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Äußere Rigelkarspitze, 2.407m

Der letzte Gipfel der mir in dieser Kette mit all ihren Ausläufern noch gefehlt hat, die Äußere Rigelkarspitze, wurde heute mit Manuel im Rahmen einer schönen Überschreitung bestiegen.

Äußere Rigelkarspitze, 2.407m

Die Überschreitung begann mit dem Aufstieg zum Hohen Gleirsch über seinen schönen, leichten Westgrat, dessen eindrucksvolle erste Erscheinung des Karwendels vom Ausgangspunkt Scharnitz aus schon bestaunt werden kann.

Aufstieg zum Hohen Gleirsch über den Westgrat

Beim Bluetsgraben haben wir die Radeln in den Wald geworfen und nahmen den teilweise weglosen Aufstieg rechts des Grabens durch den Wald. Eine detaillierte Beschreibung des Aufstieges findet sich im Bericht Hoher Gleirsch über Westgrat 2.491m

Eingang zum Steig auf die Bluetsgrabensenke durch die Latschen

Oben, am Ende des Bluetsgrabens, wo der Latschengürtel beginnt, mußte wieder kurz der Einstieg in den Steig durch die Latschen gesucht werden. Er ist wieder etwas mehr zugewachsen, mit ein wenig Spürsinn findet man ihn aber leicht. Hier oben ein Foto zur Unterstützung.

Abzweigung Steig zur Bluetsgrabensenke

An diesem netten Steig zweigt nach ca. 10min – nicht verfehlbar – im ersten freien Reisenfeld der weitere Aufstieg zur Bluetsgrabensenke links ab, eine Senke im Grat, die bereits von unten gesehen werden kann.

Blick hinab zum Bluetsgraben

Am Grat gibt es über weite Bereiche Steigspuren und so manches Steinmandl, jedoch ist auch ohne diese Hilfen der Weg zum Gipfel klar vorgegeben und es gibt kein Verirren.

Blick auf Riedlkar-, Breitgriesskar- und Große Seekarspitze

Von der Bluetsgrabensenke bis zum Gipfel rechne man in etwa eine Stunde, auch wenn der Gipfel des Hohen Gleirsch durch das riesige Gipfelkreuz so aussieht, als wäre er in nächster Nähe und rasch erreicht.

Blick auf Ödkarspitzen, Birkkarspitze und Kaltwasserkarspitze

Am Gipfel findet sich heuer ein junges Buch das beim letzten Besuch gefehlt hat.
Nach einer kurzen Rast und einem Selbstgebrannten von drei bayerischen Freundinnen, die gerne die ganze Kette überschreiten würden und die wir später auf der Möslalm wieder getroffen haben, ging es weiter Richtung Osteck des Rückens des Hohen Gleirsch.

Blick vom Osteck des Hohen Gleirsch zur Scharte zur Äußeren Rigelkarspitze

An diesem Punkt bricht der Gratrücken jäh ab und der erste Abstieg ist geprägt von großer Brüchigkeit. Die ca. 15m Abstieg zum weiteren Grat sind mit Bedacht abzuklettern, da der Fels wirklich nicht von guter Qualität ist und am weiteren Verlauf auch nicht besser wird.

erster Abstieg vom Osteck des Grates vom Hohen Gleirsch

Nach dieser Stelle geht es auf einen Kopf zu auf dem man von Weitem einen größeren Steinmann erspäht. Der Weg dorthin ist einfach. Am Kopf erkennt man, daß er nicht gerade überklettert werden kann. Etwas rechts, nach ein paar Meter Abstieg beginnt ein kurzes Band nach Nordwesten das perfekt zum Abstieg in ein Schärtchen dient und der folgende kleine Kopf, der mit dem großen Kopf das Schärtchen bildet, wird nordseitig auf breitem Schuttband umgangen.

weiterer Gratverlauf, Kopf mit Steinmann voraus

Der folgende Kopf nach dieser Stelle wird nicht mehr erklommen, da sich rechts unterhalb der nun ungemein schuttreichen Schrofenflanke bereits die Scharte zur Äußeren Rigelkarspitze einsehen läßt und somit logisch den weiteren Weg vorgibt.

Köpfchen, das nordseitig auf einem Schuttband umgangen wird (von links hinten kommt man her)

Diese Flanke ist wirklich kein Genuss, sie beinhaltet zwar genügend Bänder zwischen den Schrofen, diese sind jedoch vollends mit Schutt bedeckt auf dem man vielleicht Reisenlaufen könnte, wären dort nicht regelmäßige Absätze mit einer geringen Mächtigkeit von ca. einem Meter, aber doch zu hinderlich.

in der Flanke zur Scharte zur Äußeren Rigelkarspitze

Diese Flanke halb querend halb abkletternd erreichten wir die Scharte, die einen schönen und auch schauderhaften Blick in die Rigelkarnordwände erlaubt. In etwa 30m unterhalb der tiefsten Einschartung beginnt dann der Aufstieg zur Äußeren Rigelkarspitze.

