Hohes Tor – Überschreitung zum Muttenkopf

Kaum bekannt und erst jüngst mit einem netten einfachen Gipfelkreuz geschmückt, steht das Hohe Tor nach dem Kreuzjoch als zweithöchste Erhebung des nördlichen Teilgrates des Tribulaunkamms im Gschnitztal. Das Hohe Tor findet im AV-Führer1 untergeordnete Erwähnung, es sei vom Gstreinjöchl aus leicht erreichbar.

Hohes Tor, 2.637 m

Vom Tal aus macht der schöne Berg allerdings einen bedeutenderen Eindruck, ein massiver Bergstock bestehend aus mehreren Gesteinsarten, in drei Schichten aufgebaut und sein Bau interessant genug, um den Gipfel und den fortführenden Grat nach Süden erkunden zu wollen. Diese Erkenntnis muß auch gewinnen, wer auf dem Muttenkopf oder Mutte, wie der rundliche Gipfel örtlich genannt wird, das Hohe Tor mit seinen abwechslungsreichen Flanken betrachtet.

Muttenkopf von der Jagdhütte Kaserle gesehen

Den Ausgangspunkt im Gschnitztal stellt der „Krutschner“ dar, ein Gehöft, bei dem ein Gemeindeparkplatz eingerichtet wurde (Münzen mitnehmen). Von dort kann steil durch den Wald über die im TIRIS flurbezeichnete „Moasegge“ auf den Steig nach St. Magdalena aufgestiegen werden. Die Alternative wäre, am Parkplatz in Gschnitz (bei der Brücke) zu parken und den langen flacheren Anstieg ins Martairtal zu nehmen. Jene, die die Überschreitung vom Hohen Tor zum Muttenkopf unternehmen, wählen die erste Möglichkeit.

Westflanke auf das Hohe Tor, unsere Aufstiegsroute

Im Tal kann man nicht mehr fehlgehen. Während zwei Wegweiser nach der Querung des Martairbachs auf die Ostseite zur Wallfahrtskapelle St. Magdalena leiten, führt der Steig bei jedem Abzweig unbeirrbar geradeaus in die Martairgrube. Bei der zweiten Abzweigung im Bereich einer Freifläche mit der Jagdhütte „Kaserle“ bietet sich ein erster schöner Blick auf das Gipfelziel und zwar rechts neben dem beherrschenden Muttenkopf.

Gratkamm vom Hohen Tor auf das Kreuzjöchl

Einige Minuten nach dem Kaserle vergisst man auch schon Zeit und Raum, proportional zur Tiefe des Eintauchens in die bezaubernd schöne Landschaft. Nach den Murenstrichen, die mitten im Wald links von den steilen Rinnen zwischen den senkrechten Dolomitfelsen herunterziehen, gelangten wir an die malerische Bachüberquerung an die Westseite des Tals, siehe das Bild der sommerlichen Vorerkundung.

rechts die runden Felskopf erfolgte der Aufstieg

Ab dem Martairbach führt der Steig durch Latschen bis zu einer Freifläche, bei der Almgelände beginnt. Dort befindet sich ein Viehunterstand und die Tätigkeit der Almwirtschaft ist durch den Bewuchs lebhaft sichtbar.

dann Querung nach rechts auf die Wiesen für einen besseren Überblick

Weiter führt der Steig über eine große Stufe südwestwärts auf die Rossgrube, einer weitgehend wiesenbewachsene Karlandschaft, die seit langer Zeit eine reine Pferdealm darstellt. Der Verfasser erinnert sich noch lebhaft daran, als die Familie in den 70er-Jahren am Wochenende berufliches mit privatem verband und leichte Bergtouren zu Touristenzielen unternahm, um bestellte Souvenierware, vorwiegend Ansichtskarten, auszuliefern und es auf St. Magdalena hieß: „dort oben sind die Rösser“ und alle Besucher des Nachmittags mit dem Fernglas die Tiere in der Martairgrube suchten. Auch heute noch werden Pferde dort gealpt.

