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Schitour Schrotthorn, 2.590m

Umringt von den meisten der hohen Gebirgsstöcke der Ostalpen liegen die Sarntaler Alpen wohleingebettet im Herzen Südtirols und auf das Schrotthorn, mittig im östlichen Teil des Hufeisenkamms der Sarntaler gelegen, gibt es eine reizvolle Schitour zu unternehmen. Die Ausblicke vom zentralen Schrotthorn sind wirklich beeindruckend und lohnend.

Herwig und Evi am Schrotthorn, 2.590m

Die Hangneigung überschreitet die 35°-Marke nicht, bzw. am Gipfelhang nur bei entsprechender Wahl des Aufstiegs – den man aber günstig legen kann, sodaß der Aufstieg auch bei mäßiger Lawinengefahr in den meisten Fällen ein sicheres Unternehmen darstellt. Allerdings sollte bei der Abfahrt im Graben die Gegenhangneigung berücksichtigt werden, siehe Hangneigungskarte in der Bildergalerie.

Panorama Schrotthorn und Dolomiten

Der Ausgangspunkt befindet sich im hintersten Schalderertal auf 1.460m, das von Vahrn aus tief in die „Sarner“ (diese Bezeichnung der Einheimischen auch im  Internet zu finden) eindringt. Der Parkplatz an der Brücke über den Schalderer Bach ist eher klein und der frühe Vogel hat daher den Vorteil.

Parkplatz am Ende des Talkessels von Schalders

Die Kehre der Gemeindestraße bei der Kirche in Schalders führt noch ein paar Hundert Meter weiter hinauf, bis eine Abzweigung links Richtung „Schrüttenseen – Schrotthorn“ den weiteren Weg taleinwärts vorgibt. Die schmale Straße erreicht einen Hochpunkt, fällt wieder ab und führt zuletzt als Schotterstraße bis zum Parkplatz. Bereits vor der Kirche kann das Schrotthorn über den Talschluß aufragend betrachtet werden.

Das Schrotthorn bereits zu sehen

Jenseits der Brücke beginnt die Tour auf freiem Gelände, taucht aber nach der Querung eines Forstweges in den Wald neben dem Bach ein und führt in einem Hohlweg anfänglich steil, dann flacher bergauf. Bereits auf der freien Fläche nach der Brücke kann ein Teil des Gipfelbereiches zwischen den Waldrücken eingesehen werden.

am Almweg taleinwärts

Im flacheren Teil führt der Weg – er trägt die Nr. 4 – durch dichteren Wald, über den bei unserer Begehung einige Hindernisse an Windwurf zu überqueren sind. Offenbar hat die Zeit nicht mehr gereicht den Weg freizuschneiden und die Baumstämme zu entfernen. Die Hürden sind zwar lästig, aber kein Grund zu verzagen, angesichts der tollen Szenerie des weiteren Routenverlaufes.

Hang vom Schrotthorn herunter mit Brücke über den Schroatbach

An der Brücke des Kammerbaches dreht die Aufstiegsrichtung von West nach Südwest. Der Wald wird etwas lichter und der Weg wieder etwas steiler. Auf diesem Teil wird eine Brücke über den „Schroatbach“ überquert, wie eine Tafel neben der Brücke mitteilt. Die Bezeichnung „Schroat…“ gab dem Autor – immer interessiert an der Entstehung von alpinen Flurbezeichnungen – Anlass zur Nachforschung, ob denn nicht ein Zusammenhang zwischen der offensichtlich noch ursprünglichen Bezeichnung des Baches und des Berges „Schrotthorn“ besteht.

Aufstieg über den Sommerweg im Wald

Tatsächlich ist es nach Mader1 so, daß für den Bach die originale, örtlich entstandene Bedeutung des Bergnamens, aus dem selbiger entspringt, beibehalten wurde, der Bergname aber aus der Dialektsprache zu „Schrott…“eingedeutscht worden ist: „die Schroat“ – die beim Abstücken (schroten, hauen) von Holz entstehende Scharte. Die Namensgebung nach Schöpf abgeleitet von der Form des Berges mit der Kerbe am Gipfel.

erste Sonnenstrahlen gegen 9 Uhr

Ein paar Minuten nach dem Schroatbach wird eine Wegverzweigung erreicht. Der Fahrweg führt über den Schalderer Bach links weiter und der Sommerweg, oder besser -steig, behält die parallele Richtung rechts neben dem Bach steil bergauf bei. Der interessantere und kürzere Sommersteig empfiehlt sich für den Aufstieg im Wald mit sehenswerten alten Lärchen, den Fahrweg nahmen wir für die Abfahrt.

das Gelände wird ab 2.000m lichter

Über einige Serpentinen zieht der Sommersteig im Wald bergauf und im oberen Drittel erreichten wir einen Rücken, der gegen 9 Uhr vormittags zu Anfang Februar bereits unter Sonne steht und einen tollen Ausblick auf das Gaishorn und das Talende bietet. Linkerhand die zur Pfossisalm gehörende, abgezäunte freie Almfläche.

schönes Aufstiegsgelände

In der Sonne steigt es sich mental natürlich weit angenehmer über den schönen Südhang mit dünner werdender Vegetation ab 2.000m auf. Die Lärchen weichen den noch robusteren Zirben und etwa 100Hm später verschwinden auch diese letzten Bäume am Weg zur Schalderer Scharte, deren Lage am vorausliegenden Saum zwischen Weiß und Blau durch die Richtung des Grabens links unterhalb des Hanges immer deutlich hervortritt.

rechts das Schrotthorn

Weiter führt die leicht steigende Route am Südhang durch herrliches Gelände über eine Kuppe in eine weite Mulde. Diese wird nahezu ohne Höhengewinn durchquert und am Ende dieser vereinigt sich das Gelände wieder mit dem Graben, in den später abgefahren wird, aus dem aber auch aufgestiegen werden kann, wenn man weit unten nicht den Sommersteig wählt, sondern am Almweg aufsteigt.

am Aufstieg durch eine Mulde, die in den Graben zur Scharte übergeht

Das Gelände läßt während der Durchquerung zur Rechten eine tolle Aussicht auf das Schrotthorn zu, zur Linken die Aussicht auf das Gaishorn und auf den nächsten Etappenpunkt, die Schalderer Scharte, die früher bzw. in der einheimischen Bezeichnung auch das „Durnholzer Gatterle“1 genannt wird.

Übergang aus der Mulde in den Graben

Im Graben angekommen fehlen noch etwa 100Hm auf die Scharte, die unter ständigem Blick auf ein aperes, die Jochhöhe markierendes Steinmandl, hoch aufragend und sorgfältig auf einem Felsklotz aufgeschlichtet zurückgelegt werden.