Blick zur Äußeren Rigelkarspitze aus der Flanke (die Risse und Kaminchen in der Südflanke deutlich zu sehen)

Untypischerweise vollzieht sich ein Großteil des Aufstieges zur Äußeren Rigelkarspitze in deren Südflanke. Es gibt zum Aufstieg ein langes Band mit verschiedenen Größenordnungen von Breiten und, noch interessanter, einigen – wenn ich mich richtig erinnere – vier mittellange bis ganz kurze Risse oder Kaminchen.

Rückblick auf die Überschreitung vom Hohen Gleirsch zur Scharte der Äußeren Rigelkarspitze

Diese sind teilweise recht gut mit Schutt gefüllt, bieten aber – mit Ausnahme des zweiten – genügend Haltemöglichkeiten und Tritte.

erster Riss im Aufstieg zur Äußeren Rigelkarspitze

Der zweite Riss ist aufgrund seiner hangseitig fehlenden Felsbegrenzung eigentlich schon kein Riss mehr, sondern nur ein erdiges Band mit wenig Griffmöglichkeiten links und gar keinen vernünftigen rechts. Die Tritte sind lediglich in Erde möglich, obwohl nur Fels weit und breit vorhanden ist.

der zweite Riss, schlechtes Material zu beiden Seiten und unterhalb

Am Ende der Risse oder Kaminchen steigt das Band, das bis dorthin relative flach angestiegen ist, nun etwas mehr wiesendurchsetzt steiler an. Am Ende mündet es in einer Felsformation die ein Weitersteigen links und rechts als gleichwertig möglich erscheinen läßt. Eigentlich ist man da schon ca- 20m unterhalb der Äußeren Rigelkarspitze, man weiß es nur nicht.

nach dem letzten Riss oder Kaminchen, weiterer Verlauf des Bandes ansteigend

Beim weitersteigen entschieden wir uns für die rechte Seite und anhand der folgenden zwei Steinmänner erkannten wir die Originalroute. Nach dem Zweiten Steinmann wendet sich der Aufstieg nach Nordwesten und nach wenigen Metern betritt man den schmalen Gipfelgrat der Äußere Rigelkarspitze.

Entscheidung ob links oder rechts

Am schmalen Gipfelbereich bezeugt nur ein Steinmann mit unter Steinen eingegrabener „Gipfelbuchmunitionsschachtel“ vom Gipfel selber. Der Grat gen Westen erscheint kaum machbar, schmalest, brüchig und mit riesigen Absätzen mäandert er sich hinab zur Scharte zwischen dem Hohen Gleirsch und der Äußeren Rigelkarspitze.

Manuel am Gipfel der Äußeren Rigelkarspitze

In östlicher Richtung erspähen die Bergsteigeraugen einen uneinsehbar zerklüfteten Grat mit offensichtlich sehr tiefen Einschartungen zwischen kühnen Türmen. der erste Anblick keine wahre Freude.

Gratverlauf zur Inneren Rigelkarspitze

Der Blick vom Gipfel hinab ins Weite Tal hoch über dem Jagdhaus Hubertus im Hinterautal ist atemberaubend. ein paar Hundert Meter geht es senkrecht hinab. In jeder Beziehung ist dieser schmale Gipfel ein unvergesslicher.

Blick nordseitig ins Weite Tal hinab

Nach der Rast versuchten wir die Überschreitung zur Inneren Rigelkarspitze zu erkunden. Hierzu folgten wir vom letzten Steinmann einer als Band aussehenden abschüssigen Schuttebene, die sich teilweise verlor und in gelbe brüchige Türmchen links und rechts wandelte. nach 5min erreichten wir den hohen Abbruch bei dem der Führer schreibt ca, 40m abzusteigen, um unten queren zu können. Diese 40m (südseitig) erschienen uns aufgrund der Brüchigkeit kaum machbar und wenn, dann nur gesichert.

der dritte Eintrag im Gipfelbüchlein

Solche lockeren und vom Schutt rolligen Zinnen und Rinnen habe ich im Karwendel nicht oft zu Gesicht bekommen, nicht das geringste Vergnügen muß es sein, diesen Abstieg zu nehmen der obendrein keinen Fehltritt verzeihen wird.