Querung zurück in die felsige Zone, jedoch trafen wir recht kleinsplittrige Oberflächen an, die mühsam aufzusteigen waren

Auf der Martairalm oder Rossgrube, so genau werden keine Grenzen gezogen, befindet sich ein verfallener Hirtenunterstand sowie etwas weiter oben, ein kleiner See, eigentlich nur eine Lacke, vor der aus unser Aufstieg über anfänglich steile Bergwiesen westwärts erfolgte. Zu Beginn umrundeten wir zur Hälfte einen Felsvorsprung bis hinauf, wo sich die Murenrinne mit dem Fels schneidet.

auf einem vermeintlichen Steig gestoßen

Dort querten wir nordwärts über den Schottereinschnitt der Rinne und stiegen in den lichten Latschenbewuchs ein, da dort ein vermeintlicher Steig zu sehen war sowie um etwas mehr Überblick über das Felsengelände links südlich zu gewinnen.

Blick nach Süden zur Schneetalscharte

Dort blieben wir einige Dutzend Höhenmeter, bis uns eine schroffige Mulde links des Wiesenhangs geeignet für den Überstieg auf felsiges Gelände schien. Wir stiegen in die kleinsplittrige Mulde ein und mühten uns mit dem Aufstieg in diesem trittarmen Gelände redlich ab.

am Felsansatz in der rechten Bildhälfte hinauf

Andi schimpfte wegen seiner Knie und zum Glück fanden wir weiter oben eine Art Steig, der weiter südwärts steigend fortführte. An dieser Stellen erkannten wir auch, daß wir nur geringfügig höher steigen hätten sollen, denn dort befand sich zum Wiesenhang hin kletterbares Gelände, auch wenn es optisch recht brüchig erschien.

abschließend über eine felsige Scheibe auf eine Flachstelle

Zufrieden ob des endlich gefundenen Normalaufstiegs währte unsere Stimmung nur wenige Meter um einen Felsvorsprung herum und weiter bis zur nächsten Rippenoberkante. Hinter der Rippe führte der vermeintliche Steig noch einige Meter hinunter und entlang des Felssaums wieder aufwärts, zerstreute sich jedoch in einer Schuttrinne etwa 50 Hm über unserem Standpunkt.

beim Gratkopf abgestiegen auf ein Plateau

Wir waren etwas verunsichert, jedoch froh in felsigem Gelände zu sein und vermuteten, daß sich oben am Ende des vermeintlichen Steigs eine Möglichkeit bieten müsse, in kletterbaren Fels einzusteigen. Weit oben saßen an der Abbruchkante drei steinerne Hasen, die unser Tun genau beobachteten, sich aber die ganze Zeit nicht rührten.

rechts in leichtem Schrofengelände hinauf

Also folgten wir dem Steig, von dem wir nun wußten, daß es sich lediglich um eine erstaunlich gut angelegte Wildspur handelte, weiter steil nach oben. An seinem Ende erblickten wir zur Rechten einen steil nach oben führenden Trichter, der geeignet schien, in die Felsen einzusteigen.

Rückblick von oben über die zerrissene Felsrippe

Tatsächlich gelangten wir dadurch in eine Art Gratgelände, das beim Blick nach oben verhieß, dort bequem auf Fels weiterzukommen. Darauf folgten noch einige Tratten, über die am Ende eine Felsrippe erreicht wurde und wir zufrieden waren.

weiter in Trattengelände

Mit mehr Überblick in alle Richtungen stiegen wir auf der sich zuspitzende Rippe weiter, bis sie sich schließlich zu einer dünnen Scheibe formte und wir die letzten Meter in festem Fels auf den Abschlußzacken steigen und dahinter auf ein Plateau absteigen konnten. Dieser Abschnitt war der beste im Aufstieg auf das Hohe Tor.

