageszeit eher nicht – ein schieres Wunder, daß ich den Mann noch gerade neben mir sein Radl bepacken sah. Leider war er schnell dahin und aufgrund meines Radldepots war ich sicher weit mehr als eine Stunde später am Gipfel. Ich konnte ihm dort leider keinen Schnaps mehr anbieten aber meist trifft man sich ja im Leben zweimal.

Karwendeltal am frühen Morgen

Nun, die Radlstrecke zu beschreiben ist hier nicht besonders ergiebig für den Interessenten an diesem Bericht. Jener, der diese Tour oder die Reibn machen will weiß darum, daß ab dem Parkplatz bei der Brücke in Scharnitz bis zur Wildfütterung gute 10km und gut 300Hm (für die gesamte Reibn) und bis zum Wasserwerk unterhalb des Karwendelhauses knapp 15km und 600Hm (für nur die Birkkarspitze) damit zurückgelegt werden müssen.

Abzweigung zum Wasserwerk

Nachdem ich die Reibn geplant hatte war mein Radldepot auch klar an der Wildfütterung fixiert. Dies ist der Punkt an dem man aus dem Neunerkar herunter ankommt und die Ausfahrt aus dem Tal wieder mit dem Radl antritt. Also war meine Tragestrecke nicht für die Birkkarspitze bemessen und um gut 4,5km länger (bis zum Wasserwerk) als geplant.

Beginn des Aufstieges vom Wasserwerk; zunächst noch eine längere Tragestrecke

Beachtlich ist die Zeit, die für die Bewältigung der Tragestrecke von der Wildfütterung bis zum Wasserwerk benötigt. Ich habe (mit Tourenschuhen) für die 4,6km und 300Hm gut ein einviertel Stunden dafür benötigt die man, mit nur dem Ziel der Birkkarspitze allein, mit dem Radl als Tragestrecke vermeiden kann.

der malerische Schlauchkargraben

Am Wasserwerk angelangt mußte ich feststellen, daß die jüngsten Berichte über die Reibn nicht gelogen hatten und weit und breit keine größere Schneefläche durch den Schlauchkargraben hinaufzog.

im Schlauchkargraben

Also bleib ich zunächst recht weit unten und erklomm dann nach und nach die steile schrofendurchzogene Wiesenflanke so, daß der Kontakt mit nassen Latschen ein Minimum betrug (die Tourenhose mußte nach dieser Tour trotzdem in die Waschmaschine).
Mit Schi am Rucksack und Tourenschuhen ein echtes Abenteuer die Flanke bis hinauf zur Wasserleitung.

am Steig neben der Wasserleitung

Die Wasserfassung am Ansatz des Schlauchkares nach einer dreiviertel Stunde erreicht, dürften endlich die Schi vom Rucksack und der Beginn der eigentlichen Schitour brachte somit eine deutliche Erleichterung für die Schultern. Dies nach noch einem Kilometer und wieder 300Hm Tragestrecke (ab der Wildfütterung somit 5,6km und 600Hm Tragestrecke).

kurz vor der Wasserfassung

Keineswegs verzagt ob der langen Anreise trat ich nun bei mittlerweile unerwartet gutem Wetter in die Schitour ein.

an der Wasserfassung – Beginn der Schitour

Das Schlauchkar gibt sein Dimensionen erst nach und nach im Aufstieg preis und wer es nicht kennt ist nach Überwindung der ersten Steilstufe durchaus beeindruckt über die Dimensionen nach dieser Stufe und den steiler werdenen Flanken bis zum dann gut sichtbaren und gut über 700Hm entfernten Gipfelkreuz der Birkkarspitze. Alleine das Kar ist die Reise wert.

toller Start in der Sonne

Frohen Mutes betrat ich nach der Wasserfassung die ab dort geschlossene unnachgiebige Schneedecke. Sie war um halb neun vormittags vollkommen hart gefroren, eigentlich weit härter als ich das nach der mittelmäßigen Nacht erwartet hätte.

unterer, eher flacher Teil des Schlauchkares

Kaum eine Kantenspur verblieb nach einem Schritt in der bockharten Oberfläche und so folgte ich wegen fehlender Spuren nicht dem Herdentrieb und der Spuren der Bergsteiger vor mir, sondern kreuzte deren hauchfeine Kantenabdrücke im rhythmischen Spitzkehrentakt, der so oft im Winter für die einzige Abwechslung im Trott des Aufstieges sorgt.

