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Fallbachkarspitze (Große Wechselspitze) 2.316m

Eine ausgesprochen anspruchsvolle Tour auf eine kühne Felsschneide hinter’m Haus und Zwischenziel der Königsdisziplin auf der südlichen Seite des Großen Bettelwurfes ist die Fallbachkarspitze.

Gleich vorweg sei erwähnt, daß die Fallbachkarspitze – im Volksmund und in jüngeren Karwendelführern auch Große Wechselspitze genannt – mit dieser letzteren Bezeichnung nicht  richtig angesprochen wird. Die Wechselspitze ist der kleine Sporn südöstlich der Fallbachkarspitze und von jener getrennt durch eine Schlucht, die man durchsteigt, wenn man ins Fallbachkar aufsteigt und somit durch einen (Wild)wechsel steigt (im AV Führer Klier 1951, Überarbeitung 1978 wird sie nicht einmal erwähnt). Diese wiederum nennt man auch Kleine Wechselspitze.
Die Höhenangaben der Fallbachkarspitze in der alpinen Literatur schwanken von 2.316 m bis 2.324m.

Blick vom Gipfel der Hüttenspitze zur Fallbachkarspitze

Blick vom Gipfel der Hüttenspitze zur Fallbachkarspitze mittig im Bild, rechts (Kleine) Wechselspitze

Vom Inntal aus, vor allem wenn man genau südlich in Gnadenwald oder Mils zur Fallbachkarspitze emporschaut wirkt sie so, wie sie auch während der gesamten Besteigung ab der Wechselscharte bleibt, eine ungemein steile, kühne Felspyramide, deren mittlere Hangneigung im oberen Teil – gemessen nach alter Väter Sitte mit dem Aufdruck auf der Hülle meiner AV-Karte (Karwendel mittleres Blatt) – die 50° Marke erreicht. Dies wird einem spätestens 50Hm nach der Querung der Markierung mit der Stange bewußt.

Wir sind heute zu dritt mit unserem Kollegen Bene und beginnen den Aufstieg vom Halltal vom Parkplatz bei der Sprungschanze durch den Wald und – unmarkiert und nicht gut erkennbar für den Erstbegeher – ca. 300m vor dem Klettergarten durch den Wald zur Halltalerhütte hinauf. Die Alternative wäre die Halltalstraße bei der ersten Ladhütte am Steig rechts zu verlassen und durch die Ladhüttenklamm aufzusteigen. Der erstgenannte Anstieg ist in der AV-Karte als offizieller Steig rot eingezeichnet.

Von der Halltalerhütte geht es durch Mischwald weiter in Richtung Alpensöhnehütte. Dort trifft man nicht auf Wasser, denn die lächerliche, dieser Tage allgemein am Berg anzutreffende Hysterie um Keimfreiheit hat die Alpensöhne – so scheint es mir – veranlaßt den Brunnen abzudrehen (wer genaues darüber weiß möge bitte die Kommentarfunktion nutzen und den Sachverhalt darstellen). Jedenfalls haben wir aus diesem Brunnen schon Hektoliter getrunken und leben weiter.
Ich möchte das Thema Wasser speziell für die Sommerbesteigung nochmals besonders erwähnen, da wir schon des Öftern auf der relativ kurzen Tour zur Fallbachkarspitze bei dreiviertel der Strecke ohne Wasser dagestanden sind.
Man kann aber ca. 200m vor der Alpensöhnehütte dem schwachen Steig nördlich folgen und kommt nach ein paar Minuten zu einer Bank mit „Gipfelbuch“ und steigt dahinter im Wald auf mehreren Steigmöglichkeiten weiter (Weidevieh hat hier einige Steige hervorgebracht und man tut sich schwer immer exakt der Markierung zu folgen, wenn man sie nicht vorausblickend ansteuert.
Jeder Anstieg führt aber letztendlich zu einer Verengung der Steigmöglichkeit oben und, gleich einem Flaschenhals, spuckt der Wald den Ersteiger aus und man findet sich mit befreitem Gefühl auf einer luftigen, kurzen und zunternbewachsenen Querung wieder, die man dann links wendend über eine Rinne (Ferkelrinne) verläßt und gut markiert links der Rinne hochsteigt.
Nach ungefähr 150Hm erreicht man eine mehr oder weniger ausgeprägte Schotterreise, deren schottrige Stellen man tunlichst versucht auszustellen. Diese unangenehme Stelle ist jedoch recht kurz und oben taucht man, weiter westlich als die Reise, wieder in die Zuntern ein und steigt – immer gut markiert – zur Hüttenspitze, oder wie sie richtig heißt, dem Halltaler Zunterkopf empor.

die Nagelwand

die Nagelwand

Von hier aus hat man einen ausgesprochenen Logenplatz auf das Ziel, die Fallbachkarspitze und man erkennt auch präzise die trennende Schlucht bzw. im oberen Teil die Rinne die die beiden eingangs erwähnten Gipfel separiert (wobei man erwähnen muß, daß die Kleine Wechselspitze kein eigentlicher Gipfel ist, sondern ein Grat, der sich von der Rinne südwärts zieht und der am Ende mit einer Steilwand zur Wechselscharte abfällt).