Andi zwischen den vorherrschenden Gesteinsarten

Am Plateau endete der labyrinthartige Aufstieg und der Felsgürtel war nahezu durchschritten. Rechts bot sich der weitere Aufstieg an und wir konnten oben schon Wiesengelände erkennen. Nach ein paar Minuten war auch dieser Abschnitt überwunden und im Rückblick erkannten wir, daß wir vom gesamten uns zu Füßen liegenden Gelände eigentlich den schönsten Aufstieg erwischt hatten. Links davon im Tiefblick sehr steile Wiesen, die über lange Strecken ermüdend wirken, rechts unserer Rippe ein tiefer schuttbedeckter Einschnitt mit ungewissen Möglichkeiten in der Schlucht.

vor dem Gipfelaufbau des Hohen Tors

Gleichzeitig mit dem Ausstieg aus dem Felsgürtel erkannten wir auch den Wechsel im Gestein. Wir waren vom kleinstückig brechenden Hauptdolomit in die plattig schiefrige Phyllitzone übergestiegen. Sie sollte uns ein Stück des Weges begleiten und ließ im unteren Teil zwischendurch noch Felsinseln von Hauptdolomit aufsteigen.

am Hohen Tor angekommen

Bald waren wir am Gipfelaufbau des Hohen Tors angelangt. Das Gestein wechselte bis dorthin nochmals. Anstelle des meist ockerfarbenen Phyllits traten zwar ebensolche metamorphen Schieferformationen zutage, jedoch wieder sedimentären Ursprungs, Kalke und Marmor in verschiedensten Farben und zum Gipfel hin wieder fester Kalk. Ab dem Felsgürtel bis zum Gipfel eine recht abwechslungsreiche Abfolge, die die Umgebung dominiert, deren Entstehung schwer erklärbar ist und geologisch als „metamorpher Kalkkomplex“ bezeichnet wird.

Tiefblick auf die Martairalm, genau auf den Rossgrubenlahner

Am Gipfelaufbau staunten wir nicht schlecht, als wir vor einer etwa 60° geneigten Wand standen. Der bankig klüftigen Struktur des Kalks sind jedoch die Stufen zu verdanken, die sich über den gesamten letzten Teil zum Gipfel ziehen und wunderbar aufzusteigen sind. So erreichten wir nach knapp vier Stunden den Gipfel des Hohen Tors.

Gipfelkreuz Hohes Tor, eine nette Installation

Ein kleines nettes Gipfelkreuz wurde vor nicht langer Zeit neben einem Steinmann errichtet. Die über das Jahr angesammelten Einträge halten sich in engen Grenzen, sodaß dieser Gipfel einer der wenig bestiegenen in der Region darstellt. Der Bedeutung des Sonnensymbols und der knorrigen Wurzel als Verzierungen des Gipfelschmucks kommt man nicht so recht auf die Schliche, jedoch ist die Gesamtinstallation als Kunstwerk auf 2.637 m ein Hit.

Blick nach Nordosten

Der Namensgebung des Hohen Tors, oder wie es vor 100 Jahren geheißen hat, Hochtor, wird man nur verständig, wenn man auf Sagen.at nachliest und selbst nach dieser Lektüre bleiben mehrere Deutungen offen, die andernorts in frühen geologischen Beschreibungen des Berges gelöst werden, indem die 40 m tiefe Einschartung zwischen dem Nord- und dem Südgipfel des Doppelgipfelberges sozusagen als ein Tor bestimmt und herangezogen wird. Diese Einschartung ist allerdings nur von West oder Ost in ihrer vollen Ausprägung sichtbar. Welchen Ursprung der Bergname wirklich hat, wird heute wohl nicht mehr herausgefunden werden können.

fesselnder Blick nach Norden mit der Geologieänderung im Bereich Innsbrucker Hütte gegenüber; links Habicht, rechts Kalkwand, Ilmspitze und Kirchdachspitze

Bei einer kurzen Rast mit Gipfelschau boten sich uns phantastische Blicke. Im Norden die mächtige Kirchdachspitze, anschließend nach Nordosten bärigen Schitourenziele von Trins aus, Hammerspitze, Wasenwand und Foppmandl, Kesselspitze, Lämpermahdspitze und Peilspitze.

phantastischer Blick nach Westen mit Habicht, Glättespitze, Ruderhofspitze, Äußere Wetterspitze, Zuckerhütl, Wilder Freiger, Sonklarspitze,