in der Fortsetzung steiler bis zur Kurve im Kar

Selbst eine Stunde später um halb zehn, als der logische Aufstieg den mittig im Kar liegenden Felsriegel zu dessen Linken leitete war noch kaum Erweichung der Schneedecke spürbar. Das Kar liegt recht lange am Vormittag im Mai im sehr flachen Sonnenwinkel, wodurch dieser nicht unangenehme Aufstieg möglich ist – allerdings mit Harscheisen.

die volle Dimension des oberen Teiles des Kars und den Gipfel der Birkkarspitze im Blickfeld

Harscheisen sind nach dieser Passage (ca. auf 2.500m) in jedem Fall nötig, denn die Hangneigung des Kares erreicht dann zwischen 35 und 40°, an Stellen, laut Tiris über 40°.

Hangneigungen Schlauchkar

Das obere Schlauchkar wird im steilen Aufstieg westlich durchquert und ich entschied mich für die weite Querung bis zum Schlauchkarsattel, weil ich ja die Reibn als Ziel hatte.
Je näher ich dem Grat kam desto weicher wurde der Schnee und zwar drastisch.

Oberer, sehr steiler Teil und Blick zum Schlauchkarsattel

Die Spuren am Sattel in Richtung Östliche Ödkarspitze waren in der Schneeoberfläche am Grat bereits recht aufgearbeitet, ein Zeichen, daß mehrere Tage keine Begehung mehr stattgefunden hat. Der markante Felskopf am Grat war bereits großflächig ausgeapert.

Oberer, sehr steiler Teil und Blick zum Schlauchkarsattel

Mit diesen nicht so guten Aussichten wendete ich mich dem Grat zur Birkkarhütte zu, um den Gipfel zu ersteigen.

Blick zur Birkkarspitze

Natürlich habe auch ich das angekettete Kinderradl fotografiert und einen Blick in den mäßig aber doch verschmutzten Unterstand geworfen.

Birkkarhüttchen – Notunterkunft

Der Aufstieg zum Gipfel war großteils in aperem Gelände möglich. Der Vortagsregen hinterließ einige leicht angeschneite und in der Sonnenbestrahlung tauende Passagen. In den Winkeln manche Stellen noch winterlich schneegefüllt, aber alles in allem der Aufstieg – sowie das gesamte Gipfelplateau – ziemlich aper.

Aufstieg zur Birkkarspitze

Der Blick rundum vom Gipfel erstaunte schon ein bisschen. Mit Mitte Mai waren selbst Grate, Kare und Hänge mit weit über 2.000m Erhebung bereits fast vollständig ausgeapert.

Selbstbildnis auf der Birkkarspitze

Die Erklärung liefert eine aufschlussreiche Grafik des Tiroler Lawinenwarndienstes, die in der zweiten Hälfte April veröffentlicht wurde und zeigt, daß durch den geringen bis fehlenden Neuschneezuwachs ab Mitte Februar mit den darauf folgenden warmen Wochen (die warmen Wochen zeigt die Grafik nur indirekt, aber man weiß, daß es so war, wenn man an den extrem warmen April zurückdenkt) der Schneedecke einen fast jähen Tod beschieden hatte. Die Grafik gilt generell nur für Obergurgl, sie ist übergeordnet jedoch mit Sicherheit für das gesamte Bundesland bezeichnend. Dabei stellt die rosa Ganglinie die heurige Aufzeichnung dar, die graue die Mittelung der Messwerte seit 1961 und der graue Bereich die gesamten Messwerte in jedem Aufzeichnungsjahr.

Schneehöhen 2017/18 Obergurgl (Quelle: Tiroler Lawinenwarndienst)

Deutlich kann der raschen Rückgang der Schneehöhe ab Ende März bis Mitte April erkannt werden, ein kontinuierlicher Absturz, ohne Neuschneezuwachs, wesentlich steiler als die gemittelte graue Kurve.
Im Kopf trägt man die Frühjahrsverhältnisse jedoch anders, vor allem dann, wenn man sich nebenbei auch noch mit seiner Arbeit und anderen Dingen beschäftigen muß und so kommt man heuer für manches Vorhaben, das geplant gewesen wäre, leider einig Wochen zu spät. Höchstwahrscheinlich bin ich nicht der einzige mit dieser Erkenntnis.

das Schlauckkar

Der Ausblick entschädigte die triste Situation mit den noch verbleibenden Möglichkeiten doch sehr und dafür keimte auch die Hoffnung einer rasch beginnenden Bergsaison in dem so sonnig begonnen Jahr.