Aufstieg im Graben zur Scharte

Bei unserer Begehung blies der böige Westwind, der im Norden des Landes eine Tiefdruckfront heranführte, vor allem im Bereich der Scharte selbst ganz ordentlich. In dieser Düse wollten wir uns nicht aufhalten, sodaß wir noch vor der Schartenhöhe ohne Pause rechts in Richtung Schrotthorn zum Gipfelhang abbogen.

der Jochwind am Schneesaum erkennbar

Das Gelände steigt nördlich ein paar Minuten über eine recht flache Strecke zum Gipfelaufbau hin an. Die bekannte Erfahrung der Veränderung der Schneeoberfläche mit zunehmend stumpfer werdendem Strahlungswinkel auf Südhängen trat am Weg dorthin schon in Erwartung.

Aufstieg zum Gipfelhang aus der Schalderer Scharte gesehen

Die ständige Sonnenbestrahlung an diesem schönen, offenen Südhang zeigte sich im steileren Bereich mit einer recht kompakten Schmelzkruste mit oberflächlich abstehenden, schuppenartigen Eisbildungen, die nicht so unangenehm zu begehen waren als sie anfänglich den optischen Eindruck erweckten.

herrlicher Rückblick nach Osten

Durch die größer werdende Steigung ab etwa 2.450m gewann der feste Halt des Schis ohne Harscheisen an Bedeutung und dies funktionierte überraschenderweise gut, trotz dem Gekruspel2 unterm Schi, das durch abgebrochene, beim Abrutschen glasartig klingende Eisfutzel2, die über die raue und harte Oberfläche zu Tale fuhren, entstand.

zunächst flacher Anstieg zum Gipfelhang

Die eindrucksvoll zu beobachtende Bergwelt rund um den Gipfelhang, vor allem gen Südosten, verleiht der Schitour auf das Schrotthorn zum Abschluß noch einen Hauch an Exklusivität.  Jede Wendung durch Spitzkehren wurde zum Einfangen neuer Details der umliegenden Bergwelt genutzt.

steiler Aufstieg am östlichen Teil des Gipfelhangs

Wir zogen es vor über den steileren Bereich (östlich) dem flacheren rückenähnlichen, dafür aber vermehrt steindurchsetzten Gelände (westlich) aufzusteigen, wie am Bild ersichtlich.

Im Hintergrund von Evi die Dolomiten, mittig im Bild unverwechselbar Langkofel, Grohmannspitze und Plattkofel

Auf den letzten 80Hm verflacht der Hang gegen den Gipfel hin merklich. Aperes Gelände wurde häufiger, nicht aber störend für die Wahl von Aufstieg und Abfahrt. Bereits beim Auftauchen des Gipfelkreuzes im Anstieg fällt einem dessen immense Größe auf.

am flacher werdenden Teil des Gipfelhanges, im unmittelbaren Hintergrund die Kassianspitze

Mit dieser Größe verbunden ist – bei näherer Betrachtung auf den letzten Aufstiegsmetern – die Botschaft der eingeschnitzten Widmung, die sich mittlerweile 50 Jahre gehalten hat, oder besser, die damals zur Offenbarung gelangte und, beklagenswerter Weise, heute jedoch wenig Bestand mehr hat. Dies als subjektive Empfindung, tatsächlich aber liegt die Einschätzung darüber im Ermessen des jeweiligen Betrachters.

letzte Meter zum beeindruckend hohen Gipfelkreuz

Ein geräumiges, nach Westen hin leicht schrägflächig steigendes Gipfelplatteau bietet viel Platz die umliegenden Alpenzüge mit Hunderten von Gipfeln eingehend zu beobachten.
Einzig die Aussicht auf den Norden war an diesem Tag eingeschränkt, bei unserer Ankunft kurz vor mittags befanden sich gute Teile der Ötztaler und Stubaier, sowie der Zillertaler Berge bereits in Nebeldunst und innerhalb der halben Stunde Aufenthalt verstärkte sich die Lage merklich.

Panorama am Schrotthorn beginnend im Südwesten

Unsere Aufmerksamkeit galt natürlich dem Bilderbuchblick nach Südosten auf die nahegelegen Dolomitengruppen, der für uns nicht alltäglich ist.

Panorama am Schrotthorn über Südosten

Im Südosten Sass Rigais, über Civetta, Piz Boé, Langkofel, Grohmannspitze, Rosengarten-, Schlern- und weiter südlich die Latemargruppe, ein einzigartiges Panorama, siehe Bildergalerie mit Gipfelbezeichnungen.

Panorama am Schrotthorn über Westen

Der Blick in den Südwesten reicht von der Brenta bis in die Adamello Gruppe in 100km Entfernung, sowie in Richtung Westsüdwest zur Zufallspitze und Monte Cevedale, sowie zur Königsspitze und zum Ortler, siehe Bildergalerie mit Gipfelbezeichnungen.

Panorama am Schrotthorn über Nordwesten

Leider war die Aussicht wegen der Eintrübung von Westnordwest bis Nordost nicht so berauschend, wir konnten jedoch einige markante Gipfel ausmachen. Den höchsten in den Sarntaler Alpen, den Hirzer (2.781m) gleich auf kurzer Entfernung von 18km.

Panorama am Schrotthorn über Norden

Die hohen Gipfel dominieren in dieser Richtung vor allem in den Ötztaler Alpen welche da wären:  Tschigat, Lodner, Hohe Weiße, Hintere Schwärze, die Seelenkögel, Großer Ramolkogel, Hochfirst, Wildspitze (52km) und die Rofelewand (63km), siehe Bildergalerie mit Gipfelbezeichnungen.

Panorama am Schrotthorn über Norden

Im Nordosten die Granden des Zillertaler Hauptkamms mit dem den Wolfendorn ganz im Westen, Kraxentrager, Wilde Kreuzspitze (mit 3.135m die höchste Erhebung in den Pfunderer Bergen), Hochferner und Hochfeiler, Hoher Weißzint, Großer Möseler, Turnerkamp, sowie der Großvenediger in 76km Entfernung, siehe Bildergalerie mit Gipfelbezeichnungen.

Panorama am Schrotthorn über Nordosten und Osten

Mit fortschreitendem Vormittag wurde auch der Westwind schwächer und während der Gipfelrast wurde der Aufenthalt am Schrotthorn immer angenehmer.

Panorama am Schrotthorn über Südosten

Durch die Schneedecke im Gipfelbereich lugte Astholz hervor, was zunächst in dieser Höhe verwunderte. Wer aber ein wenig bewandert im Brauchtum der Südtiroler Bevölkerung ist, dem fällt dazu gleich der Gedanke ein, daß diese „Vorräte“ ihre Bestimmung für das nächste Herz-Jesu-Feuer haben werden (welches auch bei der Recherche zu diesem Bericht mit einem Foto von dem schriftlichen Aufruf: „…Das Schrotthorn ist das Ziel – trag Holz hinauf – ist gleich wieviel!“ mit Reißnägeln auf einen Baum genagelt im Internet bestätigt wurde).

