Erlspitze Ostgrat, 2.405m

Die wilden Zacken der Grate in der Seefelder Gruppe des Karwendels lassen immer auf ein interessantes Abenteuer hoffen und der eher in Vergessenheit geratene, selten begangene Ostgrat zur Erlspitze  versprach dem Verfasser eine schöne kurze Herbsttour zu werden.

Erlspitze, 2.405m mit Karwendelhauptkette

Der Anstieg erfolgt auf schmalem Steig vom Solsteinhaus wenige Hundert Meter nordöstlich und bereits auf der Höhe der Erlalm links abzweigend bis zu einem Steindenkmal.

Der Ostgrat der Erlspitze

Knapp nach dem Denkmal gabelt sich der Steig wobei laut AV-Führer der oberste abzweigende Steig eingeschlagen wird und diesem etwa 10min gefolgt wird.

bereits auf der Abzweigung – Rückblick zur Erlalm

Er führt in Auf und Ab über ein paar Rippen, die vom Grat herunterziehen und zwischen diesen durch ein paar kleine Schluchten die durch Geröllabgang im Sommer an mancher Stelle den Steig beeinträchtigt haben. Es gibt jedoch derzeit keine unpassierbare oder zweifelhaft gefährliche Stelle.

der obere Steig ist die Empfehlung

Anhand der Karte müßte der untere Steig ebenfalls wieder mit dem oberen zusammentreffen, um die Schluchten bzw. Rinnen zu vermeiden, das gilt es auszuprobieren.

am oberen Steig

Das „Klamml“ (gem. Kartenbezeichnung) bot dem Verfasser eine Miniquelle zum Wasser tanken, jedoch kann auf das Vorhandensein dieses Rinnsals keine Garantie gegeben werden, zu unergiebig scheint sie für eine dauerhafte Quelle zu sein.

die Gratrippe Richtung Jöchl

Sie liegt auch bereits höher als 1.800m und der Karwendelkenner weiß, daß in dieser Lage kaum mehr Quellwasser anzutreffen ist, wobei dies im Hauptdolomit, in dem man sich in der Seefelder Gruppe befindet, wieder anders ist. Der Hauptdolomit mit seinen zahlreichen feinen bis feinsten Klüften dürfte als Wasserleiter und -speicher ideal sein.

Wasser auf gut 1.800m

Nach dieser Stelle (siehe Foto) führt der Steig in kurzen Serpentinen in sehr brüchiger, teilweise nur kieskorngroßer Felsqualität steil zur Grathöhe hinauf. Eine Verwitterungsform des Hauptdolomits besteht in sehr kleinstückigem polygonalem Korn – Grus, wie der Geologe sie nennt. Diese Verwitterungserscheinung begleitet den Bergsteiger über den gesamten Grat.

auf der Gratrippe angelangt, letzter Rückblick Richtung Solsteinhaus

An der Grathöhe angelangt mache man nicht den Fehler des Verfassers und schreite entschlossen dem Steig entlang über die nächste Rippe weiter, sondern blicke sofort nach den ersten Metern in der Bergwiese links auf den sich ausbildenden Ostgrat hinauf.

Der Ostgrat schon ausgeprägter zu sehen

Eine deutliche, sich trichterförmig verengende Latschengasse bildet sich direkt am Gratbuckel aus, der weiter gefolgt wird und die zu einem Vorkopf des schärferen Grates führt.

die Latschengasser mit Rückblick auf die wiesenbewachsene Gratrippe

Der Vorkopf ohne Latschenbestand ist rasch erklommen. Am Weg dorthin öffnet sich ein Blick auf die Fleischbanktürme im Nordwesten der Erlspitze, die am Beginn eines Zweiggrates von der Erlspitze nach Norden zunächst ein wild gezacktes Gratabenteuer bieten. Juergen hat sie besucht und einen Bericht über diesen Anstieg zur Erlspitze verfasst.

Blick nordwestlich auf die Fleischbanktürme

Am obersten Punkt des Vorkopfes blickt man in ein bizarres Felsengewirr mit vielen vertikalen Schichtrippen mit Schuttreisen zwischen den Rippen und fragt sich zunächst, wo denn hier der Einstieg zu finden sein könnte.

Anstieg auf den Vorkopf

Die Rippen hinter dem noch wiesenbewachsenen Vorkopf sehen alles andere als leicht aus, die Bewertung II träfe für sie niemals zu.
Aber der Einstieg will erkundet werden und so schreitet man an einem riesigen Felsenfenster nach Norden zum Ende des Vorkopfes und erkenn, daß zwischen ihm und den jenseitigen Felsen ein unüberwindbarer Felsabbruch liegt.

Rückblick nach Abstieg

Also muß das Glück etwas tiefer liegen – waren die ersten Gedanken – und schätzungsweise 40Hm mußte der Verfasser verschenken, um zu einer schuttgefüllten, sehr steilen Rinne zwischen dem äußersten Flankenteil des Berges und dem Bergstock selber zu gelangen um dort den einzig machbar erscheinenden Aufstieg zu einer hoch liegenden Scharte zu gelangen.

durch diese hohle Gasse muß er kommen…ein mühsamer Aufstieg

Im Verschnaufen vom schweißtreibenden und unangenehmen Aufstieg über Schotter und Erdmatarial auf die bergseitige Flanke des Westgrates geblickt, kann so gut wie keine weitere Route ausgemacht werden. Das Abenteuer durch den komfortablen Riss steil aufzusteigen muß in Angriff genommen werden, um überhaupt zu wissen, ob der Anstieg durch die Rinne richtig war oder nicht.

oben an der Scharte angelangt; der Vorkopf und der Abstieg zum Beginn der Rinne deutlich zu sehen

Zum Glück ist der Hauptdolomit an diesem Einstieg fest und es bieten sich genügend – wenn auch kleine – Griffe und Tritte durch die geheimnisvolle Rinne hinauf (leider ist das Foto dazu unscharf geworden). Die Schwierigkeitsbewertung die im Führer mit II benannt wird ist hier vorhanden, alles andere am Grat ist leichter.

die bergseitige Gegenseite der Scharte

Erleichtert kann oben festgestellt werden, daß es in Gehgelände weitergeht. Die Frage stellt sich nur, ob der Anstieg zum Grat selber richtig ist, oder eine Rampe unterhalb eines auffallend orange gefärbten Felskopfes.