Erkundung des Abstieges in der Überschreitung zur Inneren Rigelkarspitze – kaum begehbar vor Schutt

Mit dieser Ernüchterung über den fast zunichte gemachten Überschreitungsgenuß stiegen wir die ca. 25Hm wieder zurück zum originalen Abstieg von der Äußeren Rigelkarspitze und benötigten von dort ca. 15min bis zur Scharte zurück.

am Abstieg am erdigen Riss angelangt

Die Reise hinab ins Rigelkar kann im oberen Teil gut abgelaufen werden, und mit der Annäherung zum Karboden verliert sich der kleinstückige Schutt, es muß statt Reisenlaufen dann abgestiegen werden.

Reise hinab ins Rigelkar

Durch das schöne Rigelkar geht es hinab ins Gleirschtal zum kulinarischen Stützpunkt der Möslalm.

Rigelkar Beginn des inneren Teiles

Die gesamte Runde ab Scharnitz bis zur Möslalm braucht ca. 6 Stunden und gut 1.700m werden bewältigt.

Mils, 29.07.2017

 

Innere Rigelkarspitze, 2.438m

So sanft die Gleierschtal-Halltalkette von der Sichtung von Scharnitz aus beginnt, so bizarr und wild setzen die ersten Gratübergänge östlich des Hohen Gleirsch fort und der Übergang zur Innere Rigelkarspitze stellt im Gratverlauf zu den Jägerkarspitzen die große Herausforderung dar.

Gipfelsteinmann der Inneren Rigelkarspitze, 2.438m mit Pleisenspitze im Hintergrund

Schon lange beschäftigt mich der westliche Teil dieser heimatlichen Karwendelkette, weswegen die zentrale  Erhebung der Tour darin bestand, die Inneren Rigelkarspitze nun erstmalig auf leichtem Wege zu erkunden.

Grat von der Inneren Rigelkarspitze zur nördlichen Jägerkarspitze

Gleich bei der Morgentoilette beleidigte ich beim Bücken zum Wasserhahn hin irgendeine Bandscheibe weit unten – was bei mir nur alle zwei Jahre vorkommt – und mußte  selbst während der Anfahrt nach Scharnitz um 7 Uhr noch feststellen, daß diese unbewußte Bewegung längerfristige Konsequenzen haben würde. Also am Radl in Gleirschtal – ich pflege trotz meines hohen Alters noch nicht mit einem Stromradl aufzusteigen – verschwand die Einschränkung nicht und es kann an dieser Stelle schon vorweggenommen werden, daß bis zurück zum Schreibtisch, an dem diese Zeilen entstehen, die mittelmäßig stark spürbare Rebellion der Gummischeibe nicht zur Ruhe gekommen ist. Gut, daß es morgen regnen wird.

den Karboden des Rigelkares erreicht, phantastisches Gelände im weiten Kar

Die Anreise bis knapp vor die Möslalm muß hier nicht erwähnt werden, dafür gibt es Berichte und Webseiten genug; erwähnt sei nur, daß zur Anfahrt ein Rad für den Bergsteiger nottut, will er zu früher Stund zum Ausgangspunkt zu gelangen und weiters sei erwähnt, daß er für die Anreise vom Parkplatz Scharnitz bis knapp vor die Möslalm, wo das Radl in den Wald geworfen werden kann um das Schloss zu sparen, mit einem Stündchen mittelstarke Beinarbeit für ca. 10km über knapp 300Hm rechnen möge.

die Innere Rigelkarspitze etwas links der Bildmitte mit der Aufstiegsrinne in der tiefsten Einschartung

Gleich zu Beginn des Aufstieges darf man sich dieser Tage auf etwa 1.300m eines wahrlich ästhetischen, man könnte sagen zierlich, jungfräulichen Anblickes einer nicht sehr häufigen Orchideenart im Karwendel erfreuen, das Rote Waldvögelein, eine Alpenlilie, geleitet in der Morgensonne am Jagdsteig durch den eigenartig schönen, naturbelassenen, lichten Nadelwald und die außergewöhnliche kräftige violette Farbe der Blüten, zurückzuführen auf den passenden, leicht sauren, pH-Wert des Kalkbodens, vermag die Kamera im Morgenlicht bei weitem nicht so zauberhaft wiederzugeben, wie das Auge sie in natura wahrnimmt.

eine Anhäufung von Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra) säumt den Steig

Bald ist die Abzweigung des excellent ausgeschnittenen Steiges zum Hohen Gleirsch erreicht und der Bergsteiger, der den eindrucksvollen Kessel des Rigelkares beschreiten will, zweigt nicht links zum Grat zum Hohen Gleiersch ab, er nimmt die gerade Richtung durch die breite Latschengasse mit den auffälligen Markierungen auf zwei Felsbrocken mit „R“ in das lange, weite Rigelkar.

das Rigelkar Ende Juni 2017

Von der Abzweigung sind es gut 500Hm bis der Karboden des Rigelkares erreicht ist. Alleine die Eintrittskarte dieses langen Anmarsches ist schon bezeichnend für das schöne, einsame Rigelkar.

