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Schitour Roter Stein, 2.366 m

Bei jeder Fahrt über den Fernpaß springt die Schitour auf den Roten Stein ins Gedächtnis. Sie kann vom Fernpaß aus oder für die Anreise aus dem Inntal umständlicher von Bichlbächle aus unternommen werden. Die erste Variante besticht durch einen schönen und vermutlich auch im unteren Teil im Kälbertal sonnigen Aufstieg, die zweite durch ihren eher schneesicheren Aufstieg aus einem nordgerichteten Talkessel, wie er typischer in den Nördlichen Kalkalpen nicht sein kann.

Am Gipfel des Roten Steins

Die Nachteile liegen durch die Ausrichtungen aber ebenso klar auf der Hand. Beim Südaufstieg vom Fernpaß mußte ein von uns am Gipfel angetroffener Schitourenfreund die Erfahrung machen, daß er die Schi durch das Kälbertal bis weit hinauf schultern mußte. Ein weiterer Nachteil kommt in der Parkplatzsituation hinzu, indem die Asphaltflächen am Fernpaß durchwegs in Privatbesitz sind und nur für Kunden benutzbar.

Start am Parkplatz Bichlbächle

Hier gäbe es ein Eldorado für die Gemeinde, Parkplätze zu Erholungszwecken einzurichten und Einnahmen zu schaffen. In wenigen Jahren, wenn der Fernpaß verkehrstechnisch entschärft ist, betrifft das auch die Gewerbetreibenden am Fernpaß, die im derzeitigen Überfluss gegenteilig agieren.

Eingang ins Tal

Vom Norden aus, von Bichlbächle besteht der Nachteil im kalten Aufstieg bis zum unteren Karle, wie die Flurbezeichnung  oberhalb der Latschenhänge lautet, das einen ersten Kessel oberhalb der Vegetationsgrenze darstellt. Dies wäre für den Kälteunempfindlichen auch im Hochwinter weniger eine Hürde, in schneearmen Wintern jedoch der Kampf mit dem durch unzureichenden Schneefall aufrecht stehendem Unterholz als anstrengend zu nennen ist. In Kombination mit Schneeumwandlung, Triebschnee und Föhn hat der Mix das Potential, frohen Mut beim Aufstieg kurzzeitig in Verärgerung umzukehren.

am Weg neben dem Stockacher Bach entlang

Angesichts der Kleinheit des Stockacher Tälchens, das auf halbem Weg von Bichlbach nach Berwang durch die Querung der Brücke über den Talbach auf die Südseite erreichbar ist, bietet Bichlbächle eine stattliche Anzahl an Parkplätzen, um den hinteren Talgrund zu erreichen, der vorwiegend den Aufstieg auf die Bleispitze (Peilspitze) und zum Bichlbächler Jöchle ermöglichen soll. Möglicherweise dürfte der Jochübergang auch historische Bedeutung gehabt haben, verkürzt er doch den Fußweg aus dem Berwangertal nach Nassereith ins Gurgltal um eine bedeutende Strecke.

das Tal wird innen breiter

Auf der mittleren der drei Parkflächen entlang der einspurigen Straße zum Weiler Bichlbächle erwischten wir gegen 8:15 Uhr noch leicht einen freien Platz. Die meisten Aufsteigenden wählten das schöne Ziel der gemeinhin als Bleispitze bekannten Pleisspitze, die in östlicher Richtung von Bichlbächle aus begangen wird.

Bachquerung

Sie wirkt nach starken Schneefällen und Wetterberuhigung in wieder erstarkendem Sonnenschein schon bei der Anfahrt von Norden magisch. Als wenig markanter, jedoch vollends in Weiß getünchter Spitz stellt sie, obwohl nicht überragend, aufgrund ihrer unbewachsenen Westflanke ein Sehnsuchtsziel eines Winterbergsteigers dar. Ihre Besteigung ist einfach, im heurigen ariden Winter jedoch aufgrund von Schneemangel nicht mehr machbar.

erster Blick auf den unteren Aufstieg

Zunächst überraschte am Weg die für den heurigen Winter als reichlich anzusehende Schneelage ab dem unteren Parkplatz und verhieß eine gute Meinung vom zu erwartenden Abenteuer. Nach wenigen Minuten aber tat sich eine Passage am bis dorthin freien Weg ins untere Karle auf, die über eine kurze Strecke durch dichtes Astwerk abgeschirmt wird, unterhalb dessen sich der Weg völlig aper zeigte, um dem Hochgefühl rasch wieder die triste Situation des heurigen Winters entgegen zu werfen.