Im Nordwesten die zackig bizarre Ilmspitze, die Kalkwand und der mächtige Habicht, die Glättespitze, die Ruderhofspitze etwas weiter entfernt, die Äußere Wetterspitze, weiter entfernt das Zuckerhütl mit 3.508 m der höchste Berg in den Stubaier Alpen Wilder Freiger und Sonklarspitze, der bärige Östliche Feuerstein, der Hohe Zahn und der Pflerscher Pinggl im Südwesten.

v. re.: nach der Schneetalscharte die Schwarze Wand, Nördlicher Rosslauf, Obernberger und Kleiner Tribulaun; am Ende des Kamms das Kreuzjöchl

Mit der schönen Felsgestalt des Pflerscher Tribulauns beginnt die Tribulaungruppe im Süden, es folgen gegen Südosten der Gschnitzer und der Obernberger Tribulaun und der Nördliche Rosslauf. Dazwischen liegt die Schwarze Wand, die in einer grandiosen Umrundung eines der Gipfelziele darstellt. In genau dieser Richtung liegt auch unsere Überschreitung zum Kreuzjöchl und Muttenkopf.

gegenüber der langgezogene Muttenkopf und nach dem Muttenjoch der Spitz „Am Hohen Kreuz“, ganz links herrliche Bänderkalkmarmore in den Felsen eingelagert

Den Reigen nach Osten schließen die leichten Schitouren auf die Rötenspitze, den Leitnerberg und den Eggerberg ab und man könnte nur den Radius der Betrachtung erweitern und die Gipfel von Obernberg, dem Tuxer Hauptkamm und den Tuxer Alpen nennen, von denen sich viele hier beschrieben finden.

im rechten Bilddrittel die Rötenspitze und links davon der Leitner- und Eggerberg, ganz links Gschnitztal

Unser Ziel, die Überschreitung zum Kreuzjöchl und über die Schneetalscharte zum Muttenkopf musterten wir nochmals genau, bevor wir nach äußerst kurzer Rast das Hohe Tor verließen. Ein direkter Abstieg ist nicht möglich, die Südflanke bricht mit ungeheurer, fast senkrechter Wand über 50 Hm auf den wiesenbewachsenen Grat ab. Wir stiegen also die Aufstiegsmulde hinab bis zum Wandfuß und ein paar Meter weiter, um höhenparallel zum Grat zu queren.

nach dem Abstieg vom Hohen Tor am Weg auf den Gratkamm nach Süden zum Kreuzjoch; die Türme am Kamm wie Häuser mit Satteldach gebaut

Dabei ist ein enormes Trümmerfeld zu durchschreiten, lauter Abbruch von des Hohen Tors Südflanke. Unser Ankunftspunkt war nicht das obere Schuttfeld unterhalb der Felsen, sondern eine verkümmerte Gratrippe, die einfach überstiegen wird, um leicht aufwärts zum Gratkamm zu gelangen.

Rückblick auf den formschönen Gipfelaufbau des Hohen Tors; rechts unten Andis Position zeigt den Ankunftspunkt nach der Blockwerkstrecke

Als Grat im klassischen Sinn ist der Übergang im Nachgang geurteilt an den wenigsten Stellen zu bezeichnen. Am treffendsten kann er die Schärfe etwas abschwächend als Gratkamm betitelt werden. Im Allgemeinen ist er zwar mit spitzer Krone ausgeprägt, jedoch bleiben die Flanken auf breitem Band wenig geneigt und ungefährlich für den Absturz. Weiters führt ein fast durchgehender Steig wechselweise durch beide Seiten der Kammhöhe. An wenigen Stellen ist erhöhte Aufmerksamkeit vonnöten.

Beginn der Überschreitung, die vorwiegend westlich der Grathöhe verläuft

Bis zum Kreuzjöchl sind drei höhere Köpfe zu überqueren, wobei der letzte vor dem Kreuzjöchl vom Steig ostseitig umgangen wird, in unserem Fall im Herbst auf sehr unangenehmen gefrorenen Altschnee mit eisiger Oberfläche, bei der der Verfasser mit seinem Partner, der die heiklen Stellen unbekümmert überquerte, fest schimpfen mußte, warum diese unnötigen Stellen nicht auf der Kammhöhe ohne Eis erledigt wurden. Wir sparten uns damit etwa 20 Hm Aufstieg.