Die Kaltwasserkarspitze mit noch wenig Restschnee sah aus, als wenn sie schon als Bergtour zu erreichen wäre und im fernen Hintergrund der Grat der Grubenkarspitze völlig schneefrei.

Blick nach Osten, im Vordergrund Kaltwasserkarspitze

Im Westen der Grat über die Ödkarspitzen, der den schwierigeren Teil der Reibn darstellt auch an vielen Stellen bereits schneefrei und mit den Tourenschuhen kein besonderes Vergnügen mehr und im Hintergrund die Nordöstlich ausgerichtete Flanke aus dem Marxenkar zur Großen Seekarspitze allerdings noch voll eingeschneit. Dort drüben wäre die Reibn noch einwandfrei im Schnee machbar.

Route der Karwendelreibn, ganz hinten links der letzte Gipfel der Reibn, die Große Seekarspitze

Die Feuchtigkeit des nächtlichen Regens gut zu erkennen im Blick nach Nordwesten über das Karwendeltal hinaus, über das Bäralpl in die Soierngruppe.

in den Nordwesten geschaut: Karwendeltal mit Bäralpl und gleich dahinter die Soierngruppe

Gen Süden, über das Lafatscher Joch zu den Tuxern noch hohe Restbewölkung sichtbar. Interessant hier, selbst die fast völlig sonnengeschützten Kare und Schuttböden über den höchsten Erhebungen des Gleirschkammes kaum mehr mit nennenswert Schnee belegt – ein Zeichen für das warme Frühjahr.

Gleirsch-Halltalkette 1. Bild

Nach dem Abstieg von der Birkkarspitze zum Schlauchkarsattel ein letztes Innehalten, ob ich denn die Tour doch fortsetzen solle. Aber allein die lange Felsstrecke mit Tourenschuhen bestätigte meine eigentlich schon getroffene Entscheidung der Umkehr.

Abstieg von der Birkkarspitze

Einigermaßen betroffen rüstete ich zur Abfahrt. Verblüffend wieder der extreme Wechsel der Schneekonsistenz vom Grat, in dem der Schnee mittlerweile – es war mittags geworden – völlig aufgefirnt und schmierig war und knappe 50Hm tiefer im nordseitig ausgerichteten Schlauchkar immer noch eine bockharte Piste.

Anstieg auf die Östliche Ödkarspitze

Allemal ein Vergnügen war die Abfahrt etwas weiter unten mit abnehmender Hangneigung und – für das Auffirnen – besserem Sonneneinstrahlungswinkel.

im Schlauchkarsattel, Blick auf den Schlauchkarkopf 2.500m

Nach einer tollen Abfahrt erreichte ich die Wasserfassung wieder und hatte nun die Aussicht auf knappe sechs Kilometer Tragestrecke bis zur Wildfütterung. Das war sozusagen die Belohnung für den Abbruch der Karwendelreibn.

Abfahrt im Schlauchkar

Nun, angesichts der Temperaturen und den klobigen Tourenschuhen war diese Strecke sicher kein wiederholenswertes Vergnügen, aber so schlimm waren die gut eineinhalb Stunden auch wieder nicht. So mancher phantastischer Blick entschädigte.

herrliche Abfahrt im unteren Schaluchkar

Abgestiegen bin ich diesmal direkt über den Steig neben der Wasserleitung bis knapp oberhalb des Wasserwerkes und dann dem breiten Weg folgend bis zum Hauptweg zum Karwendelhaus sowie diesem dann gut vier Kilometer folgend zum Radldepot.

Hochalmkreuz oberhalb dem Beginn des Schlauchkares

Nach zeitraubendem Umziehen und Beladen des Radls ging es die gut 10km in angenehmem Tempo talauswärs zum Parpklatz, den ich gegen 15 Uhr erreichte und eine sagenhaft schöne Tour endete.

ein letzter Rückblick auf die Ödkarspitzen

Zusammengefasst: 2x10km Radlstrecke, Aufstieg ohne Radl 1.460m, Gesamtaufstieg ab Parkplatz 1.770m, gesamter Zeitbedarf knapp neuneinhalb Stunden.
Die Gesamtzeit kann noch signifikant verkürzt werden bei der Anfahrt mit dem Radl bis zum Wasserwerk, was jedoch – wie erwähnt – nicht mein Ziel war.

Mils, 11.05.2018

Schitour Große Seekarspitze

Im ersten Drittel in der Karwendelhauptkette unternimmt man einen Klassiker der Karwendelschitouren auf die Große Seekarspitze und dies Abenteuer wird im Frühjahr erst richtig zum Genuß, wenn die Schneeverhältnisse bis zum Neunerkar ideal dafür sind.