Blick hinab ins Schalderertal

Die Abfahrt über den traumhaften Südhang gestaltete sich für uns im oberen Teil durch die stark umgewandelte Schneeoberfläche als etwas ruppig, aber, aufgrund der enormen Breite, der interessanten Steilheit und vollkommenen Einsehbarkeit kann die Befahrung durchaus als Erlebnis verbucht werden.

Abfahrt über den ruppigen Gipfelhang

Ein weiteres Highlight erwartete uns am Ende des bärigen Gipfelhanges in der Schalderer Scharte. Dort gibt es nicht nur den hundertfach im Internet gezeigten Wegweiser mit eigentlich entbehrlichen Hinweisen, wenn man sich auf sein Bergerlebnis vorbereitet hat, es gibt dort auch ein wunderbares Bildstöckl, das wahrscheinlich bereits viele Dutzend Jahre überdauert hat und dessen Aura einen besonderen Seelenschmaus darstellt.

schönes Marterl auf der Schalderer Scharte

Das Marterl zeigt aufgrund seiner Attribute – so die Nachforschung des Autors mit seinen verschwindenden Kenntnissen der Kirchengeschichte – den Heiligen Nepomuk. Warum gerade dieser Heilige, dessen Wirken in Böhmen stattfand, auf der Schalderer Scharte verehrt  wird, konnte nicht ergründet werden. Eine mögliche Erklärung wäre, daß er als „Brückenheiliger“ gilt (er wurde in der Moldau zu Prag ertränkt) und vielleicht sah man in der Scharte symbolisch auch eine Art Brücke nach Durnholz.

durch den Graben hinab in Pulverschnee

Die Figur bildet mit dem Bildstock selber eine geometrisch ansprechende Einheit, die farbliche Erscheinung des Schnitzwerkstoffs der Figur dürfte Zirbe sein, jener des Bildstocks aus wetterfester Lärche. Daß man Marterln heute noch Bedeutung und bisweilen Macht beimisst zeigt sich in sorgsam beigelegten Erikastängeln, die den Herbst- und Winterstürmen bis in den frühen Februar getrotzt haben.

Abfahrt im Graben zur Pfossisalm

Ab der Scharte durch das grabenartige Tal zur Pfossisalm hinab fanden wir tolle Pulverschneeverhältnisse vor. Die wenige Tagesbeleuchtung durch die Abschattung des Grabens durch das Gaishorn und die niedere Wintersonnenbahn machte es möglich. Etwa 350Hm Abfahrt mit Schneestaub bis zum flachen Almgelände wurde uns zur Freude.

tolles Fahrvergnügen

Am unteren Ende des Almgeländes auf 1.951m steht das recht neu erbaute Almgebäude der „Pfossis Alm“ und auch für diesen Flurnamen gab es ein Ergebnis in der Nachforschung. „Pfasses“ als Lagebezeichnung beschrieb im 15.Jhdt. eine Wiese (pratum) in „Schallers“1, („B[au]w[erk] gegen das Durnholzer Gatterle“) also auch für die Alm eine Erklärung zur Benennung der Alm.

ohne Worte

An der Alm mit der schönen, als Druckblattverbindung zimmermannsmäßig ausgeführten Eckverbindung der Wände, entschieden wir über den Weg abzufahren. Der Schnee im Wald auf der Sonnenseite gegenüber, über die sich der Sommerweg zieht, den wir beim Aufstieg genommen haben, war bereits zu sehr gesetzt und kompakt, sodaß dies kein besseres Abfahrtserlebnis versprach.

im unteren Teil des Grabens mehr Schatten und natürlich weiter unter Pulver

Über den Almweg geht es 200Hm hinab, bis dieser über den Schalderer Bach führt, an dem der Sommerweg im Aufstiegssinn rechts durch den Wald beginnt. Weiter führt die Abfahrt entlang des Weges bis zum Ausgangspunkt am Parkplatz.

Pfossis Alm gegen Schrotthorn rechts

Der Weg im Wald im unteren Teil stellte dann nochmals die Prüfung über die zahlreichen Bäume zu fahren bzw. jene zu überschreiten. Weiters bot der letzte steile Teil des Aufstiegs eine Prüfung an die Oberschenkel, da er aufgrund der Schmalheit zum Teil im Pflug abgefahren werden mußte.

Abfahrt über den Almweg

Insgesamt benötigten wir für die landschaftlich interessante und kurzweilige Tour 4:03 Stunden. An Aufstieg sind  1.120Hm zu bewältigen, die Streckenlänge beträgt kurze 5km.
Die Tour empfiehlt sich für den Nordtiroler durch ihre Lage weit genug südlich des Alpenhauptkammes bei zweifelhaftem Wetter von West bis Nord.

Wegverzweigung: rechts Sommerweg (Aufstieg), links Almweg (Abfahrt)

Am Parkplatz erkundigten wir uns bei einem Einheimischen nach einem Gasthaus zur Einkehr in Schalders. Dort sei wegen zu wenig Besuch keines mehr geöffnet ließ er uns wissen, jedoch im Ort mit dem klingenden Namen Spiluck wären ein paar Gasthäuser, die wir aufsuchen sollten, ein paar Minuten wären wir von der Hauptstraße dort hin unterwegs.

eine der Hürden am Rückweg durch den unteren Teil des Waldes

Gesagt getan erreichten wir Spiluck nach 3km und 400Hm! von der Abzweigung. Das Dorf erschien wie ausgestorben und die ersten drei Gasthäuser waren alle geschlossen. Schon dachten wir, daß wir „gepflanzt“2 worden wären, fuhren aber trotzdem noch zum höchstgelegenen Gasthaus, dem Gostnerhof hinauf und folgtem dem Schild von der Gemeindestraße hinab zum Hof.

Schalderer Kirche vor dem Schrotthorn, leider schon unter Wolkeneintrübung

Kein einziges Fahrzeug parkte dort und so sahen wir unsere Hoffnung schwinden. Trotzdem beschlossen wir zu probieren ob der Gostnerhof geöffnet wäre und traten in die Stube ein, die, zu unserer völligen Überraschung bis auf einen Tisch ganz hinten voll besetzt war. Sofort wurde uns klar, daß der Gostnerhof der Geheimtipp der Einheimischen sein mußte und so war es dann auch. Selbstgemachte Schlutzkrapfen und Krautsalat „als Hauptspeise“ in einer Fülle am Teller die wir zuvor noch nicht gesehen haben, sowie eine feine Flasche Wein Lagrein ließen keine Wünsche offen.

im Gostnerhof

Den Gostnerhof zu Spiluck können wir als ein „Muß“ und würdigen Abschluß einer der Touren von Schalders aus unbedingt empfehlen (geöffnet das ganze Jahr über, außer Mittwoch und Donnerstag, wie uns die Wirtin wissen ließ und es gibt auch eine Homepage).

Mils, 02.02.2020

1 Ignaz Mader, 1938: Die Ortsnamen des alten Gerichtes Salern
2 als Autor von Bergerlebnissen nimmt sich der Autor das Privileg heraus Termini zu (er)finden, die einer strengen Prüfung der deutschen Sprache möglicherweise nicht im Ansatz standhalten würden, die andererseits jedoch die Situation treffend beschreiben sollen.