Aufstieg in der langen, schmalen Rinne

In der freien Fläche danach fanden wir aber wieder genügend Schneeauflage vor, um auch ein entsprechend beruhigendes Gefühl für die Abfahrt zu haben, obwohl an jedem sich gegen den flachen Sonnenwinkel aufbäumenden Schotterhang sofort freigeschmolzene Partien Plattenkalk- und Hauptdolomitschotter aus dem Norden der Bergkette zeigten.

die Route wendet sich einer steilen Rinne zu

Über den Stockachbach muß man, um auf die westliche Seite zu gelangen, auf der es noch im flacheren Teil durch eine Rinne direkt auf den steilen Hang vom Bichlbächler Jöchle zugeht. Ein paar Minuten führt die Spur geradewegs in der Rinne aufwärts, bevor rechtsauf einen auffällig herabziehenden Schotterfächer abgezweigt wird. Dieser wird ein paar Serpentinen aufwärts bestiegen, um vor der ausgeprägten Steilstellung der Rinne über deren westliche Begrenzung in das jenseitige Gelände zu wechseln.

über vereiste Hangpassagen wieder in einen Latschenhang

Nun führte die Spur rechts neben der Rinne in den steiler werdenden Latschenhang. Mit weit mehr Spitzkehren hätte man auch innerhalb der Rinne aufsteigen können, jedoch boten sich die ruppigen Lawinenreste innerhalb nicht dafür an. Die Latschenhänge waren bequemer, boten jedoch auch eine nach oben zunehmende Pein im Durchkommen.

Triebschnee und vereiste Passagen wechseln sich ab

Aufgrund völlig gefrorener Partien, die durch Rippen verstärkt wurden, an denen die Felle nur punktweise auflagen und so unvermeidbares Wegrutschen uns den Aufstieg erschwerte, griffen wir recht rasch noch im unteren Teil des steilen Hangs zu Harscheisen, die heuer den gesamten Winter über zum unverzichtbaren Ausrüstungsbestandteil avancierten. Hatte man sie vor Jahren vor Ende Jänner nie benötigt, gab es heuer noch kaum eine Schitour ohne deren Einsatz. Auf diesem Aufstieg hätte man umdrehen müssen, ohne Harscheisen.

dichteres Strauchgelände

Mit der Hangneigung wuchs die Anstrengung auch aus einem anderen Aspekt. Nicht genug mit harten Partien, auch eingewehter Triebschnee machte uns zwischen den Latschen und Stauden zu schaffen. Typisch für den instabilen Triebschnee brach ständig der Talschi vorne ins Leere weg, sodaß zum alten Trick des vor dem Setzen eines Schrittes eingerammten Stockes gegriffen werden mußte, der den Vorderschi in der Spur hält.

bald hatten wir die wenig erbauende Strecke hinter uns

Ein solches Steigen zwischen 10 m harten Abschnitten, auf denen nur dann ein bequemes Steigen gewährleistet war, wenn die Harscheisen auf der ruppigen Oberfläche festen Halt fanden und weiteren 10 m im weichen instabilen Triebschnee gereichte nicht zu einem genussvollen Anstieg.

an der Hangoberkante angelangt

Nach oben hin dichter werdender Bewuchs verkürzte noch zusätzlich die Teillängen vor den Spitzkehren. Föhnböen und der Schatten im Nordkessel trug nicht gerade zur positiven Stimmung in diesem Teil des Aufstiegs bei, sodaß wir froh waren, als diese Teilstrecke oben kurz vor einem kleinen Kar in flaches Gelände überschritten werden konnte. Knapp eine Stunde mühten wir uns auf dem dieses Mal unguten Hanggelände ab.

Rückblick mit Bleispitze im Hintergrund

Positiv stimmte dann schon wieder der Ausblick auf die grellen weißen Flächen oberhalb des unteren und des oberen Karles. Die zwei Geländestufen treten markant hervor.
Über das untere Karle erreichten wir etwa um 10:15 Uhr, knapp zwei Stunden nach Aufbruch, den ersehnten Sonnenschein nach dem schattigen Anstieg. Im Übergang zum oberen Karle tauchten wir dann nochmals in Schatten ein, wenn auch nur für 10 Minuten.

mit frischem Mut geht es aufwärts

Die Schneeverhältnisse besserten sich zwar merklich, da gefrorene Partien fehlten, aber gänzlich gut wurden sie bis zum Grat nicht. Teilweise führte die Spur durch leicht aufgefirnte Passagen, meist jedoch durch vielfach umgewandelte, feste Oberflächen.

das Kar wird zur nächsten Geländestufe hin steiler

Die Geländestufen auf den Roten Stein sind zwar steil, jedoch kaum signifikant über 35°. Der oberste Teil zum Schidepot reicht am kurzen Abschluß an die 40° heran und erfordert einen ausgetretenen Standplatz. Genügend davon erreichten wir bei wenig Besucherfrequenz.