Dolinen geometrisch sauber aufgefädelt

Am fast horizontalen Karboden können Dolinen in einer frappierenden Gleichmäßigkeit ihrer geometrischen Abfolge beobachtet werden, die für mich einzigartig im Karwendel ist und die auf einige interessante Gegebenheiten tief unter den Karwiesen schließen lassen.
Messerstichkalkgeröll (Kalkfels mit schmalen Rissen aussehend wie schmale Messerstiche) und die wahrlich menschenscheuesten Gämsen im Karwendel runden die Szenerie im Kar ab. Alleine für diese Eigenheiten hat das Rigelkar den Aufstieg über knapp 1.000Hm schon verdient. Der Bergsteiger wird mit kostbaren Eindrücken reich entschädigt, bevor es hinein die Rinnen und Zinnen geht.

Anstieg nordöstlich des Karbodens zur Aufstiegsrinne

Im hintersten Karboden halten sich die Lawinenreste meist hartnäckig bis in den Juli hinein und geben der dieser Tage schon strapazierten Trinkflasche wieder etwas Inhalt, soferne man immer warmen Tee mitnimmt, der es mit den fast zu Eis gewordenen Firn aufnimmt und noch trinkbare Mischung erzeugt, ohne daß aufgrund der Kälte Magenkrämpfe entstehen.

Nun steht ein Stück Aufstieg am Programm, das im Kopfe schwer werden kann, wenn man es zu sehr sitzen läßt. Der Anstieg aus dem Karboden zur schon von Weitem sichtbaren Aufstiegsrinne durch die Südwand zur Inneren Rigelkarspitze beginnt nämlich mit ca. 200Hm Reisengeröll.
Bei guter Routenwahl durch die Verschneidung der Reisenkegel mit großem Blockwerk kann das unangenehme pilgerschrittartige Zurückrutschen in praller Sonnenbestrahlung auch auf einem erträglichen Minimum gehalten werden und der Kopf siegt in diesem Fall nicht, man steigt beim Erreichen des festen Felses gut gelaunt aus dem üblen Teil dieser Partie aus.
Die Rinne ist nach gut 20min erreicht, sie durchzieht die Südwand in nordöstlicher Richtung und daher haben wir sie bei unserer Erstbegehung auf die Jägerkarspitzen nicht sofort entdeckt.

vom Felsansatz der Rinne zurück in den Karboden geblickt

Den unteren Teil der nun zu begehenden Rinne lasse man mangels Tritten und der Abgeschliffenheit der seitlichen Begrenzungen der 50cm breiten Rinne weg, man steige rechts im Fels ca. 15Hm weiter an und quere dann nach links in griffiges Rinnengelände.

Aufstiegsrinne nach ca. einem Drittel des Aufstieges

Wenn man sich mit dem Erscheinungsbild der Inneren Rigelkarspitze aber etwas beschäftigt, dann sieht man die Rinne schon von Weitem. Besonders bezeichnend ist der Klemmblock, der am obersten Gratverlauf ein Licht-/Schattenspiel bietet das vom äußersten Karboden bereits gesichtet werden kann. Steht man dann vor diesem Kamin, dann würde man nicht glauben, daß ein Klemmblock dieser Größe von über 1.000m Luftlinie sichtbar ist.

Aufstiegsrinne nach ca. einem Drittel zurückgeblickt

Nun geht es in diesem Riß, oder Rinne, gut griffig mit moderater Steilheit nach oben, so daß für diesen Anstieg großteils die Schwierigkeit II vergeben werden kann; die Führerangabe durch die Erstersteiger vor 120 Jahren mit I erscheint zumindest nach heutiger Geländeeinschätzung leicht untertrieben.
Der Fels links weniger, rechts jedoch signifikant mehr, ist erstaunlich fest. Bei der Begehung in der Gruppe empfiehlt sich doch ein Kopfschutz, da durch die seltene Begehung viel Geröll in der Rinne angetroffen wird, der auf die Nachsteigenden niedergeht.

ca. 30Hm unterhalb des Bereiches in dem sich die Rinne zum Kamin verengt

Der Aufstieg erfolgt selbst im Juni fast bis zur Mittagszeit recht gut vor Sonne geschützt, deshalb dürfte die Rinne auch bis weit ins Frühjahr hinein mit Restschnee gefüllt sein und die Tourenplanung sollte diesen Umstand berücksichtigen.