 

Schitour Hohe Kreuzspitze, 2.743m

Der höchste südlich gelegene Berg in den Stubaier Alpen ist die formschöne Hohe Kreuzspitze in der Botzergruppe in Südtirol. Der Ausblick von ihr ist phantastisch und als Schitour erlebt man einen wirklich abwechslungsreichen, hochalpinen Aufstieg über 1.320Hm mit zwei Steilpassagen. Ein Vorteil der Tour liegt in der Ausweichmöglichkeit auf die Kleine Kreuzspitze, sollte das Wetter oder die Lawinenwarnstufe es erzwingen.

der Autor auf der Hohen Kreuzspitze, 2.743m

Vom Start aus die Hohe Kreuzspitze nicht im Mindesten einsehbar beginnt der Aufstieg im Ratschingser Ortsteil Flading, den man von Sterzing aus in etwa in 25min erreicht. Der Parkplatz an der kleinen Kapelle hat eine gute Kapazität und als wir gegen 8:15 Uhr eintrafen, war die Hälfte der Parkplätze noch frei. Gebühren werden nicht eingehoben, freiwillige Spenden in eine Kassabox an der Brücke sind erwünscht.

der weiße, sonnenbeschienene Gipfel ist die Hohe Kreuzspitze

Nach der Überquerung der Brücke kann über den Forstweg im Bogen nach rechts aufgestiegen werden, oder, etwas kürzer wie unsere Route, über ein aufsteilendes freies Feld mit einem niedergebrochenen Zaun an der Waldgrenze.

Start bei der Kapelle in Flading

Im Wald wird dem Weg gefolgt, der gleichzeitig Abfahrt ist. Entsprechend ist er – wie alle schmalen Schitourenwege – mit Wannen und Kuppen durch Schwünge gekennzeichnet. Knapp 15min lang steigt man am Weg aufwärts bis sich eine Lichtung öffnet, die rasch in freies Almgelände übergeht.

Rückblick auf den Parkplatz Flading

Bald wird das Gelände auch steiler, einige Spitzkehren werden im Mittelteil durch die Felsenpassage und darüber hinaus notwendig. Mit uns keine kleine Schar von Tourenhungrigen, von denen später allerdings ein großer Teil zur Kleinen Kreuzspitze abzweigt.

am Ende des Waldwegs

Nach etwa einer Stunde Aufstieg erreichen wir etwa 50m unterhalb der Klammalm die aufgehende Sonne, was zu ersten guten Fotos und allgemeiner Freude in der Gruppe gereicht.

freie Almflächen breiten sich aus

Deutlich kann man am Bild der Klammalm erkennen, daß die ersten Herbstschneefälle den Süden bevorzugt haben, schätzungsweise liegt dort die doppelte Menge gegenüber dem Norden des Alpenhauptkamms.

kurzes steileres Stück zwischen den Felsen unterhalb der Klammalm

An der Klammalm und kurz nachher wird das Gelände etwas flacher und biegt nach links (südlich) in ein Tal ein, das durch die beiden Kreuzspitzen gebildet wird.

die malerisch gelegene Klammalm, 1.940m

Im Laufe der Kurve wird das schöne Ziel, die Hohe Kreuzspitze,  sichtbar und am Ende der Biegung auch die leichtere und um 225Hm niedere Kleine Kreuzspitze östlich der höheren Schwester. An dieser Stelle befindet sich auch die Verzweigung der Anstiege.

in der Kurve nach der Klammalm kurz vor der Abzweigung, dahinter das Stauwehr, das überschritten wird

Wir setzten auf der Dammkrone eines Stauwehrs über den Bach in Richtung auf die andere Talseite an der das Gelände zunächst flach, jedoch in Richtung Butsee hinauf bald steiler wurde. Der Aufstieg über die Flanke hinauf zur ersten Steilpassage dreht im oberen Teil nach rechts wodurch die gut 150Hm Steilhang vom Bereich des Stauwehrs aus noch nicht eingesehen werden können. Etwa 100Hm höher, auf 2.120m wird der Steilhang sichtbar.

Trinkpause – im Hintergrund von Stefan die Kleine Kreuzspitze

Die steile gemuldete Strecke liegt zwischen den Schrofen des Gratausläufers der Zermaidspitze und einem Felskopf eingebettet.

die Steilstufe nun sichtbar, ca. 2.150m

Die Hangneigung erreicht nach der – leider unbefriedigend – aufgelösten OSM Hangneigungskarte auf beiden Passagen Neigungen zwischen 35 und 39°, siehe Bildergalerie. Bei entsprechenden Schneeverhältnissen und der Lawinenwarnstufe drei ist die Tour auf die Hohe Kreuzspitze also nicht mehr sicher ausführbar. Wichtig ist auch die Beachtung der Exposition – der untere Steilhang ist ein Osthang, der obere ein Westnordwesthang.

in der ersten Steilstufe, sie führt zum Butsee

Am Ende der Steilstrecke ist der Butsee erreicht (der im Winter natürlich nicht sichtbar ist). Das Gelände dort ist flach, der weitere Tourenverlauf führt zunächst sogar mit einigen Metern Verlust gegen die schön kupierte und moderat steiler werdende Landschaft hin.

Rückblick von der Hälfte der Steilstufe

Rechts, westlich, bei den Seen zieht eine schöne breite Rinne in Richtung Zermaidspitze hinauf – das Wasser rann bei ihrem Anblick in Flexens Mund zusammen, er wäre höchst angetan gewesen sie als zweites Tagesziel zu befahren.

die Gefahr von dieser Flanke soll bei dementsprechenden Verhältnissen nicht unterschätzt werden

Als Ziel muß sie generell recht beliebt sein, denn leider war sie bei unserer Rückkehr schon weitestgehend zerfahren, sodaß der nicht mehr jungfräuliche Hang das Interesse schwinden ließ – allein die Lehre blieb die Reihenfolge nächstens umzukehren.

Flex vor der tollen Rinne zu einem unbenannten Joch

Am Butsee befindet sich ein Baumstamm mit einer schönen Schnitzerei die eine mittelalterliche Jagdszene nachstellt (Jäger mit Armbrust, seine Hunde und ein mächtiger Hirsch). Diese Szene wurde an den Endpunkt des sog. Pfeifer-Huisele-Wegs gesetzt, der am Butsee endet.

Endpunkt des Pfeifer-Huisele-Weges mit geschnitzter Jagdszene des

Sagenmeister Pfeifer Huisele war eine in Flading ansässige Südtiroler Sagengestalt über die mehrere leicht unterschiedliche Berichte im Internet zu finden sind.  Wie immer steckt auch ein Teil Wahrheit in den Sagen, die sich um „es“ – das Pfeifer Huisele (oder auch Huisile) – ranken. Den geschichtlich vermutlich besten Bericht haben wir hier verlinkt, er ist als Denkstoff bei der phantastischen Schitour bestens geeignet, verbindet er doch die dortige Natur mit ein bisschen heimischer Geschichte.