Große Seekarspitze

Ideal sind sie dann, wenn der Aufstieg über den netten Jagdsteig durch den Wald ohne Schnee und mit Bergschuhen möglich ist, Schi und Tourenschuhe am Rucksack verstaut sind und für die rund 600Hm bis zum Beginn des Neuenerkars getragen werden müssen.
Ab dem Neunerkar auf ca. 1.800m wird die Plagerei dieser Tage mit einem traumhaften Aufstiegsgelände in zauberhafter Umgebung belohnt.

Jagdsteig zum Neunerkar; Tagesbeginn im Karwendel um 7 Uhr Ende Mai

Um 5:20 Uhr ging es vom Parkplatz in Scharnitz los und die sechs Euro für das Tagesticket ist wohl ein Hohn für die Bergwelt in die eingetaucht werden darf. Eigentlich sind es ja nur 4 Euro, denn es gibt zum Ticket einen zwei Euro Gutschein dazu mit dem man später in Scharnitz sein Bier mitfinanziert und so für die Leute etwas tut, die dort die Masse ertragen müssen.
Los geht es mit dem Radl, denn zunächst gilt es fast 11km Talweg zu meistern. Der komplette Anstieg dieser Strecke beträgt rund 350Hm und so mancher ist hier mit einem Stromradl gut beraten.

Abzweigung nach der Wildfütterung, rechts beim Marterl geht es ab zum Karwendelbach

Je nach Kondition wird der Ausgangspunkt für den alpinistischen Aufstieg nach einer bis eineinhalb Stunden Radfahrt beim Wegkreuzchen kurz nach der Wildfütterung erreicht, siehe Foto. Hier rechts ab ein paar Hundert Meter und über die Holzbrücke über den Karwendelbach.

Holzbrücke über den Karwendelbach

Jenseits des Baches sucht man sich ein Radldepot und – wenn man so wie ich kein Schloß besitzt wirft man es in ein Baumdickicht – findet sofort den Steig in den Wald.
Mit der schweren Last auf den Schultern dünkt der moderat steile Beginn des Steiges angenehm und leitet über in den richtigen Aufstiegs-Rhythmus. Ebenso beschäftigt einem die Frage warum die Schaufel, die Sonde und das Pieps auch mit mußten, ist dies um diese Jahreszeit bei dem total gesetzten Firn doch recht schräg – aber es doch beruhigend und wird akzeptiert.

hier rauf geht es ins Neunerkar, 600Hm Aufstieg mit schwerem Rucksack

Am Aufstieg gibt es zwei Bäche und eine lustige Quelle auf rd. 1.400m die hörbar oberhalb des Steiges zu sein scheint, den Steig aber nicht quert, weil sie vorher wieder versickert. Einige Minuten später erscheint sie rechts neben dem Steig und den Spuren nach labten sich in den letzten Wochen daran eine Vielzahl an Aufsteigenden.

markante Felsstufe Richtung Osten, hinten die Bockkarlspitze

Dutzende gekreuzte Spinnenfäden im Gesicht auf dem Aufstieg verrieten mir, daß ich heute zumindest der erste war und bei solchen Erlebnissen kokettiert man sofort damit, ob man vielleicht auch der Einzige bleiben würde. Letzeres war nicht vorgesehen und mit den Nachfolgenden und Dazugestoßenen ergab sich am Gipfel dann eine nette Unterhaltung beim Jausnen. David aus München hat mit mir sogar die Abfahrt angetreten und mit mir den Parkgutschein zu erquickendem Hopfensaft verwandelt.

Felsriegel hinauf zum Neunerkar, rechts wird aufgestiegen

Einen Tipp mag ich hier geben: die Aufstiegszeit bis zum Neunerkar beträgt eine Stunde oder vielleicht ein wenig mehr, je nach individuellem Vermögen, und in dieser Zeit habe ich den Rucksack nie abgenommen, man mag ihn dann wahrscheinlich kaum mehr wieder aufnehmen.

die Sonne geht über dem Neunerkar auf

Der unbeforstete Ur-Wald mit seinen riesigen Ameisenhaufen, Felsklippen und sonstigen Blickfängen lenkt auch dermaßen ab, sodaß der Aufstieg rasch vorbeigeht. Übrigens, beim größten Ameisenhaufen geht es links weiter, der Steig rechts führt in das Riedlkar.