zweiter Geländesprung voraus

Bereits schon weit unterhalb des Schidepots bietet sich ein schöner Blick auf den Gratzug vom Roten Stein bis zu der um 10 m höheren Gartnerwand, der das soeben nördlich gestreifte Schafsköpfle trägt und von der stark ausgeprägten Senke des Bichlbächler Jöchles unterbrochen wird.

beeindruckender Rückblick mit Geländesteigung

Vor dem Schidepot kann der Aufstieg auf den Gipfel recht übersichtlich eingesehen werden. Von dort wirkt er leichter als er beginnt und er ist mit 100 Hm weiter, als man schätzen würde.
Ohne Steigeisen bot bereits die unterste Stufe über die Felsen einen gewissen Kitzel, der beim Autor die Erwägung des Abbruchs auslöste. Vor uns gab es an diesem Tag keine frischen Spuren.

Gipfelhang unter dem Roten Stein

Am Grat angelangt begann der zweite Teil mit Gleichgewichtsübungen auf schmaler Kante, bevor die alten Spuren in die Ostflanke führten. Diese stiegen wir über ein schönes Stück auf, bevor die Route wieder in Schrofengelände mit festem Fels führte.

Aufstieg zum Gipfel am schmalen Grat nach der Einstiegsrinne

Am Ende dieser Strecke fanden wir eine Seilschlinge über einen Felskopf vor, die als Abseilpunkt dient, jedoch nicht mehr ganz verlässlich sein dürfte.

im langen Schneefeld, oben rechts weiter

Vor einem senkrechten Aufschwung führte uns der leichteste Weg westlich um das Köpfchen herum und bot dahinter einen Aufstieg zum Grat über eine schmale Rinne mit Mini-Standplatz. Von dort führt eine steile, reine Schneefläche über etwa 10 m zum Gipfelkreuz des Roten Steins.

nach einem Felsriegel, der rechts umgangen wird wieder links zum Grat hinauf

Alles in allem kann der Aufstieg als nicht schwer eingestuft werden, jedoch mit geringer Schneedecke im Bereich der abgewehten und verhärteten Partien ohne Steigeisen zweifelhaft. In jedem Fall möge die Stöcke mitnehmen, wer die Eisen zuhause gelassen hat.

Herwig am Roten Stein, 2.366 m

Ein schöner Ausblick erwartete uns am Roten Stein. Von der Gartnerwand mit der dahinter liegenden Zugspitze und den Mieminger Bergen mit den Marienbergspitzen und dem Grünstein über den Wannig mit dem weit entfernten Schrammacher in den Zillertaler Alpen in 77 km Entfernung.

Blick vom Roten Stein nach Osten mit Bleispitze, Zugspitze, Gartnerwand und Mieminger Kette

Rechts vom Wannig die nahen Stubaier Alpen mit dem Pirchkogel, der Haidenspitze, dem Zwieselbacher Rosskogel, dem Gleirscher Fernerkogel, dem Winnebacher Weißkogel, dem Schrankogel, dem Acherkogel, dem Hochreichkopf und dem Breiten Grieskogel.

in den Südosten vom Roten Stein aus geblickt, Mieminger Kette mit Wannig und Stubaier Alpen im Hintergrund

In den Ötztaler Alpen ragt der nahegelegene Wildgrat auf und gleich rechts daneben die 56 km entfernte Wildspitze, sodann hehre Gipfel wir die Rofelewand, sodann die Watzespitze. Die Weißkugel in 65 km Entfernung wird vom nahen Loreakopf verdeckt.

Blick in den Süden mit Loreakopf und Heiterwand rechts

Vom Loreakopf läßt sich mit Aufstieg vom Fernsteinsee eine schöne Rundwanderung, meist auf Graten – zur Gartnerwand und zum Fernpass unternehmen.

der Südwesten vom Roten Stein aus gesehen

Gerade noch macht das perfekte Auge den Glockturm aus, auf den eine herrliche Frühjahrsschitour zu unternehmen ist.

der Westen vom Roten Stein mit dem markanten Hochvogel

Am westlichen Ende der Heiterwand erblickt man die Hintere Platteinspitze und die Gabelspitze sowie den geologisch grandiosen Imster Muttekopf. Markant ragen die Große Schlenkerspitze, die Parseierspitze und die Namloser Wetterspitze aus dem Relief. Den Reigen schließt der markante Hochvogel im Osten ab sowie der Thaneller im Nordwesten.

vom Roten Stein aus in den Norden geblickt

Im Nordosten schließlich findet sich das Ammergebirge mit der schönen Schitour auf den Westlichen Geierkopf. Eine ähnlich rassige Schitour wie auf den Roten Stein.