Rückblick auf den Butsee, rechts davon hinter der Kuppe die Steilstufe

Weiter führt das interessante Gelände ab dem Butsee auf 2.340m über schöne Kuppen und Mulden mit Licht- und Schattenspielen, hervorgerufen durch die nieder stehende Dezembersonne, in das weite Kar vor dem Steilhang am Gipfelaufbau auf etwa 2.620m.

abwechslungsreiches kupiertes Gelände

Bevor die Route jedoch auf das Kar hinauf biegt vollzieht der Aufstieg einen Halbkreis bei dem der westlich begrenzende Kamm zwischen der Hohen Kreuzspitze und der Zermaidspitze, der an dieser Stelle nur etwa 100Hm höher ist als der Aufstieg, tangiert wird.

über eine leichte Senke führt die Route im Bogen an die rechte Geländebegrenzung heran

Erwähnenswert ist diese Passage aufgrund der Tatsache, daß sich bei unserer Begehung Tourengehrer auf der Kammhöhe befunden haben, unsere Gruppe ziemlich gleichzeitig darunter im Kar und die ersten aus unserer Gruppe ums Haar an der unteren Begrenzung eines mittleren Schneebretts flüchten konnten. Es reichte bis zum Hangfuß mit einer Anrissbreite von gut 100m aber nur geringer Anrissmächtigkeit und Anrisslänge.

Schneebrett vom Hang der rechten Geländebegrenzung herab – unmittelbar vor dem Foto unhörbar abgegangen

Glücklicherweise befand sich die Aufstiegsspur weit genug am Rand des Hangfußes, sodaß die Kollegen mit einem Warnschrei flüchten konnten. Der Autor als Nachkommender, der den Warnschrei hörte, fand bei seiner Ankunft, etwa zwei Minuten später, eine vom Schneebrett verlegte Aufstiegsspur vor und staunte nicht schlecht. Zu hören und zu sehen war zum Zeitpunkt des Abgangs rein gar nichts obwohl die Entfernung vielleicht 200m betragen hat.

bei der Abfahrt das Schneebrett nochmals betrachtet – unten rechts die Aufstiegsspur

Alles in allem eine Situation, die glimpflich ausgegangen ist. Ob die Leute am Kamm in die Auslösung involviert waren konnte nicht festgestellt werden. An diesem Tag herrschte für dieses Gebiet die Stufe 2 (über der Waldgrenze) mit „leicht auslösbaren Triebschneeansammlungen…die Gefahrenstellen mit der Höhe zunehmend…und allseitiger Exposition“.
Jedenfalls sei jedem geraten unter diesem Hang bei entsprechender Beschreibung im LLB mit Vorsicht zu queren.

die zweite Steilstufe zur Scharte vor der Hohen Kreuzspitze

Nach dieser Erfahrung knapp unterhalb des steilen Hangs stiegen wir auf den Karboden auf, der ein kurzes Stück flach zum zweiten Steilhang der Tour überleitet.
Der zweite Steilhang ist etwas kürzer, schätzungsweise etwa 100Hm und wie schon beschreiben ein Westnordwesthang, der im Dezember keine Sonnenbestrahlung abbekommt und wahrscheinlich kaum den Winter über.

Stefan am Karboden auf etwa 2.600m, links dahinter das Schneebrett am Gegenhang

Daß auch dieser Hang bei entsprechenden Verhältnissen ein nicht unproblematischer sein kann zeigt ein Bild von Almenrausch (Bildergalerie Tour vom Passeiertal auf die Hohe Kreuzspitze). Die Tour übrigens vom Passeiertal muß auch eine ganz tolle sein, für Nordtiroler allerdings eine Weltreise.

in der Scharte oberhalb des Steilhangs; man sieht Tourengeher vom Passeiertal über die Scharte aufsteigen

Bei unserer Begehung war der Hang von den Vortagen jedoch völlig verspurt und hart gepresst, keine Gefahr durch Schneebretter also.

Hohe Kreuzspitze von der Scharte aus gesehen, Abstand kaum 200m

Am Grat angelangt sticht sofort das Ziel ins Auge – das vorübergehend nach dem Butsee aus dem Blickfeld verschwindet – die Hohe Kreuzspitze befindet sich etwa 150m südöstlich und ist durch einen Graben von der Gratscharte entfernt – ein imposanter Anblick.

die kurze Strecke die abgefahren werden muß – unten Kollege Martin mit Gattin, die bereits auf deren Rückweg angetroffen wurden

Zum überqueren des Grabens muß schätzungsweise 20Hm abgefahren werden. Mit Fellen war das – wie immer bei solchen Aktionen – ein akrobatischer Akt mit schlechten Haltungsnoten, die aber nur über wenige Höhenmeter notwendig sind und kein Abfellen rechtfertigen.

die Schrofen unten müssen unterfahren werden, aufgefellt gut machbar

Der Restaufstieg zur Hohen Kreuzspitze über die Einsattelung durch den Graben ist eine Angelegenheit von kaum zehn Minuten. Ein schönes Edelstahlgipfelkreuz erwartete uns auf 2,743m und ein gut besuchter, aber nicht vollends überfüllter Gipfelbereich.

letzte Höhenmeter zur Hohen Kreuzspitze

Ein atemberaubender Blick vom Südwesten bis zum Nordosten eröffnet sich auf der Hohen Kreuzspitze.

Flex auf der Hohen Kreuzspitze

Von der Hochwilde (3.482m), gemeinsam mit dem Similaun (3.606m) der südlichste Punkt Nordtirols bis über die hohen Ötztaler im Nordwesten –

Blick gen Südwesten – Bildmitte Hochwilde (3.482m)

Über die Stubaier mit dem Zuckerhütl, der Sonklarspitze und dem Botzer im Norden –

Blick auf die zentralen Stubaier im Norden – rechtes Bilddrittel zeigt das Zuckerhütl (3.507m) und weiter rechts den Botzer (3.251m)

über die Tribulaune im Nordwesten –

der Nordosten – von Botzer links bis zur senkrechten unverschneiten Südwand des Pflerscher Tribulauns (3.097m) rechts

die Pfunderer Berge und dahinter die hohen Zillertaler im Osten –

im Osten die Pfunderer Berge mit den hohen Zillertalern dahinter

die Dolomitengruppen im Südosten –

die Dolomitengruppen im Südosten

und die Brentagruppe im Südwesten hinweg (siehe auch Bildergalerie).

Blick gen Süden und Südwesten – links das Passeiertal nach Meran, Bildmitte und rechts davon die Brentagruppe

Unmittelbar im Osten führt der Grat von der Hohen auf die Kleine Kreuzspitze, ein leichteres Schitourenziel und im Sommer eine interessante Gratüberschreitung, wie Roman von Hikalife schreibt.

der unmittelbar nächste Gipfel unter der Hohen Kreuzspitze ist die Kleine Kreuzspitze (2.518m) in knapp 1.400m Entfernung

Nachdem Stefan eingetroffen ist, Höhenmedizin verteilt wurde, Fotos angefertigt und wir zur Abfahrt gerüstet hatten ging es auf dem durchaus angenehm zu fahrenden Gipfelhang zurück zur Scharte gegenüber.