und übernimmt die Führung, weil er selten fotografiert

Generell ist zu diesem Übergang zu sagen, daß er landschaftlich vorzüglich gelegen ist und wir auch zum Genuß der Ausblicke einige Male stehen geblieben sind. Auf die Westseite bricht der Kamm jäh und meist mit ansehnlichen Wandhöhen in Sandestal ab. Hier ist also Vorsicht geboten beim Umherschauen während des Marschierens. Auf die Ostseite erkennt man von der Frontalansicht ebenfalls Felsstufen, die jedoch in ihrer Höhe weit nicht so mächtig sind als westseitig. Außerdem ist die Hangneigung bis zur Abbruchkante moderater.

ein erster Rückblick auf die schönen Wiesenbuckel

Den Kamm kann man sich im Schnitt wie die Stirnansicht eines Hauses mit Satteldach vorstellen, links und rechts die Wandflanken und mittig das Dach als meist gleichschenkeliges Dreieck aufgesetzt, aber auch übergehend in ein Pultdach, sodaß auf der Westseite die Wand gleich an der Kammhöhe ansetzt und kaum ein Hang bis zur Abbruchkante führt.

Kamelhöckern gleich stehen sie da die schönen wiesenbewachsenen Kalkphyllitbuckel

So manches Mal muß man den Steig im Auge behalten, um nicht auf eine der zahlreichen Tierspuren abzurutschen oder aufzusteigen, wobei der Steig äußerst wahrscheinlich auch nur ein Tierspurpfad darstellt, der vielleicht durch menschliches Zutun etwas komfortabler gestaltet wurde, obwohl nirgendwo kartografisch verzeichnet. Möglicherweise wurde die Überschreitung früher viel öfter ausgeführt und es gab einmal einen bezeichneten Steig. Wenn es so war, verwundert es nicht, daß er nicht mehr geführt wird, denn diesen pflegen zu müssen bedeutet enorme Anstrengungen.

etwa die Hälfte des Übergangs ist an dieser Stelle geschafft

Viel an außergewöhnlichen Stellen an diesem herrlichen Übergang gibt es nicht zu berichten. Bis auf die jahreszeitlich bedingte Vereisung, die sehr unangenehm bis lebensgefährlich sein kann, ist er überwiegend harmlos, wenn man aufmerksam unterwegs ist. Am Ende, dort, wo der keilartige Gipfelaufbau auf das Kreuzjöchl beginnt, wird das Terrain wieder interessanter.

etwas Abwechslung am Gratkamm durch kleine Abbrüche ins Sandestal hinab; der Kopf voraus war ostseitig zu umgehen und stellenweise vereist

Wir erreichten eine Stelle auf der Westseite, bei der der Steig plötzlich endete und aber ein Band westseitig unter den Felsen schräg nach oben weiterführte, das nicht begangen aussah. Es wäre also naheliegend gewesen, auf die Ostseite hinüber zu schauen, um sie zu erkunden. Statt dessen unterbrachen wir unseren Schritt nicht und probierten weiter fort zu kommen, was bis zum Kreuzungspunkt mit dem zum Gstreinjöchl umbiegenden Grat gelang.

bereits am Aufstieg zum Kreuzjöchl; etwas oberhalb dieser Stelle könnte man wahrscheinlich direkt auf die Nordkante zum Gipfel wechseln

Wahrscheinlich hatten wir mit unserem Marschierfluss gerade dort den Normalaufstieg auf das Kreuzjöchl verpaßt, der von der Kammhöhe auf den wiesenbewachsenen Rücken geführt hätte.
Unser Weg hatte jedoch auch eine schöne Note und zwar in der leichten Kletterei über etwa 20 Hm auf den Gipfel des Kreuzjöchls sowie die gute Einsehbarkeit des Kammrückens weiter zum Gstreinjöchl – sehr wahrscheinlich eine andere schöne Tour.

wir bleiben auf der Westseite und stiegen an der Westflanke über etwa 20 Hm auf den Gipfel des Kreuzjöchls

Am Kreuzjöchl wuchs nun die Spannung, ob es einen leichten Übergang zum Muttenkopf gäbe. Beim Blick nach unten mußte der Kopf in Sattelmitte als fraglich bezüglich seiner Überkletterung eingestuft werden, geneigte Flächen sehen jedoch frontal stets steiler aus, als sie in Wahrheit sind.