steiles Schneefeld, im Winter bei gefrorenen Verhältnissen mitunter heikel

auf ca. 1.650m wird eine recht markante Felsstufe erreicht, die den Beginn des Anstieges in das Neunerkar bildet. In der Mitte der aufziehenden Felsen befindet sich eine kleine Höhle, die im Fall von Gewitter des Sommers auf ihren letzten eineinhalb Meter zumindest halbwegs Schutz bietet.

flacher werdendes Gelände in Richtung Neunerkar

Nach der Felsrippe führt der Steig in die steileren Passagen des Felsriegels unterhalb des Neunerkars und die Plagerei erreicht durch Schutt am Steig ihren Höhepunkt. Von dort sind es etwa 100Hm über eine im Winter bemerkenswert steile Flanke im Schnee bis der Steig wieder flacher wird und die Abrundung des beginnenden Kares erreicht wird.
Auf diesem Aufstiegsteil können bei hartgefrorenen Bedingungen heikle Situationen auftreten, nicht mehr aber im Mai und ich wage sogar zu behaupten auch nicht mehr im April.

im Neunerkar angekommen, Auffellpunkt

Ich mußte keine Stufen schlagen, so wenig von der Flanke war noch mit Schnee bedeckt. Der Steig führt auch sofort linkerhand (östlich) in Latschengelände und wird dann – nach Überschreitung des Schmelzwasserbaches – auch gleich wieder flacher.

Neunerkar kurz nach 8 Uhr

Wenig später wird das Gelände flach und das Neunerkar ist erreicht. Schluß mit dem schweren Rucksack, exakt hier wird heute angefellt und es beginnt  der Aufstieg mit Schi in das weitläufige Kar.

Aufstieg im Neunerkar erster Teil

Der Blick auf die schon fast sichtbare Breitgriesskarscharte täuscht mächtig, da steht man nicht innerhalb kaum einer Stunde oben, mich nahm das hinten nicht unwesentlich steil werdende Neunerkar eine Stunde zwanzig in Anspruch.

hinten geht es rechts hinauf

Die Lawinensituation kann am heutigen Tage eigentlich als gebannt angesehen werden. Die von Großer Riedlkarspitze und Bockkarlspitze herabziehenden Schluchten und Reisen sind weitestgehend vom Schnee geleert und anhand der Lawinenreste kann angenommen werden, daß dies innerhalb des letzten Monats passiert ist. Auch ein Grund diese Tour im fortgeschrittenen Mai anzutreten.

Aufstieg rechts (westlich) unterhalb der Steilstufe; Schnee im Gegenhang schon weitgehend aufgefirnt

Um knapp neun Uhr früh ist der Schnee im oberen Kargelände von der starken Maisonne bereits dermaßen erwärmt, daß man – als Tipp – eher besser die östliche Karseite, die um diese Tageszeit auch kaum noch bestrahlt wurde, für den Aufstieg auswählt.

Rückblick auf das Neunerkar oberhalb der Steilstufe

Liegt das weite Kar mit dem stetig steiler werdenden Anstieg einmal hinter einem, wendet sich das Muldengelände zur Breitgriesskarscharte östlich und in dem nun recht flachen Winkel konnte die Sonne nach neun Uhr noch nicht das ihre tun, um den Schneeoberfläche unangenehm aufzuweichen. Vielleicht deshalb die Bezeichnung Neunerkar – jedenfalls eine Eselsbrücke für die Zeitplanung.

Mulde zur Breitgriesskarscharte

In der Breitgriesskarscharte versuchte nicht nur ich vergebens die Biwakschachtel zu finden, als ihr einziges Lebenszeichen räkelte sich allein der Blitzableiter gerade 10cm über die Schneeoberfläche heraus.

kurz vor der Breitgriesskarscharte auf 2.300m sieht man das Ziel, die Große Seekarspitze, erstmalig

Traumhaftes Panorama tut sich hier auf, Blicke in das Breitgriesskar und in die Seefelder Kette erfreuen nach dem Kessel in dem der bisherige Aufstieg erfolgte.

die Biwakschachtel tief eingeschneit

Und natürlich die schön geformte, ja fast symmetrische Pyramide des Zieles, der Großen Seekarspitze erfreut mächtig. Fast sieht es aus, als wären es nicht mehr knapp 300Hm bis zum Gipfel sondern mehr.