Stefan auf der Hohen Kreuzspitze

Das Tretteln über die wenigen Höhenmetern war wie immer unangenehm, aber auch der Rückweg rechtfertigt keine andere Fortbewegungsweise, sofern der Aufstieg rampenartig präpariert ist und man nicht im Schnee versinkt. Der Steilhang war passabel zu fahren angesichts der Massen, die ihn vorher schon bearbeitet hatten.

gegenüber links bis Bildmitte in 1.800m Entfernung die Zermaidspitze (2.798m) und in 2.300m Entfernung der Ratschinger Weißen (2.822m), beide mit Gipfelkreuz

Nach dem Flachstück im Karboden inspizierten wir nochmals das Schneebrett bevor wir über die nun schön im unverfestigten Altschnee ohne nennenswerten Harschdeckel zum Butsee abzufahren. Dieser Teil der Abfahrt war auch durch wenig Spuren am breiten Hang ein bäriges Erlebnis.

links die neu angelegte Spur, etwa drei Meter neben der Originalspur

Das Steilstück nach dem Butsee war natürlich sehr verspurt, dennoch aber akzeptabel abzufahren und auf der folgende flachere Passage bis zum Stauwehr herrschten wieder dieselben guten Verhältnisse wie im oberen Teil bis zum Butsee.

der Gipfelsteilhang mit der Scharte gegen mittags – wenig Sonne dürfte hier den Winter über einstrahlen

Nach der Klammalm querten wir weit nach Osten, fast bis zum orografisch rechten Rand der Almfläche, und fanden dort im oberen Teil noch gut fahrbare unverspurte Flächen vor, die aber rasch in Bruchharschgelände übergingen.

über die Dammkrone des Stauwehrs am Rückweg

Im Wald hieß es nochmals alle Künste der Technik auf der Steilkurvenbahn am Weg auszuspielen, um nicht hinauskatapultiert zu werden. In Summe eine schöne Abfahrt mit tollem Beginn und kraftraubendem Ende.

die malerische Klammalm – im Hintergrund die Hohe Ferse (2.669m)

Die Schitour mit 1.320Hm und 5,7km Länge haben wir in 4:36h bewältigt.

Erläuterung zu den Panoramabildern Südwest bis Nord – Entfernungen vom Gipfel der Hohen Kreuzspitze:

Panorama von der Hohen Kreuzspitze in Richtung Westsüdwest auf die Grenzberge der Ötztaler

Hochwilde 17,8km
Hochfirst 10,7km
Ramolkögel 19,2km

Panorama von der Hohen Kreuzspitze in Richtung Nordwest auf die zentralen Ötztaler und die zentralen Stubaier

Wildspitze 26,7km
Timmelsjoch 10,5km
Zuckerhütl 13km
Botzer 8,6km

Mils, 15.12.2019

Schihochtour Monte Cevedale und Zufallspitze vom Martelltal

Beide Gipfel im Grenzgebiet zwischen Südtirol und der Provinz Sondrio (Region Lombardei) gelegen bilden eine klassische Runde als Schihochtour – wir unternahmen die eindrucksvolle Runde mit Anstieg auf den Monte Cevedale und weiter zur Zufallspitze mit Abfahrt über den Fürkeleferner.

der Autor am Monte Cevedale, 3.769m

Das Martelltal – seine Namensgebung verdankt das topografisch imposante, 27km lange Tal höchstwahrscheinlich den Bergbauaktivitäten im 15. und 16. Jhdt. und durch den Begriff des Schlägels, vom lateinischen „Martellum“, dem Hammer der Bergknappen dürfte sich der Talname ableiten – ist heutzutage leider viel zu schnell durchfahren, um das Ziel als Ausgangspunkt der Tour, den Parkplatz zwischen den Gasthöfen Enzian und Schönblick zu erreichen.

Abmarsch vom Parkplatz Richtung Zufallhütte

Ohne körperliche Anstrengung werden bei der Anreise mit dem Fahrzeug aus dem Vinschgau in kürzester Zeit 1.350Hm zurückgelegt – von Kote 700m bis auf 2.050m, von der aus die eindrucksvolle Rundtour über zwei Gletscher und zwei nennenswerte Gipfel mit bewegter Geschichte an deren Gletschern gestartet wird.

netter Anstieg durch Lärchen- und Zirbenwälder

Wer gegen Mittag am Parkplatz eintrifft findet schon wieder Platz, da die meisten örtlichen Bergsteiger bereits zurückkehren, so ist es uns ergangen. Ohne Hast am Vormittag gestartet erreichten wir gegen 12:30 den Parkplatz und stiegen bei herrlichem Wetter im leichten Shirt durch den Zirbenwald zur rund 200Hm höher gelegenen Zufallhütte auf.
Die Bezeichnung „Zufall“ für Hütte und dem langen Ferner wurde abgeleitet von einem Wasserfall der „dem Tal zu fällt“, entnimmt man der Literatur.

phantastisches Martelltal

Die Zufallhütte eignet sich gut als Ausgangspunkt bei einer Spätankunft, da der Aufstieg dorthin sehr kurz ist und bei später Ankunft auch ein Parkplatz gefunden werden sollte. Die Tour von hier würde dann mit 1.700Hm eine lange sein.

Zufallhütte, 2.265m

Oberhalb dieser Stufe wird das Tal flach. Links erblickt man die 1891/92 errichteten Schutzbauten – einen massiven Steindamm – gegen den zu schnellen Abfluss der Wässer des Plimabaches, rechts davon erfolgt der Aufstieg bzw. die Flachstrecke vor der knapp 300Hm messenden Steilstufe auf den Ansatz des Zufallferners mit der geschützten Martellerhütte am Plateau unterhalb der Konzenspitze.

welche Pracht, der Zufallferner mit der Zufallspitze am Ende des Martelltales

Ab dieser Stufe zieht der lange, flach steigende bis mäßig steile Anstieg zur Casatihütte hinauf.

in der Steilstufe unterhalb der Martellerhütte

Spätestens nach einer halben Stunde auf dem klassisch monotonen, aber dafür sehr ruhigen Gletscheranstieg beginnt das sich ungewohnte Gewicht des Rucksackes mit begleitenden Kopfrechnungen über die bereits zurückgelegten Höhenmeter in das Gehirn einzuschleichen und dadurch treten die mittlerweile schmerzenden Achseln deutlich unangenehm dauerhaft ins Bewußtsein. Knapp vor der Geländekante auf ca. 2.750m mußte die vereinbarte Übergabe des Seiles eingefordert werden, um den gut 25kg schweren Rucksack spürbar zu erleichtern.