am Band links (westlich) des Kaminansatzes

Knapp unterhalb der Gratlinie oben verjüngt sich die Rinne zum Kamin und, betritt man diesen sehr schmalen Kamin, schlägt sofort der Gratwind durch; man weiß also, daß die vertikale Nordseite lediglich die zwei bis drei Meter hinter dem Kamin hinunterpfeift. Für mich und den Rucksack war der Kamin aber zu schmal und weil ich alleine unterwegs war wollte ich keine Experimente zur Schlankheit unternehmen, um unbedingt durch den Kamin die Grathöhe zu erreichen.
Anstelle des schmalen Schlufes entschied ich mich das genügend breite Band zu meiner Linken (westlich) zu nehmen, um auf die Grathöhe zu gelangen. Nach einigen Rippen gelang es mir auch halbwegs bequem die ca. 3-4m hohe Felsplatte über dem Band zu erklimmen, die, erdgeschichtlich betrachtet, sicher ein gutes Dutzend von Hunderttausend Jahren für ihre Entstehung gebraucht hat und die durch eine weiche Trennschicht so markant auf der harten Oberfläche des Bandes draufliegt, daß man die Zeitepochen der Entstehung fühlen kann. Im Übrigen ist die Trennschicht geologisch von so schlechtem Fels gebaut, daß sich die an deren Basis entstehenden Einbuchtungen als Notunterschlupf bei Wettersturz eignen würden; ein nicht unbekanntes Phänomen im immer lebendigen Karwendelkalk.

der Verlauf des breiten Bandes in Richtung Gipfel der Inneren Rigelkarspitze

Das moderat aufwärts gerichteten Band kann problemlos beschritten werden, bis eine geeignete Stelle für den Aufstieg zur absoluten Grathöhe gefunden wird, wobei in meinem Fall eine ehe konservativer Aufstieg in zwar brüchigem Gelände, dafür aber ohne großem Risiko gewählt wurde. Knackigere Stellen für junge Gämsen gibt es genug.

Aufstiegsstelle zum Grat

Der Grat selber mutet sichtlich selektiver an als das meiste, das standardmäßig im östlichen Teil der Kette zu finden ist, mangelt es an Türmchen in der direkten Gratlinie und schmalen Parteien doch keineswegs. Selbst der mit II beschriebene weitere Gratverlauf zur Nördlichen Jägerkarspitze erscheint ab dem Kamin keineswegs einfach.

Leider konnte ich kaum Erkundungen zu beiden Gratseiten anstellen, denn die hohe dunkelgraue Wolkenfront über der Hohen Munde überredete mich zur schnellen Gipfelrast mit hastiger Jause und frühem Abstieg. Ein Gewitter am derart selektiven Grat wäre nicht das wofür ich heute losgezogen bin.

Rückblick am Band

Zu meiner Bandscheibenbeleidigung heute früh kam zu allem Überfluss auch noch der Pflanz des Wetters dazu, denn nach dem übereilten Abstieg klärte sich das fälschlich als Ungemach erkannte Wetter von Westen und ich ärgerte mich darüber, daß der Grat nun nicht weitläufiger erkundet werden konnte. Ein weiterer Aufstieg hierzu zur Inneren Rigelkarspitze muß nun leider baldigst her.

Türmchen westseits des Gipfelsteinmannes und Hoher Gleirsch im Hintergrund

Der eingefleischte Karwendelliebhaber wird den wilden Grat mögen, das Erscheinungsbild ist dermaßen archaisch und unberührt, daß man seinesgleichen auf den höchsten Fluren weithin sucht. Der Verwitterungsgrad an der Oberfläche des Gerölls und dessen Rauheit ist von der recht seltenen Art, die nur in den sehr wenig begangenen Gratabschnitten der Kette zu finden ist, insgesamt ein faszinierend Gelände.

Hinterautal

Die Blicke zu allen Seiten der Schneide müssen jeden Karwendelgeher beeindrucken, mag er auch noch so extrem sein. Tiefblicke in das Hinterautal und eine viele Hundert Meter abstürzende Nordwand bleiben lange eingebrannt.
Solch exponierte Spitzen in Gratverläufen besitzen meist kein Gipfelkreuz mehr, die Innere Rigelkarspitze wartet dem Bezwinger mit einem schlichten Gipfelsteinmann auf und diese Auftürmung befindet sich noch nicht einmal auf der höchsten Erhebung, die sich entweder als ein schlichtes schneidiges Grattürmchen 15m weiter westlich oder am Zustieg an dem das folgende Fotos entstanden ist präsentiert. Vom Katzenkopf aus sieht die östliche Erhebung leicht höher aus, siehe Gratfoto in der Galerie.

höchste Stelle der Inneren Rigelkarspitze, oder ist das Türmchen drüben noch ein wenig höher? Rechts unten der Gipfelsteinmann

Heute nicht ganz mein Tag, die Grundmission aber ausgeführt geht es nach einem raschen Moment des Dankes für den geglückten Aufstieg am kurzen Gratstück zurück zur Rinne. Noch ein kleiner Moment des Innehaltens, ob des herrlich aussehenden Kamines, aber nein, die Vorfreude über die nächste Begehung soll die schöne Stelle konservieren, es geht wieder abwärts und zwar gar nicht so unbequem wie man schlechthin Abstiege in Rinnen im Karwendel kennt.