Andi erkundet vor und erreicht direkt den wenig ausgebildeten Gipfelpunkt

Mit gemischten Gefühlen betrachteten wir die Vorderseite und konnten die Rückseite aber nicht einsehen. Es könnte sein, daß wir dort vor einem unüberwindbaren Abbruch stehen. Vom Hohen Tor aus sah der Buckel auf seiner Ostseite nicht steil aus, aber Details konnten wir von dort kaum erkennen.

Gipfelpunkt am Kreuzjöchl mit verfallenem Gipfelkreuz, dahinter die Schwarze Wand und die Tribulaune

Wir hielten uns am Gipfel nur zu einer kurzen Trinkpause auf und stiegen nach ein paar Dokumentationsbildern über den breiten Ostrücken in Richtung Schneetalscharte ab. Dabei hielten wir uns nicht an der Südkante, sondern etwa mittig am Hang nach unten, da nach Einschätzung von oben dort das leichteste Durchkommen durch die Absätze, die vom Kalkphyllit zum bankigen Kalk und wieder zum Kalkphyllit am Fuß wechselten, zu erwarten war. Der Hauptdolomitsockel des Kreuzjöchls wird bis zum Übergang auf das Joch nicht erreicht, wie der Rückblick zeigt.

Rückblick auf die phantastische schöne Gratkammstrecke vom Hohen Tor

Eine abschließende Stufe von etwa 3 m Schichthöhe beendete den Abstieg unter leichter Kletterei und wir konnten auf das Joch leicht abwärts hinaus queren. Vorher noch musterten wir den pilzartigen mächtigen Kopf, der so kühn den Sattel zwischen Kreuzjöchl und Muttenkopf durchtrennte und eine eigene zu überwindenden Hürde am Übergang darstellt. Er sah anspruchsvoll aus.

der zweite Teil der Überschreitung; Abstieg zur Schneetalscharte und über den Pilzkopf auf den Muttenkopf

Am Grat im Joch sahen wir einige Spuren den mächtigen Kopf südlich umrunden und dachten schon, es sei der Normalweg.

direkter Blick auf den Sattel zwischen Kreuzjoch und Muttenkopf; mittig der Pilzfelskopf

Andi preschte am Grat bleibend vor, umrundete den ersten kleinen Kopf, stand urplötzlich in der Scharte zwischen beiden Köpfen und schrie herunter: „ das geht!“ und war bereits verschwunden. Beim nächsten Rufkontakt stand er bereits auf dem Plateau des Pilzkopfes und schrie abermals herab: „ganz easy!“.

leicht südöstlich schräg auf das Joch zugesteuert

Der Verfasser folgte ihm über die ersten Stufen und bei einem Abschwung mit etwas Drehung, an dem beide Hände einen einzigen Block umgriffen, passierte es gleich wie am Anstieg von der Jägerkarlspitze auf die Praxmarerkarspitze, daß der Felsblock ausbrach und der Autor fast einige Meter tief gefallen wäre.

auffällige Gestalt des Pilzkopffelsens aus Nordwesten betrachtet

Im letzten Moment half ein Sprung nach vorne, um dem Ausdrehen auf den Rücken zu entkommen. Die Moral von der Geschicht: Es sind immer die leichten Stellen, die von Überraschungen gekennzeichnet sind.

Andi beim Erkunden der Möglichkeiten auf den Pilzkopf

Der Aufstieg über die beiden Abschnitte des Pilzkopfes, der übrigens nicht eine einzige Felsfläche aufweist, sondern mit einer Einschartung auf den zweiten und höheren Teil übergeht – eben dort, wo der Block ausbrach – war wirklich ein Genuss, den wir in mehreren Bildern in der Bildergalerie festgehalten haben.

nette Kletterei auf einer griffigen Platte im ersten Teil des Aufstiegs

So viel wir uns Gedanken über den ostseitigen Abstieg vom Kopf wir uns gemacht haben, so einfach war dieser dann auch. Über Tratten steigt man dort in die östlich der beiden Scharten zwischen Kreuzjöchl und Muttenkopf hinab, eine höchst einfache Angelegenheit.