Am Zufallferner angelangt

Mit verminderter Nutzlast wurde der Anstieg über die restlichen 500Hm zumindest für meine Schultern leichter erträglich. Gesamt sind vom Parkplatz bis zur Casatihütte 1.230Hm zu überwinden, der Scheitelpunkt liegt bereits vor der Hütte, die auf 3.254m leicht tiefer liegt.

der Rucksack mit ungewohnter Beladung macht sich bemerkbar

Am Scheitelpunkt rechts (nördlich) dem langen, breiten und durchaus beeindruckenden Zufallferner, der zu Anfang April noch vollkommen schneebedeckt ist, im Sommer aber durchaus Spalten aufweist, wie die Bilder in der Galerie (aus der Webseite der Gemeinde Martell, siehe Bildergalerie) aus 2014/15 zeigen gelegen, befindet sich die Felsklippe „Tre Cannoni“ unterhalb des Gipfels des Eiskofel auf 3.275m.

Dreitausender um das Martelltal – hier der südöstliche Kamm

Die Namensgebung des eisfreien kurzen Kammes am Rande des Geländeabbruches zum Langerferner hinab birgt dunkle Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, die sich dieser Tage zum hundertsten Male jährt.

die Felsklippe „Tre Cannoni“

Auf dem Kamm befinden sich im Abstand von etwa 60m, leicht tiefenversetzt, drei Haubitzen italienischer Provenienz, die die Kaiserjäger an einer der Isonzoschlachten erbeutet haben und hier zum Beschusse wichtiger Übergänge in der Ortlergruppe auf diese kleine, eisfreie Geländekante verbracht haben.

läßt staunen obwohl davon bei den Vorbereitungen gesprochen wurde – die erste der drei Haubitzen

Bei erster Betrachtung der unglaublichen Begegnung kann die auffallend massive Erscheinung – die Dimension des Gewichtes – der rostbraunen Ungetüme gar nicht richtig eingeschätzt werden; die Rohre sind um einiges gewaltiger als die leichten PAK, die ich 1982 als Nachschubs-UO-Gehilfe in der Wattener Lizum betreuen mußte und ihre Erscheinung ist auf diesem besonderen Platz in einer gewissen Weise befremdend.

die Dimension der Waffe – gewaltig!

Der Text auf einer mehrsprachigen Informationstafel läßt grausame Bilder – die jeder lebende heute nur mehr aus den Medien kennt – vom Großen Krieg aufkommen; nach einem kurzen Moment fängt man sich glücklicherweise aber wieder und strebt dem flachen Gipfel des Eiskofels zu.

die Geschichte der drei Haubitzen – die Idee heute fast unvorstellbar

Vom Gipfelkreuz des Eiskofels bis zur Casatihütte brauchten wir nur mehr die 20Hm hinab zu gleiten und über ein paar Rippen erreichten wir gegen 17:30 die Hütte.

Stimmung gegen 17 Uhr am Scheitelpunkt des Zufallferners, kurz vor unserem Ziel, der Casatihütte

Die Casatihütte wird von zwei Brüdern betrieben und befindet sich seit vielen Jahren in Familienbesitz. Mit der Bergsteiger-Halbpension haben wir 60.-/Mann bezahlt. Als Tipp kann gegeben werden, daß eher Wein als Bier getrunken werden soll.

Casatihütte, 3.254m

Einerseits ist die Handhabung des Zapfhahnes eher schwierig, andererseits ist der Wein von guter Qualität und auch wesentlich günstiger.
Das Abendessen traditionell italienisch mit Nudeln als Vor- und mehrere Scheiben dünn geschnittenen Bratens als Hauptspeise – einwandfrei.

Abendstimmung vor der Casatihütte Richtung Südosten

Am nächsten Tag um sieben gibt es ein ebenso traditionelles italienisches Frühstück mit Weißbrot, Schinken, Käse und das süße Zeug.
Beim Frühstück freuten wir uns über den schönen Tag, der nicht nur angesagt war, den wir auch außerhalb der Hüttenfenster erahnen konnten, indem die Sonne den recht dunklen Gastraum erhellte.

Abmarsch die Erste

Wie immer, um mit einer gewissen Eile als erste von der Hütte wegzukommen, waren auch wir beim Frühstück kurz angebunden und erledigten rasch die Vorbereitungen zum Abmarsch.
Außerhalb der Hütte blies uns dann ein starker Wind um die Ohren, wenn auch nicht kalt, aber doch recht unangenehm. Der Blick zum Cevedale war mit einem Schlag keine Freude, denn von Südwesten her hat sich innerhalb der 40min für Frühstück und Vorbereitungen dichter Nebel um den Gipfel gehüllt, der lange flache Anstieg war kaum mehr sichtbar.

innerhalb von Minuten keine Sicht zum Cevedale mehr

Ohne großes Zögern stiegen wir aber von der Hütte auf, mit untereinander unausgesprochener Gewissheit, daß der Nebel sich verziehen würde, unbeirrt dem Wunsch folgend, das Ziel zu erreichen.
Spuren vom Vortag waren teilweise sichtbar, am Gletscher dann nicht mehr. Somit wurde die Navigation zu Hilfe gerufen und wir konnten noch 10min weiter aufsteigen, bis die Sicht dermaßen schlecht wurde, der Wind nichts an Fahrt verlor und der Nebel eher stärker wurde, daß wir beschließen mußten umzudrehen. Dies bereits nach ca. 200Hm und mit großem Unmut.

eine Stunde später Hoffnung durch Aufklaren aus Süden

Weil man aber am Berg auch warten können muß, lautete die Vorgangsweise eine Stunde zu warten und wenn sich keine nachhaltige Besserung einstelle, dann wird ein niedrigeres Ziel angepeilt. Dies deshalb, weil der Nebel nicht in die Tiefe vordrang und unterhalb ca. 3.300m die Sicht auch akzeptabel war.

nun sichtbar – links Zufallspitze, rechts Monte Cevedale

Sehnsüchtig an den Fenstern in der Hütte deutete jeder Einzelne von uns die kleinste Bewegung des Nebels in die eine und in die andere Richtung, meist ins Positive.

Anstieg von der Hütte über einen Gletscherrücken

Tatsächlich mußten wir keine Stunde warten bis sich von Südwesten unter Anhalten des Windes nachhaltige Besserung der Situation einstellte, sich der Nebel komplett verzog und die Sonne wieder zum Vorschein kam.

immer noch starker Südwind, jedoch erträglich kalt

Wir warteten das vollkommene Aufreißen der dichten Nebeldecke gar nicht richtig ab sondern bliesen zum Sturm auf den Gipfel und verließen die Hütte, wie auch andere Gruppen, die ebenfalls nach uns abgebrochen hatten.

ein gewaltig breiter Gletscher

Nun waren wir bei weitem nicht mehr die Ersten am Gletscher, einige Gruppen von der Martellerhütte und über den Langerferner herauf waren bereits vor uns angestiegen und säumten die Aufstiegsroute.

wir nähern uns dem Schidepot

Dies konnte unsere wiedergewonnene Freude aber keineswegs trüben. Spürbar akklimatisiert schien das Gewicht des Rucksackes keine so große Belastung mehr zu sein, als am Vortag.

einige Gruppen vor uns

Das Schidepot befindet sich eine einzige Spitzkehre auf dem Gipfelaufbau hoch gelegen. Von dort konnte nach links der Aufstieg über eine schmale Schneerinne durch die darüber und darunter gelegenen Eisfelder zur Zufallspitze genommen werden, oder rechts zu unserem Ziel, ein längerer Anstieg durch kurze Eispassagen auf den Sattel vor dem Cevedalegipfel.