Grat mit ostseits höchster Erhebung der Inneren Rigelkarspitze

Die letzte erwähnenswerte Stelle ist der ganz unterste Teil der Rinne, der weiter oben im Text schon erwähnt wurde. Ich vergaß ihn, kletterte gedankenlos weiter hinab, kokettierte einen Augenblick mit einem drei Meter Sprung, verweigerte aber mit der Erfahrung des Alters, kletterte 10m zurück und nahm den griffigen Felsabstieg.

wieder 15m höher zurückgeklettert

Der Rest im Abstieg ist nicht erwähnenswert und im Karboden schon kam leichter Ärger ob des blauen Himmels über der Hohen Munde auf. Die Wirtsleute der Möslalm aber vertreiben den Ärger mit deren tollen Angebot…

letzter Blick zurück beim Abstieg durch das Rigelkar

Gehzeit ab kurz vor der Möslalm und bis zur selben Stelle zurück ca. 5 Stunden (Radlstrecke zusätzlich ca. 1h rauf + 40min ab), ab Scharnitz ~ 1.500Hm

Mils, 24.06.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Hoher Gleirsch über Westgrat 2.491m

Über den Westgrat auf den Hohen Gleirsch, eine phantastische Tour!

Man verläßt die Gleirschtalstraße bei dem links abzweigenden Forstweg  auf ca. 1.150m, (das Radl im Wald deponiert) und nimmt den Forstweg „Ochsenbodenweg“, siehe Galerie mit der Abzweigung.
Warum ich vom Radl spreche ist rasch erklärt. Vom Parkplatz in Scharnitz (von den ersten zwei) messe ich gut 6,5km bis zum Ausgangspunkt der Tour auf der Gleirschtalstraße. Nicht genug der Streckenlänge, der gesamte Höhenunterschied beträgt gut 200Hm inclusive einer Abfahrt in das Hinterautal, die am auch Rückweg nochmals 50Hm Anstieg bedeuten.
Eine landschaftlich schöne Klamm mit der Vereinigung des Gleirschbaches und der Isar entschädigen.

Der Aufstieg bis zur Stelle „Oberer Grünbichl“ kann entweder brav am Forstweg erfolgen, oder man läßt sein Entdeckerherz schlagen und nimmt ab dem Jagerstand am „Unteren Grünbichl“ den Bluetsgraben in der Direttissima. Ich habe ihn links, also auf der Nordseite genommen. Dort ist das Gelände recht steil (grün durchgezogen), möglicherweise ist es rechts, südlich besser durch den Wald (rot strichliert).

Aufstieg vom Forstweg entlang dem Bluetsgraben bis über die Latschen hinaus

Aufstieg vom Forstweg entlang dem Bluetsgraben bis über die Latschen hinaus

Egal wie man die ca. 180Hm nimmt, man endet oben wieder auf dem Forstweg. Nun ist es aber wichtig auf der rechten, südlichen Seite weiter durch den Wald aufzusteigen!
Leider habe ich davon kein Foto parat, das spielt jedoch keine große Rolle. In der Kurve des Forstweges rechts in den Wald einsteigen und auf vielen kleinen Pfaden immer die Schrofen links neben sich empor.
Ein aufgelassener Jagersitz zeigte mir, daß ich nicht völlig falsch sein kann.

alter Jagersitz, Aussicht auf das Wild in den Bluetsgraben Schrofen nahezu total verwachsen

alter Jagersitz, Aussicht auf das Wild in den Bluetsgraben Schrofen nahezu total verwachsen

Der nächste Teil der Tour muß nun gefunden werden, da der Steig im Wald nicht besonders gut ausgeprägt ist. Es gilt jedoch, daß man sich stets am rechten Rücken des Bluetsgraben hält und oben -am Ende desselben – ergibt sich dann die Suche durch den plötzlichen Latschengürtel von selbst.

man beachte zur Orientierung die Nadelhölzer im Latschengürtel und halte danach Ausschau

man beachte zur Orientierung die Nadelhölzer im Latschengürtel und halte danach Ausschau

So einfach ist es zu beschreiben, wenn man den Einstieg in den Latschensteig selbst gefunden hat. Es muß hier aber auch erwähnt werden, daß man ihn eigentlich finden muß, denn das Ende des leicht gangbaren Waldes wechselt jäh mit einer dichten Latschenmauer der man nur etwas entlang gehen muß, um das Schlupfloch zu finden. In meinem Fall stieg ich fast am Grat des rechten Rückens des Bluetsgraben dahin und mußte oben – bei zwei alten, mächtigen entwurzelten Bäumen nur knapp 40m nach rechts, sprich südlich der Latschenmauer entlang gehen um den weiteren Steig zu entdecken. Es gibt ein Foto davon in der Galerie.
Eine Uhr mit Höhenmesser tut helfend das Ihrige dazu, die Stelle liegt auf ca. 1.660m (beachte den generellen Luftdruck, oder nehme die Karte zu Hilfe und vergesse v. a. nicht auf das Gefühl!).