Breitgriesskarscharte, Rückblick in das Neunerkar

Der weitere Aufstieg beginnt nun recht flach mit einer gewaltigen Hangquerung, die bei falschen Schneeverhältnissen sicher wesentlich heikler sein kann als die Stellen unterhalb des Neunerkars.

bevorstehende Hangquerung; rechts hinten unterhalb der Schrofen mußte ich die Harscheisen zu Hilfe nehmen

Gequert wird der gesamte Gratausläufer von der Großen Seekarspitze über die Kleine Seekarspitze bis hin zum Übergang in das Seekar und zur Breitgriesskarscharte. Auf dieser Querung waren im – von der Sonne unerreichten – östlichsten Teil des Kessels Harscheisen von Vorteil, allerdings mußten diese dort innerhalb einer unangenehmen Steigung angelegt werden und hier sollte man – als Tipp – vorher überlegen und dies in der flachen Breitgriesskarscharte erledigen, obwohl die Schneeoberfläche dort schon weich ist.

steiler Gipfelhang der Großen Seekarspitze

Am Ende erreicht man die Einsattelung zwischen Großer und Kleiner Seekarspitze. Diese hab ich für den weiteren Aufstieg genommen, weil es schon von unten bequemer aussah, als die gewaltig in das Breitgriesskar abstürzende Gipfelflanke der Großen Seekarspitze mit Spitzkehren zu nehmen.

in der Einsattelung zwischen Kleiner und Großer Seekarspitze

Am Grat zwischen den beiden Seekarspitzen waren dann die Verhältnisse wieder völlig anders, weil seit Sonnenaufgang bestrahlt. Weichster Mulz vor allem in Gipfelnähe zwangen zu einem Schidepot ca. 30-40Hm unterhalb des Gipfels und den Rest per pedes zu nehmen.

Schidepot unterhalb des Gipflaufbaues

Um 10:20 Uhr, exakt 5 Stunden nach dem Aufbruch in Scharnitz stand ich am Gipfel der Großen Seekarspitze. Zunächst wehte kaum ein Lüftl an diesem außergewöhnlich schönen Tag Ende Mai. Später wurde aber doch eine Jacke nötig, nachdem die Thermik zunahm.

Große Seekarspitze, 2.677m

Rundum alle Gipfel der Karwendelhauptkette noch in überwiegend weißem Kleid, der Frühling ist hier oben noch nicht angekommen. Schätzungsweise reicht der Juni kaum aus, um Sommerbesteigungen auf die wichtigsten Gipfel möglich zu machen.

von links Ödkarspitzen, Birkkarspitze und Kaltwasserkarspitze

David, den ich von der Einsattelung zwischen den Seekarspitzen sah und der die Reibn unternahm traf mittlerweile am Gipfel ein und berichtete über teilweise überraschend weiche Verhältnisse im oberen Schlauchkar.

Autor auf der Großen Seekarspitze

Die Reibn ist insgesamt aber noch gut machbar und ein Blick ins Marxenkar bestätigt dies.

Marxenkar

Die Nordhänge und -kare der Hinterautal-Halltalkette sind bei weitem nicht mehr so schneegefüllt wie man das erwartet hätte. Ein Blick auf das Lafatscher Joch bestätigt dies.

Bettelwürfe bis Kaskarspitze, mittig das Lafatscherjoch

Die Abfahrt über die Gipfelflanke war von ändernden Oberflächenbeschaffenheiten geprägt, jedoch erquickender Lohn für die langen Aufstieg. David und ich fuhren zusammen ab und teilten die Freude.

Große Seekarspitze im Rückblick bei der Abfahrt

In der Mulde nach der Breitgriesskarscharte und im Neunerkar waren die Verhältnisse noch besser, es hatte gut 10cm aufgefirnt und der Schnee in den Hängen war recht homogen.

Ab dem Ende des Neunerkares wurde die Tourenausrüstung wieder geschultert und im Gespräch vergingen die rd. 600Hm Abstieg wie im Fluge.

letzter Blick nach der Kante ins Neunerkar

Zum Schluß wurden die Schi wieder auf das Rad gebunden und die meiste Strecke konnte hinausgerollt werden, sieht man vom moderaten Gegenanstieg unter den Wänden der Brunnsteinspitze ab.

die letzten Abstiegsmeter mit toller Kulisse

Die Bergsteigeruhr zeigte 1.750m Aufstieg und 8:30 Stunden Gesamtzeit. Davon brachte ich eine gute Stunde am Gipfel zu und weiter unternahm ich nur unwesentliche Trinkpausen sowie Ausrüstungswechsel.

Mils, 28.05.2017