Steigeisen – wozu haben wir sie mitgebracht

Wir beschlossen wie die meisten anderen mit Steigeisen weiter zu gehen. Die Schi wurden mitgenommen, da der Plan war, nach der Ersteigung der Zufallspitze über den Fürkeleferner wieder in Richtung Martellerhütte abzufahren.

an Hilli sieht man die Temperatur am Nordhang des Cevedale, der Wind noch ungebrochen

Vorweggenommen sei, daß es die Steigeisen nicht gebraucht hätte. Der Anstieg verlief zwar über die erwähnten Eispassagen, jedoch wäre dort aufgrund der Hangneigung ein gefahrloser Aufstieg auch ohne die Eisen möglich gewesen. Allerdings wiederum schätze ich den guten Halt dadurch auf der gesamten weiten Strecke.

der obere Teil wird immer flacher, dafür mit Eisflächen durchzogen

Über eine kurze weitere Gratstrecke ab dem Plateau im Sattel zur Zufallspitze wird der Monte Cevedale mit seinen 3.769m erreicht.

unter Wind noch 25m zum Gipfel

Der Gipfel war schon gut besucht als wir ihn betreten durften. Er war nicht überlaufen, aber wenn man seine Flanken betrachtete würde er dies an jenem Tag wohl noch werden.

der Autor am Monte Cevedale, 3.769m

Aus buchstäblich allen Richtung wurde er an diesem noch so gut gewordenem Tag bestiegen und zwar in Scharen. Eine kurze Rast mit Rundumblick gönnten wir uns nach den Gipfelfotos bevor wir das nächste Ziel jenseits des Sattels, die Zufallspitze ansteuerten.

Christian am Gipfel des Cevedale

Vorbei an einem furchtbar häßlichem Holzverschlag am nordöstlichen Gipfelplateau, dessen Zweck sich mir nicht erschloß, stiegen wir am leichten Gratrücken bis zur tiefsten Einsattelung ab (schätzungsweise ca. 80Hm), um den Aufstieg zur Zufallspitze zu nehmen.

Blick nach Osten zur Zufallspitze beim Abstieg

Der Sattel ist eigentlich ein scharfer abgestufter Grat, der jedoch südöstlich unterhalb der Gratspitzen umgangen wird, weil ungangbar.

im Sattel zur Zufallspitze

Jenseits des Sattels erfolgt der Aufstieg zur felsigeren Zufallsspitze in wenigen Minuten. Die Zufallsspitze ist mit 3.757m um 12m niedriger als der Cevedale, jedoch völlig anders im Gipfelaufbau geartet. Sie ist auf jeder Seite felsig und besitzt eine Gipfelfläche, die kaum einem halben Dutzend Bergsteigern Platz bietet. Entsprechend gut eingetaktet die Fotosessions jeder Gruppe.

Gipfelkreuz der Zufallspitze, 3.757m

Für uns war die Freude groß, daß die Ziele für diese Bergfahrt erreicht werden konnten; Vorbereitung, Anfahrt und Zeitinvestition sind bei dieser Tour ja nicht alltäglich.

Blick nach Süden zu Adamello und Brenta

Blicke bis zur Brentagruppe und Adamello im Süden waren an diesem Tag möglich. Im Nordwesten die formschöne Königspitze, im Norden die auslaufenden Ötztaler.

Rückblick auf den Cevedale

Nach kurzem Genuss der Landschaft machten wir uns auf den Rückweg. Dieser erfolgte für uns über den Grat südöstlich hinab zum Ansatz des Fürkeleferners. Auch hier waren in unserem Fall Steigeisen nicht vonnöten, sie leisteten jedoch gute Dienste und einen unbeschwerten Abstieg über rund 250Hm.

Abstieg von der Zufallspitze am Südostgrat

Nach der letzten Rast am Hochpunkt der langen Abfahrt ging es über ruppiges Gletschergelände rund 400Hm tiefer bis sich eine weichere Schneeoberfläche einstellte.

Hilli und der Autor

Über die letzte Steilstufe hinab bis in die flache auslaufende Zunge des Gletschers hatten wir sogar fast lockeren Pulverschnee, leicht zu schwingen und das Herz der Schifahrer unter uns schlug höher.

nach der Hälfte der Abfahrt über den Fürkeleferner

Über die Steilstufe unterhalb der Martellerhütte hinab sei empfohlen mit viel Anlauf abzufahren, um die Schiebestrecke im flachen Teil neben den Schwemmflächen der Plima möglichst kurz zu halten.

ein gewaltiger Gletscher

Die erste Handlung – unten angekommen – war sich aller Kleidung außer dem Shirt zu entledigen. Die Sonne heizte kräftig auf die Ebene und nur eine Minute mit angezogenem Anorak wurde unerträglich.

an der Flachstrecke bei den Schwennflächen des Plimabaches angelangt – die Sonneneinstrahlung kaum erträglich mit Gletscherkleidung

Trotz viel Anlauf bleibt der Kilometer Schiebestrecke doch noch eine gewisse Anstrengung im nassen Schnee, der die Schi nicht richtig laufen läßt.

Hilli rastet gemütlich bis wir eintreffen

Wieder an der Baumgrenze angelangt bezaubern die stämmigen Kiefern oberhalb der schön gelegenen Zufallhütte, die zum letzten Rückblick einlädt, jedoch brechend voll war.
Durch den Kiefernwald geht es dann über eine ausgefahrene Schiroute wie im Eiskanal bis zum Parkplatz zurück und das Martelltal verläßt man genau so schnell wie man sein Tiefstes erreicht hat, mit moderner Zeitnot, vorbei an den noch tief schlafenden Erdbeeren in den Gewächshäusern neben der Straße.

Schihochtour Cevedale und Zufallferner 7./8.4.2108

Die Streckenlänge vom Parkplatz bis zur Casatihütte beträgt 11km bei rd. 1.230Hm Aufstieg. Der Anstieg von der Casatihütte zum Cevedale und der Überschreitung zur Zufallspitze beträgt 600Hm, mit unserem Erstversuch des dann abgebrochenen Anstieges kamen wir auf gut 800Hm am zweiten Tourtag. Die Aufstiegsstrecke am zweiten Tag betrug ca. 3,3km

Mils, 08.04.2018