Wechselscharte ist das Stichwort, das den nächsten Etappenpunkt darstellt. So toll wie man die weitere Tour nach oben sehen kann, so gut sieht man vom Gipfelkreuz der Hüttenspitze auch nach unten zur Wechselscharte, die man nun ansteuert. Leider verliert man dabei ziemlich genau 100Hm, die sich am Gegenhang als mühsam wieder eingenommen erweisen.
So wie man den Gipfelrücken der Hüttenspitze betreten hat, so verläßt man ihn wieder rechts bzw. östlich, etwas südlich des zunternbewachsenen Grates auf gut sichtbarem und markiertem Steig. Nach zwei Minuten erreicht man dann an der Südseite steileres Terrain und steigt über dieses weiter hinab bis sich der Steig nordwärts wendet und über Wurzelwerk hinweg erreicht man eine kleine Rinne, ca. 15m hoch, die in das Verbindungsgelände zur die Scharte führt und nach unten hin flacher wird.

An der Scharte angekommen sieht man schon etwas oberhalb einen recht neu angelegten Klettersteig, den man sogleich in Angriff nimmt. Es ist dies die Nagelwand und sie ist sehr steil, also empfiehlt sich für den Erstbegeher und den Vorsichtigen ein Klettersteigset. Steinschlag haben wir dort noch nie beobachtet, jedoch ist ein Helm auch für die weitere Tour von Vorteil.

Am Ende der Nagelwand (auch Ende des Klettersteiges) dreht man sich außer Atem zur Hüttenspitze um und hat somit den Abstieg wieder kompensiert. Gleichzeitig ist es nun ziemlich heiß geworden, wenn man die Tour an einem wolkenlosen Tag unternimmt. Ab jetzt stellt sich die Frage nach dem Trinkvorrat…

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Durch die Zuntern und teilweise anstrengendes Gelände steigt man weiter, an der kleinen verwitterten Holztafel mit dem Abzweig „Fallbachkar“ bis zum flacher werdenden Rücken empor und achtet nun auf die Markierung mit einer Holzstange in einer Steinanhäufung. An dieser Stelle hat man die Wahl zwischen dem Grat und der westlich davon gelegenen Rinne.
Wir nehmen die Rinne und hoffen – je nach Tageszeit – auf einige schattige Stellen in dieser beim weiteren Aufstieg. Nach der Holzstange einige Meter abwärts und sogleich wieder steil über eine kleinstückige Reise hinauf bis die Rinne felsdurchzogen wird. Der weitere Anstieg ist sehr schön voraus zu sehen, da zwei Tage vor unserer Begehung (unsere Begehung fand am 9.6. statt) die uralten vergilbten Punktmarkierungen mit einer dunkelrot schimmernden Farbe streifig sehr schön sichtbar neu markiert wurde und auch das GB ausgetauscht wurde. Danke Mander!

Markierungsstange

Markierungsstange

Nun offenbart sich die Rinne mit ihrer extremen Steilheit über gute 250Hm bis zu einem schmalen Grat, der von der Hüttenspitze aus gut sichtbar ist. Hat man diesen erreicht steigt man, sich nach Osten drehend, über eine kleine noch steilere Rinne ca. 20m hinauf und befindet sich auf einem einladend flachen, wiesenbewachsenen Plateau mit – um diese Jahreszeit – im Sonnenlicht unerschrocken aufgerichtet und kraftstrotzenden Enzianen und Platenigln.