Nach dieser Stelle – die dichten Latschen sind etwa 10m lang bis sich eine breitere Schneise auftut – geht es gleich auf einem schön ausgeschnittenen Steig weiter und die Blicke in die Umgebung sind nach der Waldstrecke sehr wohltuend.

Rückblick auf Wald und Latschengürtel auf ca. 1.720Hm

Rückblick auf Wald und Latschengürtel auf ca. 1.720Hm

Der Steig führt nun ca. 10-15min in Latschen dahin, die später auch mit kleinen Nadelbaumstrecken durchzogen sind.
In einer karartigen, jedoch fast vollständig mit Bergwiesen und Kraut bewachsenen Mulde verschwimmt der Steig und ich fand, daß man nun den schon gut sichtbaren Grat auch ohne Steigführung im Direktanstieg erklimmen kann. Die AV-Karte kennt diese Stelle evtl. mit der Bez. „Bluetgrabensenke“.

die Bluetgrabensenke

die Bluetgrabensenke

Die Jahreszeit läßt die Senke in vielen Farben leuchten. Junge Gemsen flüchten trotzt völliger Ruhe vor mir ungestüm davon und das raue Pfeifen der Warnung ist gut hörbar.

junge Gemsen passen auf!

junge Gemsen passen auf!

Am Grat angekommen kann man noch ca. 15min Steigzeit lang den Hohen Gleirsch nicht entdecken, zuerst muß eine ordentliche Steilstufe erklommen werden. Hat man jene bewältigt erfreut man sich an einer plateauartigen Verflachung (mit früher einem GK verziert, Teile liegen noch herum) eines schönen Anblickes des Westgrates mit dem Gipfelkreuz.

erstmaliger Blick über den noch zu meisternden Westgrat

erstmaliger Blick über den noch zu meisternden Westgrat

Von hier aus dauert es noch eine gute halbe Stunde, die leicht kletterbaren und nie höheren als rd. 2m Felsen zu meistern. Einige Rippen dieser Art müssen überklettert werden.

leicht zu überwindende Rippen, die Ideallinie zumeist mit Steinmandln

leicht zu überwindende Rippen, die Ideallinie zumeist mit Steinmandln

Am Weg zum Gipfel gibt es in den tiefen Einschartungen auch manchmal die Möglichkeit Tiefblicke oder schöne Szenen mit Gratspitzen aufzunehmen.

Blick auf mein gestriges Ziel, die Pleisenspitze, durch eine tiefe Einschartung des Westgrates

Blick auf mein gestriges Ziel, die Pleisenspitze, durch eine tiefe Einschartung des Westgrates

Am Gipfel beeindruckt das hohe Stahlprofil-Gipfelkreuz, aufgestellt 1970 von der Bergrettung Scharnitz. Leider gibt es (noch?) kein Gipfelbuch heuer.

Gipfelkreuz Hoher Gleirsch 2.491m

Gipfelkreuz Hoher Gleirsch 2.491m

Die Ausblicke rundum sind gewaltig und für mich mit Heimat Halltal ist der schleifende Anblick der Gipfel von Speckkarspitze über die beiden Lafatscher bis hin zur Hinteren Bachofenspitze ein besonderes Erlebnis. Leider heute mit Nebel oder schon Regen von Süden heraufziehend eingefaßt.

Blick auf die Gipfel des Halltales

Blick auf die Gipfel des Halltales

Deutlich erkennbar ist auch die geologisch andere Formation (Hauptdolomit) auf der die Giganten aus Wettersteinkalk ruhen. Man sieht deren Vorstoß in das Hinterautal als Ausläufer der hohen Gipfel der Gleirsch – Halltal Kette.