und auf dem zweiten Teil der Wand ebenfalls mit vernünftigen Tritt- und Griffmöglichkeiten ausgestattet; der Blick zeigt auch den verschobenen Block, der bei der Drehung in die kleine scharte ausgebrochen und verschoben wurde

Wunderbar kann am Abstieg auch die Gegenseite mit dem Aufstieg auf den Muttenkopf eingesehen werden. Gleich konnten wir erkennen, daß wie ab dem soeben erstiegenen Pilzkopf nur noch Spaziergänge vor uns hatten und der spannende, abenteuerliche Teil der Reise hinter uns lag.

schließlich hinausgequert auf die Kante

Der Aufstieg gegenüber konnte einfach und ohne Kletterei rechts des mittig im Hang liegenden Felsköpfchens durchgeführt werden. Links davon zieht eine Schuttreise herab, die möglicherweise auch den Durchschlupf in das weite offene Kar darüber ermöglichen würde, wozu uns jedoch plagen, wenn es im Fels auch schön möglich ist.

und bequem den Ausstieg erreicht

Andi preschte vor und jubelte über den netten Aufstieg. Mit leichtestem Einsatz der Hände hatten wir die steilste Strecke rasch überwunden und schnauften über die Ostflanke des Muttenkopf bis zu den Wiesen hinauf, die sanft zum Gipfelkreuz führen. Ein bäriger Abschluß einer wunderschönen Überschreitung.

welch malerische Szenerie auf der zurückgelegten Strecke

Die Blicke zurück nach Nordwesten auf unsere Runde eröffneten erst so richtig die Schönheit des Kamms vom Kreuzjöchl gegen Norden. Ein halbes Stündchen gönnten wir uns am weiten Plateau des Muttenkopfs, um die beeindruckende Herbststimmung wirken zu lassen.

und der Andi schon wieder am Abstieg, leicht führen Tratten nach unten zur Schneetalscharte

Obwohl erst drei Uhr nachmittags stand die Sonne schon tief und aufziehende milchige Schleierwolken in großer Höhe verwandelte nicht nur die Sicht diffus, sondern ließ uns auch wissen, daß es mit der Wärme auf den Gipfeln in den nächsten Wochen rapide bergab gehen würde. Wir mußten uns warm anziehen.

welch malerische Szenerie auf der zurückgelegten Strecke

Am Abstieg auf dem Wanderweg entstanden stimmungsvolle Bilder, die in der Bildergalerie am Ende des Berichtes zu sehen sind.

Hohes Tor mit dem schönen Gratkamm, dahinter Habicht und der Serleskamm

Im Frühsommer unternahm der Verfasser eine Vorerkundung auf das Muttenjoch, dessen Bilder mit knappem erklärendem Bericht in einer Fotodokumentation zusammengefasst wurden, der nebst Frühjahrsimpressionen den Aufstieg vom Tal über die Rossgrube zum Muttenjoch dokumentiert.

Hohes Tor im Zoom, dahinter der Serleskamm mit den Dolomitbergen

Man könnte beispielsweise einen Familienausflug unternehmen, bei dem die minder starken Mitglieder den Normalweg auf das Muttenjoch oder sogar auf den Muttenkopf aufsteigen, die Bergsteiger die oben beschriebene Runde absolvieren und alle gemeinsam ins Gschnitztal absteigen.

soeben beschrittener grandioser Gratkamm vom Hohen Tor zum Kreuzjöchl

Die phantastische Runde über eine der unerklärlichsten geologischen Besonderheit des Landes durften wir in neun Stunden bewältigen.

Freude über die schöne Reise ins Gesicht geschrieben

Auf der bezaubernden Reise leisteten wir Steigarbeit über 1.690 Hm auf einer mittellangen Strecke von 12,6 km.

leuchtend herbstliche Kerzen vor der schönen Kulisse der Zeisspitze

Mils, 19.10.2025

1 H. Klier, Alpenvereinsführer Stubaier Alpen, 8. Auflage 1976, R. Rother, München

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