Basislager am Plateau

Basislager am Plateau

Das Plateau zum Verweilen genutzt und den weiteren Anstieg nun im echten Klettergelände gemustert steigt man nun an der Ostseite des Gipfelaufbaues zuerst einige Meter fast eben auf einem schmalen und dann breiter werdenden Band bis zur Einstiegstelle der Kletterei und befindet sich nur mehr ca. 50Hm unter dem Gipfelgelände. Die leichte Verschneidung gilt es nun zu meistern und wir haben sie vor sieben, acht Jahren auch nicht beim ersten Mal geschafft. Es gilt jedoch nicht die Nerven wegzuwerfen, denn die Verschneidung ist sehr gut mit festen Griffen und Tritten ausgestattet, hat an der schwierigen Stelle einige Klammern als Steig- und – bei Bedarf – Sicherungshilfe und formt sich im oberen Teil symphatisch eng, einem Mutterschoße gleich und beugt somit dem Kitzel der Ausgesetztheit vor.

die Verschneidung am Gipfelaufbau

die Verschneidung am Gipfelaufbau

Am Ende der Verschneidung wird es etwas luftiger und man wendet sich fast 120° nach links, umgeht einen Felssporn und ist am zuerst schmalen Grat, der sich nach wenigen Metern verbreitert und nimmt die letzten Höhenstufen zum ca. 100m entfernten Gipfel.

...am Ende der Verschneidung wendet man sich 120° nach links...

…am Ende der Verschneidung wendet man sich 120° nach links…

die letzte Markierung im Aufstieg

die letzte Markierung im Aufstieg

Die Aussicht zu allen Himmelsrichtungen ist phänomenal und entschädigt für die Mühen.
Im Norden das Bettelwurf-Osteck; es liegt ausgebreitet vor einem da und lockt mit einer wild aufragenden letzten Steilwand, die heuer auch noch gemeistert werden wird.
Im Süden das Wiesenplateau und die Felsabstürze des Ausläufers, im Westen der beginnende Eisengatterergat und die Bettelwurfhütte, gerade noch über dem Grat sichtbar, sowie im Osten die mächtige Formation der Hohen Fürleg, die mit den wild gezackten Fallbachkartürmen – dem Unterkiefer eines Raubtieres gleich – in Verbindung mit König Bettelwurf steht.

das Bettelwurf-Osteck

das Bettelwurf-Osteck

die Bettelwurfhütte hinter dem beginnenden Eisengatterergrat

die Bettelwurfhütte hinter dem beginnenden Eisengatterergrat

Hohe Fürleg

Hohe Fürleg

Der Rückweg von der Fallbachkarspitze wird normalerweise nicht angetreten, sie ist viel mehr Zwischenziel des Aufstieges zum Osteck des Großen Bettelwurf. So wie viele Tourenberichte es tun müssen auch wir den Abstieg als strapaziös und langwierig beschreiben. Man tritt ihn mit Vorsicht an, die Steilheit des Geländes läßt nur verminderte Gehgeschwindigkeit zu und oft muß man in der Rinne richtig abklettern. Man beachte dies bei entsprechenden Wetterbedingungen. Der Wetterschutz, den man bis zur Wechselscharte finden kann, ist kärglich.

die Aufstiegsrinne zum Plateau im abstieg

die Aufstiegsrinne zum Plateau im abstieg

Es gibt eine Möglichkeit am Verbindungsgrat zum Osteck zum Bettelwurfkar und weiter zum Eisengatterergrat zu queren und somit wäre man auf leichtem Abstiegsgelände und mit der Bettelwurfhütte sogar in Biernähe, jedoch können wir diese Variante noch nicht antreten und jetzt nicht beschreiben, da wir sie erst finden müssen. Und dies wird heuer von der anderen Seite im Aufstieg erfolgen, denn die Rinnen, die dabei in Betracht kommen, möchte man bei der Erstbegehung lieber aufwärts durchsteigen als abklettern.

das Gröbste geschafft

das Gröbste geschafft

Den Rückweg ohne nennenswerten Trinkvorrat gemeistert und die Wechselreise in Rekordtempo mit -80Hm/min auf der Vector genommen kann uns nichts mehr vor dem nahen Gh. Walderbrücke aufhalten. Ein Minigewitter ist auch schon im Anrollen.

ein Minigewitter treibt uns die Reisen hinab...

ein Minigewitter treibt uns
die Reisen hinab…

Man rechne mit dem Aufstieg bis zur Hüttenspitze mit ca. 1:30 Stunden und bis man die gleiche Höhe auf der Nagelwand erreicht hat mit nochmals gut 30min. Von dort wird es mühsam und für den Aufstieg bis zum Plateau addiere man weitere 1:30 bis 1:45 Stunden. Den Gipfel ab dem Plateau erreicht man in 15 bis 20min.
Der Rückweg läßt sich in 2:30 bis 3 Stunden ausführen, vor allem wenn man die Reisen zum Abfahren nimmt. Sie sind in Summe 700m hoch und können über weite Teile benutzt werden.

Mils zu Sonnwend 2014