Ausläufer aus Hauptdolomit auf denen die mächtigen Gipfel aus festem Wettersteinkalk aufgeschoben wurden

Ausläufer aus Hauptdolomit auf denen die mächtigen Gipfel aus festem Wettersteinkalk aufgeschoben wurden

Der Namensgeber der Kette, der Hohe Gleirsch ist mit einem schwer kletterbaren und brüchigem Grat mit der, der Höhe nach, aufsteigenden Gipfeln der Rigelkar-, der beiden Jägerkar-, der Jägerkarl- und, als höchste Erhebung im ersten Teil der Kette, der Praxmarerkarspitze mit 2.638m verbunden.
Weiter geht es dann mit der Kaskar-, Sonntagskar-, Hintere Bachofenspitze und dem Hohen Lafatscher mit 2.696m als höchste Erhebung im mittleren Teil und im östlichen Teil mit der Speckkarspitze und dem Großen Bettelwurf mit 2.725m, bevor die Kette mit der Hohen Fürleg und dem Hundskopf in der Höhe von Terfens-Vomperbach, nach rd. 25km im Tal endet.

Jägerkarspitze

Jägerkarspitzen links, der berühmte „Barth-Grat“ und der Katzenkopf rechts

Nach Norden geschaut ist der Hohe Gleirsch von noch mächtigeren Gipfeln gesäumt. Die höchsten darunter Ödkar-, Birkkar-, und Kaltwasserkarspitze.

Birkkar- und Kaltwasserkarspitze

Birkkar- und Kaltwasserkarspitze

Im Süden besticht die Nordkette und im Südwesten die Erlspitzgruppe.

die Gipfel der Nordkette nach Süden betrachtet; Kemacher, Langer Sattel, Brandjochspitzen, Hohe Warte und Kleiner Solstein

die Gipfel der Nordkette nach Süden betrachtet; Kumpfkarspitze, Kemacher, Langer Sattel, Brandjochspitzen, Hohe Warte Kleiner und Großer Solstein

Erlspitzgruppe

Erlspitzgruppe

Der Abstieg erfolgt auf dem offiziellen Steig. Im oberen Teil bis zum oberen Sagkopf nicht sehr angenehm zu gehender Abstieg, teilweise nur Schuttreisen und viele Partien ohne gute Tritte.
Darunter in der Latschenstrecke, ab ca. 1.800m, wo auch die Sicht auf den Gipfel des Hohen Gleirsch verschwindet, zieht ein fein ausgeschnittener schöner Steig bis zum Rigelkaransatz und weiter durch den Wald bis zur Schotterstraße hinab.

beginnender Steig durch Latschen

beginnender Steig durch Latschen

Der Blick auf den Aufstieg durch das Rigelkar verspricht mehr, als der Normalweg. Später erfahre ich, daß es tatsächlich eine Aufstiegsmöglichkeit vom Rigelkar auf den Hohen Gleirsch gibt, so wie ich vermutete. Muß einmal nachgeholt werden.

Blick ins Rigelkar

Blick ins Rigelkar

Gewaltig sieht die Kumpfkarspitze von Norden aus, das würde man vom höheren Kemacher aus nicht so sehen.

Kumpfkarspitze (nördl. Ausläufer der Nordkette)

Kumpfkarspitze (nördl. Ausläufer der Nordkette)

Die freundliche Wirtin der Möselalm erfreute das Bergsteigerherz mit Bier und Graukas vom Feinsten, was auch nötig war, denn bis zum Radl sind es wieder gut 4km.
Wer die Tour also ohne Radl machen möchte, der weiß nun, daß er von der Möselalm bis Scharnitz gut 10km Fußmarsch vor sich hat.

Zum Greifen nahe sehen die Gipfel in meinem Standard-Gefilde aus.

Roßkopf und Stempeljochspitzen

Roßkopf und Stempeljochspitzen, Hintere Bachofenspitze vom Kaskar- oder Sonntagskargrat verdeckt

Hier noch der Tourverlauf auf einem Übersichtsfoto:

ganz links die Senke, der Westgrat mit dem Gipfel und im Latschenhang darunter der Abstieg

ganz links die Bluetsgrabensenke, der Verlauf des Westgrates mit dem Gipfel und im Latschenhang unter dem Sagkopf der Abstiegssteig

Zum Schluß wartet noch eine schöne Klamm, sie vereinigt den Gleirschtalbach mit der Isar.

Vereinigung des Gleirschtalbaches mit der Isar

Vereinigung des Gleirschbaches mit der Isar

Rückblick vom Parkplatz in Scharnitz vor dem Gewitter:

Hoher Gleirsch, Westgrat

Hoher Gleirsch, Westgrat

Die Tour ist äußerst empfehlenswert für jene, die nicht immer Markierungen folgen wollen und ein wenig Orientierungsgabe haben. Es gibt keinen Schwierigkeitsgrad, die gesamte Route ist leicht.
Für die gesamte Strecke vom Parkplatz bis Parkplatz habe ich 8 Stunden gebraucht, war aber nicht auf Zeit unterwegs. Höhenunterschied insgesamt ca. 1.600Hm mit Abfahrt in die Klamm.

Mils, 06.06.2015