Den Abstieg nahmen wir wegen fehlender Steigeisen mit großer Vorsicht vor, bekanntlich ist er schwerer als der Aufstieg. Dies vor allem dann, wenn man nicht sieht, ob der Tritt fest ist oder unter Belastung nachgibt.

Bayerisches Vorland im Norden, rechts hinten das Ammergebirge

Daher rammten wir die Schuhe fest ein und achteten auf einen guten Halt der Hände im Schnee. Nach kurzer Strecke machte sich das mit Krämpfen in den Oberschenkeln bemerkbar und zwang zu kurzen Pausen.

Abstieg ohne Steigeisen unter großer Vorsicht

Mittlerweile stiegen einige nach und somit wurde die Spur mit Stapfen ausgeprägter und die Vorsichtsmaßnahmen konnten bis auf die aperen Stellen verringert werden. Apere Stellen, die teilweise mit leichten Eisüberzügen auf den freigewehten Felsstellen aufwarten, sind heimtückische Rutschfallen, die der Erfahrene kennt und denen er nicht traut. An diesen Stellen blieb erhöhte Vorsicht aufrecht.

Blick vom Abstieg auf den Gipfelhang

Schlussendlich ritten wir den mittlerweile niedergetretenen, schärferen Gratabschnitt hinab, um auf den letzten Metern kein Risiko einzugehen. Die Felsrinne bis zum Schidepot wies genügend gute Griffe und Tritte im festen Fels auf, sodaß wir auch über diesen letzte Abschnitt sicher absteigen konnten. Steigeisen sollten halt nicht fehlen bei solchen Winterbegehungen.

Rückblick auf das Gipfelkreuz des Roten Steins

Die Abfahrt wäre bei entsprechend weichem oder Neuschnee ein Leckerbissen am Tag unserer Begehung nicht der Erwähnung wert. Durch Wochen hindurch haben Sonne, Wind und Nachtfrost eine Schneeoberfläche geschaffen, die schon knapp nach dem Gipfelbereich im sonnigen Teil der Kare hart und windgangdurchzogen keine Freude bereitete.

abgeritten auf den Felszacken oberhalb der ersten Aufstiegsrinne

Noch anstrengender erwies sich der latschendurchzogene Steilhang, bei dem man bei solchen Schneeverhältnissen wie im Aufstieg beschrieben davon lebt, möglichst weit vorauszuschauen, um nicht im Unterholz gefangen zu sein und Mühen zum Rückzug aufwenden muß.

Blick vom Schidepot auf die Abfahrt

Wir nahmen eine eher westlich gelegene Abfahrtsroute, die von oben nach vermindertem Bewuchs aussah. Der Plan ging auf und bot sogar etwas bessere Schneeverhältnisse als beim Aufstieg, weiter unten mußten wir dafür über zwei tiefe Rinnen nach Nordosten queren, die uns wieder auf den völlig vereisten Zähneklapperhang brachte, der in die lange Rinne mündet.

der Abfahrt oberer Teil noch halbwegs erfreulich

Die Rinne kann man ostseitig ein gutes Stück zwischen kleinen Bäumchen und Strauchwerk umfahren, wenn man nicht im Schneepflug oder mit kleinsten Schwüngen direkt abfahren möchte.

noch einmal die nicht mehr gut begehbare Bleispitze und die die Gartnerwand

Weiter unten mußten wir aber wieder in die Rinne zurück und folgten dem Diktat der Wannen und Hopser bis zur flacheren Wiese, auf der wieder individuelles Abfahren möglich war.

nach den Wannen und Hopser der Rinne auf der Wiese angelangt

In Summe gesehen überwog das Gesamterlebnis der Schitour den Murks im Aufstieg und die schlechten Verhältnisse bei der Abfahrt, denn die bizarren Landschaften der Nördlichen Kalkalpen bieten immer aufregendste Kulissen. Der Aufstieg am Grat schließlich krönt die Schitour zum alpinen Erlebnis.

netter Blick auf Bichlbächle

Man rechne für den Aufstieg mit 5:30 Stunden. Die Strecke ist mit 3 km kurz, die zurückgelegte Steighöhe beträgt 1.175 Hm.

der Weiler Bichlbächle auf der Sonnenseite im Tal

Das Leuchtschild der Jausenstation Bergmandl dürfte seine Glanzzeiten hinter sich haben. Jedenfalls hatten wir an unserem Tag der Eindruck, daß sie geschlossen ist. Weiter unten in Kleinstockach gibt es das Gasthaus Roterstein, womit man die Tour entsprechend abschließen kann.

Mils, 01.03.2025