Aufstieg mit Eigenorientierung – orange gefärbter Fels mit Rampe darunter wird sich später als Aufstieg erweisen

Natürlich versucht der Karwendelgeher immer möglichst hoch zu bleiben und entdeckt dabei am Grat einen Durchschlupf unterhalb eines Felsturmes der die Züge eines Basilisken trägt. Ein imposantes Gebilde am Ostgrat.

ein Basilisk auf der Grathöhe, durch das Schärtchen wurde angestiegen

Nach dem Erklimmen des Schärtchens zwischen Basilisk und Felskopf mußte der Verfasser leider feststellen, daß die Hinterseite am Grat im Alleingang nicht gangbar ist, denn die Griff-. Und Trittflächen sind zu sehr abgewittert und von Hauptdolomitgrus bedeckt (Fotos leider unscharf)

die Gegenseite des Schärtchens – ungangbar, zu brüchig

Also bleibt nur der Abstieg durch die Rinne zwischen dem eben erklommenen Gratstück und dem folgenden.
Die Rinne endet just dort, wo die Rampe unter dem farbigen Fels beginnt – das Gefühl hat nicht getäuscht.

nach dem Abstieg zur Rampe erfolgt hier der weitere Aufstieg

Anschließend folgt ein weiterer kleiner Aufschwung, der erstmals kurz abgeklettert werden kann, um jenseits einer Rinne wieder aufzusteigen. Leider ist das kurzzeitige Klettergefühl nur von kleiner Höhe und all die folgenden weiteren Gratrippen sind gleichartig geschichtet.

weiterer Aufstieg zunächst über schroffiges Wiesengelände

Türme können erklommen werden, jedoch führt der Grat nicht auf gleicher Höhe weiter, jede Anhöhe muß an ihrer Hinterseite wenig oder auch tiefer abgeklettert werden und das in recht brüchigem Fels – ein eher mühsames Unterfangen.

Rückblick nach der nächsten Rippe

Gegen Ende des Grates erhebt sich eine letzte hohe Rippe mit einem tollen Blick auf die Erlspitze bei dem der Bau des Berges mit seinen ausgeprägten Rippen und verwitterten Zwischenräumen der Nordflanke deutlich sichtbar wird.

Blick nach Westen zur Erlspitze mit gewaltiger Nordflanke

Leider muß auch diese letzte Rippe südseitig abgeklettert werden – da deren Westflanke sogar einfallend geneigt ist und kein Weiterkommen bietet.

die Rippen bieten bizarre Aussichten

Anschließend befindet man sich im Gehgelände und erreicht über Bergwiesen in 20min den Normalweg vom Solsteinhaus und in weiteren 5min den Gipfel der Erlspitze.

der Ostgrat der Erlspitze im Rückblick

Am Weg dorthin fällt noch die schöne grazile Gipfelstürmernadel auf, die man gesehen haben sollte.

Gipfelstürmernadel, 50m misst sie von Süden gesehen

Die Erlspitze bietet wunderbare Ausblicke.
Gegen Osten auf die mächtigen Felsmassive der Solsteine und weiter auf die Nordkette.

Gipfelblick auf Nordkette

Gegen Westen auf die Kuhljochspitze, die Freiungen und bis zu Reither- und Seefelderspitze im gemeinsamen Kamm.

Blick nach Westen auf die restliche Seefelder Gruppe

Nach Norden von Mittenwald bis zu allen Gipfel der Karwendelhauptkette.

Nordgrat mit Fleichbanktürmen

Der Abstieg zum Solsteinhaus erfolgte auf dem Normalweg. Eine Variante wäre den Westgrat zu nehmen (Zirler Klettersteig) und über die Eppzirler Scharte zum Solsteinhaus zu gelangen.

Solsteinhaus in der Tiefe

Als Empfehlung kann der Anstieg über den Ostgrat nur jenem gegeben werden, der gerne alte Routen sucht bei denen die Orientierung ausschließlich durch Eigeneinschätzung erfolgt, Das Fehlen von Markierungen und Steinmännern macht dies notwendig.

Karwendelhauptkette im Norden

Der Gratkletterer wird in seinen Erwartungen weitgehend enttäuscht.
Eine Karte der Route befindet sich in der Galerie.

Ostgrat vom Abstieg aus betrachtet

Für die Anreise vom Bahnhof Hochzirl bis zum Solsteinhaus wurden zwei Stunden benötigt. Für den Zustieg zum Ostgrat und den Aufstieg bis zum Gipfel gut zweieinhalb Stunden. Für Abstieg, eine tolle Knödelsuppe und der Rückreise nach Hochzirl nochmals drei Stunden. In Summe wurden 1.660Hm Aufstieg zurückgelegt.

Mils, 30.09.2018

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